Protocol of the Session on July 10, 2008

Zurück zu Hanna. Nehmen wir an, sie nutzt ihre besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Lehre, schließt diese mit besten Ergebnissen ab und interessiert sich für eine berufliche Entwicklung in Brandenburg. Ihre Chancen stehen schlecht. Die Übernahmequoten von Auszubildenden liegen hier unter dem ostdeutschen Schnitt, für Frauen bei nur 30 %. Oder nehmen wir an, sie nutzt ihre besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Hochschulstudium, schließt dieses mit überdurchschnittlichen Ergebnissen ab und interessiert sich für eine wissenschaftliche Laufbahn. Auch hier stehen die Chancen im Verhältnis zu den männlichen Hochschulabsolventen und den weiblichen in anderen Bundesländern eher schlecht. Doch selbst wenn Hanna im Land bleibt als Vollzeitbeschäftigte im Beruf, wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit schlechter als die Männer bezahlt. Seit Jahren steigt der Anteil von Frauen in Teilzeit- und Minijobs, oft nicht freiwillig. Alleinerziehende junge Frauen haben besondere Probleme bei der Existenzsicherung, sind in besonderer Weise von Armut bedroht. Bei Arbeitslosigkeit erschwert die fehlende flexible Kinderbetreuung häufig auch im Land Brandenburg noch den erneuten Berufseinstieg.

Hier zeigt sich, dass Gleichstellungspolitik in Brandenburg nach wie vor ein großes Aufgabenfeld ist. Dass sie sich nicht im Selbstlauf vollzieht, belegt auch die Tatsache, dass wir in Brandenburg im Jahr 2008 weder über eine Landrätin noch über eine Staatssekretärin verfügen. Doch die Debatte, ob

Fachabteilung oder Stabsstelle, die ja auch häufig geführt wird, ist, glaube ich, nicht die entscheidende. Die entscheidende Debatte ist: Was passiert in den vorhandenen Strukturen? Was wird hier tatsächlich konkret für Frauen getan?

Dass mehr konkret für Frauen geschieht, interessiert uns hier im Landtag und wird auch Hanna interessieren. Verschaffen wir ihr also die gleichen Chancen wie Hannes und sorgen wir vor allem politisch dafür, dass sie einmal in Anlehnung an einen aktuellen Songtext Folgendes über unser Land berichten kann: Ich will sagen: So soll es sein. So kann es bleiben. So habe ich es mir gewünscht. Alles passt perfekt zusammen, weil endlich alles stimmt. Wünschen wir ihr diesen Erfolg! Noch sind wir ein Stück davon entfernt. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Während Frau Fechner für die DVU-Fraktion ans Rednerpult tritt, begrüße ich eine Gruppe aus Spremberg - eine Handarbeitsgruppe des Behindertenverbandes. Sie sind heute bereits die dritte Gruppe aus Spremberg. Ich glaube, Spremberg ist völlig leer. Herzlich willkommen und einen interessanten Nachmittag für Sie!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat uns einen Bericht zum Thema Gleichstellungspolitik vorgelegt, in dem Sie uns auf 29 Seiten von Dingen berichtet, die seit Jahren bekannt sind, zum Beispiel: Frauen erhalten bei gleicher Arbeit oftmals weniger Lohn als Männer. Weniger Frauen als Männer bekleiden Führungspositionen. Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben gestaltet sich schwierig. - Dies alles ist bekannt und wird jeder Bürger bestätigen können.

Meine Damen und Herren der Landesregierung, Sie kritisieren in Ihrem Bericht, dass Frauen in der Privatwirtschaft nicht in gleichem Maße wie Männer in höheren Funktionen tätig sind, und erwarten von den Arbeitgebern, das zu ändern. Es ist jedoch erstaunlich, dass nicht einmal in Ihrem eigenen Bereich im öffentlichen Dienst das umgesetzt ist, was sie von der Privatwirtschaft verlangen. Wo sind die Frauen in den Leitungsebenen der Verwaltung?

Sie schließen Ihren Bericht mit der Feststellung, dass weit mehr als 75 % der Brandenburger mit der Gleichstellungspolitik in Brandenburg zufrieden sind. Das wirft allerdings die Frage auf, warum sich der Landtag nicht mit anderen Problemen beschäftigt, solchen nämlich, mit denen eine Mehrheit der Brandenburger nicht zufrieden ist. Diesbezüglich fällt mir unter anderem die gähnend lange Verfahrensdauer vor den Brandenburger Verwaltungsgerichten oder das Desaster ein, dass immer weniger Arbeitnehmer in Brandenburg von ihrem Lohn leben können.

Meine Damen und Herren, ich kann mich kurz fassen - Frau Kaiser hat es bereits gesagt: Der Bericht schadet nicht, er nützt auch nicht; aber schön, dass wir wieder einmal darüber gesprochen haben.

(Beifall bei der DVU)

Für die CDU-Fraktion erhält die Abgeordnete Schulz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kaiser ist leider nicht anwesend.

(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Fernsehen!)

Ja, ich muss auch gleich dorthin. - Es hat mich sehr verwundert, Frau Kaiser, dass wir hier insbesondere bei diesem Thema auf Stammtischniveau herabsinken. Ich halte es für außerordentlich wichtig, dass wir zumindest einmal in der Wahlperiode das Thema aufrufen. Ich bin der Meinung: Frauenpolitik findet überall in der Landespolitik statt. Ich bin eigentlich froh darüber, dass wir auch über Gender-Mainstreaming sprechen und Frauenpolitik nicht nur auf Frauen- und Familienpolitik reduzieren. Ich halte es schon für ein wichtiges Thema. Aufgrund dessen kann ich nicht nachvollziehen, was Frau Kaiser hier von sich gegeben hat.

Als ich darüber nachdachte, was ich heute hier sagen werde, habe ich ein schönes altes Blättchen aus meinen Anfangszeiten als Frauenunionsvorsitzende gefunden. Darauf steht: Wir bekommen nichts geschenkt. Das hat Rita Süssmuth einmal gesagt. Im Übrigen ist das mein Credo. Wir bekommen als Frauen tatsächlich nichts geschenkt. Darin wird ein wenig die Geschichte der Frauenpolitik aufgezeigt. Wenn ich hier lese: „1900 - Frauen haben das Recht erstritten, an deutschen Universitäten zu studieren“, dann zeigt das, welche dicken Bretter hier zu bohren sind. Das zeigt jedoch gleichzeitig - wenn wir die Erfolge in dem Bereich beleuchten -, dass wir doch schon vieles erreicht haben und uns auf einem guten Weg befinden. Aus diesem Grund bin ich nicht bereit, das hier so abzutun.

Die Geschichte der Gleichberechtigung ist eine lange Geschichte, die uns nicht nur Alice Schwarzer und Eva Herman mit ihren umstrittenen Äußerungen brachte. Ich bin folgender Meinung - diesbezüglich möchte ich wieder positiv in die Gegend schauen -: Wenn ich mir meine zwei Töchter anschaue Ihnen geht es eventuell ebenso, wenn Sie Ihre Töchter betrachten -, dann weiß ich, dass sie heute optimistisch, zuversichtlich in die Zukunft schauen und ihren Weg gehen. Ich denke, die Mütter haben der Gleichberechtigung den Weg dafür ein Stück weit geebnet. Zudem denke ich, dass dies auch genau der Anlass in diesem Bericht ist. Ich habe den Eindruck, dass jemand Punkt 7 nicht gelesen hat; denn in Punkt 7 sind noch einmal alle Themen zusammengeführt und aufgelistet, an denen wir in diesem Bereich im Einzelnen arbeiten.

Lassen Sie mich in dem Zusammenhang etwas loswerden, was ich sonst nicht sagen würde. Da in Brandenburg bald Kommunalwahlen stattfinden, kann ich mich nur noch einmal an alle Frauen wenden und sagen: Hoffentlich sind diesmal mehr als 22 oder 23 % Frauen in der Kommunalpolitik vertreten; denn Frauen betreiben Politik mit einem etwas anderen Blick. Das halte ich für äußerst wichtig. Von daher wäre es natürlich schön, wenn mehr Frauen in der Kommunalpolitik vertreten wären.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Schule und Bildung sind nicht nur für unsere Töchter, sondern alle jungen Frauen eklatant wichtig, damit sie hierbleiben. Das

ist der Schlüssel für die Entwicklung der Mädchen und jungen Frauen.

(Beifall bei CDU, SPD und bei der Fraktion DIE LINKE)

Dies möchte ich an einigen Beispielen gern verdeutlichen, sodass hier nicht nur davon gesprochen wird, wie schlecht wir sind. Der Bericht zeigt eindeutig auf, dass wir im Bereich der Wissenschaft bereits viele Ideen und kreative Ansätze erfolgreich umgesetzt haben, das Interesse junger Frauen für das Studium wecken und ihnen ein chancenreiches Studium ermöglichen. Diesbezüglich - das muss ich hinzufügen - spielt Frau Prof. Wanka, die jetzt nicht anwesend ist, eine herausragende Rolle. Sie wirbt bei jungen Frauen bzw. bei jungen Familien immer wieder dafür, in der Wissenschaft Karriere und Familie miteinander zu vereinen. Dies sollte nicht immer nur als Hürde gesehen werden, sondern man kann das auch miteinander verbinden. Gestern hat sie auf die positiven Zahlen hinsichtlich der Anteile an den Studierenden, die wir im Land haben, hingewiesen. Da kann man doch nicht einfach sagen, dass das alles nur schlecht sei. Der Frauenanteil unter den Studierenden beträgt nun einmal mehr als 50 %.

Unser Problem ist doch, dass die Frauen auf der Karriereleiter nicht oben ankommen. Ich denke, darüber müssen wir nicht nur in dem Bereich sehr wohl nachdenken. Zudem müssen wir über die anderen Problemfelder, die unter Punkt 7 aufgelistet sind geringe Löhne; Frauen, die in Teilzeit arbeiten; Frauen, die Nichtleistungsbezieher sind und sich in besonderen Problemlagen befinden -, sprechen. Ich bedauere es an dieser Stelle nahezu, dass Frau Kaiser nicht mehr im Sozialausschuss ist; sonst wüsste sie, dass wir diese Aspekte an vielen Stellen einflechten, unter anderem wenn wir über das Arbeitsmarktprogramm und über die Berichte, die wir dort geliefert bekommen, sprechen. Auch wenn diese nicht immer in allen Punkten zufriedenstellend sind, flechten wir genau diesen Punkt immer wieder ein und weisen auf Gender-Mainstreaming hin. Ich weiß, dass gesagt wird: Gender-Mainstreaming-Monstrum. - Das ist aber kein Teufelszeug. Das bedeutet nichts weiter, als dass man schaut: Wie wirken die Dinge, die wir hier beschließen, auf Männer und Frauen? Das ist doch einfach nur vernünftig und realitätsbezogen. Daran sollten wir weiterarbeiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort erhält noch einmal die Landesregierung. Frau Ministerin Ziegler, bitte.

Auch wenn Frau Kaiser nicht im Raum ist, möchte ich

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Doch!)

- doch, da ist sie - für das Protokoll einiges festgehalten wissen.

Erstens: Ich habe mich darüber gefreut, dass Sie, Frau Kaiser, in keinem Punkt meinem Redebeitrag widersprochen haben. Vielen Dank dafür.

Zweitens: Ich möchte etwas richtigstellen, weil Sie gesagt haben, ich sei wieder einmal nach dem Grußwort verschwunden.

Ja, das ist richtig, aber „wieder einmal“ ist nicht richtig; denn ich war bei Podiumsdiskussionen und bei Eröffnungsveranstaltungen auch durchgängig anwesend.

Ich möchte Ihnen mitteilen, wie mein Tagesablauf war, nur damit nichts schiefläuft. Im Anschluss an mein hier schon thematisiertes Grußwort war ich in Bad Saarow bei der DEGEMED und hatte dort ein Grußwort zu halten. Im Anschluss daran habe ich mit Frau Schier in Berlin eine sehr wichtige Veranstaltung zur anonymen Geburt mit SterniPark e. V. - die Vertreter dieses Vereins sind aus Hamburg angereist - gehabt. Damit möchte ich nur verdeutlichen, dass ich nicht vor irgendwelchen Problemfällen flüchte, sondern dass ich einen vollgepackten Terminkalender, der dies nicht anders erlaubt, habe.

(Beifall bei SPD und CDU)

Sie haben noch die Frage gestellt, was die Studie nun soll. Sie soll genau für den Bericht, den die Landesregierung vorlegt, als Diskussionsgrundlage dienen. Das ist der Sinn dieser Studie. Wir teilen nicht in allen Punkten das, was die Gutachter dort festgestellt haben. Wenn bei Umfragen herausgekommen ist, dass 80 % unserer Frauen die Lebenssituation in Brandenburg als gut empfinden, ist die Schlussfolgerung der Gutachterin daraus: Sie wissen nur nicht, wie schlecht es ihnen geht.

(Heiterkeit bei der SPD)

Darauf sage ich: Das ist nicht unsere Auffassung als Landesregierung. Deshalb muss man differenziert an solch eine Studie herangehen. Aber wir wollten auch der Gutachterin das Wort lassen und dann über die Ergebnisse diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt. Sie haben den Bericht der Landesregierung in Drucksache 4/6416 damit zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 6 und rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Gesunde Ernährung in Kindertagesstätten und Schulen (gemäß Beschluss des Landtages vom 26.02.2008 - Drucksache 4/5917-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 4/6421

Minister Rupprecht beginnt die Debatte für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es soeben um Frauen und Männer ging, dann geht es jetzt um gesunde Mädchen und Jungen. Wir machen also ohne Bruch weiter.

Ich will als Erstes sagen: Wenn wir unser Bekenntnis, das wir sehr häufig äußern, kein Kind zurücklassen zu wollen, ernst nehmen, dann bedeutet das auch, alle Mädchen und Jungen in unserem Land möglichst optimal zu fördern. Das bedeutet natürlich, dass das gesunde Aufwachsen dieser Mädchen und Jungen dabei eine besondere, eine zentrale Rolle spielt.

Die Orte, die eine zentrale Rolle spielen, sind überwiegend die Familie, aber auch die Kindertagesstätten und Schulen. Hier werden Weichen für ein gesundheitsbewusstes Verhalten gestellt, und hier müssen gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung von herausgehobener Bedeutung bei der Arbeit mit den Mädchen und Jungen sein.

Mit Ihrem Berichtsauftrag, meine Damen und Herren Abgeordneten, wollten Sie sich einen Überblick verschaffen, wie die Themen Gesundheit, Ernährung und Bewegung in den Einrichtungen der Kindertagesbetreuung und in unseren Schulen in Brandenburg umgesetzt und weiterentwickelt werden. Ich denke, der vorliegende Bericht zeigt genau das auf. Er zeigt darüber hinaus noch etwas anderes, nämlich dass es dieser Landesregierung sehr wichtig ist, an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung dieser Themenfelder auch zukünftig zu arbeiten.

Der rechtliche Rahmen ist dabei sonnenklar. Ebenso wie die Träger der Kindertagesstätten sind auch die Träger der Schulen - egal, ob es Träger staatlicher Art oder freie Träger sind - genauso wie die Lehrerinnen und Lehrer sowie die Erzieherinnen und Erzieher verpflichtet, dem Thema Gesundheit in der täglichen Arbeit einen breiten Raum zu geben. Um diesen Rahmen auszufüllen, stehen für beide Bereiche Unterstützungssysteme zur Verfügung, das sogenannte BUSS-System für den Schulbereich, die Praxisberatung und inzwischen vier Konsultations-Kitas, die sich speziell der Gesundheitsförderung widmen, im Bereich der Kindertagesbetreuung.

Wir als Landesregierung unterstützen Forschungsvorhaben und Modellprojekte ebenso wie die Entstehung von regionalen und auch überregionalen Netzwerken. Es versteht sich von selbst, dass die betreffenden Ressorts - mein Ministerium für Bildung, Jugend und Sport genauso wie das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie und auch das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz - dabei mit der gleichen Zielstellung eng zusammenarbeiten.