Protocol of the Session on July 5, 2007

Frau Dr. Münch, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein. Ich würde meinen Beitrag gern zu Ende bringen, da sonst die Redezeit abgelaufen ist.

Es geht um Stressbewältigung bzw. Stressbewältigungsmechanismen von Jungen und Mädchen. Zudem geht es um Medienkompetenz und Medienverhalten. Wie verhalte ich mich vor dem Computer? Wie verhalte ich mich vor dem Fernseher? Der entscheidende Punkt ist: Es geht um Bewegung. Das wissen wir alle auch aus dem Erwachsenenbereich. Essen ist nur eine Säule des Gesundheitsverhaltens. Bewegung ist eine weitere Säule. Deshalb geht es darum, an all diesen Punkten - das ist sehr mühsam und eignet sich nicht für populistische Thesen - anzuknüpfen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Sie beleidigen die zahlreichen Fachleute vor Ort - Ärzte, Erzieher, Pädagogen, Minister -, die seit Jahren an diesem Problem arbeiten. Sie wissen jedoch - wenn Sie die Literatur gelesen haben -, dass es bis jetzt kein überzeugendes Präventionskonzept gibt, wie Menschen tatsächlich dazu gebracht werden können, sich dauerhaft gesund zu ernähren.

Sie kennen das Bündnis „Gesund Aufwachsen in Brandenburg“, in dem sich Fachleute vereint haben. Zudem gibt es das Handlungsfeld „Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung“. Es gibt die Projekte „Gesunde Kita“ und „Gesunde Schule“. Es

gibt einen Preis, durch den die Eltern zum Mitmachen motiviert werden. Auch in Ihrer Region im Süden Brandenburgs wurden schon Preise vergeben. All das sind Bausteine, die wir brauchen, um das Ziel einer nachhaltig gesunden Lebensführung tatsächlich umzusetzen.

Natürlich müssen wir früh anfangen. Uns ist auch nicht entgangen, dass ein niedriger Sozialstatus dazu führt, dass sich Kinder häufiger nicht gesund ernähren. Das ist aber kein Problem, das sich mit Cent und Euro lösen lässt. Da muss man frühzeitig ansetzen. Ich bin sehr froh, dass sowohl das Bildungsministerium als auch das Sozialministerium sowie die freien Kräfte und Träger der Kommunen vor Ort an einem Strang ziehen. Sie haben genau diese Maßnahmen ergriffen. Sie können sich darauf verlassen, dass dieses Thema für uns Priorität hat. Dafür bedarf es Ihres Antrags nicht. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Die Abgeordnete Fechner setzt für die DVU-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt wieder einmal ein wunderhübscher Antrag der linken Oppositionspartei vor. Alle Kinder in Kita und Grundschule sollen täglich ein gesundes Mittagessen bekommen. Das klingt wirklich gut und könnte glatt von der DVU-Fraktion sein.

(Beifall bei der DVU - Lachen bei der SPD)

Doch dummerweise stammt dieser Antrag von einer Fraktion, die sich ständig umbenennt,

(Heiterkeit bei der SPD)

und deshalb haben wir uns das Ganze noch einmal ganz genau angesehen und dabei so einige Merkwürdigkeiten festgestellt. So wird im Antrag zum Beispiel ein Maßnahmenpaket gefordert, mit dem unter anderem sichergestellt werden soll, dass Kinder aus sozial schwachen Familien finanzielle Zuschüsse zur Teilnahme an der Versorgung mit gesundem Mittagessen erhalten und schrittweise eine kostenfreie Versorgung für alle Kinder möglich wird. Die Eltern sollen also erst einmal einen finanziellen Zuschuss erhalten, und später soll das Mittagessen dann kostenlos sein.

In Brandenburg ist die Fraktion DIE LINKE in der Opposition. Da können Sie so etwas natürlich fordern. Im Berliner Abgeordnetenhaus sieht das jedoch anders aus. Ich habe auf der Internetseite gesehen, dass die Anträge der dortigen Oppositionsparteien, die ein ähnliches Ziel hatten, seitens der PDS abgelehnt wurden. Aber die Berliner Genossen beherrschen ja den Spagat zwischen populären Forderungen und tatsächlichem Handeln perfekt.

Meine Damen und Herren, die DVU-Fraktion sieht allerdings ein ganz anderes Problem. Es stellt sich nämlich die Frage, ob genau die Eltern, deren Kindern die lieben Genossen angeblich helfen wollen, sich auf diese Art überhaupt helfen lassen. Leider gibt es nämlich immer wieder Eltern, die das Geld lieber für Alkohol und Zigaretten ausgeben, anstatt es ihren Kindern

zugutekommen zu lassen. Diesen Kindern wird es nicht helfen, wenn ihre Eltern weitere finanzielle Unterstützung bekommen. So leid uns das auch tut. Ich befürchte also, dass die Initiative der Fraktion DIE LINKE die Hauptproblemgruppe haarscharf verfehlen wird. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht, werte Kollegen der Fraktion DIE LINKE.

(Beifall bei der DVU)

Es stellt sich noch eine Frage: Was ist mit den Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken bzw. deren Kinder keinen Anspruch auf einen Kita-Platz haben? Was ist mit den Eltern, deren Kinder die Kita oder die Schule bereits vor dem Mittagessen verlassen?

Werte Kollegen der antragstellenden Fraktion, Ihr Antrag ist sicherlich gut gemeint und er versucht tatsächlich auch, in die richtige Richtung zu zielen, aber er ist leider nicht gut gemacht. Deshalb werden wir diesem Antrag nicht zustimmen können. Einer Ausschussüberweisung hätten wir zugestimmt.

Ich möchte noch etwas sagen: So ganz ernst gemeint kann der Antrag nicht sein; denn wenn man den Pressemitteilungen der vergangenen Woche Glauben schenken darf, dann wurde mit Stimmen der linken Genossen im Potsdamer Stadtparlament ein ähnlich lautender Antrag abgelehnt. Hier stimmen Worte und Taten wieder einmal nicht überein. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Hartfelder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass jedes Kind täglich eine warme Mittagsmahlzeit zu sich nehmen sollte, ist für uns selbstverständlich. Da gibt es überhaupt kein Wenn und Aber. Mir will sich nur nicht erschließen, weshalb der Landtag die Vorhaltung einer entsprechenden Versorgung für Kinder als vordringlich, bildungspolitisch, sozial und gesundheitspolitisch wichtig ansehen soll. Wenn ich das Grundgesetz richtig lese, sind die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern, aber auch die ihnen zuvorderst obliegende Pflicht.

Nach dem Willen der Fraktion DIE LINKE sind nicht mehr die Eltern für die Mittagsmahlzeit der Kinder zuständig. An ihre Stelle tritt der Staat und gewährleistet die Bereitstellung eines Mittagessens. Selbst wenn Sie in Ihrer Begründung korrekt feststellen, dass der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Übergewicht kontinuierlich zunimmt - und zwar, wie Frau Münch sagte, im Alter von 15 und 16 Jahren und nicht im Kleinkindalter -, ergibt sich daraus für mich noch lange nicht die Schlussfolgerung, dass die Eltern nicht in der Lage sind, für eine Mittagsmahlzeit der Kinder zu sorgen.

Es ist auch unbestritten, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Übergewicht der Kinder und einem niedrigen sozialen Status der Familien gibt. Unlogisch erscheint allerdings die Argumentation - das ist auch schon gesagt worden -, dass Kinder hungern und eigentlich zu dick sind. Alle ihre Argumente

berechtigen jedenfalls nicht dazu, die Ernährung unserer Kinder in staatliche Hände zu legen.

Ihr Ziel ist es zunächst, Kindern aus Familien mit niedrigem sozialen Status eine kostenfreie Versorgung zu ermöglichen. Meine Damen und Herren, wer definiert, was ein niedriger sozialer Status ist? Sind das für Sie Kinder von ALG-II-Beziehern? Oder zählen auch Personen dazu, die im sogenannten Niedriglohnsektor arbeiten oder/und zu Hartz-IV-Aufstockern gehören? Gehören dazu auch Handwerker, die so viele Außenstände haben, dass sie wirklich überlegen müssen, ob und wie sie es bewerkstelligen können, das Essensgeld für ihre Kinder in den Schulen und Kindertagesstätten zu bezahlen?

In den ALG-II-Regelsätzen ist das Geld für die Bereitstellung von Lebensmitteln enthalten. Dafür haben die Wohlfahrtsverbände übrigens sehr intensiv gesorgt. Das kann man auf der Internetseite des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes nachlesen. Eine Familie mit mehreren Kindern erreicht schnell eine Summe, die höher ist als so manches schwer erarbeitetes Einkommen von Arbeitnehmern.

(Krause [DIE LINKE]: Das ist eine ganze andere Debatte!)

Für Familien mit Kindern ist in den letzten Jahren sehr, sehr viel getan worden.

Frau Hartfelder, wünschen Sie eine Zwischenfrage?

Das möchte ich im Augenblick nicht, Herr Präsident.

In den letzten 20 Jahren hat sich das Kindergeld je Kind versechsfacht, von 50 DM im Jahre 1986 auf mindestens 150 Euro im Jahre 2007. Es ist das Erziehungsgeld und das Elterngeld dazugekommen. Die Kinder- und Familienfreibeträge sind in diesem Zeitraum verdoppelt worden. Das heißt: Dieses Land tut sehr viel für Kinder bzw. für Familien mit Kindern.

Was Brandenburg betrifft, gibt es seitens der Krankenkassen viele Tipps zur gesunden Ernährung, um zum zweiten Teil Ihres Antrags zu kommen. Mit dem Kindermusical „Henrietta in Fructonia“ führt die AOK Brandenburg eine Kampagne zum Thema der gesunden Ernährung und Bewegung sowie der mentalen Fitness in den Grundschulen durch. Auch seitens der Lehrer wird im Sachkundeunterricht darauf Bezug genommen. Schulen und Klassenleiter sowie Erzieher in den Kitas informieren Eltern: Wie ernähre ich mein Kind gesund? - Darüber hinaus ist der öffentliche Gesundheitsdienst gefordert, in Broschüren und bei der Arbeit mit Eltern, die Kinder haben, bei denen es problematisch wird, gerade auf ungesunde Ernährung, Übergewichtigkeit und vorhandene Defizite in anderen Bereichen einzuwirken.

Bewegung ist beim Thema Übergewicht ohnehin das Stichwort, wie schon gesagt worden ist. Ernährung allein hilft nicht, Übergewicht zu verhindern. Wenn man sich anschaut, wie viel Zeit Kinder und Jugendliche - da haben wir ja das große Problem der beginnenden Übergewichtigkeit - am Fernsehapparat, Computer, Laptop oder Gameboy usw. sitzend verbringen, und das mit dem vergleicht, was wir alle, wie wir hier sitzen, als

Kinder getan haben, dann weiß man, woher Übergewichtigkeit kommt, einmal ganz abgesehen davon - was Frau Münch sagte -, dass man die Anlagen für Dickleibigkeit in den Kleinstkindertagen legt, indem man mit Zucker die erste Sucht entstehen lässt.

Abschließend möchte ich auf den letzten Satz des Antrags der Fraktion DIE LINKE zu sprechen kommen, der da heißt:

„Langfristig soll ein kostenfreies Angebot für alle Kinder angestrebt werden.“

Toll! Kommunismus! Jeder nach seinen Bedürfnissen! - Das hat nicht einmal der real existierende Sozialismus bis zu seinem Untergang 1989 geschafft. Ich habe im November 1989 noch Essensgeld in der Schule eingesammelt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Minister Rupprecht setzt die Debatte für die Landesregierung fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich alle einig über die Bedeutung des Themas. Es gibt tatsächlich zu viele übergewichtige Kinder. Ein großer Teil von ihnen stammt aus sozial benachteiligten Familien. Übergewichtige Kinder tragen ein erhöhtes Risiko, auch als Erwachsene übergewichtig zu sein und früh an den mit Übergewicht und Bewegungsmangel verbundenen Zivilisationskrankheiten zu erkranken. Die Gründe dafür sind bekannt, sie sind hier auch schon mehrfach vorgetragen worden: falsche, das heißt unausgewogene Ernährung und zu wenig Bewegung.

Wir haben das Problem bereits vor Jahren erkannt und zum Beispiel Bildungsaufgaben mit vorsorgendem Charakter im Kita-Gesetz verankert. Nach § 3 des Kita-Gesetzes - das möchte ich hier einmal zitieren - haben Kitas die Aufgabe, die Entfaltung der körperlichen Fähigkeiten zu unterstützen und dem Kind Grundwissen über seinen Körper zu vermitteln.

Die Kitas sind verpflichtet, eine gesunde Ernährung und Versorgung zu gewährleisten. Auch die Grundsätze elementarer Bildung sind mit dem Bildungsbereich Körper, Bewegung und Gesundheit darauf ausgerichtet. Sie legen übrigens dabei nicht nur Wert auf gesunde Ernährung, sondern sprechen auch die Gestaltung der Mahlzeiten an, denn nicht nur die Zusammensetzung, sondern auch die Art und Weise, wie Mahlzeiten eingenommen werden, spielt beim Ernährungsverhalten eine bedeutende Rolle. Diese Schwerpunktsetzung hat durchaus vorzeigbare Ergebnisse.

Dass Schulanfängerinnen und Schulanfänger immer dicker werden, stimmt für Brandenburg gerade nicht. Die Zahl adipöser Schulanfänger ist seit dem Jahr 2000 langsam, aber stetig gesunken, von 5,2 % im Jahr 2000 auf 4,4 % im Jahr 2005. Das ist natürlich keine Zielzahl, aber es ist etwas besser, als Frau Dr. Münch es vorgetragen hat. Sie können das übrigens im Kindergesundheitsreport zur sozialen und gesundheitlichen Lage von Kleinkindern in Brandenburg nachlesen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister? - Frau Wöllert, bitte.

Herr Minister, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass in unserem Antrag nicht von der Zunahme übergewichtiger Kinder bei der Einschulung die Rede ist, sondern dass es während der Schulzeit diese Zunahme gibt, wobei wir durchaus einen Zusammenhang sehen, wenn das in der Kita schon sehr viel besser klappt als in der Schule, weshalb wir überlegen sollten, wie wir das insgesamt hinbekommen?

Ich nehme das zur Kenntnis, akzeptiere Ihren Einwurf. Ich glaube auch, dass wir in der Kita wahrscheinlich schon einen Schritt weiter sind als in den Schulen. Ich wollte nur die Panikmache etwas herunterfahren, die so klingt, als würden wir gar nichts tun und ginge die Welt bald unter. Dem ist nicht so. Ihr Einwurf ist gleichwohl berechtigt.

Dennoch, denke ich, gilt es, Fehlernährung und Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen ernst zu nehmen - das machen wir, indem wir heute darüber sprechen - und ein gesundes Bewegungs- und Ernährungsverhalten zu fördern. Die Schulen und auch die Kindertagesstätten müssen bei der Bewältigung dieser Aufgaben weiterhin gezielt unterstützt werden. Darin sind wir uns einig.

Zum Abschluss noch etwas erfreuliches Neues, glaube ich. Hoffentlich sagt Frau Wöllert jetzt nicht: schon wieder etwas Neues. - Ich bereite im Moment mit der AOK, die bezüglich ihrer vorherigen Kampagne positiv erwähnt wurde, zum Beginn des nächsten Schuljahres eine Aktion zum Thema Schulverpflegung vor. Gemeinsam werden wir dann allen Brandenburger Schulen eine ausführliche Informationsbroschüre des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund zur Verfügung stellen. In dieser Broschüre wird umfassend über gesunde Ernährung an Schulen informiert, und es gibt Hinweise zum Mittagessen an Schulen, zum Umgang mit Lebensmitteln usw. Sie sehen: Es geschieht schon etwas.