Protocol of the Session on June 9, 2005

Vielen Dank. Es gibt eine Nachfrage des Fragestellers, Dr. Scharfenberg. Bitte sehr.

Können Sie die fragwürdige Berechnungsweise - von Herrn Petke suggeriert -, dass für die Opfer rechtsextremer Gewalt zu viel Geld und für die anderen Opfer zu wenig Geld eingesetzt wird, nachvollziehen?

Ich habe verdeutlicht, dass wir keine Bewilligung nach Opfern, sondern nach Projekten erteilen. Die Projekte werden nach einem Beratungsangebot geprüft, das die jeweiligen Träger von Vereinen vorhalten und bei dem man im Vorhinein nicht genau sagen kann, in welcher Weise und in welchem Maße es wahrgenommen wird.

(Schippel [SPD]: Demnach hat der Kollege Unsinn er- zählt!)

Es gibt eine weitere Nachfrage vom Abgeordneten Holzschuher. Bitte sehr.

Frau Ministerin, teilen Sie meine Auffassung, dass der Verein Opferperspektive neben der allgemeinen Aufgabe der Opferbetreuung die politische Aufgabe der Bekämpfung des Rechtsextremismus wahrnimmt und diese Aufgabe bei der Zuweisung von Mittel eine besondere Berücksichtigung rechtfertigt?

(Beifall bei SPD und PDS)

Der Verein Opferperspektive hat unterschiedliche Ansätze. Nur ein Teil der vom Verein Opferperspektive verwendeten Mittel wird von uns ausgegeben. Neben der Opferberatung hat der Verein Opferperspektive auch angemeldete Projekte zur Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen und Ähnliches. Dieser Aufgaben nehmen sich auch andere Opferverbände an, zum Beispiel der Opferverein Stibb e.V., der hinsichtlich der Opfer sexueller Gewalt tätig ist und diesbezüglich Öffentlichkeitsarbeit betreibt.

Ich habe verdeutlicht, dass wir die Auskehrung der Mittel danach richten, welche Projekte der jeweilige Träger betreibt. Die Projekte werden nach ihrer Sinnhaftigkeit geprüft. In den Haushaltsberatungen verdeutlichten wir, dass der Verein Opferperspektive bei einer Antragstellung gemäß der Förderrichtlinien von uns weiterhin unterstützt wird.

Die letzte Nachfrage stellt die Abgeordnete Dr. Münch. Bitte sehr.

Frau Ministerin, Ihre Ausführungen erscheinen mir sehr plausibel. Ich fasse es so zusammen, dass Anträge auf Unterstützung hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und Qualität durch die Landesregierung geprüft werden müssen. Ich gehe davon aus, dass Sie mit mir darin übereinstimmen, dass es nicht sinnvoll ist, das Leiden der Opfer unterschiedlicher Bereiche - das wurde zum Teil suggeriert - gegeneinander auszuspielen.

(Beifall bei SPD und PDS)

Stimmen Sie mit mir darin überein, dass die nachhaltige Unterstützung der Opfer rechtsextremer Gewalt durch Opferberatungsstellen - angesichts steigender Zahlen in diesem Bereich gemäß dem Verfassungsschutzbericht - nach wie vor ein wichtiges Ziel sein muss?

Die erste Frage habe ich bereits beantwortet. Ich habe verdeutlicht, dass es nicht sinnvoll ist, Opfern unterschiedliche Wertigkeiten zuzumessen, was auch die Antwort auf die zweite Frage ist. Man darf weder sagen, dass Opfer rechtsextremer Gewalt nicht so wichtig seien, noch dass Opfer rechtsextremer Gewalt die wichtigsten seien und als Erste berücksichtigt werden müssen.

Parallel zu den Haushaltsberatungen wurde in der öffentlichen Wahrnehmung der Eindruck erweckt, dass diese Opfer besonders im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Das liegt in der Natur der Sache; denn solche Straftaten geschehen öffentlich. Andere Straftaten - zum Beispiel sexuelle Übergriffe auf Kinder - geschehen im Nahraum und stehen deshalb weniger im Fokus der Öffentlichkeit.

Deshalb halte ich es für falsch, Opfern unterschiedliche Wertigkeiten zuzumessen. Für jedes Opfer ist eine Gewalttat eine persönliche Katastrophe; das hängt weniger von den Ansichten oder der Struktur der Täter ab, sondern von seiner persönlichen Situation.

Wir werden allen Opfern die Aufmerksamkeit zukommen lassen, die sie verdienen, und sie nach unseren finanziellen Möglichkeiten unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Wir sind damit bei der Dringlichen Anfrage 17 (Neonazis am 18. Juni in Halbe) , Drucksache 4/1348, gestellt vom Abgeordneten Petke von der CDU-Fraktion. - Bitte sehr.

Der offenbar rechtsextrem eingestellte Verein Freundeskreis Halbe veröffentlichte im Internet einen Aufruf, am 18. Juni an einer Demonstration in Halbe teilzunehmen.

Ich frage die Landesregierung: Welche Erkenntnisse hat sie darüber und was unternimmt sie, um dieser Demonstration, die auf dem Rücken der in Halbe begrabenen Opfer des Zweiten Weltkriegs stattfinden und dem Ansehen unseres Landes schaden soll, zu begegnen?

Für die Landesregierung erhält der Innenminister das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Petke, der bekannte Rechtsextremist Lars Jacobs hat für den 18. Juni 2005 von 13 Uhr bis 18.30 Uhr in Halbe einen Aufzug mit bis zu 200 Teilnehmern angemeldet. Das Motto dieses Aufzugs lautet: „Ruhm und Ehre den deutschen Frontsoldaten und den Opfern der kommunistischen Gewaltherrschaft“.

Es sind Kundgebungen auf dem Bahnhofsvorplatz und den Platz vor dem Waldfriedhof angemeldet. Mitgeführt werden sollen: schwarze und schwarz-weiß-rote Fahnen, die des Kaiserreichs Japan sowie - durch sämtliche Staaten Europas - Gedenkkränze für die Gedenkstätte für NKWD-Opfer, Opfer der Wehrmacht und Waffen-SS und 57 Opfer der deutschen Gerichtsbarkeit.

Historisch wird zwar auf den Volksaufstand am 17. Juni 1953 in der DDR verwiesen, der Grund für die Anmeldung der Kundgebung in Halbe dürfte jedoch der hinterfragte Testlauf des Gedenkstättenschutzgesetzes im Land Brandenburg sein.

Endgültige Klarheit dürfte wegen der möglichen rechtlichen Auseinandersetzungen und der noch zu tätigenden Absprache zwischen dem Anmelder und der Versammlungsbehörde erst kurz vor dem 18. Juni zu erwarten sein. Dann werden wir wissen, worauf wir uns einzustellen haben und was das für die Versammlungsbehörde der Polizei bedeutet.

Die Versammlungsbehörde in Frankfurt (Oder) prüft ein Verbot der Rechtsextremenversammlung, alternativ dazu aber einen Auflagenbescheid, der die Beschränkung auf eine Kundgebung am Bahnhof beinhaltet. Weder der Anmelder noch der Versammlungsleiter - Christian Worch - haben bisher auf die wiederholten Angebote zur Führung eines Kooperationsgesprächs reagiert.

Als Gegenversammlung hat ein „Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche“ an diesem Tag eine Kundgebung in Halbe für die Zeit von 11 bis 14 Uhr angemeldet. Anmelder ist Herr Arnd Reif, Mitarbeiter der Kollegin Weber. Als Mitglieder des Aktionsbündnisses sind vom Anmelder verschiedene Organisationen und Parteien aufgeführt worden, zum Beispiel der Kreisverband der CDU Dahme-Spreewald, der jedoch nicht teilnimmt.

Unter den aufgeführten Organisationen befinden sich vier, die in den Verfassungsschutzberichten des Bundes oder des Landes genannt werden. Die heute Morgen vom Präsidenten genannten Namen sind bisher nicht im Aktionsbündnis verzeichnet. Sie sind vermutlich Teilnehmer oder werden dem Aktionsbündnis beitreten; bisher ist der Versammlungsbehörde dazu nichts Näheres bekannt.

Unter dem Motto „Aufmucken gegen Rechts“ erwartet der Anmelder bis zu 1 000 Teilnehmer. Den uns vorliegenden Unterlagen ist zu entnehmen, dass es darum geht, die Versammlung zu verhindern. Das bedeutet, dass die Polizei vermutlich wiederum - zu meinem größten Bedauern, muss ich sagen - buchstäblich zwischen die Fronten gerät. Beabsichtigter Kundgebungsort ist die Kirchstraße am Sandberg.

Nach der derzeitigen Gefährdungsbewertung schließt das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) nicht aus, dass sich unter den Teilnehmern der Gegenveranstaltung Gewaltbereite befinden. Da zum gleichen Zeitpunkt eine Veranstaltung in Magdeburg stattfindet, ist noch unklar, wer wohin geht. Das „Neue Deutschland“ schreibt jedoch bereits, dass die Antifagruppen schon Vorbereitungen treffen, um den Naziaufmarsch zu verhindern. Erfahrungsgemäß geht diese Klientel auch mit Gewalt gegen Andersdenkende, vor allen Dingen aber gegen die Polizei vor.

Des Weiteren können wir Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen nicht ausschließen. Zum Schutz zulässiger Versammlungen, zur Durchsetzung versammlungsrechtlicher Auflagen, aber auch zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in und um Halbe führt das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) diesen Einsatz durch. Es werden ca. 1 000 Beamte zum Einsatz kommen müssen. Ziel dieses Polizeieinsatzes ist, zu verhindern, dass rivalisierende Gruppen aufeinander treffen und es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt.

Lassen Sie mich eine persönliche Bemerkung anbringen: Ich finde - wie Sie alle - diesen Aufmarsch der Rechtsextremen widerlich. Doch darum geht es nicht, sondern es geht darum, dass Artikel 8 Grundgesetz Grundlage des Handelns ist. Artikel 8 GG erlaubt den Deutschen, sich friedlich - ohne Waffen zu versammeln. Bei Versammlungen unter freiem Himmel gibt es bestimmte gesetzliche Regelungen. Diese sind im BundesVersammlungsgesetz und in dem Gesetz, das wir vor vier Wochen hier verabschiedet haben, geregelt. Bei der Diskussion, die wir hier dazu geführt haben, waren wir uns alle darüber im Klaren, dass es sehr schwierig ist, den Abwägungsprozess zwischen dem, was erlaubt, und dem, was nicht erlaubt ist, zu führen, weil das Recht auf freie Meinungsäußerung ein hohes, vom Grundgesetz geschütztes Gut ist. Das halte ich auch für richtig.

Nach Artikel 8 GG wird ein Verbot dieser von den Neonazis angemeldeten Demonstration vermutlich keinen Bestand ha

ben. Bei alldem, was wir bisher unternommen haben, waren wir ein einziges Mal erfolgreich. Dies ist wohl nicht wiederholbar, weil die Anmelder gelernt haben.

Ich appelliere deshalb an alle, die an der Gegendemonstration teilnehmen, einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten, dass sie gewaltfrei verläuft und jene, die womöglich gewaltbereit sind, nicht daran teilnehmen können.

Wir werden, um gewaltsame Auseinandersetzungen zu verhindern, konsequente Vorkontrollen durchführen. Herr Dr. Scharfenberg, wir hatten uns im vergangenen Jahr über die Notwendigkeit der Vorkontrollen unterhalten. Im Ergebnis dessen waren wir uns darüber einig, dass Vorkontrollen stattfinden müssen, weil wir nicht wissen, wer sich aus der gewaltbereiten Szene Berlins zu uns begibt. Ich hoffe, dass der 18. Juni nach all den bisher geführten Diskussionen ein guter Tag für die wehrhafte Demokratie wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Es gibt erheblichen Nachfragebedarf. Ich schlage vor, die sechs Fragesteller so zu gruppieren, dass ich zweimal drei im Block aufrufe, damit der Vortrag geordnet erfolgen kann. - Frau Weber hatte sich als Erste gemeldet.

Sehr geehrter Herr Minister, wir beide haben uns im vorigen Jahr in Halbe getroffen. Sie sprachen dort von einer Niederlage der Demokratie und von unwirksamen Mitteln und stellten fest: Wenn man erfolgreich arbeiten will, muss man dem Rechtsextremismus eine breite zivile gesellschaftliche Bewegung entgegenstellen und nicht mit 300 oder 400 Hanseln auf der Straße stehen.

Frau Weber, bitte stellen Sie eine Frage und bringen Sie keine Geschichtsabhandlung.

Nun hat sich ein breites Bündnis gebildet. Täglich kommen Organisationen hinzu. Mit welchem Recht werden bestimmte Teilnehmer der Demonstration oder Kundgebung durch Sie in ein negatives Licht gerückt?

Zweitens: Könnten Sie sich vorstellen, dass durch breites ziviles Engagement Überzeugungen und Einsichten auch bei den Menschen geweckt werden, die Sie für unverbesserlich halten?

Die nächste Frage wird von Frau Dr. Enkelmann gestellt.

Herr Minister, stimmen Sie mit mir darin überein, dass es notwendig ist, in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus, Zivilcourage zu zeigen?

Zweitens: Unterstützt die Landesregierung, unterstützen Sie, Herr Innenminister, die Aufforderung des Landtagspräsidenten, ein breites Bündnis gegen diesen Naziaufmarsch zu organisieren?

(Zuruf von der DVU: Vielleicht zieht er dies zurück?)

Die dritte Frage stellt Frau Dr. Münch.

Herr Minister, aufgrund welcher Erkenntnisse gehen Sie davon aus, dass es möglicherweise zu Gewalt kommen wird?

Zweitens: Welchen Grund haben Sie anzunehmen, dass die Polizeikräfte nicht, wie die Kollegen in Berlin und wie in den letzten Jahren jene in Brandenburg, mit den rivalisierenden Demonstrationszügen sehr gut umgehen können, sodass es eben nicht zu Gewaltausschreitungen kommt?