Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrter Kollege Petke, Ihren Anträgen mangelt es schon an der richtigen Überschrift. Das haben wir bereits in der letzten Sitzung erlebt, als wir hier über Ihre Verunsicherungskampagne hinsichtlich der Polizeireform diskutiert haben. Diesmal steht nun über Ihrem Antrag: „Bekämpfung des Rechts- und Linksextremismus auf gleichem Niveau beibehalten“. Im Antrag selbst ist aber kaum etwas zu lesen, was zu dieser Überschrift passt.
Gleich zweimal schreiben Sie, dass der Verfassungsschutz wichtige Arbeit leistet - ja. Weiter lese ich, dass das Engagement gegen Extremismus notwendig ist - ja. Schließlich lese ich, der Landtag solle sich darüber freuen, dass die Fallzahlen im Extremismusbereich sinken - ja. Wir sollen besorgt sein über die steigende Gewaltbereitschaft von Extremisten und natürlich über die sogenannte Bedrohung durch den islamistischen Terror. Aus Ihrem Antrag geht jedoch nicht hervor, ob Sie das eher dem Rechts- oder dem Linksextremismus zuordnen.
Herr Petke, natürlich sind wir erleichtert, und natürlich sind wir besorgt. Aber das, was Sie in Ihrem Antrag zusammengestoppelt und ohne große Sorgfalt formuliert haben, sind alles Allgemeinplätze, auf die man eigentlich verzichten kann.
Wir brauchen keinen Landtagsbeschluss, der solche Selbstverständlichkeiten formuliert, ohne eine konkrete Handlungsoption abzuleiten. In Ihrem Antrag findet sich - versteckt - als einzige Handlungsoption, beim Verfassungsschutz alles so zu belassen, wie es ist, das heißt, auf die Einsparung von 25 Stellen zu verzichten. Es gibt aber für mich keinen Grund, Stelleneinsparungen bei Kriminalpolizisten, Streifenpolizisten und in sonstigen Polizeibereichen durchzusetzen, den Verfassungsschutz aber völlig außen vor zu lassen. Hinsichtlich der Verantwortung gibt es zwischen Opposition und Regierung natürlich Unterschiede. Wir müssen verantwortliche Politik betreiben. Sie aber versuchen, den Finger an einer Stelle in eine Wunde zu legen, wo aus meiner Sicht keine ist.
Wenn man unsere Zahlen mit denen anderer Bundesländer vergleicht, stellt man fest, dass nur wenige Bundesländer eine so üppige Ausstattung des Verfassungsschutzes haben wie wir in Brandenburg.
Dennoch wird auch in anderen Bundesländern gute Arbeit geleistet. Es gibt also keinen Grund, hier etwas „hochzudiskutieren“, wo gar nichts zu kritisieren ist.
Die sachliche Grundlage der Thematik ist nicht das, was Sie uns hier entgegenwerfen, sondern der Bericht des Verfassungsschutzes. Darin ist von abnehmenden Zahlen rechtsextremistischer Straftaten zu lesen: von 1 640 auf 1 400. Bei den linksextremistischen Straftaten ist ein leichter Anstieg - von 258 auf 260 - zu verzeichnen. Allein an diesen Zahlen sehen Sie, dass wir uns in Brandenburg politisch eher mit dem Rechtsextremismus auseinanderzusetzen haben. Das macht das genannte Zahlenverhältnis sehr deutlich.
Dann zum Islamismus, der von Ihnen gern überall aufs Tablett gehoben wird: Im Verfassungsschutzbericht ist dazu kurz und klar zu lesen, dass eine konkrete Bedrohungslage derzeit hier in Brandenburg nicht vorliegt. Herr Petke, Sie bauen also Pappkameraden auf. In der Opposition kann man das sicherlich machen. Aber wir von der Regierungskoalition sehen das anders. Ich fasse zusammen: Wir sind viel breiter aufgestellt, als Sie mit Ihrem kleinen Antrag weismachen wollen. Sie betrachten nur den Verfassungsschutz und wollen daraus etwas für die Sicherheitslage im Extremismusbereich ableiten. Wir haben ein politisches Gesamtkonzept. Als das Konzept „Tolerantes Brandenburg“ aufgestellt wurde, waren auch Sie dabei. Eine Vielzahl weiterer Aspekte ist zu nennen: politische Bildung, Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes, polizeiliche Repressionen, aber auch gute, solide, präventive Sozialpolitik. Die Summe all dessen macht es irgendwann nicht mehr erforderlich, dass wir den Verfassungsschutz immer weiter ausbauen.
Die genannten Punkte sind im Sinne eines Gesamtkonzepts von der Landespolitik zu beachten. Herr Petke, Sie haben auch den Landespräventionsrat erwähnt. Wir verfügen über ein gutes, breit angelegtes Handlungskonzept. An dessen Vervollkommnung sind wir gemeinsam dran. Der Verfassungsschutz ist nur ein Baustein in einem Gesamtkonzept. Herr Petke, Ihr Antrag gehört zu denen, die vor Allgemeinplätzen platzen und keinen Neuigkeitswert haben. Deshalb - das möchte ich Ihnen für meine Fraktion mitteilen - werden wir ihn leider ablehnen müssen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland eröffnet jedem von uns weiten Raum, rechts wie links. Es gewährleistet Würde und Freiheit eines jeden Einzelnen von uns in Brandenburg wie auch jedes einzelnen Menschen bundesweit. Es lässt exzentrische Auffassungen zu. Auch diese sind innerhalb unserer Rechtsordnung völlig legitim. Um es mit einem Zitat zu belegen, dem sich auch die Linke nahefühlen müsste: Freiheit ist selbstverständlich immer die Freiheit des Andersdenkenden.
Diese Freiheit muss verteidigt werden. Sie muss verteidigt werden vor Böswilligen, die es bewusst darauf anlegen, die Freiheit anderer zu begrenzen, um sich selbst zu erhöhen oder um Schäden anzurichten, um eigene politische Ziele durchzusetzen. Diese Freiheit muss auch verteidigt werden vor Gutmenschen mit Sendungsbewusstsein, die glauben, am besten zu
wissen, was gut für andere ist, und anderen Vorschriften machen zu müssen, wie sie ihr Leben gestalten sollen. All das wollen wir nicht, all das können wir nicht wollen. Andere Meinungen dürfen nicht aufgezwungen werden. Insofern ist auch Schutz erforderlich.
Im Extremfall haben wir es mit Extremisten zu tun, die sich außerhalb der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bewegen. Sie wollen andere Meinungen nicht gelten lassen, gehen bei der Äußerung solcher Meinungen dazwischen und sagen, das funktioniere alles so nicht. Notfalls greifen sie zum Mittel der Gewalt, um fremde Meinungen zu unterdrücken und der eigenen Meinung zum Sieg zu verhelfen. Das kann keiner von uns hier im Landtag wollen. Deshalb ist es wichtig, dass die Freiheit verteidigt wird.
Meine Damen und Herren! Ich werde mich immer dafür einsetzen, dass jede Meinung auf der Grundlage des demokratischen Spektrums geäußert werden kann, egal, für wie abwegig ich sie persönlich halte. Ich werde mich immer dafür einsetzen, dass die Angehörigen der Linksfraktion, der SPD, der Grünen, der CDU und natürlich unsere eigenen Abgeordneten hier frei und offen ihre Meinung sagen können. Das ist völlig normal. Dazu gehört, dass man andere nicht niederbrüllt. Auch das gehört zum Grundsatz der freien Meinungsäußerung. Toleranz ist in jedem Fall unteilbar. Das ist der Grundkonsens unserer Gesellschaft, und die Extremisten stehen außerhalb - rechts wie links übrigens.
Wenn gesagt wird, wir hätten wesentlich mehr rechtsextremistische als linksextremistische Delikte zu verzeichnen, dann stimmt das zwar formal. Aber wir sollten bedenken, dass zu den rechtsextremen Delikten auch das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole und Zeichen gehört, was im Spektrum der Linksextremisten naturgemäß so nicht vorkommt. Wenn wir rein auf die Gewaltdelikte schauen, stellen wir fest, dass Rechtsextremisten und Linksextremisten von der Zahl her nahe beieinander liegen. Gewaltdelikte, Gewaltpotenzial, Drohungen mit Gewaltanwendung gehen von Linksextremisten in annähernd gleicher Weise aus wie von Rechtsextremisten. Deswegen darf unsere Gesellschaft auf keinem Auge blind sein und muss in jedem Falle dafür sorgen, dass Freiheit, Grundrechte und damit die demokratische Grundordnung verteidigt werden.
Toleranz ist unteilbar. Jeder von uns mag sich dafür einsetzen, das ist klar. Aber klar ist auch: Niemand von uns wird es allein schaffen, die Grundrechte und Grundfreiheiten zu verteidigen. Wir brauchen Instrumente und Mittel dafür.
Das probate Mittel, das wir im Land Brandenburg haben, ist zunächst einmal der Verfassungsschutz unseres Landes, der darauf achtet, dass sowohl unsere Landesverfassung als auch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland respektiert werden und jeder von uns größtmögliche Freiheiten hat, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten, und für jeden von uns die Freiheit dort endet, wo die Freiheit des Nächsten beginnt, und nicht durch Gewalteinwirkung anderer oder durch Begrenzung außerhalb unseres Grundgesetzes.
Der CDU-Antrag weist aber auch einige Schwächen auf. Wenn ich dort lese, der Verfassungsschutz sei Garant der Freiheit und Sicherheit in Deutschland und insbesondere im Land Brandenburg, frage ich mich schon, welche besondere Situation im Land Brandenburg herrscht. Ich sehe Brandenburg nicht an
ders aufgestellt als unter anderem Berlin, Rheinland-Pfalz, Hessen, Schleswig-Holstein oder Sachsen-Anhalt. Vielmehr sind die Probleme ähnlich. Insofern sollte der Verfassungsschutz im Land Brandenburg seine Aufgaben in gleicher Weise erfüllen können wie in anderen Ländern auch.
In dem CDU-Antrag wird aber auch die Wertschätzung des Verfassungsschutzes deutlich. Das macht den Antrag insgesamt lesenswert und auch annehmenswert. Er weist darauf hin, dass ohne Verfassungsschutz bzw. ohne entsprechende Grundlagen unsere Freiheit nicht mehr verteidigt werden kann und wir insofern die berechtigte Sorge haben können, künftig Einschränkungen hinnehmen zu müssen, wenn wir an unseren eigenen Grundlagen herumkratzen und am falschen Ende zu sparen versuchen.
Für die Fraktion der FDP sage ich in aller Deutlichkeit: Schwerpunkte unserer Politik sind die Aufgaben, Grundthemen und Grundbereiche staatlicher Tätigkeit. Dazu zählt neben der Bildung auch die innere Sicherheit. Insofern ist der Verfassungsschutz in seiner gegenwärtigen Form gut aufgestellt. Dies gibt der vorliegende Antrag - wenn auch in abgeschwächter und für uns eigentlich nicht weit genug gehender Form - wieder. Er ist wie auch beim vorherigen Antrag zum Brand- und Katastrophenschutz - ein Schritt in die richtige Richtung, weshalb die FDP-Fraktion diesen Antrag auch mittragen wird. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion präsentiert einen Antrag zur Sicherung der Bekämpfung des Rechts- und Linksextremismus auf gleichem Niveau. Dagegen ist im Grunde genommen nichts einzuwenden, hat sich doch schließlich der Landtag erst kürzlich in seiner 13. Sitzung am 25. März 2010 mit dieser Gesamtproblematik beschäftigt. In dem gefassten Beschluss heißt es unter anderem:
„Wir kämpfen für ein tolerantes Brandenburg, in dem Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Rechtsextremismus und andere Formen des Extremismus keinen Platz haben.“
Da steht es also, und wir werden - wie gewünscht - dieses Niveau beibehalten; denn der Rechtsextremismus ist das Problem in diesem Land. Damit er das nicht dauerhaft bleibt, wird das Land Brandenburg etwas dafür tun.
Von 2 040 politisch motivierten Delikten waren 1 422 rechtsextrem motiviert, wie bereits gesagt wurde. Sie verschweigen in Ihrem Antrag jedoch wohlweislich, dass die Zahl linksextremer Gewaltdelikte von 34 auf 26 zurückgegangen ist. Warum wohl? - Ihr Antrag geht an der Realität in Brandenburg vorbei. Auch auf der Bundesebene stehen den angestiegenen Straftaten, die dem linksextremen Spektrum zugeordnet werden, mehr als doppelt so viele rechtsextreme Straftaten gegenüber. Insofern geht Ihr Antrag auch daran vorbei.
Der Marburger Extremismusforscher Benno Hafeneger hat zu den derzeitigen Bemühungen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Linksextremismus gemeinsam mit neun weiteren Universitätsprofessoren bereits vor mehreren Monaten einen Brief geschrieben und gefordert, keine Extremismusprogramme zu etablieren, die an der Realität völlig vorbeigehen - so wie Ihr Antrag. Haben Sie nicht die Sorge, meine Damen und Herren Antragsteller, dass Ausländerhass und Fremdenfeindlichkeit, die Jagd auf Menschen anderer Hautfarbe, auf Schwule und Linke verharmlost wird, wenn Demonstranten gegen Bankenkrisen, linke Demonstranten und Steinewerfer in gleichem Atemzug mit Rechtsextremisten genannt werden?
Zossen ist das aktuellste Beispiel - das haben Sie selbst genannt -, an dem man erkennen kann, wo das Problem in Brandenburg liegt. Im Jahr 2005 in Halbe und im Jahr 2006 in Seelow - dort hatten sich die Nazis nach Halbe einen neuen Aufmarschort gesucht -, stellten sich tausende Demokraten auf die Straße und isolierten so gemeinsam die rechtsextremen Kräfte. Der ehemalige Innenminister Schönbohm sagte im November 2005 dem „Tagesspiegel“:
Die gelebte Zivilcourage war ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie, von der Sie sprechen. Stärken wir also die Zivilcourage unserer Menschen in Brandenburg im Kampf gegen Rechtsextremismus. Das ist unsere größte Herausforderung.
Und nicht umgekehrt, wie die Bundesfamilienministerin zur Teilnahme des Bundestagsvizepräsidenten an einer Sitzblockade gegen Rechts sagte:
„Herr Thierse sollte sich ernsthaft fragen, wem er mit seiner Sitzblockade geschadet hat - den Neonazis oder unserer demokratischen Rechtsordnung?“
Ich hoffe, dass Herr Vogel und andere Demokraten, die es am Wochenende geschafft haben, in Bernau die Nazis zu blockieren, nicht auch eines Tages angeprangert werden, die demokratische Rechtsordnung verletzt zu haben.
Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Der vorliegende Antrag von der CDU-Fraktion hat uns ein wenig Kopfzerbrechen bereitet.
Kopfzerbrechen deshalb, weil einerseits so viele richtige und wichtige Argumente in ihm aufgeführt werden, denen wir uns durchaus anschließen können, andererseits zwischen den Zeilen Schlussfolgerungen und Konnotationen mittransportiert werden, mit denen wir nicht so recht einverstanden sind.
Ja, wir stimmen mit Ihnen überein, dass die Arbeit des Verfassungsschutzes wichtig für die innere Sicherheit ist und dass es Anliegen aller Demokraten sein muss, jede Form von Extremismus und Intoleranz zu bekämpfen. Ja, wir stimmen mit Ihnen überein, dass auch Deutschland zum Zielspektrum islamistischer Terroristen gehört, dass dies sorgfältig beobachtet werden muss und eine klare Differenzierung zwischen Islam und Islamismus nötig ist. Ja, auch wir sind besorgt über die Zunahme linksextremistisch motivierter Straftaten und über die zunehmenden Übergriffe auf Polizeibeamte und andere Sicherheitskräfte. Insbesondere aber stimmen wir mit Ihnen überein, dass extremistisches Gedankengut nur nachhaltig mit gesellschaftlichem Engagement für Freiheit und Demokratie bekämpft werden kann. Die Mitgliederzahlen extremistischer Organisationen sind als größenordnungsmäßig stabil zu betrachten, die politisch motivierten Gewaltdelikte leicht gesunken.