Protocol of the Session on September 8, 2010

Ich beginne - wie Sie erwartet haben - mit den Stärken. Zu unseren Stärken in Brandenburg zähle ich die hohe Bildungsbeteiligung und die Durchlässigkeit nach oben zu möglichst hohen Bildungsabschlüssen. Wir haben unser Schulsystem gut an die demografischen Veränderungen angepasst. Brandenburg verfügt in der Fläche über ein stabiles Schulnetz, das unseren Kindern und Jugendlichen auf ihrem Bildungsweg alle Optionen offenlässt.

Sie alle wissen: Der Weg dahin war schmerzhaft. Ich glaube, keiner weiß das besser als ich. Ich habe es in den letzten sechs Jahren häufig in Brandenburg erlebt.

Wir sichern die Anschlussfähigkeit für unsere Oberschüler nach der Sekundarstufe I durch qualifizierte, berufsbildende Angebote und durch den Weg zum Abitur nach 13 Schuljahren in der gymnasialen Oberstufe in unseren Gesamtschulen und in den beruflichen Gymnasien. An den Oberstufenzentren erwerben oder verbessern junge Leute in Verbindung mit beruflicher Grundbildung oder beruflichen Qualifikationen ihren Schulabschluss.

Die sozialen Barrieren beim Zugang zu Bildung sind in Brandenburg deutlich niedriger als in den meisten anderen Ländern. Mit so unterschiedlichen Maßnahmen, die zum Teil von meinen Vorrednern aufgezählt wurden, wie der Verstetigung des Schulsozialfonds, der Einführung des Schüler-BAföG und mit der Verbesserung der frühkindlichen Bildung baut diese Regierungskoalition die aufgezählten Stärken aus und wirkt sozialer Ungerechtigkeit entgegen. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Einstellung von 450 jungen Lehrerinnen und Lehrern entscheidende fachliche Impulse in unsere Lehrerkollegien tragen wird. Da weht mit Sicherheit zukünftig ein frischer Wind in vielen Schulen im Land Brandenburg.

Dabei verschließen wir die Augen nicht vor Schwächen. Die schlechten Ergebnisse des Ländervergleichs nehmen wir - da können Sie sicher sein - nicht auf die leichte Schulter. Sie sind eine ernste Herausforderung für die Bildungspolitik und für die

Arbeit in unseren Schulen. Ich habe zu den Ergebnissen dieses Ländervergleichs mehrfach deutlich Stellung genommen, und ich glaube, ich habe nirgendwo einen Zweifel daran gelassen, dass wir uns mit den Befunden intensiv beschäftigen und daraus sorgfältig überlegte Konsequenzen ziehen werden.

Lassen Sie mich aber auch eines feststellen: Die Ergebnisse des Ländervergleichs können keineswegs pauschal als eine Niederlage für die Maßnahmen seit 1990 oder für ihre Wirkungslosigkeit angesehen werden. Der Ländervergleich bestätigt für mich vielmehr: Vieles von dem, was nach PISA I 2000 - im letzten Jahrzehnt auf den Weg gebracht worden ist, war richtig und ist richtig. Die Ergebnisse der PISA-Vergleichsstudie 2006 in Mathematik und Naturwissenschaften haben unseren Schulen deutliche Fortschritte bescheinigt. Das stimmt mich zuversichtlich, dass wir es auch in Englisch und Deutsch schaffen können, besser zu werden.

In diesen beiden Bereichen unterstreichen die Ergebnisse das, was wir beispielsweise im vorschulischen Bereich angeschoben haben. Förderung vor der Schule und speziell Sprachförderung sind richtig und werden fortgesetzt. Der eingeschlagene Weg mit obligatorischen Sprachtests vor der Einschulung und mit verpflichtender Sprachförderung sowie mit systematischer Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule war und bleibt erfolgversprechend. Dafür spricht auch, dass die beim Ländervergleich getesteten Neuntklässler des letzten Schuljahres am Ausbau dieser vorschulischen Sprachförderung noch nicht teilhatten und auch nicht am Beginn der englischen Sprache in der Schule ab Klasse 3.

Eine Konsequenz lautet deshalb für mich, dass wir in wichtigen Handlungsfeldern kontinuierlich weiterarbeiten und prüfen müssen, wo wir unsere Anstrengungen sogar noch intensivieren und nachdrücklicher verfolgen sollten.

Genauso eindeutig stelle ich - zweitens - fest: Der Ländervergleich zeigt Entwicklungen und Problemlagen auf, auf die wir mit zusätzlichen Maßnahmen reagieren müssen und deren Überwindung es erfordern wird, uns zumindest in bestimmten Bereichen neu aufzustellen und uns neue Ziele zu setzen.

Wir haben die Ergebnisse des Vergleichs allen Schulleiterinnen und Schulleitern in Brandenburg während der Vorbereitungswoche ausführlich vorgestellt und erläutert. Wir haben über den Stand unserer Überlegungen informiert und dazu übrigens aus dem Kreis der Schulleiterinnen und Schulleiter überwiegend positive Signale erhalten. Was mich besonders freut: Es wurde eine große Bereitschaft zur Unterstützung deutlich.

Die einzelnen Maßnahmen werden Teil eines Gesamtkonzeptes sein, das gründlich und sorgfältig erarbeitet wird. Bereits am 28. September werde ich mich dazu mit 30 Schulleiterinnen und Schulleitern sowie Lehrerinnen und Lehrern aus den Primar- und Sekundarstufen besonders der Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch in Potsdam treffen. Sie stammen aus allen Schulamtsbereichen des Landes. Wir werden uns zu einem Meinungsaustausch versammeln. Anschließend wird das MBJS ein mittelfristig wirkendes Maßnahmenpaket entwickeln. Für die Leitung des Expertenbeirats - das ist schon gesagt worden - habe ich den wissenschaftlichen Leiter des Ländervergleichs, Herrn Prof. Köller, gewinnen können.

Einige Ergebnisse und Entwicklungen zeichnen sich heute schon ab. Ich kann sie skizzieren, ohne der notwendigen Dis

kussion vorzugreifen. Wir müssen und wir werden ein gemeinsames Verständnis von Grundbildung sichern und praxisorientiert für die Arbeit im Unterricht konkretisieren. Zu dieser Grundbildung wird ein Grundwortschatz ebenso gehören wie definierte Mindestanforderungen für ausgewählte Jahrgangsstufen. Auch zeichnet sich ab, dass wir in den Jahrgangsstufen 1 und 2 den Umgang mit der Stundentafel flexibler gestalten sollten, um mehr Lernzeit zum Üben und zur Festigung von Basiskompetenzen zu ermöglichen. Daneben bleibt die Unterstützung der Schulen und die Professionalisierung der Lehrkräfte ein wesentliches Handlungsfeld. Aufsuchende Beratung von Schulen mit erkennbaren Problemlagen oder die Bereitstellung zentraler Orientierungsarbeiten sind weitere Schritte, die aus meiner Sicht zu einer deutlichen Verbesserung des Leistungsniveaus führen sollten.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird die Stärken unseres Bildungssystems sichern und ausbauen. Dem vorhandenen Nachholbedarf werden wir mit Konsequenz und langem Atem entgegenwirken, denn den braucht man für messbare Erträge in der Bildung. Wir orientieren uns dabei am Recht aller Schüler auf eine Grundbildung, auf der sie nach der Schulzeit erfolgreich aufbauen können, und an ihrem Anspruch auf individuelle Förderung. Förderung muss sich an Anforderungen ausrichten, über die bei Schülern, Eltern und Lehrern gleichermaßen Übereinstimmung besteht. Dafür werden wir sorgen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal der Abgeordnete Hoffmann für zwei Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es wieder einmal gehört: Sie sagen, Bildung habe Priorität. Allein, die Realität im Land scheint eine andere zu sein, denn davon ist bislang nicht viel zu spüren. Was haben Sie bis jetzt umgesetzt? Eigentlich nur die Verbesserung im KitaBereich. Wir haben uns gemeinsam für die Verbesserung des Personalschlüssels eingesetzt und ihn auch beschlossen, aber wir brauchen da natürlich noch mehr. Wir brauchen eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der Sprachförderung.

(Bischoff [SPD]) : Ach, sonntags wollt ihr wieder kürzen?)

Denn das korrekte Erlernen der deutschen Sprache ist eine grundlegende Voraussetzung, um mit anderen Menschen kommunizieren zu können.

Meine Damen und Herren, Sie werden mir doch wohl zustimmen, dass es ein Unding ist, dass wir Förderbedarf feststellen und dann keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stellen, um sich diesem Bedarf ausreichend widmen zu können.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Jedes Kind in Brandenburg, bei dem Bedarf in Sachen Sprachförderung festgestellt wird, muss auch die entsprechende Förderung erhalten. Alles andere ist ungerecht. Wenn wir über die Qualität der frühkindlichen Bildung reden - Sie wissen das -,

müssen wir auch an die Ausbildung der Erzieher ran. Eine Ausbildung für den Bereich von Krippe über Hort bis Heim kann einfach nicht funktionieren. Damit kann niemals auf spezielle Erfordernisse eingegangen werden.

Für die weiterführenden Schulen brauchen wir eine Evaluation der Verwaltungsvorschriften zur Leistungsbewertung an den Schulen. Wir brauchen eine leichtere Integration von externen Fachkräften aus Industrie und Handwerk, aus der Wirtschaft. Wichtig sind auch Muttersprachler für den Fremdsprachenunterricht. Zudem sind die Leistungs- und Begabungsklassen endlich bedarfsgerecht auszustatten. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, wenn der Hälfte der Schüler, die die Zugangsvoraussetzungen erfüllen, willkürlich der Zugang zu diesem Angebot verwehrt bleibt, nur weil sich Herr Rupprecht nicht aus seinem ideologischen Gartenhaus heraustraut. So geht es nicht!

(Beifall CDU - Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Wir brauchen insgesamt ein zusätzliches Personalbudget für die Schulen, um den regulär geplanten Unterricht abzusichern. Schulische Bildung kann nur dann funktionieren, wenn Unterricht auch stattfindet. Es kann nicht sein, dass wir eine Vertretungsreserve von 3 % zur Verfügung stellen, wenn wir wissen, dass der durchschnittliche Krankenstand 5 % beträgt. Das kann nicht funktionieren. Das ist so logisch, das versteht in Brandenburg jeder - bis auf einen Einzigen. Nun können Sie vielleicht sagen: Ein Einziger bei 2,6 Millionen, das ist ja gar nicht schlecht. - Es ist allerdings sehr schlecht, wenn ausgerechnet dieser Einzige als Bildungsminister auf der Regierungsbank sitzt, meine Damen und Herren. Das ist nämlich sehr schlecht für das Land und die Schülerinnen und Schüler.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter, bitte keinen neuen Gedanken. Sie haben deutlich überzogen.

Okay. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Danke sehr. - Der Abgeordnete Günther spricht noch einmal für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde aus dem Antrag zur Aktuellen Stunde zitiert, die Unzufriedenheit mit der Bildungspolitik sei groß - ich füge an: nicht nur in Brandenburg. Ich behaupte, das liegt auch daran, dass es zur Bildungspolitik zwar viele schöne Reden gibt und vor allen Dingen viele schöne Versprechungen, aber das, was am Ende umgesetzt wird, ist doch eher dünn.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

- Moment, Moment! Nicht zu früh klatschen. - Ich möchte nur daran erinnern: In unserem Wahlprogramm war von 1 250 Lehrerinnen und Lehrern die Rede. Sie dagegen nannten utopische Zahlen, ein Vielfaches mehr. Die Leute haben nicht Sie und Ihre hohen Zahlen gewählt, sondern sie haben uns gewählt, weil sie wussten: Das, was wir versprechen, bekommen die Menschen am Ende auch. Das ist ihnen allemal wichtiger und lieber als utopische Versprechungen.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Bischoff [SPD]: Steuer- senkungen!)

Wie Sie hier agieren, sieht man ja hervorragend. Die FDP als Partei, die nur vorhat, die Steuern zu senken, darf zu diesem Thema eigentlich überhaupt nicht mitreden. Sie müsste Einsparvorschläge im Bildungsbereich en masse machen.

(Beifall SPD)

Die CDU ist ja auch ein wunderschönes Beispiel dafür. Ich erinnere mich noch sehr gut: Sie standen hier, ich glaube, es waren Frau Dr. Ludwig, Herr Burkardt oder Frau Prof. Dr. Wanka.

(Zurufe von der CDU)

Ich nehme an, Sie sind sich da einig. Ich hoffe, Sie sind sich noch einig. Sie standen hier noch im März dieses Jahres an dieser Stelle - das war vor der Haushaltssperre, und die CDU war offensichtlich noch eine ganz andere Partei - und haben die Senkung der Nettokreditaufnahme um 200 Millionen Euro gefordert.

(Görke [DIE LINKE]: Aber ohne Vorschläge!)

- Natürlich ohne Vorschläge zur Deckung.

200 Millionen Euro, das klingt so utopisch, deshalb rechne ich das immer gerne in Lehrerstellen um. Das wären 4 000 Lehrerstellen. Sie haben natürlich keine Deckungsvorschläge gemacht. Herr Hoffmann hat eine deutliche Aufstockung im Bildungsbereich gefordert. Herr Hoffmann, wenn Sie mutig sind, dann treten Sie Ihrem Kollegen Petke bitte ganz tüchtig auf den Fuß, wenn er 1 000 Polizisten mehr möchte. Dann können Sie etwas für Bildung tun. Oder treten Sie Frau Dr. Ludwig - nein, treten Sie nicht, seien Sie charmant, aber sagen Ihr ganz deutlich, dass nicht beides geht: bei Investitionen nicht nachlassen und trotzdem mehr Lehrer einstellen. Das funktioniert eben nicht.

Ich sage Ihnen: Langfristig bekommen Sie nur Zustimmung von der Bevölkerung - vielleicht keinen Jubel, aber Zustimmung -, wenn Sie ihr klar und deutlich sagen, was geht und was nicht geht, und zwar auch in der Bildungspolitik. Auch wenn sie Priorität hat, kann man erklären, wie diese Priorität in Brandenburg ausgestaltet wird. Da sind die Maßnahmen zum neuen Schuljahr ein gutes Beispiel. - Danke.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Das Wort erhält noch einmal Minister Rupprecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte, auch um dem Vorwurf entgegenzutreten, dass wir hier sehr allgemein bleiben, das, was ich vorhin angesprochen habe, etwas konkretisieren. Ich will ein paar Stichworte nennen und kurze Ausführungen dazu machen.

Stichwort: Gemeinsames Verständnis von Grundbildung. Wir wollen die Basiskompetenzen und die Mindestanforderungen, die Schülerinnen und Schüler am Ende der Jahrgangsstufen 2, 4, 6, 8 und 10 für die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch erreichen sollen, am Beispiel von Aufgaben konkretisieren und so die in den Bildungsstandards festgelegten Regelungen „Mindeststandards im Unterricht“ deutlich darstellen. Wir wollen Leseempfehlungen und Hinweise zur Bearbeitung von Ganzschriften im Unterricht der Grundschule und der Sekundarstufe I geben und ebenfalls verbindlich machen.

Stichwort: Lernzeit flexibel nutzen. Wir schlagen eine flexible Nutzung der Lernzeit durch Einführung eines Bereichs „Grundlegende Bildung“ in den Jahrgangsstufen 1 und 2 vor. Ich habe das vorhin erwähnt. Mit diesem Vorschlag wird die Stundentafel in den ersten beiden Schuljahren nicht mehr in Fächer getrennt. Wir werden ein Stundenvolumen für grundlegende Bildung ausweisen. Schulen haben dann die Möglichkeit, flexibler auf den Lern- und Förderbedarf bestimmter Klassen einzugehen, also zum Beispiel mehr Zeit für Lesen oder mehr Zeit für Rechtschreibung einzuplanen, wenn viele oder mehrere Schüler in der Klasse Probleme in diesen Bereichen haben.

Stichwort: Unterstützung für Schulen. Seit Beginn des neuen Schuljahres unterstützen wir bereits unsere Oberschulen und Gesamtschulen, die einen hohen Anteil von Schulabgängern ohne Abschluss verzeichnen, durch Beraterteams. Das ist nicht als Sanktion oder Abstrafung zu verstehen, sondern bietet eine aufsuchende Beratung vor Ort, also Hilfe zur Selbsthilfe. Dieses Unterstützungssystem wollen wir schrittweise ausweiten und dabei auch die anderen Schulstufen einbeziehen.