Protocol of the Session on September 18, 2008

Herr Minister Junghanns, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Abgeordnete, das, was Sie sagen, ist nicht nachvollziehbar. Wir haben uns wirklich die Mühe gemacht und die Sendung und das Manuskript nachvollzogen. Es war keine mittelständische Firma zu erkennen, sondern ein Fraunhofer-Institut.

Das Fraunhofer-Institut hat ausweislich der Aussagen des Befragten gesagt, dass das eine Forschungsaufgabe ist, die noch keine Reife erreicht hat. Die Behauptung, dass damit ein Milliardengeschäft verloren oder an uns vorbeigegangen sei, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Wie die Moderatorin zu diesem Urteil kommt, können wir nicht nachvollziehen. Dazu müssen Sie die Moderatorin selbst fragen.

Vielleicht übersteigt es ein Stück weit Ihre Phantasie, aber es gibt im Land Brandenburg soziale Marktwirtschaft. Es gibt Firmen, die jeden Tag unterwegs sind, die die Gesetze einhalten,

Steuern zahlen, Leute einstellen, Produkte und Leistungen entwickeln und damit guten Erfolg haben - national und international. Sie entscheiden ganz allein über das, was sie mit ihrem Know-how machen - ohne jedwede Förderung. Diese Firmen sind mir auch sehr wichtig.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 1917 („Förderung von Schulabbrechern“ und Berufsausbildung als staatliche Aufga- be?), die die Abgeordnete Lehmann stellt.

Der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ vom 06.09.2008 zufolge hat sich der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, kritisch zur Mittelverwendung eines Teils des Etats der Bundesagentur für Arbeit geäußert. Es sei nicht korrekt, dass die Arbeitsagenturen die außerbetriebliche Berufsausbildung und künftig auch „Schulabbrecher“ aus Versichertenbeiträgen finanziell fördern. Seiner Einschätzung nach handelt es sich hierbei vielmehr um staatliche Aufgaben.

Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie den angesprochenen Sachverhalt?

Frau Ministerin, wie bewerten Sie?

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bewerte wie folgt: Die Einschätzung des Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wird von uns nicht geteilt. Es ist inzwischen Allgemeingut, dass die demografische Entwicklung in Verbindung mit der wirtschaftlichen Entwicklung und den wirtschaftsstrukturellen Veränderungen zu einem vermehrten Bedarf an qualifizierten Beschäftigten führt. Das bedeutet, dass Geringqualifizierte zunehmend Probleme mit der Integration in den Arbeitsmarkt haben und künftig noch mehr haben werden.

Ein hoher Sockel an Langzeitarbeitslosigkeit belastet zudem den Beitragszahler dauerhaft. Die Bundesagentur für Arbeit kommt deshalb ihrem Auftrag, Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden, in der Weise nach, dass sie Jugendlichen, die wegen sozialer Benachteiligung oder Lernbeeinträchtigung keinen dualen Ausbildungsplatz erhalten haben, eine außerbetriebliche Ausbildung anbietet.

Ebenso bietet die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen eines präventiven Ansatzes Berufsberatung an und fördert nach § 33 SGB III eine vertiefte Berufsorientierung an den Schulen. Diese Maßnahmen wurden übrigens immer von der Wirtschaft zu Recht gefordert und stehen offensichtlich nicht in der Kritik der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Der präventive Ansatz, frühzeitig anzusetzen, um Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden, ist folgerichtig auch hinsichtlich

der Förderung von nicht mehr schulpflichtigen Schulabbrechern zu sehen. Die derzeit von Bund und Ländern in Vorbereitung befindliche Qualifizierungsinitiative soll hierzu entsprechende Maßnahmen vorsehen, aber der Bildungsgipfel findet erst im Oktober statt. Danach wissen wir Konkretes.

Herzlichen Dank. - Die Fragesteller möchten die Fragen 1918 und die 1921 tauschen. Ich rufe Frage 1921 (Brutaler Polizei- einsatz gegen Ortsbürgermeisterin von Briesensee) auf, die die Abgeordnete Adolph stellen wird.

Am 10. September hat die Polizei ihre Zurückhaltung aufgegeben, die zwangsweise Herstellung des Abwasseranschlusses auf dem Grundstück von Frau G. in Briesensee gesichert und mit polizeilichen Maßnahmen eingegriffen. Frau G. ist gleichzeitig Ortsbürgermeisterin. Sie wurde gewaltsam von ihrem Grundstück gezerrt. Gleichzeitig haben Polizeikräfte in Rauen Vollzugshilfe für eine Zwangsmaßnahme geleistet, für die inhaltlich keine genaue Bestimmung vorlag.

Ich frage die Landesregierung: Inwieweit ist ein derart massiver Polizeieinsatz gegen die Eigentümerin einer Wiederaufbereitungsanlage verhältnismäßig?

Die Antwort gibt der Innenminister. Bitte, Herr Schönbohm.

Ich bin der PDS-Fraktion außerordentlich dankbar.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: DIE LINKE!)

- Entschuldigung, Linksfraktion. Entschuldigung, ich bin ein bisschen...

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Ist aber im Inhalt egal, nicht wahr? Seitdem Sie Oskar haben, ist auch alles wieder in Ordnung.

Lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin der Linksfraktion sehr dankbar, dass sie die Frage nach vorn gezogen hat, weil mir dadurch die Möglichkeit eingeräumt wird zu fragen: Wie kommen Sie, Frau Adolph, überhaupt zu der Aussage, von einem brutalten Polizeieinsatz zu sprechen?

(Frau Adolph [DIE LINKE]: Es war im Fernsehen zu se- hen!)

Ich möchte Ihnen den Ablauf einmal erklären und Sie bitten, vielleicht einen Blick in das Grundgesetz bzw. auf die Rechtsordnung zu werfen.

Die Polizei wurde im Rahmen der Vollzugshilfe für das Amt Lieberose/Oberspreewald tätig. Grundlage für die Entscheidung des Amtes waren Urteile des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts. Die polizeiliche Einsatzbewältigung in Briesensee war von vornherein auf Deeskalation ausgerich

tet. Wie Sie der Medienberichterstattung entnehmen konnten, war die zuständige Revierpolizistin bei der Verkündigung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Cottbus zur Umsetzung der Baumaßnahmen durch den Amtsdirektor anwesend. Also: kein überwältigender Polizeieinsatz.

Der Amtsdirektor hat die Personen gebeten, die die Baufreiheit behinderten und sich dadurch nicht selbst gefährden sollten, gebeten, das Grundstück zu verlassen. Darauf gab es keine Reaktion. Die gestellte Frist verstrich ohne Reaktion dieser Personen. Der Amtsdirektor wiederholte seine Forderung so, dass sie auch der Letzte hören konnte.

Eine weitere Frist ließen die Personen ebenso unbeachtet wie mehrfache Versuche der Deeskalation durch ein Antikonfliktteam. Das sind Polizeibeamte in Uniform, die geschult sind, mit ihnen zu sprechen. Sie waren in Rauen sehr erfolgreich, zumindest für eine gewisse Zeit.

(Zuruf von der SPD: In Halbe auch!)

Nachdem die Gespräche des Antikonfliktteams der Polizei erfolglos beendet waren, drohte die Polizei die zwangsweise Räumung der Baustelle und die vorübergehende Ingewahrsamnahme der Person an. Das ist das, was zur Durchsetzung eines Urteils notwendig war.

Statt „Frau G.“ kann ich auch den Namen, Frau Groger, sagen. Denn in der Zeitung „Neues Deutschland“ - Ihrer Hauspostille - wird Folgendes berichtet:

„Mich haben fünf Polizisten aus meiner Barrikade geklaubt.“

(Heiterkeit bei CDU und SPD)

Aus einer „Barrikade geklaubt“! Das heißt, sie war offensichtlich ein Bestandteil der Barrikade. Wie das zu verstehen ist, weiß ich nicht.

„Während sie das gemacht haben,“

sagte sie weiter,

„habe ich nach allen Regeln der Kunst versucht, mich zu wehren.“

Damit stellte sich für die Polizei die Frage: Wie gehen wir damit um? Die Polizei hat Erfahrungen mit Sitzblockaden und anderem. Wir wissen aus der Lebenserfahrung: Wenn ein Mensch einen anderen Menschen aus einer „Sache herausklaubt“ oder mit Anwendung körperlicher Gewalt wegbringen will, besteht die Gefahr, dass körperliche Verletzungen eintreten. Wenn das vier Polizeibeamte machen, können sie es gemeinsam behutsam machen, ohne dass Verletzungen auftreten. Das ist hier geschehen.

Die Linksfraktion stellt fest - auch in der Zeitung „Neues Deutschland“ -: Die Ortsbürgermeisterin sei mit brachialer Gewalt gehindert worden, ihre ökologisch vorbildliche Wasserwiederaufbereitungsanlage zu nutzen. Mit dieser ganzen Diskussion sind die Einsatzkräfte aus der Polizeiwache Lübben an den Einsatzort geführt worden.

Die Medienberichte zeigen doch sehr deutlich, dass die handelnden Einsatzkräfte keine polizeilichen Hilfsmittel gegen die in Rede stehenden Personen anwendeten, da sie sie vom Grundstück getragen haben. Es wurden weder Reizsprays noch Wasserwerfer oder Schlagstöcke - was auch immer - eingesetzt.

(Zuruf der Abgeordneten Adolph [DIE LINKE])

- Ja, ich möchte das nur einmal sagen, weil Sie nach der Verhältnismäßigkeit fragen und von brachialer Gewalt und von Brutalität sprechen. Brutal ist etwas völlig anderes. Abends im Fernsehen - auf RTL oder wo auch immer - können Sie sich Diesbezügliches ansehen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Bewertungen, in denen in diesem Zusammenhang von einem massiven Polizeieinsatz die Rede ist, gehen tatsächlich an der Sache vorbei.

Dass im Zusammenhang mit dem Gesamtgeschehen vor Ort eine weibliche Person wegen Kreislaufproblemen vorübergehend in die Spreewaldklinik Lübben gebracht werden musste, ist beklagenswert, aber nicht der Polizei zuzurechnen. Ein kausaler Zusammenhang mit dem Einschreiten der Polizeibeamten kann nicht hergestellt werden und wurde bisher auch nicht hergestellt; es sei denn, wir bekommen jetzt ein neues medizinisches Gutachten.

Bei der von den Medien sehr intensiv aufgegriffenen blutenden Hand - ich wiederhole: blutende Hand - dieser Frau hat sich im Nachhinein herausgestellt, dass es sich dabei eindeutig um vorher aufgetragene rote Farbe gehandelt hat. Zu welchem Zweck? - Ich sage einmal: Lieber eine rote Hand als rote Socken. - Das ist schon richtig. Was hat dies jedoch zu bedeuten? - Daraus kann man eine Absicht vermuten. Das macht deutlich, welche Symbolwirkung dahintersteckte.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass im Anschluss an die Einsatzvornahme des Amtes alle Personen aus dem Gewahrsam entlassen wurden. Ich sage Ihnen: Für die Polizei ist es das Unangenehmste, was sie zu tun hat. Sie fühlt sich in dieser Sache nicht wohl. Jedoch ist die Polizei dem Rechtsstaat und der Verhältnismäßigkeit verpflichtet.