Protocol of the Session on July 9, 2008

Kulturelle Bildung im Land Brandenburg: Erarbeitung einer ressortübergreifenden Konzeption mit dem Schwerpunkt Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/6373

Des Weiteren liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU in der Drucksache 4/6485 vor. - Die Aussprache wird mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE eröffnet. Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anlässlich unseres Antrags beschäftigen wir uns heute mit einem Thema, das mit zwei sehr gegensätzlichen Problemen zu tun hat. Zum einen ist es offensichtlich regelrecht Mode, über kulturelle Bildung zu sprechen, zum anderen ist es fachlich und auch politisch ein recht sperriges Thema. Dennoch ist die Aufgabe klar gestellt.

Der Schlussbericht der Enquetekommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ formuliert mehrere Dutzend Handlungsempfehlungen zur kulturellen Bildung, die erklärtermaßen vor allem Angelegenheiten von Land, Bund und Kommunen sein müssen.

Dieser Bericht hat einige Vorzüge. Uns ist damit ein fachlich sehr fundiertes Werk an die Hand gegeben, mit mehreren Tausend Seiten fachlicher Gutachten als Anhang. Dieser Bericht ist in einem überparteilichen Konsensverfahren durch konzentrierte Arbeit an der Sache bzw. am Thema entstanden. Dennoch gibt es Lücken und Kompromisse im Schlussbericht. Darum soll es heute jedoch nicht gehen.

Zu den Problemen, wenn es um kulturelle Bildung geht. Drei Probleme möchte ich nennen.

Erstens: Sperrig ist das Thema in der Tat, weil nicht immer klar ist, was unter kultureller Bildung verstanden wird. Allgemein

ist kulturelle Bildung konstitutiver Bestandteil von Allgemeinbildung. Kulturelle Bildung gehört zu den Voraussetzungen für ein geglücktes Leben im Persönlichen wie im Gesellschaftlichen. Kulturelle Bildung ist ganzheitlich angelegt und fördert Kommunikation und Integration als wechselseitigen Prozess. Kulturelle Bildung bezieht sich also auf den ganzen Menschen mit seinen sozialen, kognitiven, emotionalen und ästhetischen Fähigkeiten. Es mag sein, dass dieser Umstand im Land Brandenburg besonders schwer zu erfassen ist, weil uns hier eine protestantische Tradition anhaftet, nämlich der ständige Versuch, private Innerlichkeit zu verbinden mit der vermeintlichen Notwendigkeit, die Welt kirchlich bzw. staatlich gründlich und möglichst lückenlos zu verwalten.

In calvinistischer Tradition wäre das im Übrigen etwas anderes, weil dort jede Einzelperson dazu verpflichtet ist, an der Gestaltung der Welt aktiv teilzunehmen.

(Zuruf des Abgeordneten Klein [SPD])

- Wenn Sie eine Frage haben, melden Sie sich bitte! Ich erkläre das dann ganz langsam.

(Klein [SPD]: Nein, nein, ich bin nur beeindruckt!)

Natürlich gibt es im Lande Brandenburg kulturelle Bildung auch in dem Sinne, wie sie im Bundestag definiert worden ist.

Nicht hoch genug zu bewerten ist die Arbeit zum Beispiel von Armin Schubert und Frauke Havekost in der Landesarbeitsgemeinschaft der Jugendkunstschulen und kulturpädagogischen Einrichtungen.

Erwähnen kann ich auch das Multikulturelle Centrum in Templin, den Jugendklub Pegasus in Senftenberg, das Nachwuchsliteraturzentrum mit fester Verankerung in Schwedt und Senftenberg.

Die Corona-Schröter-Grundschule in Guben und die Grundschule Altdöbern - in meinem Wahlkreis - haben bewiesen, wie kulturelle Bildung demokratische Kultur in der Kommune befördern kann. Zu Recht erhielten diese Schulen als die ersten in den neuen Bundsländern kürzlich die MUS-E Plakette.

„Architektur macht Schule“ ist ein weiteres gutes Beispiel.

Damit die guten Beispiele Schule machen können, sollten wir gemeinsam darum kämpfen, dass die Kunstlehrerausbildung an der Universität Potsdam erhalten bleibt; denn ohne Personal wird kulturelle Bildung nicht Bestand haben können.

Ja, es gibt positive Beispiele im Lande. Aber es handelt sich noch zu sehr um einzelne Aktivitäten. Damit bin ich beim zweiten Problem: Kulturelle Bildung kann nicht in nur in einem Ressort angesiedelt werden. Kulturelle Bildung ist ressortübergreifend und gleichzeitig in einzelnen Ressorts verortet. Ich räume ein: Das ist schwierig für Regierung und Verwaltung.

Aber auch hierzu gibt es im Lande gute Ansätze. Ich denke dabei an Vereinbarungen des Bildungsministeriums mit Verbänden und Einzelpersonen, um Querschnittsaufgaben zu übernehmen; also Jugendpolitik, Kulturpolitik, Bildungspolitik und Familienpolitik.

In diese Reihe möchte ich auch „Kulturland Brandenburg“ stellen, wo immerhin Kulturministerium und Infrastrukturministerium vorbildlich und erfolgreich zusammenarbeiten.

Gemessen an dem Standard der UNESCO und einigen Ansätzen in Nordrhein-Westfalen, dem Modellland für kulturelle Bildung, aber auch in Bayern und Hamburg konnten diese löblichen Einzelinitiativen in Brandenburg aber nicht die gewünschte Nachhaltigkeit entwickeln. Auf Nachhaltigkeit hin orientiert in sehr qualifizierter Weise die Handlungsempfehlung der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestages. Im Wesen geht es darum, dass ein Bildungskonzept des unbegrenzten Wachstums der Industriegesellschaften des 19. und 20. Jahrhunderts durch ein Bildungskonzept des 21. Jahrhunderts ersetzt wird.

Als Ergebnis der ersten Weltkonferenz der UNESCO zu Arts Education im Jahre 2006 können wir festhalten, dass kulturelle Bildung die Grundlage für dieses neue Bildungskonzept ist. Es kann nicht darum gehen, Bildung darauf zu beschränken, die Kinder passfähig für kommende PISA-Studien zu machen, die nur Messbares erfassen. Zum Glück ist beim Menschen nicht alles messbar und berechenbar. So gesehen muss kulturelle Bildung nichts unverbindlich Allgemeines und Schwammiges, sondern ein sehr menschliches ganzheitliches Konzept sein.

Diese Tradition geht immerhin auf die alten Griechen zurück. Meinetwegen wäre Sokrates zu nennen. Aber besser ist es vielleicht, wenn wir uns auf die Rhetorik- und Dialektiklehrerin des Sokrates, Aspasia, berufen. Sie lehrte bereits vor fast 2 500 Jahren die Einheit von Ethik, praktischem Denken und gesellschaftlichem Handeln. Da die Geschichte des Denkens aber noch immer männlich ist, wird es einige Mühe bereiten, solche verschütteten Traditionen wieder aufleben zu lassen.

Auch die Erarbeitung einer Konzeption zur kulturellen Bildung wird einige Mühe bereiten. Meine Fraktion ist bereit, sich dieser Aufgabe zu stellen, mit Ihnen gemeinsam, meine Damen und Herren von SPD und CDU, wenn Sie wollen.

Das dritte Problem ist die Schwierigkeit beim Umgang mit kultureller Bildung. Diese Schwierigkeit ist banal: Sie wollen offensichtlich nicht. Vielleicht will auch nur ein Partner nicht, und dann darf der andere auch nicht wollen. Es geht darum, dass Sie sich in der Koalition selbst gegenseitig behindern, das Richtige zu tun.

Wir werden Ihrem Entschließungsantrag zustimmen. Aber unser Antrag ist etwas anderes. Er weist in die Zukunft. Sie wollen Ihre, wie Sie meinen, guten Ergebnisse der Vergangenheit auflisten. Aber da Sie den Bericht erst am Ende des I. Quartals 2009 vorlegen lassen wollen, haben Sie ja noch Zeit, anhand unseres Antrags, der sich auf den Schlussbericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ gründet, an der Aufgabe „kulturelle Bildung“ zu arbeiten. Vielleicht haben Sie dann ganz im Sinne unseres Antrags Neues und Positives zu berichten. Dennoch bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält der Abgeordnete Kuhnert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gedanke, sich an dem Bericht der Enquetekommission entlangzuhangeln und zu schauen, was davon in Brandenburg umzusetzen notwendig und möglich wäre und was schon existiert, ist gut und richtig. Der Antrag ist ja auch schon vor längerer Zeit eingebracht worden. Wir haben den Antrag ausführlich studiert und darüber diskutiert, wie wir damit umgehen sollten.

Sie haben Recht, dass die Überweisung eine Möglichkeit gewesen wäre. Darüber haben wir auch nachgedacht. Der Antrag würde dann im Ausschuss qualifiziert. Sie müssen zugeben, dass Sie einen Hang zum Perfektionismus haben. Alles ist ja irgendwie richtig, aber es ist ein bisschen überbordend, was Sie an Forderungen in dem Antrag formuliert haben.

Deshalb haben wir unsere Überlegungen in die Richtung gebracht, einen Entschließungsantrag einzubringen mit dem Ziel, eine Bestandsaufnahme zu machen. Sie sind dankenswerterweise ja auch ein Stück durch die Praxis in unserem Bundesland gegangen, und ich denke, da gibt es noch sehr vieles zu berichten, aus Senftenberg, aus Kloster Lehnin, aus Cottbus, woher auch immer. Cottbus wurde übrigens neulich in der überregionalen Presse als das „Bilbao des Ostens“ apostrophiert.

Ich denke, es ist gut, eine solche Bestandaufnahme zu machen, um mit den Initiativen, die es bei uns gibt, mit dem Wissen also darüber, was schon da ist, den anderen Beispiele geben zu können, und im Übrigen auf dem Bericht, der uns dann vorliegen wird, aufzubauen.

Ich meine, ein ganz wichtiger Aspekt ist der der Subsidiarität. Sie selbst haben es im Grunde auch indirekt angesprochen. Sie haben im Zusammenhang mit dem Bildungsbereich der kulturellen Bildung „Sonnensegel“ in Brandenburg genannt. Das ist ein Beispiel von Dingen, die von unten gewachsen sind.

Ich denke, das ist die Grundbedingung - da stimme ich Ihnen ja zu -, dass wir als Landtag, als Landesgesetzgeber Vorschläge machen können, Angebote machen können, Empfehlungen geben können.

Der Bericht, der uns vorgelegt werden soll, wird Grundlage für die weitere Beratung über kulturelle Bildung im Land Brandenburg sein, und zwar dann sicherlich schon in Richtung auf die Wahlen, wo die Parteien formulieren können, was sie in der 5. Legislaturperiode alles anstreben wollen. Jedenfalls glaube ich, dass die Bestandsaufnahme hochinteressant und spannend wird, weil mir selbst auch viele Beispiele bekannt sind, die in diesem Land unbedingt sozusagen multipliziert werden sollten.

Deshalb empfehle ich im Namen der SPD-Fraktion die Annahme unseres Entschließungsantrags. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält jetzt der Abgeordnete Nonninger.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die langjährige und erfolgreiche Arbeit der Enquetekommission des Deutschen Bundestages hat nicht nur für den Bereich der kulturellen Bildung für Kinder und Jugendliche interessante Argumente geliefert. Man hat letztlich auch erkannt, dass die Politik notwendige Schritte mit Blick auf die öffentliche Kulturfinanzierung in die Wege leiten und vor allem Prioritäten setzen muss. Umso verwunderlicher ist doch der heute vorliegende Antrag der LINKEN, greift sich doch DIE LINKE nur einen kleinen Teilbereich aus den Ergebnissen der Enquetekommission heraus. Man könnte annehmen, DIE LINKE geht nur mit einigen Teilbereichen der vorliegenden Ergebnisse konform. Ja, so muss es wohl sein.

Die Enquetekommission empfiehlt beispielsweise, sich gegenüber dem Rat der Europäischen Union und den europäischen Institutionen für die vollständige und ausnahmslose Gleichberechtigung des Deutschen als Arbeitssprache einzusetzen scheinbar eine Anregung, die Sie gar nicht mögen. Hatte doch unsere DVU-Fraktion in der letzten Plenarsitzung einen Antrag zur Stärkung der deutschen Sprache innerhalb der EU eingebracht, den Sie abgelehnt haben.

Ebenso unangenehm scheint es Ihnen zu sein, wenn die Enquetekommission die Kommunen dazu auffordert, mit dazu beizutragen, dass ein größeres öffentliches Interesse für die Kultur der Vertriebenen der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete entsteht.

In der Begründung Ihres vorliegenden Antrags bemühen Sie explizit die Ergebnisse der Enquetekommission. Diese Ergebnisse sind aber weitreichender und vielschichtiger als das, was Sie uns hier vorlegen. Wir empfehlen: Wenn schon ein Handlungskonzept, dann ein Handlungskonzept zu den Ergebnissen der Enquetekommission in ihrer ganzen Bandbreite. - Danke.

(Beifall bei der DVU)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält jetzt der Abgeordnete Werner.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und des Gefühls der Erwartung im Magen im Hinblick auf den heutigen Abend könnte man jetzt in Abwandlung eines Wortes eines großen deutschen Dichters sagen: Erst kommen die Buletten, dann kommt die Kultur. - Aber ich kann Ihnen das nicht ersparen. Beschäftigen wir uns also erst einmal mit der Kultur, bevor wir dann einen hoffentlich kulturvollen Abend erleben werden.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder und Jugendliche, die eine gewisse kulturelle, vor allem musische Bildung besitzen, sich wesentlich vorteilhafter entwickeln, dass sie einen größeren Horizont haben, dass sie Zusammenhänge viel besser erkennen können. Ich denke, darüber brauchen wir nicht mehr zu diskutieren. Oder, um es mit einem anderen Wort zu sagen: Wer Geige spielt, der greift nicht zum Baseballschläger.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Als jemand, der nicht nur gelernter Kulturmensch ist, sondern