Protocol of the Session on October 6, 2010

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mächtig. - Wir setzen mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete Nonnemacher wird zu uns sprechen. Heute sind einige Abgeordnete sehr stark belastet.

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Werte Gäste! Ich bin Bürgerin einer der Kommunen, nämlich der Stadt Falkensee mit 40 000 Einwohnern, die am 01.01.2011 von Herrn Innenminister Woidke zur Großen kreisangehörigen Stadt ernannt werden. Nun hat die Ankündigung dieser Ernennung schon seit gut einem Jahr in meiner Gemeinde eigentlich wenig Euphorie hervorgerufen, möchte ich sagen, sondern mehr Ernüchterung und Verwirrung geschaffen. Es hieß: Was müssen wir denn dann machen? Was kommt dann auf uns zu? Kostet das etwas? Hat der Kreis nicht die Leute sowieso? Also, es war eigentlich zu merken, dass niemand so richtig wusste, was er mit dem Titel Große kreisangehörige Stadt anfangen soll.

Ich finde, das, was in diesem Gesetzentwurf, der sich für Nichtjuristen schaurig liest, geregelt wird, ist doch eigentlich nur, dass Aufgaben der Verkehrsüberwachung nicht automatisch mit dem Titel übertragen werden, sondern nur auf Antrag, und dass verstärkt darauf geschaut wird, wo in diesem Land die Aufgaben gut und preiswert erfüllt werden können.

Dagegen haben wir nichts. Das ist vernünftig und sollte im Ausschuss weiter diskutiert werden. Wir stimmen der Überweisung und vermutlich auch diesem Gesetzentwurf zu.

Was hier aber anklingt - und das sind doch die eigentlichen Fragen der Zukunft -, ist, dass wir endlich die Funktionalreform angehen müssen. Es kann nicht sein, dass irgendwelche Entitäten von Großen kreisangehörigen Städten herumwabern und keiner weiß, was damit gemeint ist, sondern wir müssen uns wirklich der Frage widmen: Wo kann was preisgünstig und in hoher Qualität gemacht werden? - Danke schön.

(Beifall GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Nonnemacher. - Für die Landesregierung spricht noch einmal Herr Minister Dr. Woidke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann dem entgegentreten: Erster Klasse oder zweiter Klasse ist hier nicht die entscheidende Frage. Es geht darum - dafür bin ich Frau Nonnemacher ausgesprochen dankbar -: Kann bzw. will eine Stadt diese Aufgabe überhaupt übernehmen? Sie braucht dazu Ressourcen, Geräte und Personal. Will eine Stadt dies tun, oder arbeitet sie weiterhin in guter Qualität mit den kreislichen Behörden - so ist es in den drei Städten bisher geregelt - zusammen? - Das ist die erste Frage. Oder aber wird diese Aufgabe automatisch übertragen, auch wenn es die Stadt eigentlich gar nicht will?

Der zweite Punkt ist: Natürlich ist die Wirtschaftlichkeit von der Einwohnerzahl abhängig. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade bei dieser Aufgabe die Wirtschaftlichkeit sogar sehr eng mit der Einwohnerzahl verbunden ist und es schon Sinn macht zu prüfen: Ist diese Wirtschaftlichkeit gegeben, wenn es jemand tun will?

Neben der Wirtschaftlichkeit spielt natürlich die Effizienz eine große Rolle, aber auch die Wirksamkeit der Verkehrsüberwachung, weil dann die Zuständigkeit der bisher tätigen Behörden entfallen würde. Deswegen, denke ich, ist es gut, wenn der Überweisung in den Innenausschuss zugestimmt wird, damit dann nochmals sachlich und fachlich über dieses Thema gesprochen wird. - Danke sehr.

(Beifall SPD)

Herr Minister, es gab Fragebedarf, auch zur richtigen Zeit angemeldet, beim Abgeordneten Goetz; entschuldigen Sie.

Bitte.

Herr Minister, Sie sagten, dass die Einwohnerzahl maßgeblich dafür sei, ob eine Stadt in der Lage ist, die Aufgaben der mobilen Verkehrsüberwachung wahrzunehmen. Muss ich Sie dann so verstehen, dass Sie beabsichtigen, zum Beispiel der Stadt Eisenhüttenstadt diese Aufgabe zu entziehen?

Es stellt sich nicht die Frage, welche Aufgaben entzogen werden, es stellt sich erst einmal die Frage, welche Städte überhaupt eine weitere Aufgabenübertragung bekommen. Das Prinzip, das bisher galt, ist klar: Wir wollen dafür sorgen, dass, wenn Aufgaben übertragen werden, diese wirtschaftlich erfüllt werden können und die Kommunen nicht vor zusätzliche Probleme stellen. Ich denke, das ist im Sinne aller, weil wir die kommunale Situation bestens kennen. Man sollte auch mit dem Herunterzoomen von Aufgaben sehr vorsichtig sein.

Weil Herr Petke vorhin etwas zur Funktionalreform sagte: Es ist nicht immer so, dass eine Aufgabe umso effektiver erfüllt werden kann, je weiter unten sie erfüllt wird. Auch das sind Fragen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben; aber ich bin zu jeder Diskussion bereit. - Danke.

Vielen Dank. - Eine Kurzintervention ist angemeldet worden. Der Abgeordnete Petke hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir nähern uns diesem Thema, und ich denke, auch Frau Kollegin Stark wird vor dem Parlamentarischen Abend vielleicht etwas klüger sein.

Herr Minister, ich nehme Ihr Angebot ausdrücklich an, dass wir darüber sprechen können, ob eine Kommune diese Aufgabe annimmt oder nicht. Aber dann muss man doch nicht in einen Gesetzentwurf der Landesregierung schreiben, dass diese Aufgabe „auf Antrag“ übertragen werden kann. Dann können wir eine Kannregelung einführen, dass die Kommunen diese Aufgabe übernehmen, wenn sie sie wahrnehmen wollen, oder es eben lassen, wenn sie es lassen wollen.

(Beifall CDU)

Zu Ihrem Argument, dass dies allein von der Einwohnerzahl abhängig sei, darf ich einmal zitieren: „11 Gemeinden, deren Einwohnerzahl ganz überwiegend zwischen 5 000 und 10 000 lag“, erfüllen diese Aufgabe. Elf Gemeinden! Warum sollen dann Gemeinden, die 30 000 und mehr Einwohner haben, diese Aufgabe nicht entsprechend wahrnehmen können? Hier stellt sich grundsätzlich die Frage, wie die Landesregierung den Kommunen gegenübertritt: mit Misstrauen - die Gefahr, Frau Kollegin Stark, wird hier beschrieben als Gefahr für das Land, weil das Konnexitätsprinzip gilt - oder mit Vertrauen, sodass die Kommunen vor Ort entscheiden können, ob eine Aufgabenerfüllung wirtschaftlich und aus anderen Gründen vernünftig ist oder nicht.

Wir werden jedenfalls den Weg kritisieren, dass hier Kommunen, die Rechte nach Artikel 28 des Grundgesetzes haben, einen Antrag in Ihrem Ministerium prüfen lassen müssen, und dann die alte Regel gilt: In Potsdam ist man schlauer, als man es vor Ort ist. Das bezweifeln wir mit Recht. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petke. - Gibt es Bedarf, auf die Kurzintervention zu reagieren, Herr Minister? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit sind wir am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Das Präsidium empfiehlt Ihnen, meine Damen und Herren, die Überweisung des Gesetzentwurfs in Drucksache 5/2034, „Viertes Gesetz zur Änderung des Ordnungsbehördengesetzes“, eingebracht durch die Landesregierung, an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen?

Stimmenthaltungen? - Damit ist das Gesetz einstimmig an den Ausschuss für Inneres überwiesen worden.

Ich beende Tagesordnungspunkt 9 und eröffne Tagesordnungspunkt 10:

Gesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/1976

1. Lesung

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Markov zu uns.

Frau Vizepräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute früh, als wir über den Haushalt 2011 debattiert haben, die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5 auf 5 % als eine der sehr wichtigen zusätzlichen und dauerhaften Einnahmequellen für den Haushalt eingepreist. Ich weiß, es wäre besser gewesen, wir hätten dieses Gesetz zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer vorher gemacht, damit sicher ist, dass das, was wir in der Haushaltsplanung vorgesehen haben, dann auch tatsächlich Realität wird, wobei ich in diesem Falle auf die Mehrheit des Hauses vertraue.

Was erwarten wir davon? Wir erwarten, dass wir 2011 Mehreinnahmen in Höhe von insgesamt 37,5 Millionen Euro haben werden und damit natürlich auch, dass den Kommunen über ihren 20%igen Anteil 7,5 Millionen Euro mehr an der allgemeinen Verteilmasse zur Verfügung gestellt werden. Wenn man sich die Zahlen anschaut, stellt man fest, dass in der Haushaltsplanung 2009 eine Einnahme aus Grunderwerbsteuern - mit den 3,5 % - in Höhe von 109 Millionen Euro vorgesehen war, die für 2010 auf 107 Millionen Euro veranschlagt wurde. Wir lagen Ende August bei rund 60 Millionen Euro, sodass zu befürchten steht, dass wir beim Jahresabschluss 2010 unter der konzipierten Höhe bleiben.

Permanent klang an - auch heute Vormittag wieder von der CDU und der FDP -, das christliche Abendland sei in Gefahr, es sei eine unsoziale Steuer, wir verhinderten Investitionen, kein Mensch würde mehr in Brandenburg kaufen, und es sei rot-roter demokratischer Sozialismus - oder Kommunismus -, wenn man die Grunderwerbsteuer wieder erhöhte.

Hamburg hat die Grunderwerbsteuer erhöht; Hamburg ist CDU-regiert, soweit ich weiß. Sachsen-Anhalt hat die Grunderwerbsteuer erhöht; Sachsen-Anhalt ist CDU-regiert. Das Saarland, Niedersachsen und Schleswig-Holstein denken darüber nach, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen; sie sind CDU-regiert. Ich bin sehr gespannt auf Ihre abweisenden Reden zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer. Garantiert - das sage ich Ihnen - werde ich das Ihren Kollegen Finanzministern aus den CDU- und FDP-regierten Ländern zuschicken.

Welches sind die Länder, die permanent gegen den Länderfinanzausgleich zu Felde ziehen? Das sind die CDU-regierten Länder, die den Ostländern den Länderfinanzausgleich nicht

gönnen. Gleichzeitig sind dieselben Länder die, die vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Länderfinanzausgleich, mit der Begründung klagen, die Ossis sollen gefälligst erst einmal lernen, ordnungsgemäß Geld einzunehmen. Wenn wir als Landesregierung als einzige Möglichkeit einer Steuererhöhung die Grunderwerbsteuer haben, muss ich sagen: Mehr Steuern zu erheben liegt nicht in Landeshoheit. Wenn man von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, wird jedoch dagegen opponiert. Sie sollten sich irgendwann entscheiden. Man kann das politisch so oder so sehen. Das ist für mich vollkommen legitim, aber konsistent sollte es wenigstens sein.

Drittens: Sie fordern immer - vollkommen zu Recht - eine Begrenzung der Neuverschuldung. Ja, richtig; das haben wir heute früh debattiert. Die Neuverschuldung kann man begrenzen, indem man die Einnahmen steigert und die Ausgaben minimiert. Ich wiederhole: Wir minimieren die Ausgaben um 250 Millionen Euro und erhöhen die Einnahmen um 137 Millionen Euro. Ich finde, das ist der richtige Weg. Deswegen sage ich noch einmal: Die Grunderwerbsteuererhöhung ist moderat. Sie wird keinerlei Investitionsbremse sein. Seien Sie doch auch einmal etwas zuversichtlich in diesem Land Brandenburg! Wir sind ein attraktives Land. Die Menschen werden weiter nach Brandenburg ziehen wollen. Sie werden auch weiterhin in Brandenburg von einer Ortschaft in die andere wechseln. Sie werden auch weiterhin Grundstücke kaufen, und das kommt dem Landeshaushalt zugute.

In dem Sinne bitte ich Sie: Stimmen Sie zumindest in 1. Lesung diesem Gesetzentwurf zu - damit natürlich auch dem Haushalt - und lassen Sie uns diesen Weg zur Stabilisierung der Landesfinanzen gehen! - Danke schön.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort, für die der Abgeordnete Burkardt spricht.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Besser als der Finanzminister hätten wir die Kritik an dem Vorhaben, über das wir hier reden, nicht formulieren können. Brandenburg ist in der Tat Spitze, zumindest bei der Grunderwerbsteuer. Wenn der Finanzminister seine Ausführungen über das, was in anderen Bundesländern passiert, wenigstens so vollständig gestaltet hätte, wie es die intellektuelle Redlichkeit geboten hätte, dann hätte er auch die Grunderwerbsteuersätze genannt, die in diesen Ländern genommen werden bzw. genommen werden sollen. Es ist kein einziger Grunderwerbsteuersatz mit 5 % dabei; einige mit 4,5 %, andere mit 4 %. Das zum Thema: Was machen andere Länder, und was macht Brandenburg?

Dann gibt es die berühmten Rechenbeispiele, die in der Begründung zu diesem Gesetzentwurf genannt werden. Dort wird so getan, als ob die Anhebung von 3,5 Prozentpunkten auf 5 Prozentpunkte mit der Anhebung der Belastung für den einzelnen Käufer eines Grundstückes von 750 Euro auf 1 050 Euro gleichzusetzen sei. Wenn Sie schon 3,5 plus 1,5 auf 5 richtig rechnen, dann kommt entweder 700 auf 1 000 Euro

oder 750 auf 1 050 Euro heraus. Wer das Haushaltslochdesaster mit der Haushaltssperre erlebt hat, wird sich über diese Rechenkunststücke nicht wundern.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Die Belastung ist also weder maßvoll noch im Bereich von nur wenigen Hundert Euro. Sie beträgt insgesamt rund 40 % auf den Satz, der bisher zu zahlen war. Da haben - dieses Beispiel wird gestattet sein - die Käufer von Krampnitz und Babelsberg gleich zweimal Glück gehabt. Zum einen haben sie zum Vorzugspreis, zum Schnäppchenpreis ihre Grundstücke bekommen, zum anderen haben sie nur 3,5 % bezahlen müssen.

(Zuruf von der SPD)

Wenn Sie den realen Kaufpreis, den realen Verkehrswert des Grundstücks in Babelsberg nehmen und dann die 5 % draufschlagen, dann liegen Sie bei 50 000 Euro und nicht bei 14 500 Euro, wie es nach dem Schnäppchenpreis und nach der alten Grunderwerbsteuer gewesen wäre. Das sind weltfremde Beispielrechnungen, die der Finanzminister hier anstellt, Beispiele, die dort angelegt werden, wo ein Grundstücksmarkt nur in Rudimenten erkennbar ist. Richtigerweise hätte er Bespiele aus dem engeren Verflechtungsraum - die ganze Region um Berlin herum - und den Zentren des äußeren Entwicklungsraumes nehmen müssen,