Ich komme jetzt auf die Jugendhilfe zu sprechen. Ihr Antrag in Drucksache 4/254, Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) muss Bundesgesetz bleiben, suggeriert, dass das Land als alleiniger Verantwortungsträger der Gesamtaufgabe Jugendhilfe laut Kinder- und Jugendhilfegesetz finanziell nicht gewachsen sein könnte. Dieser Meinung sind wir auch. Deshalb verlangen wir eine Initiative, wonach wir uns jetzt einmischen. Sie haben eine Kleine Anfrage gestellt, welche die Landesregierung zwischenzeitlich beantwortet hat.
Die Landesregierung hat dazu eine Meinung. Aber wenn Verhandlungen geführt werden, sollte man bestimmte Meinungen nicht so laut und deutlich kundtun. Das ist in der Antwort
Ich gehe davon aus, dass sich im Kinder- und Jugendhilfegesetz bezüglich der Bund-Länder-Kompetenz nichts Wesentliches ändern wird. Wir wissen, dass das Land die Aufgaben des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und die pflichtigen Fürsorgen, die dort ausgewiesen sind, nicht allein leisten kann. Allerdings hätte ich mir in den letzten Jahren so manches Mal gewünscht, dass die Regelung bestimmter Teile des Kinder- und Jugendhilfegesetzes in der Kompetenz des Landes gelegen hätte.
Zwei Aspekte möchte ich diesbezüglich anführen. Zum einen die Kitadebatte und das Urteil des Verfassungsgerichts zum Kita-Gesetz vor zwei Jahren, wonach wir eine vernünftige Regelung, nämlich dass die Kommunen die wirklichen Verantwortungsträger sind, wieder rückabwickeln mussten. Bundes- und Landesrecht widersprechen sich in diesem Punkt.
Zum anderen nenne ich einen Bereich, in den einzugreifen ich mir ständig gewünscht hätte. Wir haben relativ geringe Einflussmöglichkeiten, Fehlentscheidungen von Jugendämtern zu bereinigen. Deshalb laufen wir Problemen oft hinterher. Wenn Kinder körperlich zu Schaden oder gar zu Tode kommen, muss geprüft und beraten werden können. Das Landesjugendamt stößt hier auf Widerstände wegen der Bundes- und der kommunalen Kompetenz. Dabei denke ich vor allen Dingen an die beiden Fälle Dennis und Pascal.
Ziel der Jugendhilfe ist für uns die Qualitätsverbesserung im Interesse der Kinder und Jugendlichen. Wir haben dazu Maßnahmen beschlossen, beispielsweise beim Sozialpädagogischen Fortbildungswerk.
Der zweite Punkt betrifft die Stärkung der Familie. Jugendhilfe ist wichtig. Dennoch möchte ich abschließend darauf hinweisen, dass nicht der Staat die Hauptverantwortung für die Heranwachsenden trägt, sondern diese Verantwortung immer noch bei den Eltern liegt.
(Lachen bei der PDS sowie Zurufe: Märchen aus tausend- undeiner Nacht! - Von welchem Planeten kommen Sie denn?)
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland spricht eine andere Sprache. Die staatliche Gemeinschaft wacht über die Betätigung der Eltern. Die Jugendhilfe greift dort ein, wo die Eltern allein nicht zurechtkommen.
operation zwischen Elternhaus, Schule, freier Jugendarbeit und Jugendhilfe sowie - wenn das Kind im Brunnen liegt - mit der Polizei und den Familiengerichten. - Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Krause, Sie greifen vom Grundsatz her ein Thema auf, das für Deutschland insgesamt, aber auch speziell für Brandenburg von großer Brisanz ist:
die enge Verbindung zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg. Im Land Brandenburg ist dieser Zusammenhang allerdings nicht so deutlich ausgeprägt. Im PISA-Bund-Länder-Vergleich aus dem Jahr 2000 - die Daten von 2003 sind noch nicht veröffentlicht - weist Brandenburg den schwächsten Zusammenhang zwischen Sozialschichtzugehörigkeit und Gymnasialbesuch auf. Dies ist aber sicherlich kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen.
Ich wäre sehr vorsichtig, mit den deutschen oder speziell den brandenburgischen PISA-Ergebnissen alle bildungs- oder jugendpolitischen Maßnahmen begründen zu wollen. Mit den PISA-Untersuchungen soll eine empirische Basis für Bildungspolitik geschaffen werden. Es ist deshalb unseriös, wenn mit PISA-Ergebnissen alles Wünschbare begründet wird.
Die Begründung, die Sie, sehr geehrte Kollegen von der PDS, für die Aktuelle Stunden vorgelegt haben und die von Ihnen, Herr Krause, mündlich vorgetragen worden ist, wird von den realen Entwicklungen nicht gedeckt. Es ist eine zentrale Aufgabe des Schulsystems, für die Entkopplung von sozialer Herkunft und Schulerfolg zu sorgen und die Kinder im Rahmen ihrer Möglichkeiten optimal zu fördern.
Sie haben sicherlich Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass es zu den wesentlichen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe gehört, Benachteiligungen auszugleichen. Bezogen auf den Schulerfolg kann die Jugendhilfe dabei aber nur hilfsweise und nur dann tätig werden, wenn Probleme in der Familie oder bei der Freizeitgestaltung den Schulerfolg infrage stellen. Die Jugendhilfe allein kann das Problem der relativ schlechten Bildungschancen für Kinder und Jugendliche der unteren Schichten nicht lösen. Das gesamte Leistungsspektrum der Jugendhilfe berücksichtigt die Probleme von benachteiligten Kindern und Jugendlichen. Dies möchte ich durch Hinweis auf drei Haupthandlungsfelder verdeutlichen:
Das System der Kindertagesbetreuung steht allen Kindern ab dem Alter von drei Jahren bis zur Beendigung der 4. Klasse uneingeschränkt zur Verfügung. Für jüngere Kinder und Kinder der 5. und 6. Klassen besteht dann ein Anspruch, wenn die familiäre Situation es erfordert. Gemeinhin wird dies unter dem Gesichtspunkt der Berufstätigkeit oder der Ausbildung der El
tern gesehen. Das ist aber nur ein Teilaspekt. Das Kita-Gesetz regelt, dass ein Anspruch auf Betreuung in einer Kindertagesstätte bei erzieherischem Bedarf besteht, also bei den Familien, die nur begrenzt in der Lage sind, ihre Erziehungsaufgaben selbst zu bewältigen.
Das zweite wichtige Handlungsfeld der Jugendhilfe ist die Jugendarbeit. Sie wendet sich grundsätzlich an alle Jugendlichen.
Das dritte große Handlungsfeld umfasst die Hilfe zur Erziehung. Diese greift dann, wenn die Schwierigkeiten in der Familie manifest geworden sind und professionelle Hilfen im Rahmen einer Erziehungsberatung, einer sozialpädagogischen Familienhilfe oder der Unterbringung in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie erforderlich sind.
Sie sehen an dieser Aufzählung, dass die Benachteiligtenförderung für alle Bereiche der Jugendhilfe von absoluter Priorität ist.
Die Leistungen der Jugendhilfe werden von den Kreisen und kreisfreien Städten im Rahmen einer pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe erbracht. Das Land hat in dieser Frage kein Weisungsrecht. Allerdings unterstützt das Land die Entwicklung der Angebote durch einen erheblichen finanziellen Beitrag für die Kindertagesstätten, für Fortbildung und Beratung, die vom Sozialpädagogischen Fortbildungswerk und vom Landesjugendamt geleistet werden, und durch den Landesjugendplan. Daraus wird das „Netzwerk Qualität“ finanziert, das die Unterstützung der Jugendämter in Angelegenheiten des Kinderschutzes ebenso zum Gegenstand hat wie die Praxisberatung von Konsultations-Kitas zur Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung. Überregionale Aufgaben der Jugendhilfe, im Wesentlichen die Arbeit der Jugendverbände, werden also daraus finanziell gesichert. Mit dem Landesjugendplan leistet das Land im Rahmen des Personalstellenförderprogramms einen Beitrag zur Finanzierung der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit.
Ihre Begründung unterstellt den Rückgang der finanziellen Aufwendungen im Bereich der Jugendhilfe. Ein Blick in die Zusammenstellung der Aufwendungen für die Jugendhilfe zeigt, dass diese Unterstellung nicht richtig ist. In den Jahren 2000 bis 2003 haben wir - Land, Landkreise und Kommunen für Jugendhilfeaufgaben zwischen 771 und 785 Millionen Euro aufgewendet, wobei die Schwankungsbreiten nur sehr gering waren. Für das Jahr 2003 ist mit 779 Millionen Euro der zweithöchste Betrag in dieser Zeitreihe angegeben.
Sie unterstellen ferner, es gäbe in Brandenburg Pläne, das KJHG massiv einzuschränken. Es ist nicht nachvollziehbar, worauf Sie diese Annahme stützen.
Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung ausdrücklich dargelegt, dass der wichtigste Bereich der Jugendhilfe, der landesrechtlich ausgestaltet ist, unangetastet bleibt, das heißt, wir halten an den hohen Standards bei der Kindertagesbetreuung fest.
Auch gibt es innerhalb der Landesregierung keinerlei Bestrebungen, im Rahmen einer Gesetzesinitiative im Bundesrat tätig zu werden, um das KJHG massiv einzuschränken, wie Sie es in Ihrer Begründung formulieren. Im nächsten Jahr wird das 610
Zehn Jahre lang hat das Land ohne originäre Zuständigkeit mitgeholfen, ein dichtes Netz aus Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit sowie Streetwork- und Schulsozialarbeit aufrechtzuerhalten.
Richtig ist aber auch, dass es seit etwa einem Jahr eine Diskussion der Fachebene des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport mit den Jugendämtern und den freien Trägern der Jugendhilfe über die Frage gibt, wie und in welchem Umfang sich die demographischen Veränderungen bei den 14- bis 18Jährigen auf die Angebote der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit auswirken werden. Es wäre mehr als grob fahrlässig, wenn wir als Jugendministerium angesichts der demographischen und finanziellen Entwicklung nicht Szenarien für die Weiterentwicklung des Programms diskutieren würden. Über dieses Thema habe ich Ende Oktober mit den für Jugendarbeit zuständigen Dezernenten gesprochen. Die Abgeordneten der PDS haben dankenswerterweise die Unterlagen zugeschickt bekommen und diese dann auch veröffentlicht.
Aus unserer Sicht wird es kaum möglich sein, angesichts der Reduzierung der Altersgruppe der 14- bis 18-Jährigen auf 50 % des bisherigen Standes in den nächsten fünf Jahren das bisherige Angebotsniveau zu halten und damit in der Konsequenz die Versorgungsquote zu verdoppeln.
Bei dieser Diskussion müssen natürlich auch bestehende Versorgungslücken, Fragen nach den Konsequenzen aus der insbesondere im ländlichen Raum dünner werdenden Besiedlung, die sozialen Veränderungen, die Möglichkeiten der Ganztagsschulen und die Veränderungen bei den gewerblichen Angeboten für junge Menschen berücksichtigt werden.
„Kontinuität und eine verlässliche finanzielle Ausstattung des Landesjugendplans sind eine unerlässliche Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in unserem Land.“
Diesem Satz wird jeder zustimmen. Allerdings müssen die finanziellen Rahmenbedingungen des Landes und die Notwendigkeit, die hohe Verschuldung abzubauen, im Rahmen des Gesamthaushalts mit den Facherfordernissen der einzelnen Bereiche ausbalanciert werden. Wie die Landesregierung dieses Problem im Rahmen des Haushaltsentwurfs 2005/2006 löst, wird Anfang Februar entschieden. Danach werden Sie im Landtag die Diskussion über die Finanzausstattung der einzelnen Bereiche führen. Mit Interesse sehe ich möglichen Anträgen der PDS-Fraktion entgegen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der angebotenen Deckung.
Herr Krause, Sie können sich sicher sein, dass über Vorschussbescheide die Arbeit der Jugendverbände Anfang nächsten Jahres von uns gesichert wird.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einige Stichworte zu der Frage nennen, wie das Schulsystem auf die höchst problematische Verbindung von sozialer Herkunft und Schulerfolg rea
Erstens. Frühförderung durch Stärkung der Kindertagesstätten und deren Bildungsauftrag; Zusammenarbeit zwischen Kita und Schule im Übergang; gemeinsame pädagogische Konzepte von Grundschule und Hort.
Zweitens. Lernen in praktischen Zusammenhängen außerhalb der Schule; Stichworte: Praxislernen und produktives Lernen.