Protocol of the Session on January 21, 2009

Aber auch Ihr heutiger Antrag dürfte schon rechtlich widersprüchlich und bei einer zu erwartenden Klageflut, insbesondere der Neuanschließer, wegen der dann höheren Gebühren kaum zu rechtfertigen sein. Das wurde ebenfalls angesprochen.

In Ihrer Antragsbegründung schreiben Sie selbst, dass nach geltendem Recht der wirksame Beginn der Festsetzungsverjährungspflicht an das Inkrafttreten einer rechtswirksamen Beitragssatzung anknüpft. Deswegen ist der vorliegende Antrag schon völlig unsinnig, weil sich auch mit der beantragten Gesetzesänderung, wie Sie es wollen, an der Rechtslage überhaupt nichts ändert, Herr Dr. Scharfenberg. Konkret heißt das: Wenn eine wirksame Beitragssatzung nicht frühzeitig erlassen wurde, kann dann auch weiterhin die Beitragspflicht nach § 7 Satz 2 und 3 begründet werden, weil dann auch rechtlich bis zum 31.12.2003 die Festlegungsfrist gar nicht abgelaufen gewesen ist. Sie sollten sich daher erst einmal einen Anwalt nehmen oder einen Rechtskundigen zu Rate ziehen, meine Damen und Herren der Linken, bevor Sie hier solche Anträge stellen. Dann wird es nicht so peinlich.

Auch wenn sich die Linke bemüht, trotz mangelnden Rechtsverständnisses, literarisch Kreatives in das Parlament hineinzutragen, führt uns dies aber nicht weiter, Herr Dr. Scharfenberg.

Wenn der beantragte Kunstgriff, den Sie jetzt vorschlagen, gelänge, würde damit keine Abgabengerechtigkeit geschaffen werden. Das haben Sie auch gesagt. Insbesondere würden die Gebühren für alle Angeschlossenen, ob Alt- oder Neuanschließer, steigen, wenn man an anderer Stelle keine Beiträge erheben würde, denn dann, wie in der öffentlichen Anhörung des Aus

schusses für Inneres deutlich wurde, verhalten sich Beiträge und Gebühren wie kommunizierende Röhren. Wer auf der einen Seite etwas wegnimmt, packt automatisch auf der anderen Seite etwas darauf. Damit drehen wir uns also im Kreis der Abgabendynamik und kommen mit dieser Initiative in der Altanschließerproblematik keinen Deut weiter. Das gilt für den Antrag der Linken, mit dem die Stichtagslösung gefordert wurde, und genauso für den Antrag, den Sie heute einbringen.

Wir als DVU-Fraktion haben mit unserem eigenen Antrag mit der Drucksachennummer 4/6197 vom 22. April 2008 der Landesregierung einen klaren Auftrag erteilt, nämlich dem Parlament eine für die Gebührenzahler kostenneutrale Freistellung der Altanschließer vorzulegen. Dem ist die Landesregierung nicht nachgekommen, ebenfalls nicht die Koalition und die Linken. Stattdessen behelligen Sie uns heute wieder mit einem Schaufensterantrag, der gar nicht umsetzbar ist, Herr Dr. Scharfenberg.

Indes zeigt das vom MLUV angeforderte Gutachten vom 21.11.2008 zum Ausmaß der Altanschließerproblematik im Land Brandenburg, dass zumindest ein Fünftel der Aufgabenträger mit Altanschließerproblemen einen Altanschließeranteil von mehr als 50 % hat, was vor allem aber an dem schon vor 1990 hohen Erschließungsgrad bei der zentralen Wasserversorgung liegt.

Das komplexe Problem muss anders angepackt werden, meine Damen und Herren. Von dem Ziel, Abgabengerechtigkeit für Alt- und Neuanschließer herzustellen, ist der vorliegende Antrag weit entfernt. Er ist auch rechtlich nicht durchführbar, Herr Dr. Scharfenberg. Aus diesem Grunde werden wir ihm und auch der Überweisung nicht zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält Herr Abgeordneter Petke.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Scharfenberg, wenn Sie den Verdacht äußern, die Landesregierung bzw. die Regierungskoalition würde das mit Absicht hinausschieben, so darf ich das an der Stelle wirklich zurückweisen. Wir haben heute den 21. Januar. CDU und SPD - das hat Kollege Holzschuher ausgeführt werden noch im Januar - so wie es in Aussicht gestellt ist - einen Gesetzgebungsvorschlag unterbreiten. Wir werden diesen Gesetzgebungsvorschlag auch, wie es sich gehört und wie es gerade beim sensiblen Thema Abwasser notwendig ist, im Innenausschuss und an anderer Stelle ausführlich diskutieren.

An der Stelle darf ich sagen: Es ist ja nicht so, dass wir allein von diesem Urteil überrascht worden wären. Die Überraschung, glaube ich, war ja hier im Landtag und vor Ort gegeben. Dann hier einfach so zu tun, als ob man die schnelle Antwort hätte das ist nicht unser Weg.

(Bochow [SPD]: Das ist unredlich!)

Wir haben hier eine Reihe von Gutachten. Wir haben viele Ju

risten, die sich mit dem Sachverhalt beschäftigt haben. Eines kann man feststellen - für diese Aussage werde ich wohl nur Zustimmung bekommen -: Da gibt es teilweise einander stark widersprechende Aussagen. Man kann also nicht einfach sagen: Ich habe ein Gutachten, und der Gutachter ist seriös, und ich gehe dann diesen Weg. - Andere widersprechen da zum Teil sehr heftig und äußern teilweise diametral entgegenstehende Auffassungen.

Insofern ist der Weg, den Sie aufzeigen, einer, den man sicherlich diskutieren kann und den wir diskutieren werden. Aber ich darf an der Stelle schon sagen: Ich halte ihn für rechtlich falsch. Wir stehen vor der Herausforderung - übrigens nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern das Haus insgesamt -, wenn wir das Gesetz ändern, eine Gesetzesänderung hinzubekommen, die dann durch Verwaltungsgerichte, durch das OVG oder ein Verfassungsgericht eben nicht wieder korrigiert wird. Ich möchte es nicht erleben, dass wir in zwei oder drei Jahren diese Debatte noch einmal führen. Deswegen ist es wichtig, das, was jetzt erarbeitet wurde, zur Kenntnis zu nehmen und die Lösungsansätze im Innenausschuss ausführlich zu diskutieren. Ich glaube, dazu eignet sich das Plenum zurzeit noch nicht.

Ich darf ein Ergebnis der letzten Innenausschusssitzung am Donnerstag deutlich nennen. Dort ist herausgearbeitet worden, dass wir eben nicht nur ein Altanschließerproblem, sondern auch ein Neuanschließerproblem haben. Würde man Ihren Antrag 1 : 1 umsetzen, würfe das verfassungsrechtliche Fragen auf. Ich halte Ihren Antrag deswegen politisch nicht und schon gar nicht rechtlich für einen gangbaren Weg. Der Vorschlag ist nun einmal in einem Gutachten aufgeworfen worden; deswegen werden wir ihn auch seriös diskutieren. Das heißt, dass wir uns dann auch mit den Argumenten auseinandersetzen.

Zusammenfassend sei gesagt: Es wird im Januar einen Lösungsvorschlag der Regierungsfraktionen und der Landesregierung geben. Wir suchen einen Weg, um das, was durch das Urteil entstanden ist, auch abzumildern, um Wege zu finden, dass es nicht zu unnötigen Belastungen kommt. Aber eines wird uns nicht gelingen: die Quadratur des Kreises. Insofern: Wenn Sie sagen, Sie möchten gern wissen, wo die Probleme am größten sind, habe ich die leise Ahnung, dass Sie dann vielleicht im Landtags- oder Bundestagswahlkampf in den Gegenden ein besonderes Abwasserplakat kleben.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Ich habe im Innenausschuss nicht nachvollziehen können, was der Mehrwert der Antwort auf die Frage wäre: Welcher Zweckverband hat möglicherweise die größten Probleme? Mich beschlich die Ahnung - auch als Sie eben zu uns sprachen -, dass es da auch um den Wahlkampf geht.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Ich will weiß Gott nicht sagen, dass ich Ihnen das vorwerfen könnte. Da ist ein Problem, und von uns ist eine Lösung gefordert. Aber Folgendes gilt bei diesem Thema und vielen anderen Themen auch: Ich kann Sie nur dazu auffordern, den Menschen nicht Sand in die Augen zu streuen. Das haben schon viele versucht, unter anderem Ihre Kolleginnen und Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern, und mussten sich auch bei diesem Thema entsprechend korrigieren.

Wir werden den Gesetzentwurf im Innenausschuss weiter diskutieren. Ich freue mich auf die Debatte. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Nun erhält Ministerin Blechinger das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Auch wenn Herr Holzschuher hier sagte, es wird schwierig werden, diese Debatte im Landtag zu führen, möchte ich zumindest deutlich machen, warum die Landesregierung mit dem vorgelegten Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ihre Probleme hat bzw. deren Rechtsauffassung nicht teilt.

Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ist ja eine wortgleiche Wiederholung der Ziffer 1 ihres Änderungsantrags zum Dritten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 7. Juli 2008. Danach soll ausgeschlossen werden, dass Beitragsforderungen für Beiträge, deren Festsetzungsfrist zum 31. Dezember 2003 bereits abgelaufen ist, neu begründet werden. Eine Neubegründung bereits verjährter Beitragsforderungen stand und steht aber nicht zur Debatte, weil dies die bestehenden abgabenrechtlichen Vorschriften nicht zulassen würden. Danach dürfen Beitragsforderungen nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr geltend gemacht werden, weil diese Beitragsansprüche infolge Verjährung erloschen sind. Dabei ist der Zeitpunkt des Verjährungseintritts unerheblich. Verjährte Forderungen erlöschen unabhängig davon, ob die Verjährung vor oder nach dem 31. Dezember 2003 eingetreten ist.

Das Kommunalabgabengesetz ist nicht zuletzt aufgrund der sich ändernden Rechtsprechung und sich ändernder Rechtsvorschriften eine komplexe Angelegenheit. Gestatten Sie mir daher zum besseren Verständnis die hier in Rede stehende Problematik der Festsetzungsverjährung im Bereich der Anschlussbeiträge kurz darzustellen.

Haben Aufgabenträger vor dem 1. Februar 2004 eine rechtswirksame Anschlussbeitragssatzung erlassen, hatte diese nach der damaligen Rechtslage Rückwirkung auf den ersten - gegebenfalls unwirksamen - Satzungsversuch. Der Zeitpunkt, auf den das Entstehen der Beitragspflicht rückwirkend fixiert wurde, konnte bei dieser Konstellation so weit zurückliegen, dass die Festsetzungsfrist bereits bei Erlass der ersten rechtswirksamen Satzung aufgrund der gebotenen Rückwirkung abgelaufen wäre.

In diesen Fällen durften und dürfen nach der bestehenden Rechtslage Beiträge nicht mehr erhoben werden. Aufgabenträger, die über eine rechtswirksame Anschlussbeitragssatzung erst ab Februar 2004 verfügen, können ihre Beitragsforderungen hingegen geltend machen.

Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts gilt das auch, wenn eine Heranziehung zu Beiträgen nach der alten Rechtslage aufgrund des Rückwirkungsgebotes der wirksamen Beitragssatzung nicht mehr möglich gewesen wäre. Denn für die ab dem 1. Februar 2004 erlassenen rechtswirksamen Satzungen entfällt das Rückwirkungsgebot auf den ersten Satzungsversuch. Es kann also keine Rede davon sein, dass bereits

verjährte und erloschene Forderungen wieder aufleben. Das übersieht auch das Gutachten von Prof. Steiner, auf das man sich in der Begründung des Gesetzentwurfs beruft.

Wie das Oberverwaltungsgericht wiederholt festgestellt hat, kann ohne wirksame Beitragssatzung eine Beitragspflicht nicht entstehen und somit auch keine Festsetzungsfrist in Gang gesetzt werden. Satzungen, die nicht rechtswirksam sind, können die Beitragspflicht und damit den Beginn der Festsetzungsfrist nicht auslösen. Dies verkennt der vorliegende Gesetzentwurf.

Aus der Gesetzesbegründung wird ein wenig klarer, was eigentlich gewollt ist. Es wird eine Regelung angestrebt, die verhindert, dass Altanschließer noch zu Anschlussbeiträgen herangezogen werden können, wenn dies nach der alten Rechtslage nicht mehr möglich gewesen wäre. Außer Acht gelassen wird allerdings die Frage, wer den auf die Altanschließer entfallenden Investitionskostenanteil an deren Stelle eigentlich tragen soll. Die beitragsfähigen Investitionskosten allein den Neuanschließern aufzuerlegen widerspricht dem Gleichheitsgebot aus Artikel 3 Grundgesetz, weil auch die Altanschließer von den nach 1990 getätigten Investitionen im Abwasser- und Wasserbereich profitieren.

Den auf die Altanschließer entfallenden Beitragsanteil auf die Gebührenzahler umzulegen bedeutet letztlich eine Entlastung von Grundstückseigentümern auf Kosten von Mietern. Denn im Unterschied zu Beiträgen können die Gebühren auf Mieter umgelegt werden. Die Beitragsfeststellung von Altanschließern durch den Gesetzgeber kann auch nicht ohne Weiteres zulasten der kommunalen Aufgabenträger erfolgen. Ein solcher Eingriff in die Abgabenhoheit wäre wohl nur bei einer Refinanzierung durch das Land verfassungsrechtlich haltbar. Diese Aspekte sollten bei der weiteren Befassung im Innenausschuss berücksichtigt werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin. - Das Wort erhält noch einmal für eine halbe Minute Herr Dr. Scharfenberg, wenn er möchte. - Okay, dann beende ich hiermit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion DIE LINKE beantragt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/7077 an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Wenige stimmten dagegen. Die Mehrheit hat dafür gestimmt. Demzufolge ist dieser Gesetzentwurf überwiesen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetz zur Anpassung des Landesrechts an das Personenstandsrechtsreformgesetz

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7107

1. Lesung

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Wir kommen demzufolge sofort zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der genannten Drucksache an den Ausschuss für Inneres. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Einstimmig ist für die Überweisung dieses Gesetzentwurfs gestimmt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gesetz über den Beruf der Altenpflegehelferin und des Altenpflegehelfers im Land Brandenburg (Branden- burgisches Altenpflegehilfegesetz - BbgAltPflHG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7109

1. Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Frau Ministerin Ziegler erhält das Wort. - Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Infolge des demografischen Wandels werden wir es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit einer wachsenden Zahl hochaltriger Menschen zu tun haben. Es ist davon auszugehen, dass unter ihnen auch sehr viele mit großem Betreuungs- und Pflegebedarf sein werden und dass diese Zahl enorm wachsen wird.