Die seit Jahren vorgehaltenen Fortbildungsangebote des Sozialpädagogischen Fortbildungswerkes zur Qualifizierung der Fachkräfte werden verstärkt. Ergänzend dazu sind gemeinsame Fortbildungen mit Fachkräften anderer Bereiche - ich denke zum Beispiel an die Polizei oder an den Öffentlichen Gesundheitsdienst - vorgesehen.
Die bisher von mir beschriebenen Maßnahmen setzen dort an, wo bereits Handlungsbedarf im Sinne des Kinderschutzes besteht. Mit derselben Aufmerksamkeit müssen wir uns jedoch auch das Vorfeld anschauen, müssen wir fragen, wie wir künftig besser als bisher verhindern können, dass es zu Misshandlungen oder Vernachlässigungen von Kindern kommt. Es müssen mehrere Angebote entwickelt werden, die niederschwellig schon da ansetzen, wo sich Krisensituationen in Familien zu entwickeln beginnen und wo Eltern langsam in Überforderungssituationen geraten.
Wir haben dazu bereits Erfahrungen, etwa mit dem Modellprojekt des Landesjugendamtes „Primäre Prävention durch Familienbildung, -förderung und -beratung im Land Brandenburg“. Hier gibt es enge Verbindungen zum familienpolitischen Programm der Landesregierung, in dem auch vorgesehen ist, einen Schwerpunkt auf die Unterstützung der Familien bei Erziehung und Bildung zu setzen.
Anknüpfungspunkte sehe ich neben diesen Ansätzen aus dem Gesundheitsbereich insbesondere bei den Eltern-Kind-Zentren, in denen in sozial schwierigen Einzugsbereichen modellhaft familienunterstützende Angebote entwickelt und erprobt werden sollen, um passgerechte Angebote für die Bedürfnisse von Eltern im Hinblick auf die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder unterbreiten zu können.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Verbesserung der Kinderschutzarbeit ist die Kooperation der verschiedenen Akteure. Als Teil des Landesprogramms sind unter Federführung meines Hauses gemeinsam mit dem MASGF, dem MI, dem MdJ und den kommunalen Spitzenverbänden Empfehlungen zum Umgang mit Fällen von Misshandlung und Vernachlässigung sowie entsprechenden Verdachtsfällen erarbeitet worden.
Im Zusammenhang mit diesen Empfehlungen, die die Grundlagen für die Zusammenarbeit der beteiligten Stellen formulieren, möchte ich hier nur noch einmal kurz darauf hinweisen, dass die Grundlage einer wirksamen Zusammenarbeit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Misshandlung und Vernachlässigung zwei Dinge sind: erstens die genaue Kenntnis der eigenen Aufgaben und auch der Aufgaben der anderen dadurch wird vermieden, dass man seine eigene Verantwortung
überträgt, - und zweitens die Kenntnis der Ansprechpartner am besten von Angesicht zu Angesicht, um die Schwellen zu deren Einbeziehung möglichst niedrig zu halten.
Diese Empfehlungen werden von den kommunalen Spitzenverbänden und mir voraussichtlich Anfang Juni gemeinsam unterzeichnet. Mit der Unterzeichnung verbinde ich die Hoffnung, dass sich auf dieser Grundlage auch in den Kreisen und kreisfreien Städten, die bisher keine übergreifenden Formen der Zusammenarbeit der am Kinderschutz beteiligten Akteure haben, Initiativen zur Einrichtung von Arbeitskreisen Kinderschutz entwickeln.
Zusammenfassend kann ich feststellen, dass ich im Hinblick auf die Verbesserung des Kinderschutzes in Brandenburg zuversichtlich bin. Wir haben Entwicklungen, Prozesse und Kooperationen angeschoben, mit denen wir auf dem richtigen Weg sind. Diesen Weg müssen wir nun gemeinsam weiter gehen. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Das Wort erhält die Abgeordnete Wöllert. Sie spricht für die Fraktion der Linkspartei.PDS.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann es mir nicht verkneifen, eine Bemerkung zu machen. Spektakuläre Fälle rufen immer viele Reaktionen in der Öffentlichkeit hervor. So oft haben wir das Thema Kinderschutz nicht im Parlament.
Ich bedauere es sehr, dass nicht mehr Abgeordnete hier sind und es auch der Landesregierung nicht gelingt, pünktlich zu sein.
Bereits am 12. Mai 2004 forderte der Landtag - das war also in der vergangenen Legislaturperiode - die Landesregierung per Beschluss auf, einen auf die Dauer von drei Jahren angelegten Gesamtplan zu erstellen, der das Ziel hat, die fachliche Qualität der Arbeit der Jugendämter im Bereich Kinderschutz zu verbessern. Darüber hinaus sollten Empfehlungen zum Umgang und zur Zusammenarbeit bei Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung sowie bei entsprechenden Verdachtsfällen vorgelegt werden.
In der Zwischenzeit ist das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz, kurz KICK genannt, in Kraft getreten. Möglicherweise hat die Landesregierung dabei mitgewirkt. Das entzieht sich meiner Kenntnis. Auf jeden Fall hat die Landesregierung für das Programm, das uns heute vorliegt, länger benötigt als die Bundesregierung für eine Gesetzesänderung im Kinder- und Jugendhilfegesetz.
Bei der Darstellung der Problemlage geht die Landesregierung auch auf die Hinweise des Gerichts im Falle von Pascal J. aus Strausberg ein, das auf unzulängliche Kooperation und Versäumnisse aller beteiligten öffentlichen Institutionen hinwies.
Die Landesregierung stellt auf der Seite 4 ihrer Vorbemerkungen fest, dass es keine systematische Auswertung der schweren Fälle von Kindesmisshandlungen und -vernachlässigungen, auch nicht solcher Fälle mit Todesfolge, gibt. Aber ebenso wenig erfolgt eine Auswertung bezüglich der sozialen Kontrolle in diesen Fällen.
Wenn nun die Schlussfolgerung der Landesregierung ist, dass beide Analysen wichtig wären, weil es die Vermutung gibt, dass sich bei aller Unterschiedlichkeit der Einzelfälle Muster wiederholen und dass es Bedingungen für gelingende und misslingende Kinderschutzarbeit gibt, erschließt sich mir in keiner Weise, dass man für diese Feststellungen zwei Jahre benötigt.
In den zwei Jahren nach Beschlussfassung durch den Landtag in der letzten Legislaturperiode hätte wenigstens schon diese Analyse veranlasst werden können. Dann würden wir heute nicht eine Art Rechenschaftslegung, mit Maßnahmen von Jugendhilfe, kombiniert mit Definitionen, gesetzlichen Regelungen und deren Erklärungen, vorliegen haben, sondern tatsächlich ein Programm, welches nun endlich umgesetzt werden kann. Ich wünschte mir, dass stärker auf bereits vorliegende Erfahrungen zurückgegriffen würde. Wir brauchen eine Expertenkommission mit Fachleuten aus dem Bereich Kinderschutz, die Erfahrungen aus Missbrauchsfällen aufarbeiten. Wir denken dabei zum Beispiel an das Vorbild des Saarbrückener Memorandums.
Lassen Sie mich noch einiges zu den angesprochenen Aufgabenbereichen sagen. Ich hoffe, wie in meinem Kreis wird auch in den anderen Landkreisen und kreisfreien Städten nicht auf dieses Programm gewartet. Unter Einbeziehung der Hinweise des Landesjugendamtes wurde im Landkreis Spree-Neiße schon ein umfangreiches Material auf der Grundlage der gesetzlichen Änderungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes erarbeitet, dessen Inhalt unter anderem der Abschluss von Vereinbarungen zum Schutzauftrag gemäß § 8 a und § 72 des KJHG Vereinbarungen für geeignete Fachkräfte mit den Trägern, die Erarbeitung einer Arbeitsanweisung zum Umgang bei Anzeichen von Kindeswohlgefährdung für sonstige Fachkräfte im Jugendamt, eine Arbeitsanweisung zum Umgang bei Anzeichen von Kindeswohlgefährdung im Sachgebiet Sozialer Dienst und eine Überarbeitung des Verfahrens der Inobhutnahme ist.
Die Reaktionen auf die Ereignisse in Drachhausen, die Ihnen sicherlich bekannt sind, sind schon ein Ergebnis der Umsetzung der überarbeiteten Handlungsempfehlung. Allerdings sind Verbesserungen auch für die Kommunen nicht zum Nulltarif zu haben. Es werden mehr Weiterbildungsveranstaltungen für die noch zu qualifizierenden Fachkräfte benötigt, mehr Möglichkeiten für Supervisionen, wie Sie sie auch in Ihrem Programm und gerade in Ihrer Rede angesprochen hatten, Herr Minister, für Mitarbeiter des ASD usw. Auch die diesbezüglichen Aufgaben der Kindereinrichtungen und Schulen müssen genau festgelegt werden. Hier muss auch genau gesagt werden, wer die Fachkräfte sein, wie sie qualifiziert werden sollen, welcher Zeitfonds im Rahmen der Arbeitszeit dafür zur Verfügung gestellt wird usw.
Ich unterstreiche die Feststellung auf Seite 11 ganz dick, in der es heißt, dass präventiver Kinderschutz bereits mit dem Aufbau eines Vertrauensklimas, das Kinder und Jugendliche in die
Lage versetzt, ihren Lehrern und Betreuern ihre Probleme mitzuteilen und zu sagen, was sie bedrückt, beginnt.
Im Zusammenhang mit dieser Erkenntnis ist der Wegfall von Klassenleiterstunden ebenso kontraproduktiv wie die Frühauslese in der Schule und die Illusion, mit immer mehr Leistungsund Disziplinierungsdruck die Probleme in unserem Bildungssystem lösen zu können.
Bei den Aufgaben im Bereich Gesundheit unterstützen wir nachhaltig die aufgeführten Maßnahmen. Besonders wichtig sind die Ergänzung von Vorsorge- und Reihenuntersuchungen und die beratenden und aufsuchenden Hilfen durch den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst.
- Ich beende sofort. - Zu einem Problem noch ganz kurz eine Bemerkung: Es ist schon etwas komisch, wenn im Bereich Justiz und Polizei Verordnungen von 1995 bis 2004 erläutert werden. Ein programmatischer Charakter erschließt sich mir dabei nicht.
Alles in allem müssen wir konstatieren: Es wurde viel Papier mit wenig Neuem beschrieben - für zwei Jahre eine magere Ausbeute.
Bevor sie am Pult ist, begrüße ich ganz herzlich die Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse des Gymnasiums Schwarzheide. Herzlich willkommen bei uns im Plenarsaal!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste! Liebe Kollegen! Herr Minister, ich nehme Ihre Entschuldigung an,
ich nehme sie auch sehr ernst und ich weiß, dass in Ihrem Hause der Kinderschutz oberste Priorität hat.
Ich möchte mit einigen Zahlen beginnen. Der Minister hatte schon Zahlen genannt; ich habe zwei weitere herausgesucht. Im Jahr 2004 wurden 1 400 Kinder und Jugendliche von den Jugendämtern in Obhut genommen. Unter diesen Fällen waren
211, bei denen die Inobhutnahme nötig war, weil es eindeutige Hinweise auf Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch gab. In etwa der Hälfte der Fälle von Inobhutnahme ist die entscheidende Initiative von öffentlichen Stellen ausgegangen, also von Jugendämtern, der Polizei, von Ärzten oder auch von Schulen.
Eine weitere Zahl ist recht interessant: Zwischen 130- und 170mal ist es pro Jahr erforderlich, dass Eltern das Sorgerecht entzogen oder dass es eingeschränkt wird, damit die Kinder erforderliche Hilfe erhalten. Daraus ergeben sich aus meiner Sicht drei Schlussfolgerungen. Erstens geht es darum, dass mindestens drei- bis viermal in der Woche die Behörden, in erster Linie die Jugendämter, tätig werden, um Kinder vor Misshandlungen, Missbrauch und Vernachlässigung zu schützen. Die gravierenden und schlimmen Fälle, von denen wir immer lesen oder in den Medien hören können, sind im Verhältnis dazu „relativ wenige“. Aber auch der Eindruck, der von der Presse und in der öffentlichen Debatte erweckt wird, dass Jugendämter den Schutz der Kinder und Jugendlichen nicht gewährleisten können, ist in dieser Form nicht richtig und nicht gerechtfertigt.
Zweitens zeigt es uns auch, dass es in vielen Fällen bisher schon eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Institutionen gibt und - drittens - der bestehende rechtliche Rahmen ausreichend ist. Probleme gibt es vielmehr im Vollzug des Rechtes, insbesondere dann, wenn es Ermessensfragen sind und wenn es insbesondere darum geht, die konkrete familiäre Situation zu beurteilen.
Klare Aussage ist: Wir benötigen keine gesetzgeberischen Schnellschüsse, sondern genaue Analysen über gegenwärtig auftauchende Probleme, um Abhilfe zu schaffen. Genau hier setzt das Programm zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit im Land Brandenburg mit all seinen Empfehlungen an. Aus diesem Grunde - das sehen wir in der Tat ganz anders als die Linkspartei.PDS - begrüßen wir dieses Programm. Es ist eine gute Arbeits- und Diskussionsgrundlage.
Wir haben zum Thema Kinderschutz in der SPD eine Anhörung durchgeführt. Bildungs-, Jugend-, Sozial- und Gesundheitspolitiker haben diese Anhörung gemeinsam durchgeführt. Ergebnis der Anhörung war, dass vor Ort in den Landkreisen und kreisfreien Städten viel getan wird. Wir haben auch feststellen können - wir wissen es ja, denn wir haben vieles davon hier beschlossen -, dass auf Landesebene schon vieles auf den Weg gebracht worden ist. Von den Akteuren vor Ort ist dies in den Anhörungen ausdrücklich hervorgehoben worden.
Wichtig war die an die Politik gerichtete Mahnung einzelner Angehörter bezüglich der Pflichtuntersuchungen unserer Kinder. Sie kennen die Diskussion. Wir haben zwei Säulen, zum einen die Früherkennungsuntersuchungen, geregelt im SGB V, und zum anderen die Reihenuntersuchungen, geregelt im Öffentlichen Gesundheitsdienstgesetz. Experten haben uns insofern ermahnt, dieses Thema sehr sensibel, gewissenhaft und umfassend zu diskutieren. Alle Anwesenden - Krankenkassen, Amtsärzte und auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte - haben uns mit auf den Weg gegeben, an dieser Stelle beim öffentlichen Gesundheitsdienst nicht abzuschmelzen. Ich weiß, liebe Kollegen, dass wir darüber noch sehr intensiv zu diskutieren haben. Das werden wir, denke ich, in Verbindung mit der Novelle des Gesundheitsdienstgesetzes tun.
Umso glücklicher bin ich - ich denke, wir alle begrüßen das -, dass der Bundesrat am 19. Mai eine Entschließung behandeln wird, die eine höhere Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchungen im Sinne des Kindeswohles herstellen wird.
Beantragende Länder sind Hamburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein. Wir sind sehr froh darüber, dass sich Brandenburg dem angeschlossen hat.
Wir sagen auch ganz deutlich, meine Damen und Herren, dass wir aus Landessicht eine Fachaufsicht bezüglich des Kinderschutzes nicht benötigen. Ich spreche es nur an, weil dies auch in der Vergangenheit bereits des Öfteren diskutiert wurde. Ich will es in ein oder zwei Sätzen begründen; dann komme ich zum Schluss. Wir leisten vor Ort bereits eine hervorragende Arbeit und haben qualifizierte Mitarbeiter. Mit dem Programm wollen wir in Bezug auf die Qualität noch viel besser werden. Das ist das eine.
Zum anderen haben wir auch ein Landesjugendamt, das beratend, koordinierend und vermittelnd zwischen allen Partnern wirkt und erfolgreich agiert.