Protocol of the Session on December 16, 2004

(Beifall bei der DVU)

Ich ließ es im ersten Teil meiner Rede bereits anklingen: Eigentlich müsste diese Landesregierung sofort zurücktreten. Sie hat einen katastrophalen Fehler bei der Beantragung der EUFörderung ab 2007 mit der willkürlichen Zweiteilung des Landes in einen angeblich ärmeren Nord- und einen angeblich reicheren Südteil begangen. Das Ergebnis kennen wir. Der Nordteil bleibt Ziel-1-Gebiet, obwohl ohne die Zweiteilung das ganze Land förderfähig gewesen wäre. Doch auch hier scheinen Sie gewillt zu sein, den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes - in der Hoffnung, dass sie es widerspruchslos hinnehmen etwas überzustülpen und sie die Folgen Ihrer Entscheidungen spüren zu lassen.

Die in der gestrigen Fragestunde zu diesem Thema abgegebene Erklärung des Ministerpräsidenten nehme ich ihm genauso wenig ab, wie ich den Koalitionsvertrag annehme.

Selbst der neue EU-Industriekommissar Verheugen - Ihr Parteifreund, meine Damen und Herren von der SPD - erklärte, dass größere Anstrengungen beim Aufbau Ost unternommen werden müssten. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung in den neuen Bundesländern sei, so Verheugen weiter, ausgeblieben. Darauf könne niemand stolz sein und es zeige, dass, so Verheugen wörtlich, der Osten anderen hinterherhinkt und die neuen Länder den Anschluss an das Leistungsniveau Westdeutschlands für unabsehbare Zeit verpasst hätten. Daher forderte Verheugen eine Korrektur der Förderpolitik und einen verstärkten Einsatz von Fördermitteln mit der Konzentration auf Wachstumspole.

Obwohl man über die letzte Aussage streiten kann, bleibt festzuhalten: Der Mann hat im Grunde Recht, doch die Landesregierung betreibt genau das Gegenteil. Sie weitet ihre Förderung weder auf Wachstumspole aus, noch betreibt sie eine flächendeckende Förderung, sondern sie kürzt die Fördermittel drastisch zusammen. Wo dies nicht möglich ist, bringt sie einfach die Mittel für die Kofinanzierung von Bundes- und EU-Programmen nicht auf, was zur Folge hat, dass die Bundes- und EU-Mittel verfallen.

Dies kann nach Ansicht unserer DVU-Fraktion nicht so weitergehen. Daher bleiben wir bei unserer Forderung, dass bei der Haushaltsaufstellung sowie bei der mittelfristigen Finanzplanung im nächsten Jahr die Kofinanzierung aller dem Land aus Bundes- oder EU-Kassen zufließenden Mittel zwingend zu verankern ist. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Danke sehr. - Damit sind wir am Ende der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt angelangt und kommen zur Abstimmung. Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/223 an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen - federführend - und an den Ausschuss für Wirtschaft. Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist die DVU-Fraktion. Gibt es Gegenstimmen? - Die Fraktionen von SPD, PDS und CDU stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur direkten Abstimmung über den Antrag. Wer ihm in direkter Abstimmung zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das ist wiederum die DVU-Fraktion. Gibt es Gegenstimmen? - Die Fraktionen von SPD, PDS und CDU stimmen dagegen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Auflösung der Landesagentur für Struktur und Arbeit Brandenburg GmbH (LASA)

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/226

Ich eröffne die Debatte mit dem Beitrag der DVU-Fraktion. Es spricht die Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Ein Umsteuern in der Arbeitsförderung tut Not. Daher muss die Arbeitsförderung in Brandenburg umstrukturiert werden. Dies bedingen sowohl die aktuell extrem angespannte Arbeitsmarktlage als auch die sozialversicherungsrechtlichen Umstrukturierungen - Stichwort Hartz IV -, welche zu noch nie dagewesenen finanziellen Einschnitten bei den Betroffenen führten.

Schauen wir uns die aktuellen Arbeitslosenzahlen an, so stellen wir fest, dass es auf dem Arbeitsmarkt in Brandenburg keine Entspannung gibt. Im November stieg die Zahl der Arbeitslosen in Brandenburg um 2 654 gegenüber dem Vormonat auf 238 505. Das waren fast 1 300 Personen mehr als noch vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg im Vergleich zum Oktober um 0,3 auf 19,4 % und gegenüber dem Vorjahr um 0,2 %.

Dies sind jedoch nur die von der Bundesagentur für Arbeit herausgegebenen offiziellen - also geschönten - Zahlen. Nicht mitgezählt werden seit Jahresbeginn Arbeitslose, die gerade geschult werden, Ich-AGs, Personen mit einem 1-Euro-Job sowie ABM- und SAM-Kräfte. Völlig unklar ist außerdem, wie

viele der arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger, die künftig mitgezählt werden sollen, im vergangenen Monat schon erfasst wurden.

Ist es aber im Grunde nicht egal, wie viele es sind? Auf alle Fälle sind es viel zu viele. Das Schlimme daran ist: Eine Besserung ist nicht in Sicht - zum einen, weil aufgrund der allgemeinen Konjunkturschwäche in Deutschland das Wachstum der Wirtschaft nicht ausreicht, um genügend positive Impulse für den Arbeitsmarkt zu geben, zum anderen, weil insbesondere große Unternehmen zunehmend Arbeitsplätze als Folge der Globalisierung und der damit einhergehenden Arbeitsplatzvernichtung in Deutschland abbauen.

Außerdem bedingt die von allen roten und rot-schwarzen Landesregierungen seit 1990 durch die grundfalsche Förderpolitik verursachte Strukturschwäche des Landes, dass sich an der Massenarbeitslosigkeit in Brandenburg selbst bei einem - wenn auch heute illusorischen - Konjunkturaufschwung in Deutschland wenig oder nichts ändern würde. Erschwerend kommt die allgemeine Verelendungspolitik durch Hartz IV hinzu, welche ab Januar 2005 knapp 110 000 Langzeitarbeitslose - oder knapp 46 % aller offiziell registrierten Arbeitslosen - in Brandenburg samt ihren Familien treffen wird. In einer Summe ausgedrückt sind das knapp eine halbe Million Brandenburger.

Dass auf diese Herausforderung mit den bisherigen Methoden der Arbeitsförderung in Brandenburg nicht mehr im alten Trott reagiert werden kann, dürfte selbst Ihnen, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen und von der Landesregierung, einleuchten.

Sowohl die angespannte Haushaltslage als auch die aktuellen Umstrukturierungen auf dem Arbeitsmarkt und im Bereich der Arbeitsförderung müssen zu Umstrukturierungen beim Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie führen, um die Erfordernisse des Arbeitsmarktes in Zukunft besser bewältigen zu können. Die LASA ist in ihrer bisherigen Struktur dazu ungeeignet, zeichnete sie sich doch bereits in der Vergangenheit durch weitgehende Ineffektivität bei der Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Förderprogramme aus. Daher ist einerseits eine Straffung und Konzentration dieser Tätigkeiten innerhalb der unmittelbaren Landesverwaltung geradezu unumgänglich, soll den Herausforderungen des Arbeitsmarktes wirksam begegnet werden. Andererseits würde das Land durch Auflösung des Beteiligungsunternehmens LASA finanziell entlastet. Wir bitten Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der DVU)

Für die Koalitionsfraktionen spricht die Abgeordnete Schulz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich einen Wunsch frei hätte - Weihnachten steht ja bevor -, wünschte ich, die DVU-Fraktion unterließe es, Anträge um jeden Preis zu formulieren, und formulierte Anträge nur dann, wenn unter dem Strich etwas Sinnvolles dabei heraus käme. Der heute vorliegende Antrag ist derart abwegig und unsachlich, dass es Ihnen die Arbeitslosen im Land danken würden.

Sie selbst, meine Damen und Herren von der DVU-Fraktion, wissen, dass das Landesprogramm „Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg“ fortgesetzt wird, dass es Bestandteil unserer Koalitionsvereinbarung ist und es im Übrigen bereits Gegenstand der letzten Plenartagung in diesem hohen Hause war; wir haben dazu einen entsprechenden Beschluss gefasst.

Ich muss Ihnen hoffentlich nicht erklären, dass es für arbeitslose Menschen wichtig und richtig ist, die zusätzlichen Programme des Landes zu nutzen, um Zeiten der Arbeitslosigkeit zu überbrücken und auf eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt hinarbeiten zu können. Es ist eine geradezu umwerfende Idee, zu fordern, dass das Ministerium die Umsetzung des Landesprogrammes selbst übernehmen solle. Das würde bedeuten, große Teile des Ministeriums lahm zu legen, weil es sich um eine Vielzahl von kleinteiligen Förderprogrammen und -projekten handelt. Dies ist - wie ich glaube - keine ministerielle Aufgabe.

Ich hätte noch Verständnis dafür gehabt, wenn Sie, meine sehr verehren Damen und Herren von der DVU, beispielsweise den Vorschlag unterbreitet hätten, die LASA bei der ILB oder der ZAB anzugliedern. Als Ergebnis der kritischen Diskussionen über die LASA gibt es inzwischen eine Kooperationsvereinbarung mit der ZAB. Das sollte Ihnen bekannt sein. Es zeugt davon, dass wir uns sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Im Übrigen hat die LASA in den zurückliegenden Jahren im Zuge der notwendigen Einsparmaßnahmen des Landes bereits Personal abgebaut. 1999 waren es beispielsweise noch 152 Stellen; im Jahr 2005 werden es nur noch 93 Stellen sein. Die Finanzierung der LASA erfolgt übrigens seit 2004 auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. Das alles scheint Ihnen entgangen zu sein.

Wie ich bereits gesagt habe, war die LASA in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand kritischer Debatten und Überprüfungen. Wir werden auch künftig, wie ich hoffe, auf einer vernünftigen und sachlichen Basis diskutieren und vernünftige Lösungen finden. Es ist bekannt, dass auch künftig ESF-Mittel umgesetzt werden. Die LASA wird ca. 100 Millionen Euro bewilligen, auszahlen und damit sinnvolle Arbeitsmarktprogramme und -projekte im Land umsetzen. Ich möchte fast eine Wette abschließen: Wenn es nicht so wäre, wären Sie garantiert die Ersten, die ganz laut nach Förderprogrammen, Umsetzungen und Kofinanzierungen von Fördermitteln schreien würden.

Den vorliegenden Antrag können wir nur ablehnen. Wenn ich mir noch etwas zu Weihnachten wünschen dürfte, wäre dies, Sie würden künftig in wirklich kritischen Beiträgen im Ausschuss mit uns debattieren und sich sachkundig machen, sodass uns hier im Landtag wirklich überlegte, sinnvolle und debattierwürdige Anträge vorgelegt würden. In diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Danke, Frau Abgeordnete Schulz. Mögen Ihre Wünsche in Erfüllung gehen. - Bevor Herr Abgeordneter Otto von der PDSFraktion die Debatte fortsetzt, habe ich die Freude, unsere Gäste von der WEQUA in Lauchhammer zu begrüßen, die das Thema LASA möglicherweise besonders angeht. Herzlich

willkommen! Ich wünsche Ihnen einen interessanten Nachmittag.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Abgeordneter Otto, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Die DVU-Fraktion hat heute einen Tag der besonderen Anträge: Zum einen sollen die ESF-Mittel schnell und nachdrücklich eingefordert werden, zum anderen soll das Instrument wegfallen, mit dem wir die ESF-Mittel in die Breite tragen können. Ich halte so ein Vorgehen für sehr vernünftig und sehr konstruktiv, aber die Damen und Herren von der DVU-Fraktion sollten einmal darüber nachdenken, wie sie ihre Anträge inhaltlich konsequent ausgestalten können. Sie stellen den falschen Antrag zum falschen Zeitpunkt mit dem falschen Inhalt.

(Zuruf von der DVU: Sie haben ihn nicht richtig gele- sen!)

Gewiss kann man die Arbeit der LASA sehr differenziert bewerten. Das muss auch im Zuge der Überarbeitung des Landesprogramms „Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg“ geschehen. Es war nicht Gegenstand Ihres Beschlussvorschlags, nicht einmal der Ihrer Begründung, die Arbeit der LASA kritisch zu betrachten oder daraus konstruktive Vorschläge für die weitere Gestaltung der Arbeit der LASA abzuleiten. Das hätte ich erwartet. Ich war auf Ihre Begründung gespannt. Als Resultat können wir festhalten, dass Sie keine Vorschläge dazu haben.

Mit dem Wirken der LASA sind landesweite Strukturen zur Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen entstanden. Das wissen Sie.

Wir alle wissen, dass die LASA nicht für die Arbeitsmarktsituation in diesem Land verantwortlich ist. Um sie zu verbessern, sind andere Lösungen als nur Strukturänderungen erforderlich. Auch Sie wissen, dass Strukturänderungen keine Lösung darstellen.

Die Erfahrung der LASA, die im Rahmen der Durchsetzung der Arbeitsmarktpolitik, vor allen Dingen bei der praktischen Hilfe vor Ort, im Qualitätsmanagement und in vielem anderen mehr ein wichtiges Bindeglied der Landesregierung zu den örtlichen Akteuren ist, halte ich für sehr wichtig, wenn es darum geht, die arbeitsmarktpolitische Linie des Landes neu zu bestimmen. Es ist traurig genug, dass das überarbeitete Landesprogramm „Qualifizierung und Arbeit für Brandenburg“ erst im März vorliegt. Die Ungewissheit bei den Trägern ist gravierend; wir befürchten, dass es einige im März nicht mehr geben wird.

Unabhängig davon wird eine Reihe von Projekten, zum Beispiel INNOPUNKT, Equal, ABM-neu und weitere, fortgeführt. Mit Ihrem Antrag, meine Damen und Herren von der DVUFraktion, gefährden Sie diese Projekte und fördern die ohnehin schon große Erosion der Trägerlandschaft.

Fraglich ist ferner - insoweit unterstütze ich das vorhin Gesagte -,

ob die von Ihnen spekulativ angenommene Situation bei der Gewinnung der Mittel für den Haushalt eintreten wird; denn es handelt sich letztlich um die Kofinanzierung von Fördermitteln.

Die PDS-Fraktion vertritt den Standpunkt, dass die Tätigkeit der LASA im Rahmen der Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik des Landes überdacht werden muss. Dabei betrachten wir die LASA als wichtigen Erfahrungsträger, zum Beispiel bei der Verzahnung von Projekten, der Durchsetzung von Gender Mainstreaming und der Verbindung mit den örtlichen Trägern.

Aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag der DVU-Fraktion ab. - Danke.

Die Landesregierung hat Verzicht angezeigt. Deshalb geht das Wort noch einmal an die DVU-Fraktion. Bitte, Frau Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer wieder erstaunlich, welch fadenscheinige Argumente hier vorgetragen werden.

(Beifall bei der DVU)

Frau Schulz, sind Sie wirklich der Meinung, dass dieser Antrag überflüssig und unsachlich ist?

(Bochow [SPD]: Sonst hätte sie es nicht gesagt!)