Vielen Dank, Herr Minister. - Das Wort erhält noch einmal die CDU-Fraktion. Die Abgeordnete Schier hat noch zweieinhalb Minuten Gelegenheit zu erwidern.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Nonnemacher, Sie haben Recht: Wie will man das kategorisieren? Neulich habe ich in meiner Gemeinde eine 82-jährige Frau angesprochen und zum Seniorenkreis herzlich eingeladen. Sie hat erwidert: Da sind doch nur Alte! - Wo also sollen wir anfangen? Wer ist alt und wer nicht? Das ist schwierig.
Diese Große Anfrage passt mit der vorherigen, die das Ehrenamt zum Gegenstand hatte, super zusammen. Beide gehören auch zusammen, und man muss sie aufarbeiten. Es geht zum Beispiel um die Schaffung neuer Wohnformen, das Organisie
ren von Alten-WGs, die Sicherstellung der medizinischen Versorgung und die Förderung des Ehrenamtes. Dafür war die Große Anfrage eigentlich gedacht. Wir haben nicht die Absicht, die Antworten in die unterste Schublade zu legen, nachdem wir ein ganzes Ministerium damit beschäftigt haben. Wir wollen sie nutzen, um weitere Handlungsschritte daraus abzuleiten. - Vielen Dank.
Wir sind am Ende der Aussprache angelangt. Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 3 zur Kenntnis genommen. Vielen Dank.
Das Wort erhält zunächst der Abgeordnete Tomczak. Er spricht für die einbringende Fraktion. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind uns in folgendem Punkt sicherlich einig: Kleine und mittlere Unternehmen - kurz: KMU - sind für die Sicherung von Beschäftigung und Wohlstand nicht nur in der EU insgesamt, sondern auch in Deutschland und damit in Brandenburg von entscheidender Bedeutung. Das Potenzial der KMU schafft Arbeitsplätze und entlastet damit auch die sozialen Sicherungssysteme. Nach dem Grundsatz „Vorfahrt für KMU in Europa“ stärkt der Small Business Act im Zuge der Initiative für kleine und mittlere Unternehmen in Europa deren Wettbewerbsfähigkeit im Binnenmarkt und auf den internationalen Märkten. Diese 2008 begonnene sowie 2009 und 2010 weitergeführte Initiative fordert - neben vier weiteren Maßnahmen - die Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges. In Deutschland wird mit einem neuen, seit dem 1. Januar 2009 geltenden Gesetz die Position von Gläubigern gestärkt.
Die Neufassung der Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr muss auch in Brandenburg zur Wirkung kommen. Die Änderung der gegenwärtigen Situation im Zahlungsverkehr ist dringend notwendig - wir meinen, überfällig. Das alltägliche Problem, mit dem sich Auftragnehmer der öffentlichen Hand herumschlagen müssen, ist die schlechte Zahlungsmoral öffentlicher Auftraggeber im Land und in den Kommunen. Branchenübergreifend warten Unternehmer häufig monatelang auf die fällige Zahlung, nachdem sie öffentlichen Auftraggebern ihre Rechnung geschickt haben. Vertreter der Fachgemeinschaft Bau und der IHK hören oft Klagen über die Zahlungsmoral öffentlicher Auftraggeber.
Eigentlich dürfte das nicht vorkommen; denn es gibt Gesetze und Vorschriften, die Zahlungsverkehr, Fälligkeiten und Verzugszinsen regeln, angefangen bei der Verdingungsordnung bis hin zum Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen aus dem Jahr 2000. Gemäß diesem Beschleunigungsgesetz dürfen Unternehmen säumigen Kommunen und Ländern seitdem höhere Verzugszinsen berechnen. Auch der Zeitpunkt, nach dem die Schuldner in Verzug sind, ist eindeutig geregelt: 30 Tage nach Fälligkeit der Rechnung. Dafür hat aber der Gesetzgeber die Fälligkeitsfrist auf zwei Monate verlängert. Fazit: Alles in allem darf sich ein öffentlicher Auftraggeber nun drei Monate mit der Bezahlung Zeit lassen. Diese Frist wird reichlich ausgenutzt. Zusätzlich dürfen die Auftragsbehörden bei Verdacht auf Mängel die dreifache Summe dessen einbehalten, was für deren Beseitigung notwendig ist. Das ist gleich dreimal so viel wie vor Inkrafttreten dieses Gesetzes zur „Beschleunigung“ fälliger Zahlungen.
Da stellt sich die Frage: Warum lassen sich private Auftragnehmer dieses Prozedere gefallen? Unternehmen, die sich gegen schlechte Zahlungsmoral zur Wehr setzen, sind die Ausnahme. Sie müssen manchmal sogar drastische Folgen in Kauf nehmen. So können Firmen wegen ausbleibender Zahlungen der öffentlichen Hand ihren Mitarbeitern den fälligen Lohn nicht zahlen, oder Firmen werden gänzlich zahlungsunfähig, auch gegenüber anderen privaten Lieferern und Dienstleistern - ein Dominoeffekt.
Die Situation wird verschärft durch die Pflicht zur fristgemäßen Umsatzsteuerabführung nach Rechnungslegung. Dem steht jedoch eine verzögerte Auftragsbezahlung gegenüber.
Kaum jemand der Betroffenen riskiert es, sich wegen dieses Zahlungsverzugs bei den Ämtern unbeliebt zu machen, um nicht bei künftigen Ausschreibungen bzw. Vergaben nicht mehr berücksichtigt zu werden. Ein gehörtes Zitat dazu: Ich beiße doch nicht die Hand, die mich füttert! - Die so entstehende Abhängigkeit öffnet der Korruption schon einen schmalen Türspalt. Dieser Missstand muss bekämpft werden. Dagegen müssen wir aktiv werden.
Die Neufassung der Richtlinie 2000/35/EG soll helfen, die vorgenannten Missstände zu ändern. Wir wissen, dass auf uns bis 2019 Mindereinnahmen aufgrund sinkender SonderbedarfsBundesergänzungszuweisungen und sinkender Zuschüsse vom Bund und der EU zukommen werden. Wir haben das in der heutigen Haushaltsdiskussion mehrfach gehört, das ist auch allgemeine Meinung. Nicht zuletzt der demografische Wandel, von dem das Land Brandenburg nicht unwesentlich betroffen sein wird, tut ein Übriges auf der Einnahmenseite.
Deshalb muss gegengesteuert werden - so, wie wir es mit dem FDP-Antrag heute von Ihnen fordern, Sie um Ihre Mitwirkung bitten. Es ist notwendig, die kleinen und mittelständischen Unternehmen durch bessere Rahmenbedingungen in Brandenburg zu stärken. Es geht um die Bestandssicherung der KMU durch pünktliche Zahlung der öffentlichen Hand an diese Unternehmen. Es geht um den Erhalt der Unternehmen mit ihren Arbeits- und Ausbildungsplätzen. Es geht um Partner des soziokulturellen Lebens in der Kommune. Hier ist Hilfe sprich: Unterstützung zur Selbsthilfe - gefordert.
Wir, die FDP-Fraktion, meinen: Die Landesregierung muss die Neufassung der Richtlinie 2000/35/EG unterstützen und umsetzen. Auch sollte eine landesspezifische Gestaltung im Sinne
kürzerer Zahlungsfristen rechtlich möglich gemacht werden. Ich verweise auch auf Punkt 2 unseres Antrags:
„Die Landesregierung wird aufgefordert, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür einzusetzen, dass sich die Kommunalebene ebenfalls bereits jetzt eine freiwillige Selbstverpflichtung“
Wir schaffen hiermit die Voraussetzungen für eine Wirtschaftsfördermaßnahme, die keine Kosten verursacht. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tomczak. - Wir kommen zur SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Kosanke hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Tomczak, es mag sein, dass die öffentliche Hand manchmal schlecht und spät zahlt. Das gibt es. Es ist auch richtig, etwas dagegen zu tun. Mich verwundert allerdings, was in Ihrem Antrag steht, denn damit erreichen Sie genau das Gegenteil. Das will ich im Folgenden erklären, weil es eine komplizierte Materie ist. Es wurde schon angesprochen: Es geht um eine EU-Richtlinie.
Diese EU-Richtlinien sollen nicht nur für Brandenburg in nationales Recht umgesetzt werden, sondern sie gelten für ganz Europa. Eine Verbesserung in Europa ist nicht immer eine Verbesserung in Deutschland und vor allem nicht immer eine Verbesserung in Brandenburg. Das ist der erste Punkt.
Bevor diese Richtlinie vor 10 Jahren in Kraft trat, gab es ein Gesetz der rot-grünen Bundesregierung zur Beschleunigung des Zahlungsverkehrs, was schon damals über die Richtlinie hinausgegangen ist und die Zahlungsmoral nicht erhöht hat, aber die Rechte der Unternehmen, fällige Zahlungen einzutreiben. Das gab es, das gibt es heute.
Was jetzt passiert, 10 Jahre später, ist, dass diese EU-Richtlinie überarbeitet wird. Jetzt gibt es eine CDU/FDP-Koalition, die eine Sache in diese Neufassung der Richtlinie eingebracht hat, nämlich eine zusätzliche Prüffrist von 30 Tagen für Kommunen. Dass also die Kommunen einen Monat später bezahlen dürfen, hat die FDP, die uns heute hier diesen Antrag beschert hat, von der Bundesebene aus nach Europa durchgesetzt. In 10 Tagen wird das beschlossen. Der Ausschuss hat sich gestern einstimmig positioniert. Insofern werden wir das nicht mehr verhindern können.
Wir als SPD haben uns dort natürlich auch eingebracht und zumindest erreichen können - wir regieren im Bund leider nicht mit, es ist also leider nicht so schön wie vor 10 Jahren, als wir das Gesetz gegen den Zahlungsverzug einbringen und durchbringen konnten -, dass diese 30 Tage Prüffrist an bestimmte Ausnahmefälle gekoppelt werden. Mehr war leider nicht drin.
Was versucht die FDP jetzt? Die FDP versucht, hier in Brandenburg eine unternehmensfeindliche Regelung noch schneller in geltendes Recht umzusetzen, als es nötig ist, und sie versucht auch noch, sie als unternehmensfreundlich darzustellen. Ich zitiere einmal die, die das am meisten betrifft, das ist die Bauwirtschaft. Sie hat die meisten Aufträge von der öffentlichen Hand und auch die meisten Probleme mit den säumigen Zahlern. Gemeinsame Presseerklärung vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. und dem Zentralverband Deutsches Baugewerbe e. V.:
Meine Damen und Herren von der FDP, man muss Ihnen einfach sagen: Ein Unternehmen, das erfolgreich arbeitet, muss zwei Dinge tun: Es muss Qualität liefern, und es muss dann über diese Qualität vernünftig reden. Das gehört immer dazu. Man muss schnell sein, schnell waren Sie an der Stelle, und man muss dann das Schaufenster vernünftig beschriften. Qualität haben Sie nicht geliefert. Das habe ich Ihnen gerade erklärt. Darüber reden ist natürlich auch schwer, wenn man Widersprüchliches behauptet und auf der einen Seite für Regelungen kämpft, die vielleicht an der Stelle kommunalfreundlich sind. Allerdings würde ich das nicht so sagen, weil unsere Kommunen Interesse daran haben, dass ihre Unternehmen rechtzeitig bezahlt und so vor drohenden Insolvenzen bewahrt werden.
Wenn Sie schon Schaufensterpolitik machen, dann verstricken Sie sich nicht in Widersprüche! Wir werden diesen Antrag ganz klar ablehnen.
Ich kann die Damen und Herren von der CDU nur bitten, Ihrer signalisierten Zustimmung vielleicht ein kleines Fragezeichen hinzuzufügen und sich vielleicht zu enthalten. Es ist natürlich so eine Geschichte: Auf Bundesebene wurde es nach vorne gebracht. Man muss jetzt natürlich mitmachen. Aber hier eine so unternehmensfeindliche Regelung umsetzen zu wollen, das brauchen wir in Brandenburg nicht. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kosanke. - Die Aussprache wird durch die CDU-Fraktion fortgesetzt. Der Abgeordnete Bommert hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kosanke, wir werden natürlich unsere eigenen Schlussfolgerungen ziehen; denn man muss ganz klar sagen: Es gibt mehrere Verbände und mehrere Bauindustrieverbände. Die ganz großen haben zu manchen Sachen eine andere Ansicht als die mittleren.
Das Thema, das wir hier besprechen, ist sehr ernst, und es treibt vielen Unternehmern in Brandenburg Sorgenfalten ins Gesicht. Die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand bewerten viele Firmen als schlecht. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes hat im Herbst vergangenen Jahres seine Mitgliedsunternehmen zu diesem Thema befragt. Dabei kam heraus, dass gut ein Viertel der Baubetriebe die Zahlungsmoral der Auftraggeber als gut oder sehr gut bewertet. Der Rest sagt, sie ist schlecht. Die privaten Auftraggeber schneiden wesentlich besser ab. In mehr als der Hälfte der Fälle überschreitet die öffentliche Hand die zweimonatige Frist der Schlusszahlung. Selbst die zwei Monate, die schon vorgegeben sind, werden nochmals überschritten, in 70 % der Fälle um mehr als über einen Monat. Knapp jede fünfte Zahlung öffentlicher Auftraggeber lässt sogar bis zu sechs Monate auf sich warten.
Rund 3 % dieser Rechnungen werden erst nach sechs Monaten bezahlt. Nur knapp die Hälfte der öffentlichen Auftraggeber bezahlt ihre Rechnungen innerhalb eines Monats. Zum Vergleich: Bei den privaten Auftraggebern zahlen knapp 40 % ihre Rechnung innerhalb einer Woche, Abschlagsrechnungen werden laut ZEB sogar von fast 60 % innerhalb einer Woche bezahlt, nur 5 % benötigen länger als sechs Monate.
Ich kann an dieser Stelle sagen: Persönlich habe ich diese Erfahrungen nicht gemacht. So schlechte Erfahrungen habe ich mit der öffentlichen Hand nicht. In meinem Betrieb habe ich bis jetzt diese Rechnungen bezahlt bekommen, meistens innerhalb der Fristen. Ich kenne aber genug Kollegen, bei denen das nicht so ist.
Es ist gut, dass die Fristen so geregelt sind und dass innerhalb dieser Zeit bezahlt werden soll, aber die Realität ist nicht so. Das ist das Problem, das wir anpacken müssen. Die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand ist nicht gewährleistet.
Für die Unternehmer in Brandenburg ergibt sich noch ein weiteres Bild. Kommunen versuchen, in öffentlichen Einrichtungen ihre wirtschaftliche Betätigung auszuweiten, um ihre defizitären Haushalte teilweise zu sanieren. Wenn dann ausgeschrieben wird, lässt die Zahlungsmoral stark zu wünschen übrig, und Unternehmer rennen lange ihrem Geld hinterher. Aus diesen Gründen ist die Verabschiedung der EU-Richtlinie für uns richtig und wichtig, und die Mitgliedsstaaten müssen diese auch umsetzen. An dieser Stelle möchte ich ein Zitat einflechten.
„Ich freue mich außerordentlich, dass wir den Vertretern der Mitgliedsstaaten eine generelle Zahlungsfrist von 30 Tagen abringen konnten. Das ist eine gute Nachricht für alle kleinen und mittleren Unternehmen.“