Protocol of the Session on April 10, 2008

Ich habe nur noch „wir“ gehört - „wir werden“. Sie waren eben hier vorn nicht etwa eine Vertreterin der VI, sondern die Verkehrsexpertin der Fraktion DIE LINKE im brandenburgischen Landtag.

Bitte keine Zwiegespräche! Für Antworten haben Sie eine Minute und 20 Sekunden Zeit, Frau Tack.

Dennoch möchte ich der Volksinitiative meinen Respekt aussprechen. 29 000 Unterschriften in dieser Zeit zu sammeln ist nicht ganz leicht; dazu gehört ein gewaltiger Aufwand, dahinter steckt Arbeit. Es ist tatsächlich gelungen, ein Volksbegehren einzuleiten. Es wird in den nächsten Tagen starten.

Die Volksinitiative, das will ich hier noch einmal ganz deutlich sagen, wurde keinesfalls - zu diesem Tagesordnungspunkt hat beim letzten Mal Kollege Klocksin gesprochen - von uns in der Debatte in Bausch und Bogen abgelehnt. Wir haben ganz bewusst einen Entschließungsantrag darübergelegt und in diesem auch die Gründe aufgeführt, aus denen wir diese VI ablehnen.

Wir haben in der Debatte auch deutlich gemacht, dass das, was dort beantragt wurde, offensichtlich am Bedarf vorbeigeht. Wir haben zugesagt, wir wollen evaluieren, was in den Landkreisen

passiert, und wir werden das Thema dann noch einmal im Landtag aufrufen. Das haben wir getan. Wir haben bei der Evaluierung festgestellt, dass dieses Ticket, das kreisweit gelten soll, als Monatsticket so gut wie gar nicht abgerufen wird. Wir hatten im Januar, glaube ich, 7 und im Februar 15 Abrufungen im Landkreis Dahme-Spree. Ähnlich waren die Zahlen in Teltow-Fläming. Daraufhin haben wir gesagt: Das dürfte offensichtlich nicht der Bringer sein. Wir müssen überlegen, was wir anbieten können, um dort eine Lösung zu erreichen.

Wenn man sich die Verkehrsstruktur in Brandenburg anschaut, stellt man fest, dass die Infrastruktur für den ÖPNV besonders rund um die Mittelzentren, erst recht um die Oberzentren und auch im berlinnahen Raum gut ausgebildet und auch nachgefragt ist, und kommt somit zu dem Schluss, dass ein kreisweit geltendes Ticket ziemlich weit an der Brandenburger Wirklichkeit vorbeigeht. Wie kommt zum Beispiel der Werderaner nach Potsdam? Wie kommt der Tremmendorfer nach Brandenburg an der Havel, wie der Bürger aus Spree-Neiße nach Cottbus? Wie kommt der Hartz-IV-Empfänger aus Märkisch-Oderland nach Frankfurt (Oder)? Das sind Fragen, die bei der Initiative, die uns zu diesem Zeitpunkt vorlag, einfach offenblieben. Daraufhin haben wir gesagt: Wir brauchen eine andere Lösung.

Wir haben daraufhin viele Verkehrsbetriebe angesprochen. Wir haben viele Gespräche mit Landräten, haben viele Gespräche auch mit potenziellen Nutzern geführt, die Sie ja auch schon benannt haben. Wir haben auch intensivste Gespräche mit dem VBB geführt und dann festgestellt: Wir brauchen etwas anderes, und das könnte darin bestehen, dass man zum Beispiel ein einheitliches Ticket für das ganze Land - Ausnahme Berlins anbietet. Dieses Ticket sollte 30 Euro kosten. Das war der Vorschlag, der von der SPD kam. Wir haben uns mit dem Koalitionspartner dann auf ein anderes Modell verständigt, nämlich die Idee aufgebracht, dass man sechs verschiedene Tickets anbietet. Diese werden - Sie haben das vorhin dankenswerterweise schon erläutert - von einem Zwei-Waben-Ticket für etwas mehr als 20 Euro bis zu einem Drei-Kreis-Ticket reichen. Ich glaube, dass die kreisübergreifende Lösung - die übrigens Herr Klocksin beim letzten Mal angemahnt hat; er muss keine roten Ohren kriegen, wie Sie es prophezeit haben - darin enthalten ist.

(Zuruf der Abgeordneten Tack [DIE LINKE])

Wir haben aber auch die ganz kleinen Lösungen darin. Wenn zum Beispiel der Betroffene nur ins Amt, also eine 10-KilometerGrenze wuppen will, hat er nur 20 Euro zu zahlen. Ich halte die Lösung, die wir jetzt vorsehen, für wesentlich klüger und besser und denke, das sollte man hier auch noch einmal benennen.

Meine Redezeit ist schon zu Ende? Wie schnell die Zeit vergehen kann! Ich will nur noch eine Frage stellen, Frau Tack. Wenn Sie uns jetzt sagen, wir haben diesen guten Vorschlag vor dem Hintergrund der anstehenden Kommunalwahl gebracht, dann komme ich noch einmal auf Ihr vorhin in dem Zusammenhang mit Volksinitiative und der Linken gebrauchtes „Wir“ zurück und frage Sie: Wo haben Sie denn hingedacht, als Sie sich vornahmen, im April mit einem Volksbegehren anzufangen und damit drei Wochen vor der Kommunalwahl zu landen? - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Schippel [SPD]: Was ich selber denk’ und tu’, traue ich auch andern zu! - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Da hinten sitzt eine Vertreterin von der Volksinitiative - vielleicht reden Sie mal mit ihr!)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der DVU-Fraktion fort. Es spricht die Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Druck bleibt auf dem Kessel. In Übereinstimmung mit den Regularien unserer Landesverfassung wurde am 25. Februar dieses Jahres durch die gesetzlichen Vertreter der Volksinitiative zur Einführung eines Sozialtickets in Brandenburg ein Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens hier im Landtag gestellt. Das war nötig, nachdem Sie, meine Damen und Herren von der SPDFraktion, die Einführung eines Sozialtickets, wie von den Antragstellern gewünscht und mit fast 33 000 Unterschriften untermauert, durch einen nichtssagenden Gegenentwurf auf die Kalte abwürgten. Das geschah sowohl im Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung als auch im Sozialausschuss und schließlich hier im Januarplenum. Unsere DVU-Fraktion dagegen begrüßte von Anfang an das Begehren der Volksinitiative und stimmte daher logischerweise gegen die Koalitionsbeschlussempfehlung.

In der Anhörung der gesetzlichen Vertreter der Volksinitiative im Ausschuss für Infrastruktur und Raumordnung erklärte die Vertreterin des Arbeitslosenverbandes Frau Ackermann unter anderem - ich möchte sie hier gern zitieren:

„Nicht erst mit dem Arbeitslosengeld II wurden an die Menschen Anforderungen hinsichtlich ihrer Mobilität gestellt, denen das Arbeitslosengeld II eigentlich nicht gerecht wird. Arbeitslosengeld II beinhaltet für die betroffenen Menschen eine minimale Grundsicherung für Kleidung, Essen und Wohnung. Darüber hinaus hat jeder Mensch als Mitglied sozialer Gruppen - dieses Kriterium trifft für uns alle zu - aber auch andere Bedürfnisse. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse ist ebenfalls wichtig, um den Menschen ein menschenwürdiges Dasein zu sichern. Dazu gehören in meinen Augen die Mobilität, die Kultur und auch die Bildung. Das kann mit 11,04 Euro im Monat, die derzeit für die Mobilitätssicherung im Regelsatz enthalten sind, auf alle Fälle nicht gesichert werden.“

Weiterhin verwies Frau Ackermann auf die mehr als 50 000 sogenannten Aufstocker beim Arbeitslosengeld II, also Brandenburgerinnen und Brandenburger mit einer gering entlohnten Vollzeitbeschäftigung, die tagtäglich auf ihr Auto angewiesen sind.

Doch all diese Argumente fruchteten bei Ihnen nicht, meine Damen und Herren Sozialdemokraten und auch meine Damen und Herren von der CDU. Erst als der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wirklich gestellt und das Prozedere in die Wege geleitet wurde, bekamen Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, plötzlich kalte Füße und erklärten nach dem Motto „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ plötzlich, dass Sie ebenfalls für ein Sozialticket sind.

Wie der Presse vom 15. März zu entnehmen ist, einigten sich die Koalitionsspitzen mittlerweile auf einen Kompromiss. Die

Fahrkarte soll danach in bis zu drei Kreisen gültig sein und halb so viel kosten wie ein normales Ticket. Hartz-IV-Empfänger und Geringverdiener sollen anspruchsberechtigt sein, und das Verkehrsministerium soll die jährlichen Kosten in Höhe von ca. 200 Millionen Euro tragen.

(Oh! bei der SPD)

- 2 Millionen Euro, Entschuldigung, das war ein Versprecher, das kann passieren.

Doch das, meine Damen und Herren, reicht selbstverständlich nicht aus, da insbesondere für die geringverdienenden Berufspendler eine landesweit gültige Lösung unumgänglich ist. Daher wird die DVU-Fraktion dem vorliegenden Antrag der LINKEN auch zustimmen.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Schrey spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Tack, auch ich muss keine roten Ohren bekommen, wenn ich mich daran erinnere, wie wir beide vor der Kamera standen und ich gesagt habe: Das, was Sie vorschlagen, ist nicht gerecht. Sie antworteten: Dann machen Sie doch! - Wir haben gemacht. Denn vor wenigen Wochen hat sich die Koalition auf ein Paket von Maßnahmen verständigt, welches Familien mit Kindern bei der Schülerbeförderung finanziell entlastet, welches neue Anstrengungen für den Erhalt von Schulen festlegt und die landesweite Einführung eines Mobilitätstickets vorsieht.

Das Mobilitätsticket, wie wir es vorgesehen haben, ist so gestaltet, dass insbesondere Menschen mit geringem Einkommen, die zwingend auf Mobilität angewiesen sind, durch einen günstigeren Tarif für den Monatsfahrschein entlastet werden. Das ist unserer Auffassung nach sinnvoll und vertretbar.

Gestatten Sie mir, dass ich erst einmal einige grundsätzliche Dinge anspreche, die unserer Fraktion wichtig sind. Wir halten das Lohnabstandsgebot für ein hohes Gut in unserem Sozialrecht. Danach muss das durch Arbeit und gegebenenfalls ergänzenden Sozialtransfer erzielte Einkommen grundsätzlich höher ausfallen als das ausschließlich durch soziale Transfers erzielte Einkommen. Das heißt, wer arbeitet, muss mehr in der Tasche haben als der, der ausschließlich von staatlicher Unterstützung lebt.

(Schulze [SPD]: Ja, zumindest Lohn!)

Es muss immer ein Anreiz vorhanden sein, durch eigene Arbeit zum Lebensunterhalt beizutragen. Diesen Grundsatz sollten wir bei allen Diskussionen beherzigen, auch das ist soziale Gerechtigkeit.

Das Mobilitätsticket, auf das sich die Koalition verständigt hat, ist deshalb als Monatsticket gestaltet und kann bei sozialer Bedürftigkeit für eine Entfernung zwischen zwei Waben innerhalb des VBB in bis zu drei Landkreisen für die Hälfte des regulären VBB-Preises erworben werden.

Jedem ist klar, dass ein solches Monatsticket zu diesem Preis bis zwei Waben immerhin 20,35 Euro - nur von denen erworben wird, die zwingend auf Mobilität angewiesen sind. Das sind insbesondere die sogenannten Aufstocker, die ergänzende ALG-II-Leistungen erhalten, trotzdem sie einer regulären Beschäftigung nachgehen. Wir haben hohe Achtung vor denen, die diese Motivation aufbringen. Wir sind der Auffassung, dass hier eine Unterstützung sinnvoll ist. Das habe ich im Übrigen bereits in meiner Rede zu diesem Thema in der Januarsitzung deutlich gemacht. Zwingend auf Mobilität angewiesen sind auch Personen, die täglich fahren müssen, weil sie zum Beispiel Angehörige pflegen, oder ähnlich gelagerte Fälle. Hier ist eine Unterstützung sinnvoll und angebracht.

Der ursprünglich vonseiten der SPD unterbreitete Vorschlag, ein Monatsticket für 30 Euro, das für das gesamte Land gilt, anzubieten, ist nicht vertretbar. Wer vergleicht, dass ein Berufstätiger allein für ein Ticket über drei Landkreise bereits 128 Euro im Monat ausgeben muss, sieht, dass hier jede Vernunft und jegliche Realität außer Acht gelassen wurde. Das wäre nicht gerecht und deshalb nicht vertretbar. Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag machen wir die in der Koalition ausgehandelte neue Lösung deutlich. Wir wollen einen Beitrag für eine bessere Mobilität derjenigen leisten, die auch bereit sind, ihren Beitrag für unsere Sozialsysteme durch ihre Arbeit zu erbringen. - Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Minister Dellmann setzt für die Landesregierung fort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Tack, wir treffen uns ja regelmäßig, nicht nur im Landtag, nicht nur in den Fluren dieses ehrwürdigen Gebäudes, sondern auch im Ausschuss. Ich wundere mich eigentlich immer wieder, wie lange es manchmal dauert, bis Sie etwas verstanden haben.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Denn hier zu erklären, dass wir Ihnen bestimmte Zusammenhänge nicht erklärt hätten, das finde ich wirklich etwas unschön, um es vorsichtig zu sagen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Ich glaube, dass es richtig und angemessen ist - Kollege Baaske hat es gesagt -, dass der Landtag einen klaren Auftrag beschlossen hat, nämlich eine Evaluierung dessen durchzuführen, was einige Aufgabenträger im ÖPNV bereits seit längerer Zeit anbieten, und daraus dann Vorschläge zu entwickeln. Das ist dann auch ein sehr ehrlicher Umgang mit der Volksinitiative.

Darum geht es uns, dass man wirklich sagt: Wir nehmen ein Anliegen sehr ernst. Aber wir überlegen dann auch: Was ist das richtige Angebot für diejenigen, die sich engagiert haben und die auch unsere Unterstützung brauchen? Es ist übrigens spannend, dass Sie fachlich und inhaltlich - Sie als LINKE hätten sich auch etwas intensiver mit dem Thema beschäftigen können - erst jetzt feststellen, etwas spät im Übrigen, dass unser

Vorschlag der deutlich bessere und vor allen Dingen finanzierbar ist.

Frau Tack, ich finde es ausgesprochen unredlich, wenn Sie hier kritisieren, dass Berechnungen des VBB von 2005 einmal von 5 Millionen Euro ausgegangen sind. Bis dato gab es keine Erfahrungen.

Es ist auch gut, dass jetzt eine neue Kalkulation vorliegt, die die Erfahrungen von anderen Aufgabenträgern einfließen lässt. Deshalb ist die Schätzung von 2,3 Millionen Euro, glaube ich, eine realistische.

(Zuruf der Abgeordneten Tack [DIE LINKE])

Wie groß die Summe tatsächlich sein wird, werden wir erst wissen, wenn wir einige Monate Erfahrung haben. Dann werden wir wissen, in welchem Umfang dieses Angebot im Land Brandenburg angenommen worden ist.

Lassen Sie mich einen letzten Satz zum Thema „rote Ohren“ anbringen. Wenn ich einmal in Ihre Reihen schaue - das gilt zumindest für diejenigen unter Ihnen, die etwas älter sind -, dann haben nach Ihrer eigenen Definition heute alle von Ihnen rote Ohren. Wenn ich feststellen will, wer im Laufe seiner politischen Karriere seine Meinung am intensivsten gewechselt hat, liebe Frau Tack, dann muss ich auf die linke Seite des Hauses schauen. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Auch wenn das Wundern seitens eines Ministers vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt zu sein scheint, bekommt Frau Tack jetzt noch einmal Gelegenheit, hier Ausführungen zu machen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister wird sich sicherlich noch daran erinnern - es wird ja auch im Protokoll nachzulesen sein -, dass ich danach gefragt habe, wie die neuen Rechnungen zum Sozialticket zustande gekommen seien, und er gesagt hat, er sage nichts. So also geht man mit der Opposition um! Aber das können wir in der nächsten Ausschusssitzung nachholen. Da können wir die Zahlen erfahren, und wir haben dann für die Diskussion die gleichen Fakten zur Verfügung.

An Herrn Baaske gerichtet, möchte ich gern Folgendes sagen: Wir haben wirklich 32 400 Unterschriften gesammelt.