Ich stehe sehr klar auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft. Aber die soziale Marktwirtschaft ist nicht einfach eine Floskel, sondern muss sich den Bedingungen, wie sie in der Welt sind, auch würdig erweisen, und das hat sie nicht getan, in der letzten Zeit eindeutig nicht getan. Deshalb widerspreche ich Ihnen ganz klar und sage: Wir sind in einer Vertrauenkrise, und wir tun gut daran, ernst zu nehmen, was die Menschen an Fragen haben, und das nicht mit Floskeln zu beantworten, sondern wirklich mit Konzepten, die auch langfristig tragfähig sind. - Danke schön.
(Zuruf von der SPD: Jetzt kommt der dritte Weg! - Hei- terkeit bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! Auch ich habe nicht die Absicht, zur Revolution aufzurufen, weil ich finde, die Situation, in der wir uns befinden, verlangt verantwortungsbewusstes Handeln. Dazu haben Sie völlig zu Recht die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger artikuliert und ihre Sorgen benannt.
Ich finde, Frau Funck, Sie wären gut beraten - und nicht nur Sie -, darauf zu achten, dass eine Formulierung wie „der Weg, den wir gehen, ist der richtige“
Ich könnte mir sehr wohl vorstellen, dass die klugen am Markt Orientierten, die studierten Ökonomen und Promovierten auf die Idee kommen könnten, zu sagen: Gibt es denn Ursachen für die Krise, in der wir uns jetzt befinden? Wenn man sich zurückerinnert, war es manchmal so - im Innenministerium gibt es bestimmt entsprechende Vergleiche -: Da waren dann die Feuerwehrleute die Brandstifter.
Da finde ich ganz einfach, darüber sollten wir nachdenken. Man hat zu sehr gezockt und hat zu sehr gespielt. Man hat sich um die 3 und 4 % Zinssatz bei den Bürgerinnen und Bürgern, über die man jetzt nachdenkt, nicht gekümmert. Man hatte die 20 und 25 % im Auge.
Wenn man dann sagt, die Krise sei überraschend, aber eigentlich hätten wir das schon des Öfteren erlebt, so will ich ausdrücklich sagen: Wer die Kraft aufbringen sollte - er ist in der Umfrage der zweitbekannteste Deutsche gewesen: Karl Marx - nachzulesen, stellt fest, dass Karl Marx im „Kapital“ den Kapitalfluss, die Zirkulation und die Gefährdungen aufgezeigt hat, wenn Geld heckendes Geld unterwegs ist. Nun will ich hier keinen Grundkurs abhalten,
nein, ich will einfach nur sagen: Jeder ist in der Lage zu lesen und kann Schlussfolgerungen ableiten, die sich dann als nicht hinreichend gesellschaftsfähig erweisen. Deswegen teile ich auch die Auffassung: Die Antwort auf die jetzige Situation ist nicht die Wiedereinführung der Planwirtschaft, so wie sie in der DDR existiert hat, sondern was wir jetzt brauchen, ist verantwortungsbewusstes Handeln. Wir sollten in dieser Situation - das hat Herr Christoffers deutlich gemacht; das wird sicherlich auch im Bundestag eine Rolle spielen ernsthaft eine Basis für Vertrauen schaffen.
Ansonsten empfehle ich, danach - wenn diese Sache greift - sehr klar abzustecken: Wer hat Verantwortung getragen? Vielleicht ist es auch so, dass jemand, nachdem er so tolle Reden gegen die Heuschrecken gehalten hat - der Kollege wird ja wieder Parteivorsitzender -, dann in dieser Funktion nicht nur tolle Reden gegen die Heuschrecken hält, sondern auch an den Gesetzen mitwirkt, die diejenigen nicht ermutigt, sondern dafür sorgen, dass sie ihre Grenzen erkennen.
Meine Damen und Herren, es wird Sie vielleicht überraschen: Wir sind dennoch am Ende der Aktuellen Stunde angelangt, und ich schließe Tagesordnungspunkt 1.
Es gibt einige Fragestellungen, die sich mit dem gleichen Thema befassen. Da es sich bei allen Fragen um die Finanzmarktkrise handelt, werden sie zusammen gestellt.
Ich rufe die Frage 1997 (Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Kommunen des Landes Brandenburg), die Frage 1998 (Finanzielle Hilfen für die Kommunen des Landes Branden- burg) - beide vom Abgeordneten Domres gestellt - und anschließend die Dringliche Anfrage 58 (Mögliche Auswirkun- gen der Finanzkrise auf die kommunalen Haushalte), gestellt vom Abgeordneten Petke, auf.
Die Krise auf dem Finanzmarkt greift immer weiter um sich; wir haben eben darüber diskutiert. Viele Banken sind davon betroffen. Die brandenburgischen Kommunen haben beispielsweise ihre Kassenkredite bei verschiedenen Banken aufgenommen. Auch die kommunalen Unternehmen und die Zweckverbände des Landes Brandenburg sind teilweise kreditfinanziert.
Ich frage die Landesregierung erstens: Welche Auswirkungen hat die Finanzmarktkrise auf die Kommunen, auf die kommunalen Unternehmen und Zweckverbände des Landes Brandenburg?
Nach der Geburt und dem Ableben des „dritten Weges“ ist es wichtig, dass wir auf die konkreten Dinge im Lande zu sprechen kommen.
Nach Medienberichten haben auch Kommunen Zockgeschäfte getätigt, also Geschäfte, die durch die Finanzmarktkrise jetzt möglicherweise zu einer Belastung der kommunalen Haushalte führen.
Ich frage die Landesregierung: Liegen Erkenntnisse darüber vor, dass auch Kommunen im Land Brandenburg von den betreffenden Auswirkungen der Finanzmarktkrise negativ betroffen sind?
Vielen Dank. - Die Antwort gibt Staatssekretär im Ministerium des Innern Hohnen. Bitte, Herr Hohnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eine belastbare Aussage darüber, welche Auswirkungen die Finanzmarktkrise auf Kommunen, Zweckverbände und kommunale Unternehmen des Landes Brandenburg hat, kann derzeit nicht abschließend gemacht werden.
Aus heutiger Sicht können wir drei denkbare Effekte aber nicht ausschließen. Der erste Effekt ist, dass im Falle einer Schwächung des Wirtschaftswachstums das kommunale Steueraufkommen berührt sein könnte, der zweite Effekt, dass die Konsolidierungsprozesse in den kommunalen Haushalten verzögert werden können, und der dritte Effekt, dass die Zinsen für Kassenkredite, wenn sie nicht gar steigen, so doch auf einem hohen Niveau verbleiben und somit die kommunalen Haushalte weiter belasten werden.
Nach den mir vorliegenden Informationen haben brandenburgische Kommunen bisher keine von der Finanzmarktkrise verursachten Ausfälle zu verzeichnen. Ich bitte auch, die Diktion „Ausfälle“ und „Risiken“ sorgfältig zu trennen. Es gibt bislang keine Ausfälle, die uns bekannt wurden. Eine flächendeckende Analyse ist nicht möglich, da die entsprechenden Geschäfte der Landesregierung oder dem Innenministerium nicht angezeigt werden müssen. Von den Beteiligungsverwaltungen der Landkreise und kreisfreien Städte liegen zum derzeitigen Zeitpunkt auch keine Hinweise zu unmittelbaren negativen Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf das Finanz- bzw. Liquiditätsmanagement vor.
Angesichts des geplanten Hilfspakets und der daraus zu erwartenden Beruhigung des Finanzmarktes besteht kein aktueller Bedarf für ein Tätigwerden der Landesregierung den Kommunen gegenüber. Wirkungsvolle Hilfsmaßnahmen für Kommunen können aber auch erst dann ergriffen werden, wenn die Notfälle bekannt und deren Ursachen analysiert sind. Dabei müssten die Instrumente sorgfältig ausgewählt werden. Hilfen kämen im Übrigen auch nur dann in Betracht, wenn die lokalen Auswirkungen der Finanzmarktkrise das Maß dessen übersteigen, was eine Kommune aus eigener Kraft schultern kann.
Durch die aktuelle Finanzmarktkrise wurde der Fokus des öffentlichen Interesses auch auf Finanzgeschäfte der Kommunen gerichtet. Dabei spielen Swaps und noch viel kompliziertere Begriffe eine ganz große Rolle. Swaps, die zu den sogenannten Finanzderivaten gehören, sind Termingeschäfte, mit denen Marktrisiken getrennt von bestimmten Kapitalbeträgen gehandelt werden können. Derivate - ich muss das hier so in die Antwort einbeziehen - können der Zinssicherung, aber auch der Spekulation dienen. Nach den dem Innenministerium vorliegenden Erkenntnissen hat die Mehrheit der Kommunen im Land Brandenburg Finanzderivate, wenn überhaupt, nur zur Absicherung gegen steigende Zinsen eingesetzt. Die mit einem hohen Verlustrisiko verbundenen strukturierten Derivate, bei denen kurzfristige Entlastungen mit langfristig hohen und stark ansteigenden Risiken verbunden sind, haben nach den vorliegenden Informationen in der Vergangenheit nur drei Kommu
nen abgeschlossen. Eines dieser Geschäfte ist mittlerweile aufgelöst worden. Ein weiteres Geschäft wird gegenwärtig bezüglich der Risikobegrenzung angegangen.
Wir müssen aber auch darauf hinweisen, dass für diese Geschäfte keine Genehmigungspflicht besteht und das Innenministerium nur im Rahmen der Rechtsberatung tätig werden kann. Ein Untersagen dieser Geschäfte ist nur dann möglich, wenn sie wegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen das Spekulationsverbot als rechtswidrig einzuschätzen sind. Dies ist in einem Fall geschehen, in dem das Innenministerium ein solches Geschäft also untersagt hat.
Ich fasse zusammen: Wenn Sie auf den Artikel in der heutigen Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ reflektieren, „Ein bisschen verzockt“, so sage ich dazu, dass sich die brandenburgischen Kommunen nach unseren gegenwärtigen Erkenntnissen nicht verzockt haben.
Vielen Dank für diese beruhigende Antwort. - Ich rufe die Frage 1951 (Entwicklung der Lebenslagen in Brandenburg) auf, die von der Abgeordneten Lehmann gestellt wird.
Die „Märkische Oderzeitung“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 8. Oktober 2008 unter Bezugnahme auf den regierungsinternen Entwurf eines Lebenslagenberichts für Brandenburg darüber, dass im vergangenen Jahr 25 % der brandenburgischen Bevölkerung arm gewesen sein sollen. Hierbei bezieht sich der Verfasser des Artikels auf Menschen, die höchstens 75 % des Durchschnittseinkommens verdienen. Das ist insofern verwunderlich, als üblicherweise 60 % des Äquivalenzeinkommens als Armutsgefährdungsschwelle angesetzt werden. Gleichzeitig verweist der Verfasser des Artikels darauf, dass das Armutsrisiko in Brandenburg seit 2005 gesunken sei. Diesen Trend benennt für das gesamte Bundesgebiet bereits ein im September veröffentlichtes Papier des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.
Ich frage die Landesregierung: Wie haben sich Armut bzw. Armutsgefährdung in Brandenburg seit 2005 entwickelt?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Lehmann, die in der Presse veröffentlichten Informationen über die Lebenssituation im Lande Brandenburg entstammen dem bislang, wie Sie schon richtig gesagt haben, unveröffentlichten Lebenslagenbericht für Brandenburg, weil sich der Entwurf dieses Berichts noch in der Ressortabstimmung befindet. Im Übrigen werden die Aussagen und die statistischen Kennzahlen des Berichts aus dem Zusammenhang gerissen und zum Teil verkürzt dargestellt.
Mit dem Bericht wird erstmals in diesem Lande eine aussagekräftige und gezielte Analyse der Bevölkerung hinsichtlich der
Einkommens- und Armutssituation erfolgen. Armut als relative Einkommensarmut wird an der Höhe des verfügbaren Einkommens von Haushalten oder Personen in Relation zu einem gesellschaftlichen Durchschnitt bemessen. Dem Brandenburger Lebenslagenbericht liegt eine in der sozialwissenschaftlichen Forschung anerkannte Armutsrisikoschwelle von 60 % des Durchschnittswerts zur Ermittlung des Armutsrisikos in Brandenburg zugrunde. Die Armutsgefährdung wird anhand von zwei Schwellen dargestellt. Die 60%-Schwelle beschreibt das relative Armutsrisiko. Der Begriff Risiko beinhaltet lediglich eine potenzielle Gefährdung hin zur Armut, lässt aber nicht darauf schließen, ob tatsächlich eine Betroffenheit vorliegt; denn das hängt von weiteren Faktoren ab, zum Beispiel Schulden, Vermögen, Gesundheit, Bildung oder Erwerbslosigkeit. In Brandenburg waren im Jahr 2007 13,7 % der Bevölkerung von Einkommensarmut bedroht. Die 40%-Schwelle, bei der das Nettoäquivalenzeinkommen unter 40 % des mittleren Einkommens liegt, gilt als gesicherte Einkommensarmut. In Brandenburg lebten im Jahr 2007 2,8 % der Bevölkerung unterhalb der Grenze von 468 Euro.
Die Schwelle für den „prekären Wohlstand“ liegt hingegen bei 75 % des Durchschnittswertes. Darunter ist ein gefährdeter Lebensstandard knapp oberhalb der anerkannten Armutsgrenze, also zwischen 75 % und 60 % vom Durchschnittswert, zu verstehen. Allerdings bedeutet das nicht gleichzeitig den Ausschluss von öffentlicher Teilhabe; denn die betroffenen Personen haben sehr unterschiedliche Lebensumstände.
Gemäß dieser Definitionen haben sich das Nettoäquivalenzeinkommen und die Armutsrisikoquote im Zeitraum von 2005 bis 2007 im Lande Brandenburg positiv entwickelt. Das Nettoäquivalenzeinkommen ist um fast 100 Euro gestiegen, und die Armutsrisikoquote ist im selben Zeitraum von 14,3 % auf 13,7 % gesunken. Deshalb kann nicht die Rede davon sein, dass jeder Vierte in Brandenburg in Armut lebt. Ich warne auch davor, diese Situation im Lande durch falsche Interpretationen schlechtzureden.