Protocol of the Session on February 24, 2010

Mich interessiert, ob die Landesregierung Erkenntnisse darüber hat, wie hoch der zusätzliche Bedarf im Bereich Bildung und Schule ist.

Das ist wieder ein Thema für Minister Baaske.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Krause, ich will kurz das Verfahren erklären, wie man zu dieser Sachleistungshöhe kommt, die das Gericht nicht grundsätzlich abgelehnt hat. Es hat im Gegenteil gesagt, dass das Verfahren

in Ordnung sei, aber darauf geachtet werden müsse, welche Abschläge gemacht würden.

Es gibt alle paar Jahre eine sogenannte Einkommens- und Verbraucherstichprobe. Herangezogen werden 20 000 Haushalte, die zu den Haushalten gehören, die in dieser Republik am wenigsten Geld zur Verfügung haben, ohne zu Transferhaushalten zu gehören. Es wird geschaut, wofür in diesen Haushalten Geld ausgegeben wird, unter anderem für Textilien, Lebensmittel usw., aber auch für Schule.

Das Verfassungsgericht sagt ganz klar, dass bei der Beurteilung von 2003, im Zuge derer die Regelsätze festgelegt wurden, zwei grundsätzliche Fehler gemacht worden seien. Es sei erstens nicht gesagt worden, warum bestimmte Leistungen aus dem Katalog herausgenommen worden sind, die die 20 000 einkommensschwächsten Haushalte erhalten. Zweitens seien bei den Kindern pauschal 60 % von dem, was ein Erwachsener bekommt, angesetzt worden, ohne zu begründen, wie diese Zahl im Detail zustande kommt.

Es ist also ein relativ kompliziertes Verfahren, genau zu ermitteln, wie hoch zum Beispiel der Bedarf im Bereich Bildung ist. Die Arbeits- und Sozialminister der Länder, aber auch dieser Landtag haben schon vor vielen Jahren erkannt, dass das falsch ist. Die ASMK hat schon vor etwa drei Jahren gesagt, dass der Regelsatz für Kinder anders aufgestellt werden müsse, als einfach nur 60 % des Regelsatzes für Erwachsene zu nehmen, und hat den Bund zu Nachbesserungen aufgefordert. Dazu ist es leider nicht gekommen. Das ist uns mit dem Urteil nun schwer auf die Füße gefallen.

Wir haben auch in diesem Landtag festgestellt, dass wir gerade Kindern aus geringverdienenden Haushalten in der Schule helfen müssen, weil sie an bestimmten Leistungen nicht teilhaben können. Genau deshalb haben wir den Schulsozialfonds aufgelegt. Genau deshalb hat die SPD-Landtagsfraktion vor drei Jahren gesagt: Wir brauchen das Schüler-BAföG, um auch Kindern aus sozial oder wirtschaftlich schwachen Familien zu ermöglichen, das Abitur zu machen. Ich kann jetzt wirklich nicht sagen, um wieviel der Regelsatz für Kinder angehoben werden wird, um dieses Defizit auszugleichen. Ich kann nur sagen, dass wir Druck machen werden, damit in Berlin zügig entschieden und man schnell zu einem Ergebnis kommen wird.

Es gibt inzwischen eine Einkommens- und Verbraucherstichprobe aus dem Jahre 2008. Anhand dieser sollen die Obersten Landessozialbehörden - da wird es verschiedene Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen geben - genau ermitteln, wie hoch der Bedarf ist. Ich glaube, selbst dann - lassen Sie mich das ruhig noch dazu sagen - haben wir im Bereich Bildung noch keine Chancengerechtigkeit hergestellt, denn wir wissen, dass es immer noch viele Kinder und Jugendliche geben wird, die aus geringverdienenden Haushalten kommen und genau deshalb kein Abitur machen und nicht studieren werden.

Das Schüler-BAföG ist bei uns also nach wie vor aktuell. Man muss nur überlegen, für welchen Personenkreis es gelten und in welche Richtung es womöglich noch ausgedehnt werden soll. Das hängt auch davon ab, was am Ende des Tages entschieden werden wird. Generell müssen wir uns in der Zukunft das Thema Bildungsgerechtigkeit - das hat uns auch das Verfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben - wesentlich genauer anschauen.

Es gibt Nachfragen. Herr Krause, bitte.

Herr Baaske, halten Sie dieses Verfahren, dass man sich einfach diese 20 000 Haushalte anschaut und fragt, wie viel diese für bestimmte benötigte Materialien im Bildungsbereich ausgeben, für zielführend? Oder müsste es nicht eigentlich einen Katalog oder eine Vorgabe von Materialien, die benötigt werden, geben? Wäre das nicht sinnvoller, als darauf zu schauen, wofür diese Haushalte ihr Geld ausgeben?

Das ist das alte Warenkorbverfahren. Das gab es noch bis Ende der 80er Jahre. Mir wurde von allen, die am Prozess beteiligt waren, gesagt, dass es nicht gut gewesen sei. Es hat zu großen Benachteiligungen geführt. Es trifft der Satz zu, den ich vorhin schon gesagt habe: Das Leben ist bunter, als man sich das so vorstellt, wenn man einkaufen geht und sagt, die Kinder brauchen dieses und jenes. - Ich denke, dass es sich nachher daran messen lassen muss. Das ist richtig. Dass das Verfassungsgericht gesagt hat, dass der tatsächliche Bedarf an der Einkommens- und Verbraucherstichprobe zu messen sei, ist schon in Ordnung. Nur darf es, wie gesagt, keine Abschläge vom realen Leben geben, sondern man muss die Gegebenheiten dann auch so nehmen, wie sie im Leben tatsächlich sind.

Im Übrigen - lassen Sie mich das noch dazu sagen - ist das Urteil eigentlich auch ein klares und flammendes Plädoyer für die Ganztagsschulen, weil gerade in Ganztagsschulen der Wert von Bildung als Sachleistung wesentlich stärker zum Tragen kommt, als wenn gesagt wird: Du gehst nach der Schule um 13 Uhr oder um 14 Uhr nach Hause und dann sieh einmal zu, woher Du Nachhilfe und Ähnliches bekommst. Unsere Ganztagsschulen zum Beispiel bieten fast flächendeckend Nachhilfe an. Es wäre schon ein ganz guter Gewinn, wenn wir erst einmal verinnerlicht haben, dass wir dahinkommen wollen.

(Zuruf)

Frau Schier hat die nächste Nachfrage.

Herr Minister, ich habe eine Frage zum Schüler-BAföG. Darauf sind Sie in Ihrer Hauptantwort eingegangen. Sie sprachen sogar von einer Ausweitung.

Meine Frage ist Folgende: Wenn - wie auch immer - jetzt beschlossen wird, dass für die Bildung Bildungsgutscheine oder was auch immer ausgegeben werden, hätte das eigentlich zur Folge, dass das Schüler-BAföG in Brandenburg entfallen könnte?

Ich habe gerade gesagt: Das hängt davon ab, was da entschieden wird. Und dann - Frau Schier, Sie haben mich nicht verstanden - sind wir immer noch nicht bei Bildungs- und Chancengerechtigkeit,

(Zuruf von der CDU: Sie haben sich falsch ausgedrückt!)

weil es dann immer noch so sein wird, dass sich die Kinder aus geringverdienenden Haushalten mit ihren Eltern zusammen überlegen müssen, ob sie nach der 10. Klasse Abitur machen, das heißt nach wie vor Kosten in der Familie auslösen, oder ob sie eine Lehre machen und 400 Euro Lehrlingsentgelt erhalten. Diese Frage wird sich nach wie vor stellen.

Vielen Dank. - Wir kommen zur gemeinsamen Beantwortung der Frage 97 (Einbehaltene Gelder an die S-Bahn Berlin GmbH) und der Frage 98 (Mittel für den ÖPNV). Wir beginnen mit der Frage 97, gestellt vom Abgeordneten Beyer.

Über das Regionalisierungsgesetz erhält das Land Brandenburg vom Bund Zuweisungen in Form durchlaufender Posten für die Daseinsvorsorge, hier für die Sicherung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen des ÖPNV. Da die zwischen den Ländern Brandenburg/Berlin und der S-Bahn Berlin GmbH vertraglich festgelegten Leistungen nicht erbracht worden sind, erwarten wir Gelder in Höhe von 2,378 Millionen Euro nach Stand Ende letzten Monats.

Ich frage daher die Landesregierung: Wie gedenkt sie sicherzustellen, dass diese Gelder zweckgemäße Verwendung finden?

Die Frage 98 stellt die Abgeordnete Wehlan.

In den letzten Monaten ist zu Recht auf die kritikwürdige Situation bei der S-Bahn hingewiesen worden. Diese hatte sowohl Folgen bei den Fahrgästen als auch bei den betroffenen öffentlichen Personennahverkehrsunternehmen in Brandenburg. Nun wird das Land Brandenburg wegen schlechter Leistungserfüllung an die S-Bahn ca. 2 Millionen Euro weniger Zuweisungen zahlen.

Ich frage daher die Landesregierung: Welche Möglichkeiten sieht sie, dass es im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten zumindest teilweise zu einem Interessenausgleich zugunsten der betroffenen ÖPNV-Unternehmen in Brandenburg kommt?

Staatssekretär Vogelsänger wird antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Wehlan, Herr Abgeordneter Beyer, das ist ein schwieriges Thema, auch was die einbehaltenen Mittel betrifft. Wir halten die Einbehaltung für gerechtfertigt, weil die Leistungen nicht erbracht wurden. Ob die S-Bahn GmbH unsere Auffassung teilt, wissen wir noch nicht. Es kann eventuell noch Klageverfahren dagegen geben. Also sollten diese Gelder noch nicht verteilt werden, solange wir sie nicht sicher haben.

Wir müssen uns einmal das ÖPNV- und das SPNV-System ins

gesamt ansehen. Wir haben Zuschüsse im Bereich des Bundes in Höhe von 425 Millionen Euro. Die Mittel werden zweckgebunden eingesetzt. Das war ein Teil Ihrer Frage. Wir müssen das gegenüber dem Parlament und selbstverständlich auch gegenüber den Rechnungshöfen des Bundes und des Landes rechtfertigen.

Ich hatte gestern eine Veranstaltung mit Herrn Franz, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg, der mir von einer Prognose des Verkehrsverbundes berichtet hat, wonach die Fahrgeldeinnahmen im Jahre 2009 um 2,7 % auf über eine Milliarde Euro gestiegen sind. Das zeigt: Unser ÖPNVSystem ist ein sehr gutes, und auch die Notmaßnahmen, zum Beispiel die Zusatzzüge von Potsdam Richtung Berlin-City, waren richtig.

Diese Zahl, die ich nannte, bedeutet aber nicht, dass bestimmte Unternehmen größere Schwierigkeiten haben. Das muss im Rahmen des Verbundes geprüft werden. Wir sind aber der Meinung: Der erste Ansprechpartner ist die S-Bahn GmbH. Das Verursacherprinzip muss gelten. Wir werden über den Verkehrsverbund diesen schwierigen Prozess moderieren.

Es gibt Nachfragen.

Ja, gern.

Herr Goetz.

Herr Staatssekretär, Sie sagten gerade, bei den einbehaltenen zweieinhalb Millionen Euro, die anders verwendet werden sollen, müsse man erst einmal sehen, ob die S-Bahn das auch so sehe, wie sie verwendet werden können. Soll das heißen: Die S-Bahn hat Ihnen gegenüber durchblicken lassen, dass sie nicht der Meinung ist, die Verträge verletzt zu haben?

Ich habe nur die Klageoption genannt. Es wurde so nicht dargestellt, aber ich warne davor, Gelder zu vergeben, bevor wir in unserem Bereich Rechtssicherheit haben. Anderenfalls haben wir keine Deckung für die entsprechenden Dinge, die wir im Jahr 2010 zusätzlich bewerkstelligen wollen.

Herr Beyer, ist das ein Wortmeldung? - Ja.

Ich habe nur eine kurze Nachfrage. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe: Sie gehen also davon aus, dass diese Gelder - ganz unabhängig von der Frage, wann und wie sie zur Verfügung stehen - zweckgebunden sind und demgemäß ausschließlich in den ÖPNV investiert werden?

Sie werden selbstverständlich in den ÖPNV bzw. in die Bestellung von Verkehrsleistungen investiert.

Vielen Dank. - Die Frage 99 (Winterliche Notfütterung von Wild und Wasservögeln) des Abgeordneten Dombrowski ist zugunsten der Frage 101 (Infektionsgeschehen H1N1) zurückgezogen worden. Bitte sehr, Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack.

Als in anderen Bundesländern bereits feststand, dass geringere Mengen des Impfstoffes Pandemrix benötigt werden, hat das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz im Ausschuss darauf hingewiesen, dass mit einer weiteren Grippewelle in Brandenburg zu rechnen sei. Es wurde auch in der Antwort auf die mündliche Anfrage darauf hingewiesen, dass die Landesregierung eine neue Impfkampagne starten möchte.

Ich frage die Landesregierung: Wie haben sich Erkrankungsgeschehen und das Impfverhalten bis zum heutigen Zeitpunkt in Brandenburg entwickelt?

Frau Ministerin Tack wird antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Prof. Schierack, wir freuen uns alle, dass die neue Grippe- bzw. Influenzawelle so glimpflich verlaufen ist.

Dennoch möchte ich auf Ihre Frage gern Folgendes sagen: Wir haben in Brandenburg seit Ende April 2009 insgesamt 5 406 Erkrankungsfälle, darunter sieben Todesfälle, zu verzeichnen. Sie wissen, dass die Grippewelle sehr glimpflich verlaufen ist. Mit Beginn der Reisezeit im Sommer 2009 gab es dann einen erheblichen Anstieg der Neuerkrankungen. Ein sprunghafter Anstieg der Erkrankungszahlen erfolgte mit Beginn des Monats November mit einem Gipfel in der 46. Kalenderwoche mit insgesamt 730 Neuerkrankungen. Seit Ende Dezember vergangenen Jahres - wir haben mehrmals darüber informiert - nimmt die Zahl der gemeldeten Erkrankungen deutlich ab und hat im Februar ein sehr geringes Niveau erreicht. Dabei wurde auch die Meldepflicht verändert, wonach nicht mehr alle Erkrankungen gemeldet werden müssen, sondern nur diejenigen, bei denen das Virus im Labor diagnostisch nachgewiesen worden ist, und natürlich - das ist klar - die Todesfälle. Die sieben Todesfälle, die im Land Brandenburg bedauerlicherweise zu verzeichnen waren, betrafen chronisch kranke Menschen.

Eine zweite Erkrankungswelle - die Experten hatten sie angekündigt - ist bisher nicht aufgetreten. Darüber sollten wir alle gemeinsam froh sein. Das Robert-Koch-Institut hat im aktuellen Influenza-Wochenbericht darauf hingewiesen, dass eine Zunahme des Auftretens akuter Atemwegserkrankungen zu verzeichnen ist.

Die Impfbereitschaft, um den zweiten Teil Ihrer Frage zu beantworten, hat Mitte Dezember - ich denke, nicht zuletzt auch wegen der kontroversen Berichterstattung in den Medien - deutlich abgenommen. Seit Februar wird die Impfung nach Meldung der Gesundheitsämter nur noch in sehr geringem Maße in Anspruch genommen.

Wir haben uns in Absprache mit den anderen Bundesländern darauf verständigt, das Angebot bis Ende März 2010 weiterzuführen, weil von den Experten nach wie vor nicht ausgeschlossen wird, dass es eine weitere Grippewelle gibt.

Abschließend will ich Ihnen sagen: Eine genaue Abrechnung über die niedergelassenen Ärzte, die die Impfungen vorgenommen haben, liegt noch nicht vor. Sie ist gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung durchzuführen. - Vielen Dank.