Protocol of the Session on January 23, 2008

Meine Frage bezieht sich auf das gleiche Thema; ich kann mir deswegen den Vorspann sparen.

Ich frage die Landesregierung: Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung einzuleiten, um derartigem Missbrauch entgegenzuwirken?

Es antwortet wiederum Staatssekretär Alber.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes darf ich noch einmal deutlich machen, dass ein gesetzeswidriger Leistungsmissbrauch natürlich überhaupt nicht akzeptabel ist. Aber genauso deutlich darf ich feststellen: Es liegt völlig neben der Sache, wenn die in den Medien geschilderten Vorgänge vonseiten der DVU nun zum Anlass genommen werden, erneut eine Debatte über den Missbrauch von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufmachen zu wollen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE sowie des Abgeord- neten Schulze [SPD])

Sie erinnern sich, dass eines der Hauptziele des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2006 gerade die Vermeidung von Leistungsmissbrauch war. In das SGB II wurden damals verschiedene Regelungen zur Vermeidung von Leistungsmissbrauch aufgenommen. So wurde beispielsweise die Einrichtung von Außendiensten zur Überprüfung von Verdachtsfällen auf Leistungsmissbrauch bei den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen verpflichtend vorgeschrieben, und es wurde die Vorschrift verschärft, die den Abgleich von Daten, die im Rahmen des SGB II erho

ben wurden, mit anderen leistungsrelevanten Daten vorsieht. Auch beim Vollzug sind keine Defizite im Hinblick auf die Verfolgung von Leistungsmissbrauch festzustellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Stellen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende sind für die Problematik des Leistungsmissbrauchs durchaus sensibilisiert und gehen Verdachtsfällen im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten konsequent nach. Danke.

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Wir kommen zur Frage 1570 (Tariftreue und Mindestlohn), die vom Abgeordneten Dr. Klocksin gestellt wird.

Die Diskussion über Tariftreue und Mindestlohn wird über die Parteigrenzen hinweg und seit geraumer Zeit geführt. Das Land Berlin hat als wesentlicher Teil unserer gemeinsamen Arbeitsmarktregion Berlin-Brandenburg entsprechende rechtliche Rahmensetzungen getroffen.

Ich frage die Landesregierung: Wann beabsichtigt sie, für Brandenburg als Teil dieser gemeinsamen Arbeitsmarktregion vergleichbare oder gleichlautende gesetzliche Regelungen vorzubereiten?

Wirtschaftsminister Junghanns wird antworten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter, natürlich verfolgt die Landesregierung die Diskussion über die nationalen Landesgrenzen hinweg zu Tariftreueregelungen und Mindestlohn. Es gehört zur gängigen Praxis in jedem Land, insbesondere bei Tariftreueregelungen Vor- und Nachteile abzuwägen. Dies findet auch in den Diskussionen in den fachlich zuständigen Ressorts statt. Diese Diskussion ist nicht abgeschlossen, kann auch nicht abgeschlossen sein. Aber mit Hinweis auf diese Diskussion kann man vielleicht im Ergebnis der sachlichen Konsensfindung oder Nichtkonsensfindung über die Zeiträume sprechen.

Mit Hinweis auf die politischen Grundlagen der Regierungsarbeit, der Koalition will ich aber auch feststellen, dass die Einführung von Tariftreueregelungen nicht Vorhaben der Landesregierung ist. - Danke schön.

Es gibt Nachfragen; der Fragesteller als Erster bitte.

Herr Minister, erwartungsgemäß nehme ich Ihre Antwort mit Bedauern zur Kenntnis. Nun lassen Sie mich fragen: Sind Sie der Auffassung, dass in dieser Arbeitsmarktregion Berlin-Brandenburg für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Brandenburg schlechtere Voraussetzungen gegeben sein sollten als in Berlin?

Zum Zweiten: Können Sie sich vorstellen, dass es in der laufenden Wahlperiode unter Leitung des zuständigen Fachministers in dieser durchaus bedeutsamen Fragestellung Tariftreue und Mindestlohn zu einer gemeinsamen Position des Kabinetts auch angesichts der Tatsache kommt, dass namentlich der Landesfinanzminister in dieser Frage eine insgesamt positive Position bezogen hat?

Es geht nicht um bessere oder schlechtere Bedingungen, es geht um unterschiedliche Bedingungen in den Arbeitsmarktregionen Berlin und Brandenburg. Gleichzeitig kann ich darauf hinweisen, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern auch keine Tariftreueregelungen eingeführt hat.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Noch nicht!)

- Ja, gut, noch nicht; klar.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Die Tatsache, dass wir eine Arbeitsmarktregion haben, zieht ja nicht glatt, dass wir unterschiedliche Bedingungen in den Strukturen haben. Der Hinweis auf eine unterschiedliche Tarifbindung insbesondere in den im Umbruch und im Aufbau befindlichen Strukturen in Brandenburg ist ja kein Unwertsurteil, das damit verbunden wird. Eine solche Regelung - um nur eine Facette zu nennen - würde aus meiner Sicht dazu führen, dass mittelständische Strukturen, auch Handwerksbetriebe, im Umgang mit einer solchen Regelung benachteiligt würden. Das ist eine sachliche Abwägung, die zu treffen ist.

Die Meinungsbildung unter den Kabinettskollegen zu diesen Regelungen kenne ich. Wir tauschen uns dazu auch aus. Ich sehe gegenwärtig, dass auch ausweislich des auf Koalitionsebene in Berlin abgestimmten Verfahrensweges nicht der Weg über den gesetzlichen Mindestlohn, sondern der Verfahrensweg über die tariflichen Mindestlöhne im Vordergrund steht. Diesen Weg unterstütze ich. Deshalb sehe ich auch in diesen Fragen keinen Regelungsbedarf.

In der Tariftreueregelung - das ist jetzt meine private Meinung, meine persönliche Meinung, aber auch meine Meinung als Fachminister; ich stehe ja hier als Vertreter der Landesregierung - halte ich die Einführung einer solchen Regelung ebenfalls für nicht notwendig.

Der Abgeordnete Christoffers hat ebenfalls eine Frage.

Herr Minister, könnten Sie bitte einmal die Vorteile definieren, die aus unterschiedlichen Regelungen beim Zugang zu öffentlichen Aufträgen im einheitlichen Wirtschafts- und Sozialraum Berlin-Brandenburg für Brandenburger Unternehmer tatsächlich erwachsen, wenn sie mit zwei verschiedenen Rechtsgrundsätzen umgehen müssen, um überhaupt an öffentliche Vergaben zu kommen?

Zweite Frage: Herr Minister, wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die Länder Berlin, Bayern, Saarland, Sachsen-Anhalt,

Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz mittlerweile eigene Vergabegesetze verabschiedet und damit zum größten Teil Tariftreueregelungen für alle Branchen bzw. zumindest für Schwerpunktbranchen definiert haben und dass in einer Reihe von Ländern die politische Debatte darüber geführt wird, genau diese Regelungen weiter auszuweiten?

Herr Christoffers, die Länder Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, SachsenAnhalt, Thüringen und Brandenburg haben keine tariflichen Regelungen. Auch bezüglich dieser Vergabegesetze, die Sie jetzt nennen - Sie führen ja jetzt einen neuen Begriff ein; wir reden über Tarifregelungen, Sie reden jetzt über Vergabegesetze; das ist ein Extrathema, über das heute zu gegebener Zeit noch einmal diskutiert werden wird -, besteht der Unterschied gerade darin, dass wir jetzt über Tarifregelungen sprechen und sich die Vergabegesetze der genannten Länder eben auch nicht mit tarifrechtlichen Regelungen belasten. Das wird also ganz unterschiedlich gehandhabt.

Zu der Frage nach den Vorteilen unterschiedlicher Regelungen: Wir bewerten die Zugangsmöglichkeiten, die mittelständische Unternehmen insbesondere im Land Brandenburg zu öffentlichen Aufträgen haben. Wenn ich im Land die Tatsache habe das ist ja eine Situation, die man wirklich nur aus der eigenen Entwicklung heraus begreifen und begründen kann -, dass Tarifbindung etwas ist, was eher einen Ausschluss für einen großen Teil der Firmen bedeutet, dann muss ich diesen Nachteil abwenden.

Wir haben die Unterschiede in den Förderstrukturen, wir haben die Unterschiede in den Tariftreueregelungen. Wir werden auch weiter mit Unterschieden leben müssen; ich weiß nicht, wie lange, und ich weiß nicht, auf welchem Niveau man sich dann vielleicht einigt, ob mit oder ohne Tariftreueregelung. Ich konstatiere aber: Wir sind in einer anderen Ausgangssituation. Ich wäge ab und sage: Dann komme ich mit den Unterschieden besser aus als mit einem formalen Gleichklang oder einem Gleichziehen der Bedingungen, die für einen Großteil der Firmen eine Benachteiligung beim Zugang zu öffentlichen Aufträgen bedeuten würden.

Sie erinnern sich: Wir haben das an den Vergabegrößen einmal diskutiert. Wir leben da auch mit Unterschieden. Wir haben unsere Vergabegrößen für beschränkte Ausschreibungen oder für freie Vergaben erhöht, Berlin geht zurück. Es bleibt also schon dabei, dass sich das Streben nach gemeinsamen Regelungen immer konkret noch einmal an der Frage brechen muss: Ist es klug oder nicht klug? Hier halte ich es für nicht klug.

Vielen Dank. - Der Abgeordnete Domres hat weiteren Fragebedarf.

Herr Minister, Sie haben ja eben eine weitgehende politische Position dargelegt. Wie gehen Sie mit Positionen von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden um, die die Tariftreue und den Mindestlohn als Weg zur Chancengleichheit sehen und

einheitliche Regelungen zwischen Berlin und Brandenburg fordern?

Denen sage ich das Gleiche, was ich hier sage, denn ich kann ja Abgeordneten und Unternehmern keine unterschiedlichen Antworten geben. - Danke schön.

Schönen Dank. - Meine Damen und Herren, wir begrüßen ganz herzlich die Schülerinnen und Schüler der Oberschule Schwanebeck in unserer Mitte. Ich wünsche euch einen interessanten Vormittag bei uns im Landtag.

(Allgemeiner Beifall)

Ihr guckt so erstaunt. Seid Ihr nicht aus Schwanebeck?

(Zuruf: Doch!)

- Doch. - Danke.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Wir kommen jetzt zur Frage 1571 (Polizeiaufgebot für Abwas- seranschluss). Die Frage wird von der Abgeordneten Adolph gestellt.

In den Orten Rauen und Briesensee wurden in den Tagen vor Weihnachten Bürgerinnen und Bürger damit konfrontiert, dass ihre völlig legalen Wasseraufbereitungsanlagen zerstört bzw. außer Betrieb genommen werden sollten. Diese Anlagen sind den Abwasserentsorgungspflichtigen ein Dorn im Auge, da ihnen damit Einnahmen verloren gehen. Obwohl der Anschlusszwang an die zentralen Abwasseranlagen hier durchgesetzt wurde und an den Grundstücken entsprechende technische Einrichtungen vorhanden sind, wird wegen der ökologisch vorbildlichen Aufbereitung auf den Grundstücken von den Anschlüssen faktisch kein Gebrauch gemacht. Im Verlauf der genannten Polizeiaktion wurde mit einem in diesen Orten ungewöhnlich großen Polizeiaufgebot auf die Grundstücke vorgedrungen und wurden Beschädigungen verursacht.

Ich frage die Landesregierung: Welche polizeilichen Maßnahmen wurden in welchem Umfang - Art und Zahl der Einsatzkräfte - und auf welcher rechtlichen Grundlage bei diesen Aktionen durchgeführt?

Diese Frage beantwortet Innenminister Schönbohm.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Adolph, das ist rechtlich ein einfacher Sachverhalt. Nach § 15 der Gemeindeordnung ist der Zweckverband Fürstenwalde und Umland berechtigt, den Anschluss der Grundstücke an die Kanalisation und die Benutzung der öffentlichen Einrichtungen zwingend vorzuschreiben. Der Verband

ist sogar verpflichtet, den Anschluss- und Benutzungszwang durchzusetzen, wenn es zur Einhaltung geltender Umweltbestimmungen erforderlich ist. Dabei ist die Erforderlichkeit der Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen. Diese Ermessensentscheidung ist gerichtlich überprüfbar.

Im Bereich des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Fürstenwalde und Umland bestehen, wie Sie wissen, seit einigen Jahren Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich des Anschluss- und Benutzungszwangs zur öffentlichen Kanalisation. Zwischenzeitlich wurde in einem Einzelfall eine Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zugunsten des wasserentsorgungspflichtigen Zweckverbandes gefällt. Damit hatte der Zweckverband kein Ermessen mehr, den Anschluss- und Benutzungszwangs durchzusetzen. Im Zuge der Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs kann sich der Verband der Unterstützung Dritter, zum Beispiel Vollzugskräften der Polizei, bedienen, soweit die rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.

Nun zu den beiden von Ihnen angesprochenen Polizeieinsätzen. In Rauen führten am 4. Dezember 2007 von 9.32 Uhr bis 12.19 Uhr Ortszeit sechs Polizeivollzugsbeamte der Polizeiwache Erkner einen Einsatz im Rahmen der Vollzugshilfe der Vollstreckungsstelle des Zweckverbandes durch. Dabei sollten die Ersatzvornahme des Verbandes - eine Grubenentleerung gesichert und eventuell vorgesehene Störaktionen unterbunden werden. Die Einsatzkräfte der Polizei hielten sich im Einsatzverlauf vor Ort ausschließlich im öffentlichen Verkehrsraum auf. Um es einfach auszudrücken: Sie haben das Grundstück nicht betreten. Eine Unterstützung des Verbandes mit Zwangsmitteln war nicht erforderlich. Die Polizei war präsent, wurde aber nicht benötigt und hat das Grundstück nicht betreten.

In Neu Zauche, Ortsteil Briesensee, führten am 19. und 20. Dezember 2007 jeweils vier Polizeivollzugsbeamte der Polizeiwache Lübben einen Einsatz - ebenfalls im Rahmen der Vollzugshilfe für das Amt Lieberose/Oberspreewald - durch. Den Hintergrund hierfür bildete eine seit mehreren Jahren andauernde rechtliche Auseinandersetzung zwischen der Grundstückseigentümerin und dem Amt Lieberose/Oberspreewald über die Herstellung des Anschlusses des Grundstücks an die öffentliche Kanalisation. Gegen die vom Amt Lieberose angedrohte Ersatzvornahme suchte die Grundstückseigentümerin Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Cottbus, welches den Antrag ablehnte und die Ersatzvornahme als mildestes geeignetes Mittel zur Durchsetzung des Anschlusszwangs bewertete. Bei der Durchführung der Anschlussarbeiten waren die Polizeibeamten in der genannten Einsatzzeit präsent. Eine tatsächliche Vollzugshilfe durch die Polizei war zu keiner Zeit erforderlich, da es nicht zu Widerstand gegen die Maßnahmen kam; aber die Polizeibeamten haben das Grundstück betreten.