Protocol of the Session on February 24, 2010

Wir waren damals für Variante B. Inzwischen ist auch die Bundesregierung auf Druck der CDU-regierten Länder auf diese Variante umgeschwenkt.

Für die Fraktion DIE LINKE ist dies - auch das habe ich im Dezember gesagt - nicht das große Reformwerk oder der Reformansatz, wie Sie es in Ihrem FDP-Antrag formulieren. Es ist lediglich von zwei Alternativen die bessere, weil sie wenigstens die Aussicht bietet, dass die Organisation nicht noch bürokratischer und für Arbeitsuchende noch undurchschaubarer wird. Mehr ist es nicht!

Frau Schier, dabei geht es nicht um Horror, sondern um das reale Leben.

Es bleibt bei der Trennung der Arbeitslosen in zwei verschiedene Systeme. Der eigentliche Reformbedarf liegt in der Überwindung dieser Trennung.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau!)

So viel zur Aufgabenwahrnehmung, wo dies Arbeitsagentur und Kommunen gemeinsam obliegt.

Nun ist es in der Tat spannend, zu erfahren, was aus der anderen Form der Aufgabenwahrnehmung wird, aus dem sogenannten Optionsmodell. Bundesweit sind das derzeit 69 Kreise - das ist bekannt -, in Brandenburg fünf. Die Frage ist jetzt: Wird deren Zahl erhöht, wenn ja: Wie weit?

Für manchen Kreis mag allein das bundespolitische Chaos der letzten Monate genügen, um zu sagen: Nein, in Zukunft machen wir das lieber allein. - Vielleicht ist das auch die beabsichtigte Wirkung?

Niemand kann heute auf solider wissenschaftlicher Basis sagen: Die ARGE oder die Optionskommune ist das bessere Modell. Dafür wird es wohl auch in absehbarer Zeit keine Grundlage geben, schon gar nicht, wenn man wie DIE LINKE weder Option noch ARGE als den Endpunkt oder die Wunschvorstellung einer Arbeitsmarktreform betrachtet.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Wir wollen die Betreuung und Vermittlung tatsächlich zusammenführen. Wir wollen keine zwei Klassen von Arbeitslosen. Eine differenzierte Betreuung sollte in den individuellen Bedürfnissen der Menschen begründet sein; die Betreuung sollte sich nicht einfach nur deswegen ändern, weil die Menschen von einem Tag auf den anderen in ein neues System geschoben werden - von der Höhe der Grundsicherung einmal abgesehen.

Daran gemessen sehe ich beim Optionsmodell eher die Tendenz, dass die Trennung verfestigt und nicht überwunden wird. Bei einem Teil der glühenden Optionsbefürworter darf man sicher vermuten, dass genau dies die Absicht ist, bis hin zu der Konsequenz, dass der Bund dann irgendwann nicht mehr für die Arbeitsmarktpolitik zuständig ist.

Die FDP - das will ich abschließend dazu noch anmerken kommt mit ausgesprochen waghalsigen Argumenten für das Optionsmodell daher. Ich weiß nicht, wie Sie Ihre These stützen wollen, dass nun ausgerechnet in strukturschwachen Regionen die Arbeitsvermittlung erfolgreicher sein solle, wenn man sich nur in der Region bewege.

(Frau Lehmann [SPD]: So ist es!)

Ich kann mir in der Arbeitspolitik vieles vorstellen, was vor Ort besser funktioniert als zentral. Deswegen haben wir für Brandenburg zum Beispiel auch das Regionalbudget befürwortet. Aber dass ausgerechnet das Vermittlungsgeschäft in den Grenzen von - und dann auch noch strukturschwachen - Regionen besser funktionieren soll, erschließt sich mir nicht. Das passt nicht einmal zu Ihrem Leitbild vom flexiblen Arbeitnehmer.

Unklar bleibt auch, warum die Stärkung der Optionskommunen den Arbeitsuchenden und den Kreisen zugutekommen soll.

Was in den Kreisen an Arbeitsplätzen nicht vorhanden ist, kann nicht vermittelt und dafür kann auch nicht qualifiziert werden. Mit Ihrer Behauptung bestätigen Sie indirekt eher, dass unser Weg des öffentlichen Beschäftigungssektors der richtige ist. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Die Abgeordnete Nonnemacher spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Liebe Gäste! In diesem Februar 2010 überschlagen sich bezüglich der Grundsicherung und der Betreuung von Arbeitsuchenden förmlich die Ereignisse. Dabei sind drei Ebenen zu unterscheiden.

Erstens: Am 07.02.2010 gibt die CDU endlich ihren Widerstand gegen eine Grundgesetzänderung zur Heilung der als verfassungswidrig angemahnten Mischverwaltung der ARGEn auf. Der vorwiegend auf Druck der Länder zwischen Frau von der Leyen, der CDU-Bundestagsfraktion und den Ministerpräsidenten gefundene Kompromiss macht den Weg frei für die Beibehaltung der Betreuung aus einer Hand.

Zweitens: Zwei Tage später, am 09.02.2010 entscheidet der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistungen für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 20 des Grundgesetzes erfüllen. Das Bundesverfassungsgericht mahnt an, dass alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht zu bemessen sind.

Drittens: Der Vizekanzler und Außenminister der schwarz-gelben Bundesregierung Guido Westerwelle bricht vor dem Hintergrund einbrechender Umfragewerte und den Wahlen in Nordrhein-Westfalen eine sogenannte Sozialstaatsdebatte vom Zaun.

Diese drei Ebenen wollen wir sauber auseinanderhalten.

Ich komme zum ersten Problem, der Organisationsstruktur im SGB II. Wir Grünen begrüßen ausdrücklich, dass durch den unionsinternen Kompromiss jetzt wieder Bewegung in eine völlig verfahrene Situation gekommen ist. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat schon am 15. Dezember 2009 einen Gesetzentwurf zur verfassungsrechtlichen Absicherung der ARGEn und zu zusätzlichen Optionskommunen vorgelegt. Das ist die Drucksache 17/206 des Bundestages.

Wir halten eine Beibehaltung des Prinzips Leistung aus einer Hand für unabdingbar. Wir haben eine Dezentralisierung im SGB II mit passgenauen Lösungsansätzen vor Ort immer für richtig gehalten. Neben der Absicherung der ARGEn ist für uns auch eine dauerhafte Sicherung der Optionskommunen und eine Ausweitung des Optionsmodells wichtig. Wo ARGEn vor Ort gute Arbeit leisten, sollen sie das weiter tun. Wo sich Kommunen lieber für Option entscheiden wollen, sollen sie optieren dürfen.

Diese Optionskommunen müssen natürlich der Rechtsaufsicht des Bundes unterstellt werden, wie es im Kompromiss momentan auch angedacht wird.

Unbürokratische effiziente Hilfe und auf die regionale Wirtschaftsstruktur abgestimmte Arbeitsvermittlung müssen absoluten Vorrang haben. Die Millionen ALG-II-Bezieher und die Beschäftigten der Jobcenter müssen endlich Rechtssicherheit haben.

Nachdem der ideologische Grabenkampf um die Verfassungsänderung beendet ist, fordern wir die SPD-Fraktion im Bundestag auf, keinen neuen Grabenkampf um die Optionskommunen zu beginnen. Die Zeit drängt.

Ich komme zum zweiten Problem, zu den als intransparent und willkürlich gegeißelten Regelsätzen des ALG II besonders für Kinder und Jugendliche. Dies geht tiefer als die Organisationsstruktur im SGB II. Die Diskussion, wie ein verfassungskonformes menschenwürdiges Existenzminimum definiert werden soll, ist eigentlich die große Sozialstaatsdebatte, der wir uns zu stellen haben.

Bei dieser Debatte geht es nicht um die Diffamierung von Leistungsbeziehern. Es geht auch nicht darum, die Besserverdienenden zur Entsolidarisierung aufzustacheln. Bei dieser Debatte geht es schlicht und ergreifend um das Selbstverständnis unseres Staates.

Ich möchte hier ein längeres Zitat des Journalisten Prantl aus „Süddeutsche Zeitung“ vom 20. Februar anführen:

„Nicht die freie Entfaltung des Kapitals ist das Anliegen der bürgerlichen Freiheitsrechte, sondern die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen. Eine Umverteilung von oben nach unten zum Zwecke der sozialen Grundsicherung aller Bürgerinnen und Bürger und zur Herstellung annähernd gleicher Chancen und Lebensbedingungen ist kein sozialistischer Restposten, kein Sozialklimbim und kein Gedöns, sondern demokratisches Gebot.“

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

„Der gute Sozialstaat ist keine Almosenverteilungsanlage. Es geht ihm vielmehr darum, die Menschen in die Lage zu versetzen, Bürger zu sein. Sozialstaat und Demokratie gehören zusammen, sie bilden eine Einheit.“

Es ist nämlich nicht so - ich komme gleich zum Ende -, dass in diesem Land zu hohe Transferleistungen gezahlt werden. Das hat auch die OECD-Vergleichsstudie ergeben. Diese Transferleistungen verführen nicht zu spätrömischer Dekadenz, sondern das Problem in Deutschland ist, dass man zunehmend nicht mehr von den Löhnen leben kann. 11,5 Millionen Armutsgefährdete - das ist der Skandal in diesem Land.

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Wenn die FDP darauf verweist, dass der, der arbeitet, mehr Geld haben muss als der, der Transferleistungen bezieht, dann sage ich: Willkommen im Klub der Mindestlohnbefürworter!

(Beifall GRÜNE/B90, SPD und DIE LINKE)

Zum dritten Themenkomplex kann ich kaum noch etwas sagen.

Sie überstrapazieren unsere Geduld; das kann ich leider nicht tolerieren.

Ich glaube, zu Guido Westerwelle muss man sich auch nicht unbedingt geäußert haben.

(Heiterkeit und Beifall SPD)

Wo sie Recht hat, hat sie Recht. - Für die Landesregierung spricht Minister Baaske.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Einen schönen guten Morgen, wenngleich bezüglich der Ausführungen von Herrn Büttner das Wort „Morgengrauen“ eine völlig neue Bedeutung bekommen hat.

(Heiterkeit bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Als ich Ihren Antrag gelesen habe, Herr Büttner, Herr Goetz, habe ich mich gefragt: Haben Sie wirklich so viel Chuzpe und Schamlosigkeit oder glauben Sie, dass dieses Haus hier unter kollektiver Amnesie leidet? Ich habe mich am Ende gefragt: Wissen Sie es wirklich nicht besser? Müssen wir heute eine Aufklärungsveranstaltung machen?

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Vielleicht sollten wir das wirklich einmal miteinander tun. Ich habe genau deshalb einige Zettel mit nach vorn gebracht, denn ich will Ihnen mit einigen Zitaten auf die Sprünge helfen. Ich habe zum einen ein Zitat von Ihnen, Herr Büttner, vom 17.12. vergangenen Jahres, als es um das gleiche Thema ging:

„Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die anstehende Reform der Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen, wie sie im Koalitionsvertrag“

- in Ihrem schwarz-gelben