Protocol of the Session on May 18, 2006

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der DVU, Sie wissen, dass die Novellierung des Mittelstandsförderungsgesetzes längst auf dem Weg ist.

(Zuruf der Abgeordneten Hesselbarth [DVU])

Das wurde in der Koalition verabredet. Sie befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Es ist ärgerlich, dass wir noch nicht weiter sind, aber dafür gibt es Gründe, die ich kurz nennen möchte. Zum einen gibt es subjektive Gründe, die mit dem Abstimmungsprozess zusammenhängen. Jede Regelung, die man aufstellt, bringt Bürokratie mit sich. Im Endeffekt muss man die Bürokratie rechtfertigen können. Die Frage steht schlichtweg im Raum und konnte bisher nicht beantwortet werden.

Der zweite Punkt: Interessant ist, dass es eine zeitliche Überschneidung mit anderen Regelungen, die auf EU- und

Bundesebene anstehen, gibt. Die Wirtschaftsverbände sagen: Achtet darauf, dass nicht etwas geschaffen wird, was hinterher nicht zusammenpasst.

Es ist ja vernünftig, dass die DVU etwas für den Mittelstand tun will. Sie können das tun, ohne jeden Zweifel. Ich will Ihnen auch sagen, auf welchem Gebiet. Wir leben im Zeitalter der Globalisierung der Wirtschaft und der Wissensgesellschaft. Sowohl die Globalisierung der Wirtschaft als auch die Wissensgesellschaft kennt keine Grenzen. Wo keine Grenzen sind, gibt es eigentlich auch keine Ausländer mehr. Wenn man sich die Brandenburger Unternehmen ansieht, wird man feststellen, dass es kaum ein Unternehmen gibt, das nicht direkt oder indirekt auf den Kontakt mit Unternehmen außerhalb Deutschlands angewiesen ist. Sie arbeiten direkt zusammen oder kaufen bzw. verkaufen Produkte. Es gibt sehr viele große Unternehmen in Brandenburg, deren Investoren ihre Wurzeln im Ausland haben. Im Tourismusbereich spielen die Ausländer eine ganz wesentliche Rolle, insbesondere in Berlin und Brandenburg, der Hauptstadtregion.

Genau genommen können es nur Narren sein, die den Menschen in Brandenburg erzählen, dass Ausländer ein Problem für unseren Arbeitsmarkt darstellen.

(Beifall bei SPD und der Linkspartei.PDS)

Insofern, Frau Hesselbarth und Herr Schuldt: Sie wollen dem Mittelstand helfen, das ist Ihnen positiv anzurechnen, also tun Sie es bitte. Sie haben die Möglichkeit dazu, indem Sie sich und Ihren Anhängern klarmachen, dass Ausländerfeindlichkeit Unternehmen destabilisiert und Arbeitsplätze kostet und dass Ausländerfeindlichkeit den Standort Brandenburg insgesamt mit einem Image versieht, das uns nicht hilft, Arbeitsplätze zu schaffen.

(Schuldt [DVU]: Wir sind nicht ausländerfeindlich!)

Machen Sie sich und Ihren Anhängern klar, dass Sie mit Ihrer Politik den Menschen in Brandenburg schaden. Dann helfen Sie dem Mittelstand und haben etwas Gutes getan. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort erhält der Abgeordnete Christoffers. Er spricht für die Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir drei Bemerkungen. Erstens: Der heutige Antrag der DVUFraktion ist mit dem zur letzten Landtagssitzung vorgelegten identisch. Ich habe die ablehnende Haltung meiner Fraktion damals begründet und möchte auf diese Rede verweisen; an den inhaltlichen Positionen hat sich nichts geändert.

Zweitens eine Bemerkung zu Herrn Müller: Der Sonderausschuss hat bei der Berichterstattung des Wirtschaftsministeriums eine bis Juli dieses Jahres dauernde Frist gesetzt, um eine

Überarbeitung des Mittelstandsförderungsgesetzes einschließlich vergaberechtlicher Regelungen vorzulegen. Ihre Argumentation, man wolle abwarten, was diesbezüglich auf Bundesebene geschehe, darum habe man die Überarbeitung noch nicht vorlegen können, haben wir im Sonderausschuss nicht akzeptiert. Denn es geht auf Bundesebene um die Umsetzung der Koordinierungsrichtlinie der Europäischen Union. Sie hat mit Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte nichts, aber auch gar nichts zu tun. Außerdem wird immer gerade irgendwo irgendetwas entschieden. Ich meine, die politische Willensbildung bezüglich der vergabegesetzlichen Regelungen muss zwingend erfolgen, denn es war eine politische Zusage aller Parteien im Landtagswahlkampf.

Drittens zur Frage der Bürokratie: Ich würde keine Regelung vorschlagen, die zusätzlich Bürokratie schafft. Zwei gesetzliche Ansätze sollen zusammengeführt werden: Es geht um das Haushaltsrecht, das heißt den sparsamsten Umgang mit öffentlichen Mitteln, und um das Vergaberecht, also den wirtschaftlichsten Umgang - das ist nicht identisch -, um Sicherheit für die Vergabestellen zu schaffen. Das Verfahren selbst wird nicht verändert, sondern es geht darum, für die Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der Schwellenwerte der Europäischen Union gesetzliche Regelungen in Kraft zu setzen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich danke Ihnen. - Die Landesregierung verzichtet auf einen Redebeitrag. Damit erhält die Abgeordnete Hesselbarth das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Müller, ich bin ja froh, dass Sie eingesehen haben, dass es wichtig und richtig ist, dass sich die DVU-Fraktion vehement für den Mittelstand einsetzt.

Zum Zeitplan: Die Landesregierung verspricht seit 1999, ein neues Mittelstandsförderungsgesetz einzubringen. Sieben Jahre sind seither vergangen, sieben Jahre vertane Zeit, sieben Jahre, in denen die Unternehmen nicht genug Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen konnten, weil das alte Mittelstandsförderungsgesetz von 1992 überhaupt nicht mehr in die Zeit passt. Das wissen auch Sie, Herr Müller.

Über Ihr Argument, die Verbände würden warnen, man solle aufpassen, dass keine unkoordinierten Regelungen geschaffen würden, kann ich nur lachen. Wozu beschäftigt das Wirtschaftsministerium hoch bezahlte Beamte? Die sind doch dazu da, aufzupassen, dass so etwas nicht geschieht. Von daher stellt sich die Frage für mich nicht. Was die Globalisierung betrifft, Herr Müller und Frau Hackenschmidt, so stelle ich fest, dass Sie unseren Gesetzentwurf überhaupt nicht gelesen haben,

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Nein, der ist ja auch über- flüssig!)

sonst wüssten Sie, dass wir das berücksichtigt haben. Sie sind überhaupt nicht in der Lage dazu. Das sehen wir doch.

(Beifall bei der DVU)

Zum Thema Ausländer: Weil wir als DVU-Fraktion ständig damit konfrontiert werden, wir seien Ausländerfeinde, will ich Ihnen sagen, dass ich mehrere Ausländerfreunde habe, die hier in Brandenburg Betriebe führen. Sie werden unser Land verlassen, weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen. So viel zur Ausländerfeindlichkeit der DVU-Fraktion.

(Beifall bei der DVU - Bischoff [SPD]: Peinlich!)

Damit ist die Redezeit für diesen Tagesordnungspunkt abgelaufen. Es gibt einen Antrag zur Geschäftsordnung. Bitte schön, Herr Schuldt.

Frau Präsidentin, es wäre angebracht zu prüfen, ob wir beschlussfähig sind.

Dieser Aufforderung kommen wir gern nach und stellen fest, ob Beschlussfähigkeit besteht.

(Feststellung der Beschlussfähigkeit)

Es sind 45 Abgeordnete anwesend. Damit ist das Parlament beschlussfähig.

(Zuruf: Es werden minütlich mehr!)

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrags in Drucksache 4/2880, 2. Neudruck - Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz an den Ausschuss für Wirtschaft - federführend - und an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Mehrheit.

Damit kommen wir zur Abstimmung in der Sache. Ihnen liegt der Gesetzentwurf in Drucksache 4/2880 zur Abstimmung in der Sache vor. Wer ihm die Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag abgelehnt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Programm zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit im Land Brandenburg

Programm der Landesregierung

Drucksache 4/2733

Herr Minister Rupprecht erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtagsbeschluss zur Stärkung des Kinderschutzes vor Gewalt wurde nach dem Tod des kleinen Dennis aus Cottbus und der Misshandlung des kleinen Pascal aus Strausberg

gefasst. Leider hat es auch in der Zwischenzeit, wie wir alle bemerkt haben, im Land Brandenburg - wie übrigens auch in anderen Bundesländern - weitere Kinderschutzfälle gegeben, die die Öffentlichkeit und uns alle sehr bewegt haben. Der im Landtagsbeschluss enthaltene Auftrag an die Landesregierung zur Unterstützung und Stärkung der Arbeit der Jugendämter und vor allem seine Spezifizierung hinsichtlich der Erarbeitung eines Gesamtplans bzw. von Empfehlungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit war deshalb richtig und auch sinnvoll.

Verbesserungen beim Kinderschutz sind nötig und sie sind auch möglich. Ich als zuständiger Fachminister halte es für notwendig, bei der Analyse des gegenwärtigen Zustandes die bekannten schlimmen Einzelfälle, über die ich gesprochen habe, immer auch zum Gesamtbild der Kinderschutzarbeit im Land Brandenburg in Bezug zu setzen.

Bezogen auf die Stichtagserhebung des Landesbetriebes für Datenverarbeitung und Statistik am 31. Dezember 2004 wurden in rund 17 000 Fällen landesweit Hilfen zur Erziehung geleistet, das heißt pro Jugendamt im Durchschnitt in ca. 950 Fällen. Darunter sind knapp 1 400 Fälle von vorläufigen Schutzmaßnahmen sowie 6 300 Fälle von Unterbringungen. Der Rest umfasst knapp 7 400 Fälle von Beratungen in Erziehungs- und Familienberatungsstellen und rund 2 000 weitere ambulante Maßnahmen.

Hinter jeder dieser Leistungen und Maßnahmen, die von den Fachkräften in den allgemeinen oder kommunalen Sozialen Diensten der Jugendämter geprüft und bewilligt wurden, steht ein Kind oder ein Jugendlicher mit Eltern, die aus verschiedenen Gründen Hilfebedarf bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgaben hatten.

Die Daten zeigen, glaube ich, eindeutig, dass sowohl die Jugendhilfe, aber auch andere mit dem Kinderschutz befasste Behörden und Institutionen Anzeichen für Hilfebedarf in der Regel wahrnehmen und akute Krisenfälle von Misshandlungen und Vernachlässigungen rechtzeitig erkennen. Die Jugendämter nehmen - das sage ich hier ganz dezidiert - ihre Kinderschutzaufgabe überwiegend sehr gut wahr und sie bedürfen bei dieser schwierigen Aufgabe unserer Unterstützung.

Diese Aussage schließt natürlich ein, dass die Aufgabenwahrnehmung unter manchen Aspekten durchaus noch verbesserungsfähig ist. Denn genau die Einzelfälle, in denen alle Schutzmechanismen und alle gesellschaftlichen Instanzen zu versagen scheinen, erfordern unsere verstärkte Anstrengung zu ihrer Vermeidung.

Auf das Potenzial an Verbesserungsmöglichkeiten zielt das vorgelegte Programm zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit im Land Brandenburg. Dieses Programm erweitert die Unterstützungsangebote für die Jugendhilfe in Brandenburg zur Qualifizierung der Kinderschutzarbeit. Inhaltlich geht es zunächst um die Bereitstellung von Beratungskapazität für die Fachkräfte der Jugendhilfe, zur Unterstützung ihrer Arbeit in Krisensituationen und zur Aufarbeitung von erfolgreichen Prozessen, aber auch von Misserfolgen. Denn auch misslungene Praxis soll als Lernprozess verstanden werden. Transfers von Lernprozessen in andere Jugendämter sollen unbedingt ermöglicht werden. Das mittelfristige Ziel sind Netzwerke der beteiligten ASDs und der Fachkräfte zum Erfahrungsaustausch, zur Praxisreflexion und zur gegenseitigen kollegialen Beratung. Selbstverständlich

gehört hierzu auch das Angebot der Vor-Ort-Beratung zur Begleitung besonders schwieriger Einzelfälle.

Darüber hinaus sind wir dabei, Standards für die Arbeit der ASDs zu entwickeln, mit denen besser als bisher die Risiken für ein Kind in seiner Familie systematisch bewertet werden können. Die im Jahr 2005 erfolgte Änderung des Kinder- und Jugendhilferechts schreibt vor, dass Risikoeinschätzungen immer im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte erfolgen sollten. Wenn dies auf der Basis einer systematischen Erhebung der familiären Situation erfolgt, wird das Risiko voraussichtlicher Fehleinschätzungen deutlich minimiert.

Die seit Jahren vorgehaltenen Fortbildungsangebote des Sozialpädagogischen Fortbildungswerkes zur Qualifizierung der Fachkräfte werden verstärkt. Ergänzend dazu sind gemeinsame Fortbildungen mit Fachkräften anderer Bereiche - ich denke zum Beispiel an die Polizei oder an den Öffentlichen Gesundheitsdienst - vorgesehen.