Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meinerseits ein herzliches Willkommen an die Kollegen Parlamentarier und an die Schüler des Weinberggymnasiums!
Verehrte Kollegin Lehmann, wenn der Strom aus der Steckdose kommt, brauchen wir keine Kraftwerke. Wenn das Geld aus der Druckerpresse der Zentralbank kommt, müssen wir uns keine Sorgen darum machen, es auch zu verdienen, bevor wir es einnehmen können.
Bevor ich jedoch dazu nähere Ausführungen mache, lassen Sie mich feststellen, dass dies ein guter Tag ist, um über die Frage der Leistungsfähigkeit unseres staatlichen Systems und unseres Sozialsystems zu reden. Heute vor 20 Jahren ist die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft getreten. Daran darf man bei dieser Gelegenheit schon einmal erinnern.
Dieses Ereignis vor 20 Jahren markiert den eigentlichen Einstieg in die Wiedervereinigung und ist in seinen materiellen, aber auch in seinen bewusstseinsmäßigen Auswirkungen eine beispiellose Leistung. Es ging um die Herstellung von Rechtseinheit, Wirtschaftseinheit und sozialer Einheit - am Ende um die Einführung der sozialen Marktwirtschaft.
Allein die Diskussion um den Umtauschkurs - 1 : 1 oder 1 : 2; man hat sich damals ökonomisch wahrscheinlich falsch, politisch aber richtig entschieden; einige derer, die daran beteiligt waren, sind noch politisch unterwegs - hat dazu geführt, dass einer, der jetzt noch Parteivorsitzender einer der Regierungsparteien ist, im Osten sagte, der Umtauschkurs sei mit 1 : 2 zu niedrig und müsse generell 1 : 1 betragen, während er im Westen erklärte, das werde zu teuer und sei nicht zu bezahlen.
Die sozialen Sicherungssysteme - Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung - sind 1 : 1 auf 17 Millionen Menschen übertragen worden.
Wenn Sie sich einmal mit der Frage auseinandersetzen, wie das die anderen Transformationsländer in Osteuropa bewältigt ha
ben, und mit den dort Verantwortlichen sprechen, werden Sie hören: Na ja, ihr konntet euch das auch leisten. Uns standen diese Mittel nicht zur Verfügung.
Der Transfer Ost - West belief sich von 1991 bis 2005 auf 130 Milliarden Euro. An Solidarpaktmitteln wurden ab 1995 bis 2019; dann laufen sie aus - 210 Milliarden Euro aufgebracht. Davon hat allein - Thema! - Brandenburg 30 Milliarden Euro vereinnahmt. Das ist der Level, auf dem wir angekommen sind. Dass das möglich war, dass unsere Volkswirtschaft das geleistet hat, dass der Staat und vor allem seine Bürger diese Lasten auf sich genommen haben, ist die großartige Leistung, die in dieser Zeit erbracht wurde. Das ist nicht nur klaglos, sondern auch mit großer Bereitschaft, aus Einsicht in die Notwendigkeit und aus politischer Vernunft geschehen.
Aber dies alles ist nicht aus dem Haben allein heraus geleistet worden, sondern dazu sind die staatlichen Finanzierungssysteme und unsere sozialen Systeme über Gebühr strapaziert worden.
Wir haben eingeschränkt deutlich gemacht, und zwar nicht nur seit dieser Zeit, nicht nur damals: Wir haben anhaltend über unsere Verhältnisse gelebt und eine kaum noch beherrschbare Schuldenlast aufgetürmt.
- Bevor Sie sich über das Thema Hartz-IV aufregen, sollten Sie einmal mit dem Kollegen Baaske reden. Er hat das im Landtagswahlkampf 2004 hervorragend vertreten.
und der mangelnde Sparwille und Konsolidierungswille - den wir uns alle vorhalten lassen müssen - der politischen Kaste, von der Franz Josef Strauß einmal gesagt hat: Sie damit zu beauftragen, Geld nicht auszugeben, hieße, einen Hund zu beauftragen, einen Berg Würste zu bewachen. - Das ist unser Schicksal. Das ist unser Los. Was uns immer wieder auf die Füße fällt
- hören Sie einfach mal zu! - ist, dass wir es nicht lassen können, immerwährend Versprechungen zu machen, statt den Leuten reinen Wein einzuschenken, was dieser Staat leisten und was er nicht leisten kann.
Und es gibt auch die krisenhaften Situationen, die den Staat herausfordern. In einer stecken wir noch drin. Die Auguren streiten sich, ob wir noch mittendrin stecken oder ob wir schon
wieder auf dem aufsteigenden Ast sind. Bisher deuten die Zahlen an, dass wir ganz gut durchgekommen sind. Aber dies war eine gewaltige Last: Sowohl die Garantien für die Banken als auch das, was der Staat an Geld unmittelbar in die Hand genommen hat, auch die Garantien für den Erhalt des Euro, um die Zahlungsfähigkeit Griechenlands sicherzustellen - das ist das, was unsere Last aufgetürmt hat. Wir haben unsere Einnahmeverbesserungen in der Vergangenheit - von geringen Ausnahmen abgesehen, bevor der Hinweis auf 2007 und 2008 kommt - eben nicht dazu genutzt, nachhaltig abzubauen.
Anhand einiger weniger Zahlen lässt sich die Situation unseres Staates ablesen: Im Vertrag von Maastricht sind eine Grenze von 3 % des Bruttoinlandsprodukts für die Nettoneuverschuldung und eine Verschuldungsobergrenze von insgesamt 60 % festgelegt. Wir in Deutschland stehen heute bei 5 % - nicht Bund! - aller öffentlichen Haushalte, die Brandenburger mit dabei, und bei 80 % Verschuldungslast gemessen am Bruttosozialprodukt, die Brandenburger Schulden eingerechnet.
Griechenland zeigt, wohin es am Ende führt, wenn man dauerhaft mehr ausgibt, mehr soziale Wohltaten verteilt, als man Geld einnimmt. Griechenland ist allerdings nicht nur ein Menetekel, sondern auch eine Chance. Der Journalist, der geschrieben hat, Krise sei ein griechisches Wort, hat übersehen, dass das Wort Krise im Griechischen auch Chance bedeutet.
Der Ausstieg aus dieser Schuldenspirale ist alternativlos, ansonsten versündigen wir uns nicht nur an unserer Zukunft, wir machen uns politisch, vor allen Dingen sozialpolitisch handlungsunfähig.
Was Sie heute ausgeben, müssen Sie morgen nicht nur zurückzahlen, sondern das steht Ihnen morgen auch nicht mehr zur Leistung an die Bürger und zur Sicherung des sozialen Netzes zur Verfügung.
Nun ist in diesen Tagen etwas Interessantes passiert. Im Bund hat man ausgerechnet, man brauche nicht 80 Milliarden Euro an neuen Krediten für dieses Jahr, sondern nur eine Schuldenaufnahme von 60 Milliarden Euro. Dies trug mir eine Anfrage eines Journalisten ein: Erstens, ob denn Brandenburg von den Steuermehreinnahmen auch profitiere? Ich habe gesagt: Das wird wohl so sein, wenn es Steuern betrifft, an denen wir beteiligt sind. Aber wie viel das sein wird, könne ich ihm nicht sagen. Der Finanzminister wisse ja noch nicht einmal, wo die 450 Millionen Euro geblieben seien, die im Moment das Haushaltsloch ausmachten.
Die zweite Frage war, ob man - mit Blick auf das Finanzpaket dann nicht etwas weniger sparen müsse. Daraufhin habe ich ihm gesagt: Na ja, es bleiben ja noch 60 Milliarden Euro Defizit über. Bei 60 Milliarden Euro hat man die Zielgerade der Entschuldung mit Gewissheit noch nicht erreicht.
Worum geht es wirklich in dem Prozess? Es geht in der Tat um Einschnitte auf der Ausgabenseite, nicht auf der Einnahmenseite. Nun kann man natürlich lange darüber streiten, was volkswirtschaftlich sinnvoller ist. Wir haben ja hochvermögende Po
litiker und auch hochkarätige Wissenschaftler, die sagen, man solle nur kräftig auf Pump in die Ausgaben investieren, dann würde sich die Volkswirtschaft erholen, und über Steuermehreinnahmen würde sich alles in Wohlgefallen auflösen. Die Geschichte der Deutschen lehrt anderes.
Meine Damen und Herren, Brandenburg ist betroffen, und natürlich sind seine Bürger betroffen. Das geht auch gar nicht anders: Wasch mich, aber mach mich nicht nass - das läuft nicht. Da muss man sich die Leistungen, die dort abverlangt werden, nur einmal genauer ansehen. Die Wirtschaft ist dabei mit der Energiesteuer, der Atomsteuer, der Luftverkehrsabgabe und der Bankenabgabe.
Der öffentliche Sektor bekommt sein Weihnachtsgeld nicht wieder. Es erfolgt ein Personalabbau in fünfstelliger Größenordnung, und der Wehrdienst wird verkürzt. Zum Sozialbeitrag: Der Rentenbeitrag für SGB-II-Empfänger...
Herr Abgeordneter, ein neues Kapitel zu beginnen ist nicht mehr möglich. Ihre Redezeit ist schon seit einer halben Minute abgelaufen.
Der Rentenbeitrag kostet die SGB-II-Empfänger im Maximum, wenn sie 20 Jahre arbeitslos sind, 40 Euro. Das Elterngeld wird gewährt für Leute, die auf ein Erwerbseinkommen verzichten und zu Hause bleiben. Nun erklären Sie mir bitte einmal, wie Sie das bei ALG-II-Empfängern rechtfertigen wollen und bei denen, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden und 2 000 Euro netto haben. Nehmen Sie sich einmal einen Einkommensteuerbescheid und eine Lohnsteuerabrechnung vor, um zu wissen, was Sie verdienen müssen, um 2 000 Euro netto zu haben. Dabei bleiben 40 Euro auf der Strecke.