Die Folgen: Alle 8 900 Fälle von Grundstücksübertragungen werden derzeit vom Finanzressort rückabgewickelt. Dies wiederum hat zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen in den Grundbuchämtern und im MdF geführt. Das haben wir diese Woche erfahren dürfen. Die dortigen Rechtspfleger jedenfalls weigern sich, die rechtswidrigen Grundstücksübertragungen rückabzuwickeln; die wollen nach ihren Aussagen Falsches nicht durch Falsches ersetzen.
Ich kann nicht beurteilen, was da denn nun richtig oder falsch ist. Ich weiß nur eines: Wir - und auch die Landesregierung sind dringend gehalten, dass es hier zu einer Lösung kommt. Ich bin mir auch sicher, dass in dieser Auseinandersetzung noch weitere Fortsetzungen folgen werden.
Wie konnte es insgesamt so weit kommen? - Das Finanzministerium hatte 10 200 Bodenreformgrundstücke ermitteln lassen, auf die das Land nach Ansicht des Finanzministeriums einen Anspruch hatte. Allerdings wussten sie nicht, gegen wen sich
ihr vermeintlicher Anspruch richtete, denn die Eigentümer waren ihnen unbekannt. Doch eines wusste man: Solche unbekannten Eigentümer kann man vertreten.
Wer dann zum Vertreter bestimmt wurde, ist Ihnen allen hier bekannt. Doch die Vertretung durch das Land, meine Damen und Herren, war auch nicht das Problem. Das Problem war das Wort „unbekannt“. Jedem Laien leuchtet eigentlich ein, dass ein Eigentümer nur dann als unbekannt gelten kann, wenn man ihn ausreichend gesucht hat. Leider haben die Verantwortlichen im MdF dies anders gesehen. Hier wurden sogar solche Eigentümer für unbekannt erklärt, die man überhaupt nicht gesucht hatte.
Ein einfaches Beispiel - ich abstrahiere ausdrücklich -: Im Grundbuch von Neuruppin wurde im Sommer 2000 ein Bodenreformgrundstück entdeckt. Eingetragener Eigentümer: Willi Fischer. Ob Willi Fischer noch lebte, wusste man nicht. Kurzerhand ging ein Brief an den Landkreis Ostprignitz-Ruppin mit der Bitte, das Land Brandenburg zum Vertreter von Willi Fischer zu bestimmen. Begründung: Willi Fischer ist unbekannt. Der Wunsch nach Vertretung hatte allerdings nur ein Ziel: Als Vertreter von Willi Fischer wollte das Land dessen Grund und Boden an den Fiskus übertragen haben.
Das Sittenwidrige daran war, dass das Finanzministerium dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin zugesichert hatte: Ja, wir haben ausreichend nach Willi Fischer gesucht, aber er ist definitiv unbekannt.
Hierzu kam dann die Aufforderung an den Landkreis Ostprignitz-Ruppin: Bitte überprüft diese Angaben nicht. Es hat alles seine Richtigkeit.
Tatsächlich aber waren diese Angaben falsch. Denn nach Willi Fischer wurde gar nicht gesucht. Es ging nur darum, sich noch vor dem entscheidenden Stichtag 3. Oktober 2000 das Grundstück von Willi Fischer zu sichern.
Meine Damen und Herren, mich persönlich erstaunt es nach wie vor, dass in der Landesverwaltung niemandem in den Sinn gekommen ist, dass diese Vorgehensweise die Interessen der Eigentümer und deren Rechte völlig aus dem Blick verloren hat. Die Verantwortlichen im Finanzministerium, die wir im Ausschuss vernommen haben, finden bis heute nichts dabei. Sie entschuldigen sich damit, dass sie das Grundstück später selbstverständlich zurückgegeben hätten, wenn Willi Fischer oder seine Erben irgendwann aufgetaucht wären.
Diese rechtsstaatlich völlig verfehlte Vorgehensweise offenbart bei den Beteiligten ein Eigentumsverständnis, das staatliche Interessen unverhältnismäßig über die Individualrechte der Bürger stellt.
Offensichtlich glaubte man, es wäre in Ordnung, wenn sich der Staat ins Blaue hinein fremde Grundstücke aneignet, nur um einen Stichtag nicht zu verpassen.
Die Richter am Bundesgerichtshof haben dies völlig zutreffend als einem Rechtsstaat unwürdig bezeichnet. Die hierfür verantwortlichen Beamten, die wir vernommen haben, sind allerdings bis heute noch davon überzeugt, das Richtige getan zu haben. Dabei haben sie dem Fiskus mehr geschadet als genutzt. Brandenburg hätte in Tausenden von Fällen durchaus Anspruch
auf die Grundstücke gehabt. Selbst in dem Fall, den der Bundesgerichtshof entschieden hatte, war Brandenburg anspruchsberechtigt.
Doch der finanzielle Schaden, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht das eigentliche Problem. Herr Ministerpräsident, Sie haben es in Ihrer Regierungserklärung vor nunmehr einem Jahr zutreffend gesagt: „Das Vertrauen in den Rechtsstaat wurde erschüttert.“
Der damit verbundene Ansehensverlust, den Brandenburg erlitten hat, ist groß, und daran ist auch nichts zu beschönigen. Der Ministerpräsident hat auch dies in seiner Regierungserklärung angesprochen.
Leider hat sich an diesem Punkt bis heute wenig geändert, wie wir auch in der heutigen Presse wieder lesen durften.
Der von Brandenburg bei der Abwicklung der Bodenreform gewählte Weg hat weit über die Grenzen unseres Landes hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Etliche Briefe, die der Ausschuss erhalten hat, zeigen außerdem, welche Emotionen durch das Urteil des Bundesgerichtshofs freigesetzt wurden. So melden sich vor allem ehemalige Eigentümer, die ihre Grundstücke in den 90er Jahren an das Land übertragen mussten oder schon zu DDR-Zeiten enteignet wurden. Sie haben durch das Urteil vom Dezember 2007 neue Hoffnung geschöpft - in vielen Fällen freilich vergeblich. Alte Wunden wurden wieder aufgerissen. Erst gestern hat mich eine Frau aus Reichenwalde angerufen, die nie anspruchsberechtigt war, die durch alle Instanzen geklagt und verloren hat. Jetzt stehen 5 000 Euro Rechtsanwaltskosten an, die der Rechtsanwalt des Landes einfordert. Die hat sie nicht. Bei ihr wird zwangsvollstreckt. Einer von vielen Fällen. Das kann man so oder so beurteilen. Ich gebe es einfach einmal so weiter, weil es hieß, es gebe solche Fälle nicht.
Fast immer, meine Damen und Herren, haben die Betroffenen das Geschehen als ungerecht empfunden. Leider setzt sich das bis zum heutigen Tag fort.
Mir ist nach wie vor unbegreiflich, wie den verantwortlichen Ministern, den zuständigen Staatssekretären und den hochrangigen Beamten im Finanzressort jedes Gefühl für diesen hochsensiblen Teil deutscher Geschichte abhanden kommen konnte. Ich hätte mir gewünscht, dass die hierzu vernommenen Zeugen wenigstens nachträglich Einsicht und nicht nur mangelndes Erinnerungsvermögen gezeigt hätten.
War die Bodenreform doch stets ein politisch hochbrisantes Thema für unser Land. Sie ist nach meiner Auffassung symbolhafter Teil deutscher Nachkriegsgeschichte und Ausdruck von Vertreibung, Flucht, Hoffnung und Neubeginn. Sie zwingt daher politisch zu einem Handeln mit ganz besonderem Augenmaß. Stattdessen mussten wir uns ca. 17 Jahre nach der friedlichen Revolution in unserem Land vom Bundesgerichtshof erklären lassen, dass der Umgang mit Bodenreformeigentümern „nachhaltig an die Praxis der Verwalterbestellung der DDR erinnert“. Ich bin dem Bundesgerichtshof dankbar dafür, dass er der Landesregierung mit solch klaren Worten vor Augen geführt hat, wo ihre Prioritäten zu liegen haben, nämlich in der Bindung an Recht und Gesetz als oberste Handlungs
maxime. Ich bin davon überzeugt, dass der Untersuchungsausschuss einen Beitrag dazu leisten konnte, Vertrauen in unseren Rechtsstaat wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren, das Untersuchungsergebnis liegt Ihnen nunmehr vor. Es ist ein gemeinsamer Bericht der Mehrheit der Ausschussmitglieder. Mancher hat sich durchaus schwer damit getan, dass die Fehler so klar benannt wurden und werden. Aber, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Nur, ohne kritische Aufarbeitung und notwendige Konsequenzen können sie sich wiederholen. Die Fehler, die der Untersuchungsausschuss festgestellt hat, möchte ich noch einmal benennen und zusammenfassen.
Von 1992 bis 2000 haben die damaligen Landesregierungen die Priorität der Abwicklung der Bodenreform verkannt. Von der Frist, die dem Land zur Durchsetzung seiner Ansprüche blieb, wurden daher die meisten Jahre ergebnislos vertan.
Aufgrund der genannten Prioritätensetzung hat die politische Führung ihre Kontrollfunktion nicht korrekt ausgeübt. Dies wiederum war Nährboden für eine Verselbstständigung der verantwortlichen Fachebene des Finanzministeriums. Dieses hat es bewusst unterlassen, ihren Informationspflichten nachzukommen, und dadurch pflichtwidrig gegen die Geschäftsordnung der Landesregierung verstoßen. Damit konnte freilich auch den Informationspflichten gegenüber dem Landtag nicht mehr nachgekommen werden.
Schließlich wurde zumindest geduldet, dass die Landkreise, wie eben geschildert, über gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen getäuscht wurden. Verantwortlich ist hierfür nach unserer Auffassung die Fachebene des Finanzministeriums.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein paar Worte zum Sondervotum der Linksfraktion sagen. In Ihrem Bericht, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, haben Sie Forderungen erhoben, die das Land schon deshalb nicht erfüllen kann, weil es dafür gar keine Befugnis hat. Die Regelung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch kann das Land jedenfalls nicht revidieren.
Darüber hinaus halte ich es für völlig verfehlt, wie das Untersuchungsergebnis aus linker Perspektive ideologisiert werden sollte. So wurde einmal mehr das Modrow-Gesetz glorifiziert und gefordert, selbst rechtskräftige Gerichtsentscheidungen zu korrigieren, die mit dem BGH-Urteil in gar keinem Zusammenhang stehen. Wir werden jedenfalls keinen Versuch unterstützen, Modrow schon zu Lebzeiten seligzusprechen.
Auch den Versuch, das Schicksal und die Hoffnungen der betroffenen Menschen für Ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren, werden wir nicht mittragen.
Meine Damen und Herren von der Linksfraktion, Sie konnten der Versuchung eben nicht widerstehen. Sie mussten ideologisieren. Das ist genau der Grund, aus dem wir Ihren Bericht nicht mittragen können. - Vielen Dank.
Entsprechend § 29 gibt es einen Antrag der Abgeordneten Hesselbarth auf eine Kurzintervention. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Danke schön, Herr Homeyer, dass ich die Gelegenheit habe, mich in einer Kurzintervention noch einmal zu äußern. Meine Redezeit war doch sehr knapp bemessen.
Ich sage Ihnen klipp und klar: Lügen, die Sie hier verbreiten, werden nicht wahrer, indem Sie sie immerzu wiederholen.
Es ist nun einmal Fakt, meine Damen und Herren: Die DVUFraktion hat drei Beweisanträge zu Zeugenbefragungen in den Untersuchungsausschuss eingebracht. Diese Zeugen wollten Sie nicht hören. Die Anträge wurden von Ihnen mit Mehrheit abgelehnt. Dazu, wie Sie sich uns als Minderheit in diesem Ausschuss gegenüber verhalten haben, habe ich bereits eingangs etwas gesagt.
Es war jedenfalls in keinem anderen Sonderausschuss, in dem wir vertreten waren, so wie in diesem. Deswegen komme ich zu den Schlussfolgerungen, die ich hier genannt habe.
Als Anmerkung für das Publikum: Sie haben ohne Ende die Vorlage von Aktenbergen beantragt. Sie wussten am Anfang nicht, ob Sie die wirklich brauchen. Es wurden Zeugen befragt, die nichts aussagen konnten, weil sie nichts wussten. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Mir persönlich war es teilweise peinlich, wie Sie Zeugen, die dazu überhaupt nichts aussagen konnten, mit immer wiederholenden Fragen gequält haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle sind täglich bemüht, das Richtige zu tun und das Falsche zu lassen. Im Nachhinein betrachtet wissen wir, dass das nicht immer gelingt. Dann ist zu unterscheiden: Gibt es einen Irrtum oder einen Vorsatz festzustellen? Zweiteres wiegt natürlich schwerer. Ich bin dankbar, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses im Wesentlichen davon geprägt war festzustellen: Gibt es eine Art Vorsatz? Zumindest bei der Frage des Eigentumsverständnisses, Herr Homeyer, das bei den
Mitarbeitern zugrunde lag, sind wir in den Auseinandersetzungen, die wir darüber haben, unterschiedlicher Auffassung geblieben.
Neben dem Urteil selbst gilt es erstens festzustellen - da gehe ich mit den Erkenntnissen des Ausschusses vollkommen d'accord -, dass von der Einschätzung, dass man etwas tun muss, und dem Beginn einer aktiven Abarbeitung dieser vielen Fälle zu viel Zeit verstrichen ist. Das hat mit einem Streit innerhalb der Regierung zu tun gehabt, wer nun der am besten dafür Geeignete und unter welchen Prämissen dies abzuarbeiten ist. Das hat zu lange gedauert, über 2005 hinweg bis zum Kabinettsbeschluss 2006 und der realen Recherche, die erst in 2007 richtig...