Protocol of the Session on October 15, 2008

Dazu kann ich nur sagen: Ja, dem kann ich folgen, allerdings nur unter den vorhin von mir genannten Konditionen.

Erstens: Ja, diese Gesellschaft hat einen sozialen Ansatz, der nur in der Einheit von Freiheit und demokratischen Rechten umgesetzt werden kann.

Zweitens: Ja, die Wirtschaft braucht Freiheiten, um ihre wertschöpfende Funktion tatsächlich wahrnehmen zu können.

Drittens: Ja, der Markt braucht Regeln. Abwesenheit von Regeln schafft Anarchie. Das haben wir erlebt bzw. werden es - mit allen Konsequenzen - noch erleben.

Insofern wiederhole ich: Das Rettungspaket ist als Notmaßnahme akzeptabel, muss aber mit einer Diskussion über eine europaweite, möglichst weltweite Regulierung der Finanzmärkte verbunden werden.

Wir brauchen auch konjunkturfördernde Maßnahmen, sowohl für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt als auch speziell für Brandenburg. Denn klar ist: Egal, wie die Wachstumsraten ausfallen und wie sicher die Prognosen sind - sie sind seit Jahren unsicher -, wir werden Einbrüche der Realwirtschaft erleben und zumindest in die Nähe einer Rezession kommen. Darauf haben wir uns auch hier in Brandenburg vorzubereiten.

Aus den genannten Gründen wird die angekündigte gesellschaftspolitische Debatte nicht nur auf Bundesebene, sondern auch hier in Brandenburg geführt werden müssen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Zum Abschluss erhält die Abgeordnete Dr. Funck von der CDU-Fraktion das Wort.

Ich wäre froh gewesen, wenn während der Debatte genau dieser Punkt nicht angesprochen worden wäre. Da das aber nicht der Fall war, habe ich mich noch einmal zu Wort gemeldet. Wenn ich höre, dass der Ministerpräsident angesichts dieser Krise, die zu Recht als Vertrauenskrise bezeichnet wird, als Antwort einen „dritten Weg“ ins Spiel bringt, dann entgegne ich: Wir sollten in dieser Situation nicht verunsichern, sondern aufklären. Die soziale Marktwirtschaft, die wir hier in Deutschland haben...

(Schippel [SPD]: Hatten!)

- Die haben wir immer noch. Das Problem ist, dass im Finanzsektor keine Spielregeln gesetzt wurden, die hätten eingehalten

werden müssen. Genau das war der Fehler. Wenn ein Fehler gemacht wird, heißt das aber nicht, dass das System als solches ein Fehler ist.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Selbstverständlich passieren Fehler. Sie wollen doch nicht behaupten, dass Sie in Ihrem Leben noch nie Fehler gemacht haben. Soziale Marktwirtschaft heißt: Markt mit Leitplanken. Jetzt gilt es, in den Finanzsektor solche Leitplanken einzuziehen.

Ich möchte nur daran erinnern, dass hier Anfang der 90er Jahre, auch in einer Sondersituation, von einem „Brandenburger Weg“ die Rede war. Zum „Brandenburger Weg“ brauche ich nicht viel zu sagen. Die SPD hat sich - Gott sei Dank! - davon verabschiedet.

Jetzt höre ich, wir sollten hier einen „dritten Weg“ gehen. Entschuldigung, aber diese Formulierung bedeutet mehr Verunsicherung als Aufklärung. Wir haben verdammt noch mal die Pflicht zu verdeutlichen, was soziale Marktwirtschaft bedeutet.

(Schippel [SPD]: Eben!)

Soziale Marktwirtschaft bedeutet Chancen und Risiken. Was heißt ein „dritter Weg“ im Endeffekt? Das Auslassen von Erfolgen? Die Möglichkeit, alle Risiken der Menschen komplett zu übernehmen?

(Baaske [SPD]: „Weiter so“ geht doch auch nicht!)

- Herr Baaske, wir sind uns doch einig darüber, dass im Finanzsektor Spielregeln gelten müssen. Aber Sie können doch nicht die gesamte Wirtschaft in Haft nehmen und behaupten, Kapitalismus funktioniere in dieser Art und Weise nicht. Wenn Sie einen „dritten Weg“ fordern, tun Sie das aber.

(Baaske [SPD]: Ach!)

Der Weg, den wir mit der sozialen Marktwirtschaft eingeschlagen haben, ist der richtige.

Lassen Sie es mich noch einmal deutlich sagen: Die Finanzkrise zeigt, dass wir im Finanzsektor eben nicht Marktwirtschaft als solche hatten. Marktwirtschaft bedeutet, dass man einen Wert und einen Gegenwert hat. Im Vorfeld der Finanzkrise sind aber imaginäre Werte zugelassen worden. Das ist das eigentliche Problem, an dem wir arbeiten müssen. Aber die Systemfrage zu stellen ist der völlig falsche Weg.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Umfragen ergeben, dass unsere Bevölkerung zu fast 50 % kein Vertrauen zur sozialen Marktwirtschaft hat, dann kann das für Politiker nicht bedeuten - obwohl wir wissen, dass es das richtige System ist -, nach einem dritten Weg zu suchen. Dann ist es unsere Aufgabe, den Menschen zu erklären, was soziale Marktwirtschaft bedeutet. Es bedeutet Chancen, und es bedeutet selbstverständlich Risiken!

(Holzschuher [SPD]: Mit dieser Rede schaffen Sie kein Vertrauen!)

- Herr Holzschuher, mir ist es wichtig, klarzumachen, dass wir natürlich ein Problem haben, mit dem wir umgehen müssen. Natürlich geht es darum, verantwortungslose Menschen, die uns dazu gebracht haben, überhaupt darüber diskutieren zu müssen, in die Schranken zu weisen. Aber mir geht es genauso darum, deutlich zu machen, dass die soziale Marktwirtschaft dieses Land groß gemacht hat und die soziale Marktwirtschaft auch das System der Zukunft sein wird. Ganz klar!

(Beifall bei der CDU - Unruhe im Saal)

Ich bitte noch einmal ausdrücklich darum, genau auf diese sachliche Ebene zurückzukehren, den Menschen zu erklären, was dort passiert ist, und den Menschen auch zu erklären, dass die soziale Marktwirtschaft...

(Frau Alter [SPD]: Das ist kaum zu erklären!)

Übrigens: Ich glaube - da sind wir sicherlich unisono der gleichen Meinung -, dass die Demokratie zwar eine schwierige Gesellschaftsform, aber die einzig sinnvolle und einzig vernünftige ist.

(Bochow [SPD]: Die ist nicht infrage gestellt!)

Auch das muss man eben erklären: dass es Risiken gibt. Wenn ich nach einem dritten Weg suche, stelle ich solche Fragen.

Die soziale Marktwirtschaft als solche ist für uns unantastbar; das ist ganz klar. Für uns als Politiker liegt die Verantwortung darin, jetzt zu den Menschen zu gehen, ihnen zu erklären, was dort passiert ist, ihnen zu erklären, wie die Funktionsweisen dieser Marktwirtschaft sind, und nicht von einem „dritten Weg“ zu reden. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Da die Landesregierung immer reden darf, spricht jetzt der Ministerpräsident. Sie alle haben dann Gelegenheit, diese Zeiten ebenfalls auszuschöpfen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich schlage Ihnen vor, die Fragestunde dann ausfallen zu lassen.

(Vereinzelt Widerspruch)

Verehrteste Frau Funck! Wenn Sie vorhin richtig zugehört hätten, hätten Sie bemerkt: Ich habe nicht zur Revolution aufgerufen. Keine Angst!

(Gelächter und Beifall bei der SPD und bei der Fraktion DIE LINKE - Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Scha- de eigentlich!)

Ich gehöre einer Partei an, die gesellschaftliche Veränderungen immer auf dem Weg der Reformen angestrebt hat.

(Jürgens [DIE LINKE]: Na, das stimmt nicht ganz!)

Aber Sie müssen auch damit leben, dass Sie einen Koalitionspartner haben, in dessen Grundsatzprogramm nach wie vor der demokratische Sozialismus vorkommt.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Das sollten Sie zumindest wissen, wenn Sie mit uns weiter umgehen.

Jetzt will ich noch einmal sagen - damit klar ist, was ich vorhin gesagt habe, weil ich mich nicht von Frau Funck falsch auslegen lassen möchte, wie sie es soeben versucht hat; das schafft auch nicht gerade Vertrauen -: Ich habe von der derzeitigen Lage in der Welt und der Wahrnehmung der Menschen gesprochen. Ich nehme es ernst, wenn 52 % der Bürgerinnen und Bürger in meiner Region sagen, sie vertrauen der sozialen Marktwirtschaft so, wie sie sie erleben, nicht. Ich nehme das ernst - und zwar sehr ernst - und spreche deshalb auch von einer Vertrauenskrise.

Ich habe gesagt: Was wir in Teilen erlebt haben, war entfesselter Kapitalismus - auf dem Finanzsektor hat genau das stattgefunden -, und das Pendant dazu wäre die sozialistische Planwirtschaft. Ich habe gesagt: Unsere Aufgabe - und das Denken werde ich mir nicht verbieten lassen - wird auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sein, zwischen diesen beiden Polen, damit sich die menschliche Gesellschaft auch entwickeln, und zwar menschlich entwickeln kann, immer wieder eine vernünftige Balance zu suchen. Das ist kein Zustand - so wie Demokratie kein Zustand ist -, sondern eine tägliche Herausforderung und Aufgabe. Wir haben sehr wohl zu tun, die Menschen alle wieder ins Boot der Demokratie zu bekommen.

(Beifall bei der SPD und bei der Fraktion DIE LINKE)