Protocol of the Session on August 31, 2005

Drucksache 4/1521

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. - Damit ist der Bericht des Ministers des Innern - Vollzug von Maßnahmen aufgrund § 33 Abs. 3 des Brandenburgischen Polizeigesetzes zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 13 und rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Konzeption der Landesregierung zur Integration bleibeberechtigter Zuwanderer und zur Verbesserung der Lebenssituation der Flüchtlinge im Land Brandenburg 2005 - 1. Fortschreibung der Landesintegrationskonzeption 2002

Konzeption der Landesregierung

Drucksache 4/1592

Ich eröffne die Aussprache. Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Ziegler. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Migrantenanteil in Brandenburg liegt unter 1,9 %. Wer aber meint, die Integration sei deswegen kein Problem, der irrt. Integration ist kein Naturgesetz, das ohne unser Zutun von allein wirkt. Integration ist ein zweiseitiger Prozess, der Bemühungen nicht nur der Zuwanderer, sondern auch der aufnehmenden Gesellschaft verlangt.

Am 7. Mai 2002 hat die Landesregierung deshalb erstmals eine Konzeption zur Integration bleibeberechtigter Zuwanderer im Land Brandenburg beschlossen. Damit war Brandenburg eines der ersten Bundesländer, die ihre landespolitischen Aktivitäten zur Zuwandererintegration auf Landesebene konzeptionell entwickelt und dargestellt haben.

Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass dem Thema der Zuwandererintegration landespolitisch mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, weil die Integration der Zuwanderer aufgrund der Arbeitsmarktlage deutlich erschwert ist, weil auch das Land Brandenburg angesichts der Globalisierung und der demografischen Entwicklung zukünftig auf Einwanderung angewiesen sein wird und daher eine weltoffene Politik und Wirtschaft sowie eine tolerante Gesellschaft braucht und weil die Herausforderung der Integration bleibeberechtigter Zuwanderer, aber auch die unterschiedlich lange andauernde Anwesenheit der Flüchtlinge und der Asylsuchenden als Chance begriffen werden können, Toleranz, Fairness und Rechtsstaatlichkeit zu üben.

Der als erste Maßnahme der Umsetzung 2002 gebildete Landesintegrationsbeirat hat inzwischen mit seinen Arbeitsgruppen engagiert an der Umsetzung der 16 Handlungsfelder der Konzeption, die Ihnen vorliegt, gearbeitet und damit auch die Grundlage zur 1. Fortschreibung der Konzeption gelegt.

Die 1. Fortschreibung wurde am 12. Juli dieses Jahres im Kabinett beschlossen. Was ist neu? Die 1. Fortschreibung der Konzeption der Landesregierung enthält einen grundsätzlich neuen Politikansatz, der als Cultural Mainstreaming bezeichnet wird. Beim nächsten Mal finden wir vielleicht auch einmal ein deutsches Wort dafür. Ich finde es bemerkenswert und erfreulich, dass der Begriff bereits in einer Kleinen Anfrage der CDU-Fraktion aufgenommen wurde. Was ist gemeint? Es geht um die Sensibilisierung für und die Akzeptanz von unterschiedlichen Lebensweisen gesellschaftlicher Gruppen und Personen als wesentliche Voraussetzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ähnlich dem schon bekannten Gender

Mainstreaming, aber mit einem umfassenderen Ansatz, nämlich über die geschlechtsspezifischen Unterschiede hinaus, geht es um Wertschätzung von Unterschiedlichkeit, von Menschen schlechthin.

Mit der Leitlinie des Cultural Mainstreaming können letztlich nicht nur Vorbehalte gegenüber unterschiedlicher Nationalität und Hautfarbe, sondern auch alle anderen Unterschiedlichkeiten, sei es durch Behinderung, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung und sonstige Verhaltens- und Lebensweisen im Sinne einer umfassenden Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik, abgebaut werden.

Mir liegt sehr viel daran, dass der mit dem Cultural Mainstreaming verbundene Aspekt der Wertschätzung von Unterschieden zwischen Menschen und der wechselseitige Lernprozess hin zu kultursensiblem Handeln allmählich im Bewusstsein nicht nur aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Landesregierung, sondern auch in diesem Haus und darüber hinaus in der gesamten Gesellschaft verankert wird.

Bereits in dem Konzept von 2002 wurde festgestellt, dass die Situation der Flüchtlinge nicht außer Acht bleiben darf und hierzu eigene konzeptionelle Verbesserungsansätze ergänzt werden sollten. Das ist das zweite Neue.

Die Situation der Flüchtlinge im Land Brandenburg hat sich in den letzten Jahren zum Teil schon verbessert. Die Härtefallkommission hat bereits für einige Flüchtlingsfamilien ein Bleiberecht empfohlen und damit ermöglicht.

Die Konzeption sieht jedoch weitere Verbesserungsmöglichkeiten vor. Es geht um Vorschläge zur Unterbringung, Beratung und Betreuung, zu Beschäftigungsmöglichkeiten, zum Schutz von Flüchtlingsfrauen und anderem. Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei der Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung der Flüchtlinge, insbesondere durch die Schaffung einer im Wesentlichen mit EU-Mitteln finanzierten Clearingstelle für psychisch kranke und traumatisierte Flüchtlinge. Die Umsetzung hat hier durch den Aufbau eines ehrenamtlichen Sprachmittlerpools und durch Fortbildungsangebote bereits begonnen.

Nicht zuletzt enthält die 1. Fortschreibung des Konzepts den bisherigen Stand der Ergebnisse bei der Umsetzung der Konzeption aus dem Jahre 2002. Als Beispiel nenne ich die Vorschläge zur Gestaltung kommunaler Integrationsstrukturen. Hier scheint mir wichtig, dass in den Kommunen nicht nur die Träger der Beratungsstellen und die Ausländerbeauftragten aktiv sind, sondern auch die kommunalen Behörden, soweit sie nicht ohnehin die Federführung in den Integrationsnetzwerken haben, ihrer Verantwortung auf diesem Feld gerecht werden.

Das Konzept für einen Migrationsfachdienst ist ein weiteres Beispiel. Hier sollen die bisherigen unterschiedlich finanzierten Migrationsberatungsangebote unter Beibehaltung der Trägervielfalt konzeptionell zusammengeführt werden.

Weitere Ergebnisse sind die Konzepte zur Integrationsförderung in der vorschulischen und schulischen Erziehung, ein neues Beratungsangebot für ausländische Existenzgründer durch Einbeziehung der Migranten in den vorhandenen Lotsendienst und Ansätze zur Entwicklung der Integrationsbe

dingungen für die jüdischen Zuwanderer, nachdem sich die Situation in den jüdischen Gemeinden wieder etwas konsolidiert hat.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch drei Bemerkungen machen. Nicht nur Migrantinnen und Migranten, sondern auch die Brandenburgerinnen und Brandenburger können von einer aktiven Integrationsarbeit vor Ort profitieren. Die Integrationsaufgabe gibt uns die Chance, fremde Kulturen wahrzunehmen und auch den eigenen Horizont zu erweitern. Sie gibt uns die Chance, Toleranz zu üben, Vorurteile abzubauen und zu differenzieren. Integrationspolitik ist damit stets auch eine Politik zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Das ist angesichts der fortschreitenden Globalisierung auch für den Wirtschaftsstandort Brandenburg eminent wichtig. Integration findet nicht in den Ministerien und anderen Behörden statt, sie geschieht immer vor Ort, dort, wo die Menschen leben.

Ziel der Landespolitik muss es deshalb auch sein, die kommunalen Integrationsstrukturen so weit zu unterstützen, wie dies mit den Mitteln des Landes überhaupt nur möglich ist. Hierzu dienen nicht nur die ausdrücklich formulierten Empfehlungen an die Kommunen, sondern das Konzept enthält hier eine Fülle von Anregungen. Auch die Konzepte für eine qualifizierte Migrationssozialberatung und zur besseren gesundheitlichen Versorgung der Flüchtlinge sind ein konkretes Angebot an die Kommunen.

Die Weiterentwicklung der begonnenen und die Umsetzung der neu konzipierten Maßnahmen ist aber ein Prozess, der uns sicherlich noch sehr viele Jahre beschäftigen wird. Ich bin davon überzeugt, dass das überragende Engagement der an diesem Prozess im Landesintegrationsbeirat und seinen Arbeitsgruppen, aber auch darüber hinaus haupt- und ehrenamtlich Beteiligten nicht nachlassen wird und auch nicht nachlassen darf und dass die jetzt fortgeschriebene Konzeption auch in den Kommunen und damit dort, wo die Integration der Menschen tatsächlich stattfindet, als Beitrag und Angebot der Landesregierung zur Unterstützung des Integrationsprozesses verstanden wird.

Ich bitte Sie, dieses gesellschaftlich wichtige und immer wichtiger werdende Thema so zu behandeln, dass es auch den gebotenen Stellenwert in der Gesellschaft erhält. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS spricht jetzt die Abgeordnete Wolff-Molorciuc.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern ist eine Chance zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Gewalt. Das sehen auch wir so. Daraus erwächst die Verantwortung der Landesregierung und des Parlaments, Integration umfassend voranzubringen, und zwar immer unter dem Blickwinkel, dass Integration nicht mit Assimilation gleichgesetzt werden darf.

Wir unterstützen die weitere Entwicklung eines Leitbildes von Akzeptanz, Anerkennung und Toleranz für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in unserem Lande. Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ hat dafür eine gute Grundlage gelegt.

Da es sich jetzt um die 1. Fortschreibung des Integrationskonzeptes handelt, werden wir aufmerksam verfolgen, wie sich die weitere Entwicklung vollzieht, und unsere Mitarbeit in unterschiedlicher Art und Weise wirken lassen.

Bei Anerkennung der geleisteten Arbeit durch die Landesregierung, den Landesintegrationsbeirat, viele Ehrenamtliche und unter all jenen durch Zugewanderte auch selbst wird deutlich, dass der Prozess der Integration weitergeführt werden muss und nicht aufgehört werden darf damit, die interkulturelle Kompetenz von im öffentlichen und sozialen Dienst Beschäftigten zu erhöhen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Viele Brücken lassen sich über gemeinsames Wissen und Kennen bauen. Nicht zu vernachlässigen ist dabei die Kompetenz der Zuwanderer selbst.

Auch bei Amtssprache Deutsch ist es durchaus hilfreich, sich auch in anderen Sprachen verständlich machen zu können. Freundlichkeit und Höflichkeit werden gegenüber allen Bürgern verlangt.

Unbedingt zu sichern ist, dass die bestehenden Dienste erhalten und ausfinanziert werden, all jene Dienste, die dazu beitragen, Kommunen die Möglichkeit der Integration und die Möglichkeit der Bereicherung durch Integration darzustellen, ist doch eine „gut gemachte Integration“ gegenseitiges Geben und Nehmen.

Wenn im Bericht der Landesregierung gesagt wird: „Ebenso kann aus der Selbstverständlichkeit von Ehrenamt nicht abgeleitet werden, dass das ehrenamtliche Engagement ein preiswerter Ausgleich zu fehlenden finanziellen Mitteln und professionellen Mitarbeitern ist“, stimmt uns das äußerst hoffnungsvoll, aber wir haben diesen Gedanken auch weiterzuverfolgen, wenn es um die Haushaltsdiskussion geht. Viele Probleme sind noch zu lösen. Bei vielen Problemen ist das nur bei entsprechendem Engagement gegenüber dem Bund möglich.

Nutzen wir die Chancen, die uns Zuwanderung bietet! Geben wir Zuwanderern Chancen!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sorgen wir dafür, dass Modellprojekte zur Integration von Zuwanderern, die zum Beispiel für drei Jahre vom Bund finanziert worden sind, für das Land auch langfristig Bedeutung haben und nicht in die alleinige Verantwortung der Landkreise übergehen! Wir fordern die Landesregierung auf, weiter an Konzeptionen zu arbeiten, die dazu dienen, brachliegende fachliche und multikulturelle, interkulturelle Potenziale der Spätaussiedler zu nutzen.

Flüchtlinge sind unter besonderen Bedingungen Zugewanderte. Anzuerkennen ist, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen zugenommen hat. Dieser Prozess ist weiter vo

ranzubringen. Vor allem geht es darum, noch immer weit abgelegene Heime in das Zentrum unserer Kommunen zu verlegen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Jetzt gilt es, Beratung für diese Flüchtlinge, die in den Wohnungen leben, auch außerhalb von Heimen zu garantieren.

Wir können nicht akzeptieren, dass es noch immer Landkreise gibt, in denen Gutscheine statt Bargeld an Flüchtlinge ausgegeben werden. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie hier wirksam tätig wird. Wir werden die Letzten sein, die einen Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung fordern, aber wir erwarten Engagement für Flüchtlinge auch auf diesem Gebiet.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Gerade im Bereich der Flüchtlingspolitik ist ein großes Engagement von vielen Menschen zu spüren. Eine Forderung dieser Menschen, eine Forderung von Flüchtlingen, eine Forderung des Landesflüchtlingsrates und vieler anderer ist es, die Aufhebung der Residenzpflicht für Flüchtlinge durchzusetzen. Integration darf durch solche Grenzen nicht aufgehalten werden.

Schaffen wir viele Möglichkeiten, Integration erlebbar zu machen! Drängen wir Flüchtlinge nicht in die Kriminalität - eine Falle, in die ein deutscher Staatsbürger nicht tappen kann! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich begrüße jetzt Gäste von der Landesakademie für öffentliche Verwaltung. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)