Protocol of the Session on October 28, 2004

Ich unterstütze alles, was die parlamentarische Demokratie stärkt, und zwar auf allen Ebenen; das wissen Sie. Frau Enkelmann, was Entflechtung angeht, unterstütze ich auch alles, weise allerdings - das habe ich hier im Landtag auch schon ge

tan - sehr deutlich darauf hin: Das schlichte Wort „Entflechtung“ beinhaltet auch Gefahren in der Durchführung. Wenn Sie zum Beispiel Anträge zur totalen Entflechtung, die insbesondere aus dem Südwesten der Bundesrepublik kommen, einmal genau auseinander nehmen, stellen Sie fest, dass das unter anderem eine Brücke zu einer Art Wettbewerbsföderalismus ist. Ich halte dagegen, weil ich sage: Diese Art Wettbewerb stehen wir nicht durch, denn die Chancengleichheit an der Startlinie ist nicht gewährleistet.

Dass es Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen oder Nordrhein-Westfalen anders sehen und dementsprechend auch die Anträge gestalten, ist für mich zwar nachvollziehbar, wäre für uns aber mit Nachteilen verbunden. Deshalb vertrete ich an einigen Stellen ein etwas, wenn Sie so wollen, zentralistisches Staatsprinzip. Das beginnt bei der Steuererhebung. Wir haben uns sehr für eine zentrale Steuerverwaltung eingesetzt, weil sich mir bis heute nicht erschließt, was daran sinnvoll sein soll, ein einheitliches Steuergesetz in der Bundesrepublik 16fach unterschiedlich umzusetzen. In diesem Punkt sehe ich die Interessen der wirtschaftlich stärkeren Länder eher vertreten als die der wirtschaftlich schwachen Länder. Das geht bis hin zu einer einheitlichen Rahmenplanung in der Bildung, die von einigen, insbesondere westdeutschen, Ländern unterschiedlich gesehen wird. In all diesen Linien glaube ich, mit dem Meinungsbild des Landtages, das Sie in Ihrer Frage anmahnen, konform zu gehen. - Danke.

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Der Abgeordnete Karney stellt die Frage 8 (Entscheidung zum Neubau der Schleuse in Kossenblatt im Landkreis Oder-Spree).

Im Februar 2003 haben sich das Agrar- und Umweltministerium und das Verkehrsministerium geeinigt, die Schleuse Kossenblatt im schönen Landkreis Oder-Spree für 13 Meter lange Schiffe auszulegen. Die krumme Spree wird so künftig für kleinere Schiffe befahrbar sein. Die Schleuse Kossenblatt soll deshalb auf einer Länge von 15 Metern erneuert werden und erfüllt damit eine Bedingung für den wirtschaftlichen Wassertourismus in Südostbrandenburg.

Das Landesumweltamt wurde nach Angaben des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung zugleich beauftragt, unverzüglich die konkreten Planungen vorzunehmen. Baubeginn sollte bereits im Jahr 2004 sein.

Ich frage die Landesregierung: Welchen Arbeitsstand gibt es in Bezug auf das Vorhaben der Schleuse in Kossenblatt?

Der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz hat Gelegenheit zu antworten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Karney, die Schleuse Kossenblatt markiert auf dem Wasserweg aus Richtung Schwielochsee das Eingangstor

in den Spreewald und ist damit für den Wassertourismus und den hierdurch bedingten wirtschaftlichen Aufschwung in dieser Region von erheblicher Bedeutung.

Die bereits im Jahr 1912 fertig gestellte Schleuse musste aufgrund ihres maroden Bauzustandes 1987 stillgelegt werden. Auch das zugehörige Wehr ist mittlerweile so baufällig, dass es dringend erneuert werden muss.

Nach der ressortübergreifenden Einigung im Februar 2003 - die Herr Karney angesprochen hatte - hinsichtlich der Dimensionierung der Schleuse für 13 Meter lange und 3,5 Meter breite Schiffe hat das Landesumweltamt, wie damals zugesagt, unverzüglich die vollständige Planung - von der Vor- bis Ausführungsplanung - veranlasst. Im Dezember 2003 wurde der Antrag auf Bereitstellung von Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung für das Komplexbauvorhaben bewilligt. Die Planung des Ersatzneubaus „Komplexbauwerk Wehr und Schleuse Kossenblatt“ - so etwas dauert üblicherweise mehrere Jahre; die meisten Anwesenden hatten schon mit wasserbaulichen Fragen zu tun und kennen sich damit aus; hier wird wirklich eine atemberaubende Geschwindigkeit vorgelegt - wurde in erheblich kürzerer Zeit, nämlich schon im Juli 2004 abgeschlossen.

Mit dem EU-weiten Ausschreibungsverfahren, das in diesem Fall vorgeschrieben ist, wurde im unmittelbaren Anschluss begonnen. Nach dem Submissionstermin am 8. Oktober dieses Jahres, zu dem alle vollständigen Angebote der Bieter vorlagen, wurde ein Vergabevorschlag erarbeitet, über den alle Bieter am 21. Oktober informiert wurden. Sofern es keine Einwände innerhalb der einzuhaltenden Einspruchsfrist gibt, kann die Auftragsvergabe wie geplant am 5. November 2004 erfolgen, sodass mit dem Bau des Komplexbauwerkes noch in diesem Jahr, wie damals vom Landesumweltamt zugesagt, begonnen werden kann. Der geplante Abschluss der Bauarbeiten ist für das Jahr 2006 vorgesehen, sodass die Schleuse dann nach fast 20-jähriger Sperrung wieder geöffnet werden und damit auch Impulse für die Region entfalten kann.

Herzlichen Dank, Herr Minister Dr. Woidke. - Wir kommen zur Frage 9 (Trennungsgeldaffäre - ein neues Kapitel in einer „un- endlichen Geschichte“), die der Abgeordnete Vietze stellen wird.

Im August 2003 wurden erste Vorwürfe wegen zu hoher oder ungerechtfertigter Trennungsgeldzahlungen erhoben. Es gab damals eine intensive Debatte und erste ernsthafte Aufklärungsbemühungen. Weitere Fälle folgten; es kam zu einer Vertrauenskrise - zumindest wurde dies im Parlament vom Ministerpräsidenten im Umgang mit der Justiz Anfang des Jahres 2004 so charakterisiert.

Am 29. Januar dieses Jahres gab es eine Debatte, in welcher der Ministerpräsident erklärte:

„Mir kommt es darauf an, sichtbar gewordene Missstände schnellstens aufzuklären. Das werden wir schonungslos tun. Nur so ist Glaubwürdigkeit wieder herzustellen.“

Vom 16.02. bis 15.03.2004 fand dann unter Einsatz von zehn Bundesbediensteten eine umfängliche Prüfung statt. Im April legte eine unabhängige Kommission einen Bericht vor. Seitdem hatten wir es mit einer sehr interessanten Entwicklung zu tun: So rang sich zum Beispiel der stellvertretende Generalstaatsanwalt dazu durch, bei der Trennungsgeldaffäre von einer Luftblase zu sprechen; der Justizstaatssekretär erklärte zur Begründung seines Rücktritts, er wolle die Freiheit haben, sich gegen falsche Behauptungen in dieser Sache wehren zu können.

Alles in allem ist es ein bemerkenswerter Zustand, dass gegen die Staatsanwaltschaft, beginnend beim Generalstaatsanwalt, gegen die Gerichtspräsidenten, gegen hohe Beamte - auch aus anderen Ministerien - nach wie vor unausgeräumte Vorwürfe bestehen. Die Frage muss in einem Rechtsstaat gestellt werden: Wer leitet die Ermittlungen, wenn die Staatsanwaltschaft befangen ist? Wer trifft die klugen Entscheidungen, wenn die Richter befangen sind!? Wie verhält sich eine Regierung, in deren Reihen es hohe Beamte gibt, die auch befangen sind? Dass dies alles so ist, geht aus dem Bericht hervor.

Da die prinzipielle Aufklärung solcher Vorgänge mittlerweile schon einer gewissen Regelmäßigkeit unterliegt, frage ich: Wann wird die Landesregierung eine abschließende Bewertung der öffentlich erhobenen Vorwürfe in Sachen Trennungsgeld vorlegen?

Wir gehen davon aus, dass dem Parlament damit auch eine detaillierte Bewertung der Einschätzung der Expertenkommission und vor allem die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zur Kenntnis gegeben werden.

Der Chef der Staatskanzlei, Herr Appel, wird antworten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Vietze, nach wie vor kann die Landesregierung über alle Ministerien hinweg keine Aussage über den Zeitpunkt einer abschließenden Bewertung der Trennungsgeldüberprüfung treffen, die sich auf die von der externen Prüfgruppe beanstandeten Fälle bezieht. Die Ressorts arbeiten mit Hochdruck an der Erledigung der von der Prüfgruppe beanstandeten 578 Fälle. Dabei - das betone ich - kommt es darauf an, festgestellte Missstände schonungslos aufzuklären.

Um ein einheitliches Vorgehen in sämtlichen Fällen sicherzustellen, sind bisher ressortübergreifend so genannte Fallkonferenzen durchgeführt worden. So ist bei der Abarbeitung der beanstandeten Fälle sowohl bei den Trennungsgeldempfängern als auch bei den Bearbeitern aus rechtlichen Gründen danach zu unterscheiden, ob es sich um Beamte oder Angestellte gehandelt hat; dies wirkt sich unterschiedlich auf die Rückzahlung bzw. die Haftung aus.

Es sind Fälle fehlerhafter Aktenführung bei gleichwohl ordnungsgemäßen Trennungsgeldzahlungen - auch solche Fälle hat die Prüfgruppe beanstandet - von Fällen unberechtigter Zahlungen zu unterscheiden. Bei unberechtigten Zahlungen ist wiederum zu prüfen, ob sich der Bearbeiter schlicht verrechnet hat oder die Überzahlung auf falschen Angaben der Trennungsgeldempfänger beruht.

Die dabei aufgrund von rechtsstaatlichen Grundsätzen - daran liegt mir - und unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen gebotene und zwingend notwendige Sorgfalt beim Umgang mit sämtlichen Einzelfällen kostet viel Zeit. Das mag unbefriedigend sein, ist aber so. Die verwaltungsrechtlichen Vorschriften, die gesetzlichen Fristen, die tariflichen und zivilrechtlichen Bestimmungen, aber auch die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte der Betroffenen müssen gewahrt werden. Vergessen Sie bitte nicht, dass hier Fälle aufgeklärt werden, die zum Teil zehn Jahre zurückliegen; die damaligen Bearbeiter oder die Zahlungsempfänger sind mitunter überhaupt nicht mehr in der Landesverwaltung tätig.

Im Übrigen läuft im Finanzministerium die Vorbereitung zur Änderung des Landesbeamtengesetzes und zur Anwendung der Trennungsgeldverordnung. Unter Beteiligung des Landesrechnungshofes haben wir uns darauf verständigt, dass die Prüfung des Berichts der externen Prüfgruppe und die weitergehende Prüfung des Landesrechnungshofes abgewartet werden sollen, da sich aus der Auswertung der Prüfergebnisse möglicherweise Änderungs- oder weitere Regelungserfordernisse ergeben könnten, die dann noch zu berücksichtigen wären.

Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Vietze.

Herr Chef der Staatskanzlei, ich habe in dieser Sache eine Nachfrage: Der stellvertretende Generalstaatsanwalt, Herr Böhmer, hat die Trennungsgeldaffäre als eine Luftblase bezeichnet. Welche Position hat die Landesregierung zu diesem Sachverhalt?

Diese Einschätzung teile ich ausdrücklich nicht. - Ist das deutlich genug?

(Vietze [PDS]: Ja, das ist sehr deutlich!)

Es gibt noch eine Nachfrage des Abgeordneten Sarrach.

Ich habe zwei Fragen. Erstens: Wie wird sichergestellt, dass die Staatsanwaltschaft im Trennungsgeldverfahren unvoreingenommen, ergebnisoffen und am Einzelfall ausgerichtet ermittelt, seit der Vorwurf der Befangenheit von Vertretern der Generalstaatsanwaltschaft und die entsprechenden Äußerungen vonseiten der Generalstaatsanwaltschaft im Raum stehen?

Zweitens: Sie sagten, man könne noch kein Datum nennen, zu dem erste Ergebnisse vorlägen. Stellt das Ministerium der Justiz den Abschluss der Aufklärung binnen der nächsten 3 Monate in Aussicht, um möglicherweise auch der Problematik der Verjährung von Rückforderungsansprüchen zu begegnen, oder wird die Problematik der Verjährung nicht gesehen?

Ich arbeite schon lange in dieser Landesregierung und schätze das Ressortprinzip sehr. Sie wissen, dass die beiden Fragen, insbesondere die erste - selbst wenn ich sie gern beantworten würde -, vom Justizministerium beantwortet werden müssten.

Ich kann nur etwas zu dem Zeitplan sagen, was die Landesregierung angeht. Ich kann diesem hohen Hause sagen, dass ich alle drei Wochen in der Staatssekretärsrunde den Stand in den einzelnen Häusern abfragen werde. Da werden die Staatssekretäre über den jeweiligen Abarbeitungsstand berichten. Mehr kann ich zu den Fragen nicht sagen.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Wir fragen die Landesregie- rung und das muss dann eben weitergegeben werden! - Weitere Zurufe von der PDS)

Frau Dr. Enkelmann, Sie haben zurzeit nicht das Wort, sondern Herr Vietze darf eine Nachfrage stellen.

Herr Präsident, was die Kollegin Enkelmann sagt, ist richtig: Die Fragesteller stellen eine Frage, die von der Landesregierung zu beantworten ist. Wenn von demjenigen, der von der Landesregierung mit der Beantwortung beauftragt wurde, ein Teil der Fragestellung nicht beantwortet werden kann, dann ist die Frage, ob der betreffende Teil der Fragestellung dann von demjenigen bzw. derjenigen übernommen wird, der bzw. die dafür zuständig ist. Das ist in diesem Fall die Justizministerin.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Richtig!)

Ich kann dazu nur sagen, dass das nicht Gegenstand der Anfrage war.

(Sarrach [PDS]: Doch, natürlich!)

- Nein. Lesen Sie das bitte genau.

Ein Vorschlag zur Güte: Der Chef der Staatskanzlei hat uns hier deutlich gemacht, dass sich dieser Prozess noch eine Weile hinziehen wird. Wir haben sicherlich ein Interesse daran, zu hören, wie sich die Dinge fortentwickeln. Deshalb schlage ich vor, dass zur nächsten Sitzung wieder eine Anfrage gestellt wird und uns dann der aktuelle Stand dargestellt wird. Ein Pingpongspiel zwischen den Ministern war bisher nicht üblich und soll auch nicht üblich sein. - Ich danke insoweit für die Beantwortung der Frage.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Die Frage ist nicht beant- wortet! - Weitere Zurufe von der PDS)

- Stellen Sie die Frage bitte noch einmal. Dann bekommen wir den aktuellen Stand.

Wir sind damit bei der Frage 10 (Osteuropazentrum für Wirt- schaft und Kultur), die von der Abgeordneten Richstein gestellt wird.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über das Osteuropazentrum für Wirtschaft und Kultur, dessen Errichtung die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart und um dessen Standort sich die Stadt Frankfurt (Oder) beworben hat, gibt es sehr unterschiedliche Aussagen. Am 18. Juni 2004 antwortete der Ministerpräsident auf eine mündliche Anfrage, dass die Frage des Aufgabenprofils, aber auch die der Ausstattung offen sei. Auch sollen nach Mitteilung des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesministerium für Bildung und Forschung für das Jahr 2005 keine Haushaltsmittel im Einzelplan 12 veranschlagt sein. Demgegenüber sieht die Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion nach einer Veröffentlichung in der Zeitung „Die Welt“ vom 1. September 2004 „gute Hinweise, dass es 2005 losgehen könnte“.

Ich frage daher die Landesregierung: Welche konkreten Erkenntnisse hat sie über den Stand der Planung des Osteuropazentrums für Wirtschaft und Kultur, insbesondere im Hinblick auf die Standortbewerbung der Stadt Frankfurt (Oder)?

Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Richstein, wie Sie eben schon ausgeführt haben, habe ich am 18. Juni noch einmal deutlich gemacht, dass das Land gemeinsam mit der Stadt Frankfurt (Oder) seinen Anspruch angemeldet, sich beworben hat mit dem Ziel, die Kompetenzen, die hier im Lande vorhanden sind, in den Dialog mit den Gesellschaften der Staaten Mittel- und Osteuropas einzubringen. Ich kann heute dazu keine weitere Auskunft geben - ich will mich auch nicht auf die zahlreichen Zeitungsmeldungen beziehen, die es dazu gibt -; vielmehr kann ich Ihnen nur sagen: Die Bundesregierung hat über den Standort, über die Ausstattung oder über die Frage, ob eine solche Institution überhaupt eingerichtet wird, bis zum gestrigen Tage keine Entscheidung getroffen. Das ist der Sachstand.