Die Fortsetzung der Arbeitsgemeinschaften unter verbesserten Rahmenbedingungen auf der Grundlage einer Verfassungsänderung wäre damals schon möglich gewesen. Das bürgerfreundliche Modell „Hilfe aus einer Hand“, das Sie heute hier fordern, hätte damit fortgesetzt werden können. Dieser parteiübergreifende Kompromiss wurde aufgekündigt. Die CDU/ CSU-Fraktion im Bundestag stellte sich damit nicht nur gegen ein seinerzeit faktisch von allen Bundesländern unterstütztes Konzept, welches damals schon die Fortführung sowohl der ARGEn als auch der Jobcenter und den Erhalt der Optionskommunen ermöglicht hätte.
Die Landesregierung hat niemals Anlass zur der Vermutung gegeben, sie könnte sich einer Regelung entgegenstellen, die eine verfassungsrechtliche Absicherung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung aus einer Hand sicherstellt. Viel interessanter ist die Positionierung der FDP zu diesem Thema. So sagten Sie, Herr Abgeordneter Büttner, in der Landtagsdebatte am 17.12. noch:
Vor diesem Hintergrund erscheint die Antragsbegründung der FDP auf Durchführung einer Aktuellen Stunde zu diesem Thema etwas merkwürdig. Aber wir freuen uns natürlich über den Erkenntniszuwachs; ich freue mich darüber sehr.
Ich wiederhole: Für uns stehen die Arbeitsuchenden im Vordergrund der Bemühungen. Darum treten wir auch für ein gemeinsames Vorgehen zur Grundgesetzänderung ein. Die Verfassungsänderung muss aber die notwendigen einfachgesetzlichen Regelungen absichern. Die Basis dafür liegt, wie ich bereits erwähnte, seit einem Jahr auf dem Tisch. Dabei müssen Gesetz und Verfassungsänderung aber eine Einheit bilden. Vorher muss die Sicherung des Niveaus der Fördermaßnahmen für Arbeitsuchende im Bundeshaushalt sichergestellt sein. Gute Arbeitsmarktprogramme müssen fortgesetzt und die Zahl der Vermittler aus dem Gesetzentwurf der letzten Bundesregierung gesichert werden. Darum ist die Reihenfolge, zunächst einmal die einfachgesetzlichen Regelungen zu klären und zu vereinba
ren und dann die Grundgesetzänderung anzugehen. Dafür verbleibt allerdings - da gebe ich Ihnen Recht - nicht mehr viel Zeit. Spätestens bis Mitte des Jahres müssen die Änderungen auf den Weg gebracht sein, weil diese sonst in den Optionskommunen und ARGEn nicht mehr umsetzbar sind.
Vor diesem Hintergrund haben die Unionsparteien und die FDP - darauf will ich hinweisen - sehr viel Zeit vergeudet. Es ist dringend erforderlich, einheitliche Maßstäbe, einheitliche Rechtsanwendung und eine Gleichbehandlung der Menschen sicherzustellen, egal, an welchem Wohnort sie leben. So haben Sie, meine Damen und Herren der Opposition, ein Jahr gebraucht, um wieder auf dem Stand von damals, dem Verhandlungsergebnis der ZAG, zu sein und sich letztlich doch zu der Einsicht durchzuringen, dass an einer Grundgesetzänderung kein Weg vorbeiführt.
Zur Frage der Ausweitung der Optionskommunen jedoch, wie sie im Antrag gefordert wird, bleibt die FDP hier den Beleg dafür schuldig, dass die Optionskommunen in den Bereichen Aktivierung und Vermittlung von Arbeitslosen tatsächlich nicht schlechter sind als die Arbeitsgemeinschaften. Die bisher vorliegenden Untersuchungen und Studien können das jedenfalls nicht belegen. Deshalb wäre ich dankbar, wenn Sie in Ihrem zweiten Beitrag dazu noch etwas sagen könnten.
Für die SPD-Fraktion steht fest, dass eine vollständige Wahlfreiheit zwischen ARGE und Optionskommune abgelehnt wird, weil sie die Zwei-Klassen-Vermittlung - Kurzzeitarbeitslose bei der Arbeitsagentur, Langzeitarbeitslose bei der Kommune eher verfestigt und keine sachgerechte Vermittlung ermöglicht.
Da nun endlich auch auf Bundesebene bei den Unionsparteien und der FDP die Einsicht in die Notwendigkeit einer Grundgesetzänderung gereift ist, sollten nun endlich Taten folgen. Die Zeit drängt nicht nur für die Grundgesetzänderung, sondern auch aus der Sicht jedes betroffenen Arbeitslosen.
Eine erfolgreiche und effiziente Reform der Organisationsstrukturen im SGB II ist nicht nur für die Kunden und die Beschäftigten in den Jobcentern von existenzieller Bedeutung, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht. Denn auch ineffiziente Strukturen kosten uns die Steuergelder, die wir gerade in Zeiten der Krise an anderer Stelle dringend benötigen.
Ziel der Anstrengung ist letztlich die Vermittlung der Kunden in Arbeit. Ich würde mich deswegen freuen, wenn wir demnächst über Ergebnisse berichten könnten, wenn die Reform der Jobcenter hier erneut Thema sein wird. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Baer sagte es: Wir beschäftigen uns heute bereits zum zweiten Mal mit der Reform der Jobcenter. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass einige Horrorszenarien an die Wand gemalt wurden - besonders für die Betroffenen.
Ich darf an den Ausgangspunkt der Diskussion erinnern: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 20.12.2007 zum Thema Mischverwaltung ausgeführt:
„Eine hinreichend klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeiten ist vor allem im Hinblick auf das Demokratieprinzip erforderlich, das eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern fordert und auf diese Weise demokratische Verantwortlichkeit ermöglicht.“
Die ARGEn wurden wegen der fehlenden Klärung der sachlichen Zuständigkeit - nämlich Bund oder Kommune - für verfassungswidrig erklärt.
Das, was nach der Urteilsverkündung passiert ist, hat vor allem dazu beigetragen, die Menschen zu verunsichern. Es wurden massiv Ängste geschürt - sowohl bei den Arbeitslosengeld-IIBeziehern als auch bei den Mitarbeitern der ARGEn. Von „Das haben wir schon immer gewusst“ über unterschiedliche Varianten der ZAG, dem Zentrum für Arbeit und Grundsicherung, bis hin zur getrennten Aufgabenwahrnehmung in Kooperation - alle Parteien haben sich mit Vorschlägen an der Diskussion beteiligt.
Die Bundesregierung hat einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Trennung der ARGEn und die Entfristung der Optionskommunen vorsieht. Dieser Entwurf ist auf erhebliche Kritik gestoßen.
Deshalb liegt es jetzt an der SPD, durch eine Verfassungsänderung den Fortbestand der ARGEn zu sichern,
aber auch die Optionskommunen auszuweiten, denn die Verfassung ist nur mit Zweidrittelmehrheit zu ändern. Da es in mehreren Kreisen in Brandenburg die Überlegung gibt zu optieren, gewährleisten wir damit den größten Handlungsspielraum für die Kreise und die kreisfreien Städte.
Wie die künftige Regelung auch aussehen mag, wir reden hier über ein Ausgabevolumen von 40 Milliarden Euro, über dessen Verwendung der Bund ein Mitspracherecht haben muss. Die abschließende Regelung muss in diesem Jahr erfolgen, denn sonst wären die Bescheide, die ab dem 01.01.2011 erstellt werden, rechtswidrig.
Falls die Grundgesetzänderung an der SPD scheitert, wird der bereits vorliegende Referentenentwurf qualifiziert. Deswegen bin ich dankbar für die Aktuelle Stunde. Minister Baaske, sagen Sie uns, wie sich Brandenburg entscheiden wird und vor allen Dingen, zu welchen Bedingungen.
Die Diskussion um die Strukturen von Hartz IV erscheint allerdings fast nebensächlich, wenn wir uns die Diskussion um die Inhalte anschauen. Es wurde in den zurückliegenden Tagen viel gestritten. Die umfassende Analyse und Diskussion ist aber dringend geboten.
Zur Situation: 2009 waren in der Bundesrepublick Deutschland 43 466 000 Menschen erwerbstätig, 35 759 000 als Arbeitneh
mer und 4,4 Millonen als Selbstständige. 6,7 Millionen Menschen leben von Hartz IV, das heißt jeder zehnte Bundesbürger unter 65 Jahren. In die Grundsicherung fließen fast 40 Milliarden Euro Steuermittel. Der Gesamtetat der Bundesregierung belief sich 2009 auf 288 Milliarden Euro. Wir haben hier folglich ein vielschichtes Problem.
Für die Kinder, die von der Grundsicherung leben müssen, wird zu wenig getan. Leistungen für Kinder müssen auch bei den Kindern ankommen. Da ist Geld für Bildung ebenso wichtig wie gesunde Ernährung.
Die Absicherung einer größeren Familie fällt allerdings meist höher aus, als in vielen Berufen mit einem Vollzeitjob erzielt werden kann. Eltern, die arbeiten, haben 150 Euro Kindergeld, während die, die Grundsicherung bekommen, den Regelsatz für Kinder erhalten. Durch hohe Steuern und Sozialabgaben werden insbesondere die unteren und mittleren Einkommen über Gebühr belastet. Deshalb haben laut OECD-Studie Langzeitarbeitslose in Deutschland vergleichsweise wenig finanzielle Anreize, eine gering bezahlte existenzsichernde Beschäftigung aufzunehmen.
Was muss bei den Überlegungen hinsichtlich Veränderungen beachtet werden? Es gibt seit Jahren in der CDU einen Grundsatz, den Sie auch in jedem Wahlprogramm wiederfinden: Sozial ist, was Arbeit schafft. - Davon rücke ich auch nicht ab. Leistungsträger der Gesellschaft müssen stärker entlastet werden. Die Geltung des Lohnabstandsgebots muss gewährleistet werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir geben in etwa 371 Millionen Euro für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung aus, davon 210 Millionen Euro für das Beschäftigungspaket für Ältere.
In der letzten Woche ist die gemeinsame Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg vorgelegt worden. Wir müssen diese Arbeitsmarktprogramme auf den Prüfstand stellen und für Nachhaltigkeit sorgen. Denn bei arbeitsfähigen Leistungsbeziehern ist die Unterstützung durch die Gemeinschaft der Steuerzahler als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht. Es gibt nicht den Hartz-IV-Empfänger. Ich verwahre mich gegen Pauschalkritik. Die Biografien sind vollkommen unterschiedlich.
Jemand, der mit 50 Jahren arbeitslos wird, hat ein Interesse daran, weiter zu arbeiten, und schöpft alle Möglichkeiten aus, die ihm das Arbeitsamt - Gott sei Dank! - bietet. Aber ich kenne auch ein Beispiel, wonach ein junger Mann ein Handy vom Arbeitsamt verweigert hat, um für seinen Arbeitgeber ansprechbar zu sein.
Da muss man mit Sanktionen ansetzen können. Diese Forderung, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ja nicht unsozial; sie ist gerecht gegenüber denjenigen, die die Leistungen erwirtschaften müssen. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat im Dezember mehrheitlich einem Antrag der Koalitionsfraktionen „Reform der Organisationsstrukturen im SGB II“ zugestimmt. Er spricht sich darin für eine gesetzlich verankerte Aufgabenwahrnehmung durch die Agenturen für Arbeit und die Kommunen aus.
In der Debatte vor zwei Monaten hatten Sie sich, Kollege Büttner, vehement gegen eine Grundgesetzänderung ausgesprochen. Nun heißt es in dem Antrag Ihrer Fraktion: Volle Pulle in die andere Richtung! Das nenne ich schon wendig und flexibel. Das mag ja alles noch angehen, aber wenn das dann als Reformansatz der Bundesregierung vereinnahmt wird, dem sich die Landesregierung nicht widersetzen dürfe, dann wird es schon unverfroren.
Sie rennen erst in die eine Richtung, dann merkt Ihr Bundestrainer Westerwelle in der 60igsten Minute, dass die zweite Halbzeit begonnen hat, und fordert Sie auf, nun auf das andere Tor zu schießen.
Sie erklären dann in der Pressekonferenz, dass die Tore, die der Gegner geschossen hat, eigentlich Ihre Tore gewesen seien.
Für die Fraktion DIE LINKE kann ich ganz klar bei der Position des Koalitionsantrags vom Dezember bleiben. Ich hatte für meine Fraktion erklärt: Nach Lage der Dinge und mit dem Zeitdruck im Nacken gibt es realistisch zwei Alternativen - entweder Variante A, die damals von der Bundesregierung favorisierte getrennte Aufgabenwahrnehmung, oder Variante B, die verfassungsrechtlich abgesicherte gemeinsame Aufgabenwahrnehmung.
Wir waren damals für Variante B. Inzwischen ist auch die Bundesregierung auf Druck der CDU-regierten Länder auf diese Variante umgeschwenkt.