Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter Petke wird zu uns sprechen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zensus bedeutet Volkszählung. Wer in die jüngere Geschichte unseres Landes zurückschaut, wird sich an eine Debatte zu einer beabsichtigten Volkszählung erinnern, die sehr emotional und streitig ausgetragen worden ist. Damals sind nicht nur datenschutzrechtliche Aspekte, sondern ist generell die Frage der Notwendigkeit von Volkszählungen diskutiert worden. Seitdem ist einige Zeit ins Land gegangen. Es ist bemerkenswert, dass die bisherige Diskussion zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung, die auf einem Beschluss der Europäischen Union und des Bundeskabinetts fußt, so ruhig und mit einer wahrnehmbaren Gelassenheit geführt wurde - zumindest Gelassenheit mit Blick auf die damaligen Äußerungen zur beabsichtigten Volkszählung.
Die Volkszählung wird im Jahre 2011 stattfinden. Sie ist notwendig, und sie wählt eine andere Art des Vorgehens, als es bei herkömmlichen Volkszählungen angewandt wurde. Das führt dazu, dass diejenigen, die über ihre Lebensumstände befragt werden, heute viel geringerer Zahl sind; ihre Anzahl ist reduziert worden. Das führt gleichzeitig dazu, dass die mit der Volkszählung verbundenen nicht geringen Kosten deutlich reduziert werden konnten. Beim Stichwort Kosten darf ich für die CDU-Fraktion sagen: Wir werden während und natürlich nach der abgeschlossenen Volkszählung sehr darauf achten, ob das, was die Landesregierung im Gesetzentwurf vorgesehen hat - nämlich einen Ausgleich der Kosten, die auf der kommunalen Ebene für die Volkszählung entstehen -, mit den tatsächlichen Kosten deckungsgleich ist, denn eines muss klar sein: Wir dürfen die Kommunen mit der Volkszählung nicht über Gebühr belasten.
Ich glaube, wir werden auch gewärtigen - das findet sich in doch seltener Offenheit in der Begründung des Gesetzentwurfs -, dass wir an der einen oder anderen Stelle auch Überraschungen erleben, zum Beispiel bezüglich dessen, wie viel Einwohner nicht nur in Brandenburg, sondern insgesamt in Ostdeutsch
land leben. Es gab schon Presseberichte, aus denen hervorging: Da dürfen sich die ostdeutschen Bundesländer auf eine geringere Einwohnerzahl - zwischen 100 000 und 300 000 pro Land einrichten. Das ist etwas, was nicht allein einen statistischen Wert darstellt, sondern vor allen Dingen etwas, was über die Mittelzuweisung für unseren Landeshaushalt von Relevanz sein kann. Insofern finde ich es erstaunlich, dass ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland es sich - offensichtlich seit Jahren - leistet, politische und wirtschaftliche Entscheidungen auf der Basis von mindestens als unzureichend zu bezeichnendem Datenmaterial zu treffen. Wenn die Rede davon ist, dass zu erwarten steht, dass die Anzahl der hier lebenden Ausländer um 500 000 bis 600 000 sinken wird, und davon, dass andere Daten korrigiert werden, dann ist die Frage erlaubt, ob zum Beispiel Entscheidungen, die wir hier im Landtag treffen - die auch an anderer Stelle getroffen werden -, vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten in der Statistik sachgerecht getroffen werden - vor allen Dingen mit Blick auf den Landeshaushalt.
Wir finden den Gesetzentwurf in Ordnung. Ich habe deutlich gemacht, dass wir vor allen Dingen nachhalten werden, was das für unsere Landkreise und Kommunen insgesamt an Kosten bedeutet. Wir werden dann zu bewerten haben, welchen tatsächlichen Erkenntnisgewinn wir mit dieser Volkszählung erreichen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petke. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Herr Abgeordneter Holzschuher hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Herr Kollege Petke! Manchmal ist es so, dass bei einem solchen Gesetzentwurf zunächst der Opposition das Wort erteilt wird, um richtig draufzuhauen, und dann kommt der Vertreter der Regierungskoalition und rückt das wieder ins rechte Licht. In diesem Fall kann ich sagen, dass ich mich in jeder Hinsicht dem anschließen kann, was Herr Kollege Petke zu dem Gesetzentwurf gesagt hat. Er hat auf alle wesentlichen Aspekte hingewiesen.
Wir haben tatsächlich eine völlig andere Situation als in den 80er Jahren in der alten Bundesrepublik, als es hochemotional und auch mit Recht sehr kritisch zuging, als die Bundesrepublik eine großangelegte Volkszählung durchführen, damals aber jeden einzelnen Bürger befragen wollte. Das ist heute nicht mehr nötig. Es gibt andere Modelle. Deswegen ist auch der Druck ein wenig raus.
Die Unterstellungen, der Staat wolle sich hier in der Manie eines Orwell Informationen besorgen, die ihn nichts angehen, ist nicht mehr das Thema. Zu Recht - auch darauf hat der Kollege Petke hingewiesen - steht heute die Handlungsfähigkeit des Staates im Vordergrund. Er braucht Planungsgrundlagen, braucht Datengrundlagen, um langfristig planen zu können.
In der Tat ist es bemerkenswert, wenn in einem modernen Staat die Bevölkerungszahl möglicherweise um mehr als 1 Million geschätzt - von der tatsächlichen abweichen sollte. Das hätte
massive Auswirkungen, möglicherweise auch finanzielle; das wissen wir wohl. Aber deswegen davor zurückzuscheuen wäre der falsche Weg, denn wir brauchen verlässliche Daten, damit wir wissen, wo investiert werden muss - das Wo kann möglicherweise beantwortet werden - und ob bestimmte Einrichtungen nicht weitergeführt zu werden brauchen.
Wir brauchen diese Daten für die gesamte Region, für das gesamte Land Brandenburg, für ganz Deutschland. Ich denke, dazu wird dieses Gesetz einen Beitrag leisten. Und ebenso wie der Kollege Petke werden auch wir von der SPD-Fraktion darauf achten, dass die Kommunen dabei nicht mehr belastet werden, als es die Verfassung vorgibt. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Holzschuher. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort, für die Herr Abgeordneter Goetz spricht.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Die Daten, auf denen unsere gegenwärtigen Aktivitäten basieren, sind Jahrzehnte alt - sowohl die der alten Bundesrepublik als auch die den Osten Deutschlands betreffenden. Sie basieren auf Daten, die in der DDR, die vor über 20 Jahren untergegangen ist, erhoben worden sind.
Diese Daten wurden hochgerechnet mit dem Ergebnis, dass heute keiner mehr wirklich weiß, wie viele Einwohner Deutschland und wie viele Einwohner Brandenburg hat, weil unzuverlässig hochgerechnet wird und man sich nicht darauf verlassen kann, dass derjenige, der sich abmelden müsste, dies auch wirklich tut, und dass derjenige, der sich anmelden müsste, das in gleicher Weise tut.
Anders als vor Jahrzehnten ist Sensibilität der Bürger für ihre persönlichen Daten sehr viel größer geworden. Das betrifft jeden von uns: Die Daten, die beispielsweise bei Facebook sichtbar sind oder die erhoben werden - all diese Daten können auch missbraucht werden. Deswegen ist sicher, dass Bürger Nachfragen bezüglich der zu erhebenden Daten stellen werden.
Diese Nachfragen werden die Erhebungsbeauftragten beantworten müssen. Wir können auch nicht mit der Ordnungswidrigkeitenkeule drohen und sagen: Ihr müsst Auskunft erteilen, sonst handelt ihr ordnungswidrig! - Wir werden die Leute mitnehmen und ihnen verdeutlichen müssen, dass Daten für eine sichere Tätigkeit der Parlamente wie der Regierungen und der Verwaltungen gebraucht werden, dass aber auch sicher mit diesen Daten umgegangen wird. Das sagt dieses Gesetz aus. Das Gesetz beinhaltet das, aber es drängt sich nicht jedem auf den ersten Blick auf. Dieser erhöhte Erklärungsaufwand wird auch zu erhöhtem Aufwand an Personal bei den Erhebungsstellen führen.
Die Kommunen werden beauftragt, die Erhebung durchzuführen. Das Land setzt sich mit einer Pauschale von 31 200 Euro für die Einrichtung und den Betrieb der Erhebungsstellen und von 46 200 Euro - ebenfalls pauschal - für Personal frei. Dazu soll es einen aufwandsabhängigen Kostenausgleich geben, der
sich nach der Anzahl der Haushalte, nach Fallzahlen und Sonderbereichen richtet. Das Ganze soll am Ende in einer Rechtsverordnung des Ministers des Innern geregelt werden.
„Notwendige Mehrbelastungen, die bei kostenbewusster Aufgabenwahrnehmung anfallen und die noch keinen Ausgleich gefunden haben, werden in einer Abschlussrechnung berücksichtigt.“
„Das Nähere wird durch eine Rechtsverordnung geregelt, wobei auch hier eine pauschalisierte Erstattung vorgesehen werden kann.“
Genau das ist das Problem. Wir haben Aufwendungen, die in unterschiedlichen Kommunen unterschiedlich hoch sind. Wir haben auch unterschiedlich renitente Bürgerschaften. Es ist gut, dass die Bürger so sind und sie genau wissen wollen, was mit ihren Daten geschieht, deren Erhebung unterschiedlichen Erklärungsbedarf nach sich zieht. Deswegen halte ich eine Pauschale nicht für angezeigt, wenn es um besondere Aufwendungen geht, die zu den normalen Erhebungsaufwendungen für die Einrichtung der eigentlichen Erhebungsstelle hinzukommen.
Richtig ist: Wir wissen nicht, was herauskommt. Wir kennen weder die Einwohnerzahlen noch die Aufwendungen. Wir wissen im Grunde gar nicht, welche Aufwendungen im Jahre 2011 auf die Kommunen zukommen. Desto wichtiger ist es, wie in AGB und Verträgen über pauschalisierten Schadenersatz, auch hier von Pauschalen abzuweichen und zu sagen: Ja, wir können Pauschalen nehmen, aber es muss den Kommunen wenigstens vorbehalten bleiben, auch einen höheren Mitteleinsatz nachzuweisen und bei erhöhtem Nachweis diesen höheren Einsatz einzufordern.
Die Rechtsverordnung des Innenministers mit einer pauschalisierten erhöhten Aufwendungsersetzung gewährleistet dies nach unserer Auffassung nicht. Wie die SPD- und die CDUFraktion werden wir darauf achten, dass die Kommunen nicht benachteiligt werden. Aber wir meinen, dass sich dieser Ausschluss der Benachteiligung im Gesetz stärker hätte wiederfinden müssen. Ja, wir brauchen ein Gesetz. Aber wir brauchen auch die Konnexität, die völlige Kostenübernahme für die Kommunen, die wir so mit der Rechtsverordnung des Innenministeriums noch nicht gewährleistet sehen. Aus diesem Grunde wird sich die FDP-Fraktion enthalten. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Wir fahren mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Herr Dr. Scharfenberg wird zu uns sprechen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie sehen hier eine seltene Einigkeit. Nichtsdestotrotz will ich versuchen, mit
ein paar Bemerkungen den Standpunkt meiner Fraktion deutlich zu machen. Ich kann allerdings nahtlos an das anschließen, was bereits gesagt worden ist.
Volkszählungen waren schon Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen und von Grundsatzentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Ich erinnere an das Volkszählungsurteil, das den Ausgangspunkt für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gebildet hat. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Volkszählung kreiert worden. Damit ist ein strenger Maßstab für den Schutz von persönlichen Daten geschaffen worden, der für die folgenden Volkszählungen gegolten hat.
Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion über das brandenburgische Zensusausführungsgesetz recht unspektakulär verlaufen, denn die Vorgaben sind streng. Mit dem Gesetzentwurf ist eine gute Vorlage geliefert worden, die sich an diese Vorgaben hält. Dabei spielt sicherlich auch eine Rolle, dass ein solcher Zensus unstreitig gebraucht wird, denn die letzte Volkszählung liegt in der alten Bundesrepublik 23 Jahre und in Ostdeutschland 29 Jahre zurück - das ist ein langer Zeitraum. Die Daten werden für politische und wirtschaftliche Entscheidungen benötigt. Insofern trägt das zur Versachlichung der Diskussion bei.
Wir haben im Innenausschuss mit den Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände und mit der Stellungnahme der Landesdatenschutzbeauftragten verantwortungsbewusst gearbeitet. Die Anregungen sind im Wesentlichen eins zu eins übernommen worden. Auch das spricht dafür, dass alle bemüht sind, eventuelle Ängste in der Bevölkerung abzubauen und deutlich zu machen, dass der Schutz der persönlichen Daten gewährleistet ist, aber auch die Interessen der Kommunen die entsprechende Berücksichtigung finden sollen.
Die Änderung besagt, dass es eine Abschlussrechnung geben soll, in der die Mehrbelastungen der Kommunen Berücksichtigung finden sollen. Was Herr Goetz hier gesagt hat, dass nämlich eine Pauschalisierung dort nicht angemessen sei, verkennt, dass mit der hier vorgenommenen Änderung Pauschalisierungen nicht ausgeschlossen werden. Wir haben uns aber nicht auf eine Pauschalisierung festgelegt. Ich bin optimistisch, dass es gelingen wird, die Volkszählung in entsprechender Qualität durchzuführen und die betroffenen Interessen entsprechend zu berücksichtigen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Wir kommen nun zum Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abgeordnete Nonnemacher wird sprechen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Es ist für die letzte Rednerin in der Reihe immer ein bisschen undankbar, zu einem so trockenen Thema wie dem Brandenburgischen Zensusausführungsgesetz zu sprechen, insbesondere dann, wenn zwischen allen Fraktionen, zwischen Regierungskoalition und Opposition so große Einigkeit herrscht wie bei diesem Thema.
Es gab zu diesem Gesetzentwurf im Innenausschuss zwei Stellungnahmen, die sich um zwei Themenkomplexe drehten, zum einen die Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände - dabei ging es um die Frage der Kostenerstattung - und zum anderen die Stellungnahme der Datenschutzbeauftragten, weil Datenschutz eines der zentralen Themen ist, die in diesem Zusammenhang interessierten.
Meine Vorredner haben das ausführlich dargestellt, insbesondere Herr Goetz. Den Bedenken der kommunalen Spitzenverbände bezüglich der Abschlussrechnung wurde durch die Änderungen im Innenausschuss weitgehend entgegengekommen. Zwar fand keine vollständige Berücksichtigung der Anregungen statt, sie ging aber doch so weit, dass man das vertreten kann.
Für uns Grüne stehen bei Volkszählungen natürlich immer die datenschutzrechtlichen Erwägungen im Zentrum des Interesses. Seit den Zeiten des Volkzählungsboykotts von 1983 hat sich jedoch einiges geändert. Das Volkszählungsurteil vom Dezember 1983 wurde erstritten und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durchgesetzt. Viele sprechen in diesem Zusammenhang von der Geburtsstunde des Datenschutzes.
Die entwickelte Informationsgesellschaft setzt sich heute mit Dingen wie sozialen Netzwerken oder google streetview auseinander. Die neue Methode eines registergestützten Zensus verwendet vorhandene Daten aus den Melderegistern, der Bundesagentur für Arbeit und der öffentlichen Hand. Es muss nicht alles neu erfasst, sondern es kann auf vorhandenes Material zurückgegriffen werden. Maximal 10 % der Einwohner sind von Haushaltsbefragungen betroffen. Dies entlastet die Bevölkerung in ihrer Auskunftspflicht und ist deutlich bürgerfreundlicher.
Sind die Anonymisierung und der Datenschutz gewährleistet, stehen auch wir dem Zensus positiv gegenüber. Politik braucht wissenschaftlich analysiertes Zahlenmaterial und Planungsdaten. Dazu gehört als Fundament eine verlässliche Bevölkerungsstatistik. Die Einwohnerzahl entscheidet über eine gerechte Verteilung von Steuerlasten und den Zuschnitt von Wahlkreisen. Sie ist Berechnungsgrundlage für den kommunalen Finanzausgleich und den Finanzausgleich zwischen Deutschland und Europa. Eine vereinheitlichte Datengrundlage ist auch die Grundlage für die Vergabe der EU-Strukturfonds.