Protocol of the Session on September 9, 2010

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Die Einnahmesituation der öffentlichen Hand dauerhaft und sozial gerecht verbessern

Antrag der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 5/1923

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE. Der Abgeordnete Görke hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die großen Defizite in den Etats des Bundes, der Länder und vieler Kommunen sind nicht Auswirkungen von Naturgesetzen, sondern die Folge einer falschen Steuerpolitik. Verschärft wird diese Situation durch die dramatischen Einnahmenrückgänge infolge der Wirtschaftskrise. Ich glaube, das ist unwidersprochen. Hiervon sind der Bund und die Länder gleichermaßen betroffen.

Der Bundeshaushalt wird im laufenden Jahr zu mehr als einem Viertel aus neuen Krediten finanziert. Das ist eine Rekordverschuldung. Auch die Zahlen für Brandenburg sind bekannt. In diesem Jahr mussten wir Mindereinnahmen in Höhe von 851 Millionen Euro politisch bewältigen - und das bei einem Gesamtvolumen von 10,5 Milliarden Euro. Ich möchte eine Feststellung treffen, Herr Kollege Petke: Egal, wer hier regiert,

(Petke [CDU]: Außer Sie!)

welche Farbe: Diese Dimension an Einnahmenausfällen ist bei diesem Ausmaß und dem geringen Zeitfenster, das wir jetzt haben, keineswegs durch Ausgabenkürzungen zu kompensieren. Deshalb sind die Länder, unser Land und die Kommunen in Brandenburg nicht in der Lage, diese Aufgaben zu bewältigen. Die Neuverschuldung - wir haben gesagt, wir werden sie in den kommenden Jahren stetig zurückfahren - ist eine Herausforderung, und genau deshalb müssen wir die Verbesserung der Einnahmensituation diskutieren.

Meine Damen und Herren! Sie wissen, dass 99 % aller finanzpolitischen Rahmenbedingungen durch den Bund zu beeinflussen sind. Genau deshalb gibt es die Aktivität der Koalition, die Landesregierungen in Berlin und in Brandenburg aufzufordern, auf Bundesebene eine Initiative für eine finanzpolitisch sinnvolle und sozialgerechte Steuerreform zu ergreifen. Dabei sollen folgende Maßnahmen berücksichtigt werden: Erstens die Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensbesteuerung unter Beibehaltung der derzeitigen Steuerprogression. Zweitens die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine sozial gerechte Anpassung der Erbschaftsteuer und die Weiterentwicklung - nicht die Abschaffung, meine Damen und Herren von FDP und CDU - der Gewerbesteuer durch eine deutliche Ausweitung der Bemessungsgrenzen.

Meine Damen und Herren! Die Verbesserung der Einnahmensituation ist unserer Auffassung nach die bessere Alternative als ein unsoziales Sparpaket der schwarz-gelben Bundesregierung, in dem zum Beispiel die Hartz-IV-Empfänger das Elterngeld angerechnet bekommen, der Zuschuss der Rentenversicherung entfällt, ebenso das Übergangsgeld für Arbeitslosengeld-I- und Arbeitslosengeld-II-Empfänger und der Heizkostenzuschuss gestrichen wird.

Herr Görke, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Bretz zu?

Ja, bitte.

Herr Kollege Görke, eine Nachfrage: Sie sagten gerade, Sie wollen die Anhebung des Spitzensteuersatzes unter Beibehaltung der bisherigen Progressionskurve. Führt das nicht zwangsläufig dazu, wenn man sich das mathematisch anschaut, dass dadurch gerade Gering- und Mittelverdiener in ihrer Steuerlast, auch wenn man die Progressionskurve so, wie sie ist, beibehält, zusätzlich belastet werden, weil sich die Relation innerhalb der Parallelverschiebung der Steuerprogressionskurve zulasten der Einkommen entwickeln würde? Das würde mich sehr interessieren.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Spitzensteuersatz!)

Sehr geehrter Kollege Bretz, ich denke, Sie haben das gesamte Konzept nicht verstanden, denn ich kann mir sonst nicht erklären,

(Beifall CDU - Jürgens [DIE LINKE]: Richtig!)

was Ihr Kollege Böhmer aus Sachsen-Anhalt erklärte vor Jahresfrist: Ich habe nichts gegen einen höheren Steuersatz für Besserverdienende. Oder ganz aktuell schlug Kollege Müller, er ist Ministerpräsident des Saarlandes, vor, den Spitzensteuersatz auf 48 % anzuheben. Ich denke, das spricht für sich, dass wir hier Regelungsbedarf haben.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Insofern meine ich, dass es gut ist, dass wir für eine notwendige Einnahmenverbesserung plädieren - in erster Linie von denen, die finanziell möglicherweise die Profiteure der Krise sind. Die geforderte Steuerreform soll eine finanzielle Grundlage sein, damit wir unser Gemeinwesen nachhaltig sichern und die Steuerlast, Herr Kollege, sozial gerecht verteilen.

Meine Damen und Herren! Ich komme noch einmal zu dem Spitzensteuersatz bei der Einkomensteuer zurück. Mit dieser Forderung stehen wir natürlich nicht alleine. Ich glaube, Herr Kollege Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrates zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, ist unverdächtig, der rot-roten Politik nach dem Munde zu reden. Er steht für eine stärkere Besteuerung. „Mit einem Spitzensteuersatz von 50 % hätte ich kein Problem“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „FOCUS“ kürzlich.

„Es geht nicht darum, zu sparen, sondern darum, die Defizite zurückzufahren - und zwar verursachergerecht.“

- So Bofinger. Genau das ist auch die Auffassung der Koalition hier in Brandenburg.

Auch die Wiedereinführung der ausgesetzten Vermögensteuer ist eine Frage der gerechten Verteilung der Steuerlast. In keinem anderen Land sind die Vermögenswerte so ungleich verteilt wie bei uns in der Bundesrepublik Deutschland. Zwei Drittel der Deutschen haben kleine oder nur geringe Vermögenswerte.

Das reiche Zehntel der Bevölkerung der Bundesrepublik hat dagegen fast zwei Drittel des deutschen Nettovermögens in einer Größenordnung von 5 Billionen Euro; zwölf Nullen. In Frankreich - man kann von dieser Regierung halten, was man will

wird das Privatvermögen schon seit Jahren besteuert. Ich glaube, dies ist in dieser Form auch in Deutschland langsam angemessen.

Um die Finanzsituation der Kommunen langfristig zu verbessern, regen wir an, auch die Gewerbesteuer deutlich auszuweiten, und zwar insofern, dass sich die Bemessungsgrundlagen verändern. Die Einbeziehung aller unternehmerischen Tätigkeiten, auch von Notaren, auch von Rechtsanwälten, steht für uns auf der Tagesordnung, um die Steuerpflicht auf eine breitere Ebene zu stellen.

Meine Damen und Herren! Die öffentliche Hand und somit auch der Haushalt in Brandenburg brauchen künftig nachhaltige Einnahmen für Investitionen in Bildung, für den Ausbau der sozialen Infrastruktur, für mehr Arbeit. Deshalb bitte ich darum, dass Sie diesem Antrag nachher Ihre Zustimmung geben. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Görke. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Burkardt wird sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

„Genug zu haben ist Glück. Mehr als genug zu haben ist Unheil. Das gilt von allen Dingen, aber besonders von Geld.“

So der weise Laotse vor 2600 Jahren.

Nun kann man natürlich kräftig streiten: Was ist genug? Das, was man hat, oder das, was man haben will? Schauen wir einmal.

Der Antrag der Linken und der SPD - die besondere Petitesse ist, mitanzuhören, wie die Linke hier einen Parteitags-, nein Parteivorstandsbeschluss der SPD begründet -

(Vereinzelt Beifall CDU)

läuft auf eine Anhebung des Spitzensteuersatzes unter Beibehaltung der derzeitigen Progression - das mathematische Problem wurde schon genau beschrieben - hinaus, Wiedereinführung der Vermögensteuer, sozial gerechte Anpassung der Erbschaftsteuer, Verbreiterung der Gewerbesteuerbemessungsgrundlagen.

Zentrale Aktion linker Polittheoretiker ist zu allen Zeiten gewesen, dass Geld beim Staat besser aufgehoben sei als bei dem, der es mit seiner Arbeit als Arbeitnehmer, Selbstständiger, Unternehmer erwirtschaftet hat. Die Praxis zeigt, dass die Politpraktiker in der SPD das meist anders sehen, dass die Absenkung von Steuersätzen, insbesondere des Spitzensteuersatzes, die volkswirtschaftliche Produktivität steigert und auf diese Weise natürlich auch zu Steuermehreinnahmen führt, und dass die Anhebung und Neueinführung von Steuern meist geradezu das Gegenteil befördert.

Der heutige Spitzensteuersatz - ein politisches Thema, das gern betrieben wird - von 42 % ist das Ergebnis der Steuerreform

2000, zu Beginn dieses Jahrhunderts. Daran war, wie die SPD in dem Bundesvorstandsbeschluss schreibt, die SPD auch beteiligt. Herr Vogel, ich darf daraus schließen, dass die Grünen die dominierende Fraktion in dieser Bundesregierung im Jahre 2000 gewesen sind, als diese Steuerreform beschlossen worden ist.

Am 01.01.2005 sind der Eingangssteuersatz auf 15 % und der Höchststeuersatz auf 42 % plus, nicht zu vergessen, den Solidaritätszuschlag - der wird gerne geschlabbert - gesenkt worden.

„Die mit der Steuerreform 2000 verbundenen Tarifabsenkungen entlasten alle Einkommenssteuerzahler, insbesondere Arbeitnehmer und Familien mit kleinen und mittleren Einkommen sowie mittelständische Personenunternehmen. Dies stärkt vor allem die Binnennachfrage, fördert die Schaffung von Arbeitsplätzen und verbessert die Anreize zur Aufnahme legaler Arbeit.“

So Hans Eichel im Dezember 2004. Wo Hans Eichel Recht hat, hat er Recht. Und wie Recht er hatte, können Sie an der Entwicklung der Steuereinnahmen sehen: von 2005 auf 2009 um 82 Millionen auf 524 Millionen.

Die SPD, stolz wie Oskar - das war jetzt ein freudscher Versprecher -, vermeldete schon 2002 in ihrem Wahlprogramm: Mit der Steuerreform haben wir die größte Steuerreform in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg gebracht. Frei nach Görke: die falsche Steuerreform.

Gute Finanzminister auf der Bundesebene hatten Sie bei der SPD schon immer, bis auf den einen, der gleich nach seiner Ernennung wieder von der Fahne gegangen ist. Wenn Sie nun in die umgekehrte Richtung marschieren, werden Sie das Gegenteil bewirken: weniger Investitionen, weniger Arbeitsplätze, mehr Kapitaltransfer. Brandenburg hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem. Brandenburg liegt bei 130 % der durchschnittlichen Einnahmen des Westens. Brandenburg hat aber 500 Euro je Einwohner mehr Konsumausgaben. Das macht 1,25 Milliarden mehr Konsumausgaben, als es die Westländer haben.

(Ness [SPD]: Also Kita weg?)

Sparen ist das Gebot der Stunde, nicht überbordende Ausgabeansätze bei Personal- und Verwaltungskosten, und sorgsamer Umgang, Herr Ness, mit dem Landesvermögen und nicht das, was wir in diesen Tagen zur Kenntnis nehmen müssen.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Meine Damen und Herren! Dass der Verstand, was die Wirkung von Steuern, das Wirken von Sparen, das Wirken von Ausgeben und Nichtausgeben, auch in dieser Regierung durchaus gelegentlich festzustellen ist, können Sie an dem nachfolgenden Zitat erkennen:

„Wenn ihr es clever anstellt, teilt ihr euer Geld so ein, dass es reicht, bis wieder neues kommt. Wenn ihr sehr gut damit haushaltet, bleibt sogar etwas übrig,“

(Zuruf von der CDU: Aha!)