Frau Weber, es liegt mir fern, die Teilnehmer in schlechtes Licht zu rücken; das habe ich auch nicht getan. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir verschiedene Sorten, verschiedene Gruppen von Teilnehmern haben.
Ich will Folgendes sagen: Es sind verschiedene Gruppen von Teilnehmern. Ich wundere mich, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern können, wie viele Busse wir beim letzten Mal angehalten, wie viele wir kontrolliert haben und dass wir einige an der Teilnahme gehindert haben. Um solche Menschen geht es.
Ich kann nur in aller Klarheit wiederholen: Ich freue mich, wenn es Gegendemonstranten gibt, von denen keine Gewalt ausgeht und deren Teilnehmer nicht sagen: Wir wollen den Rechtsstaat in die eigenen Hände nehmen. - Unsere Aktion richtet sich gegen jene, die eine Demonstration verhindern, die nach unserem Grundgesetz stattfinden muss, wenn es rechtlich abgeprüft ist. Darum geht es und um nichts anderes.
Sie haben von den Unverbesserlichen gesprochen. Ich bin in der Tat der Auffassung, dass wir auch die so genannten Unverbesserlichen erreichen können, wenn wir mit ihnen sprechen. Die Fra
ge, die sich uns stellt, ist doch: Wer von Ihnen spricht denn gemeinsam mit uns und mit ihnen, um sie zu überzeugen und sich mit ihnen inhaltlich auseinander zu setzen? Solche Gespräche sind wichtig. Wir müssen mit diesen Menschen sprechen.
Als ich mit ihnen vor fünf oder sechs Jahren gesprochen hatte, wurde mir vorgeworfen: Wir bekämpfen die und Schönbohm spricht mit ihnen. - Das stand in der Zeitung, das können Sie nachlesen. Ich bin der Auffassung, wir müssen mit diesen jungen Menschen sprechen.
Wir wissen aus Untersuchungen, dass die Rechtsextremisten im Wesentlichen eine Gruppe von 18- bis 24-Jährigen sind. Das muss doch nachdenklich stimmen. Daneben gibt es die Unverbesserlichen, die Anführer. Die können wir nicht erreichen. Ich spreche also über jene, die mitlaufen.
Herr Dr. Scharfenberg, Sie haben sich das im letzten Jahr in Halbe auch angeschaut. Was waren das denn für Demonstranten, was waren das für Gesichter?
Das waren doch nicht nur dumpfe Kahlgeschorene. Nein, das waren Leute, mit denen man den Dialog suchen muss. Darum glaube ich nicht, dass man sagen kann: Das sind alles Unverbesserliche. - Ich bin, wie gesagt, der Auffassung, wir sollten uns gemeinsam überlegen, wie wir mit ihnen umgehen. Ich bin bereit, meinen Beitrag dazu zu leisten.
Damit komme ich zu Ihrer Frage, Frau Dr. Enkelmann, bezüglich der Zivilcourage. Ich denke, wir haben hervorragende Beispiele von Zivilcourage. Zum Beispiel jenen Fall, in dem die Polizei von einem aufmerksamen Bürger rechtzeitig informiert wurde, dass einige versuchten, den Jugendklub in Premnitz anzustecken. Durch den Einsatz der Polizei konnte verhindert werden, dass der Jugendklub abgefackelt wird.
Zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben ein Demonstrationsrecht und keine Demonstrationspflicht. Jeder muss für sich entscheiden, ob er und woran er teilnimmt. Sie sind in der DDR für das Demonstrationsrecht auf die Straße gegangen, weil Sie die Nase voll hatten von der Demonstrationspflicht.
- Nein, nein, meine Auffassung habe ich klar gesagt. Sie haben nach der Demonstrationsfreiheit gefragt. Ich sage Ihnen: Es gibt eine Demonstrationsfreiheit, aber keine Demonstrationspflicht.
Frau Enkelmann, jeder, der teilnehmen will, nimmt teil. Wir sind eine Gesellschaft von mündigen Bürgern und die brauchen
nicht von jedermann und jederfrau einen Hinweis, was sie wie zu machen haben. Daran müssen wir uns auch einmal erinnern.
Frau Dr. Münch, „Gewalt“ habe ich deshalb angeführt, weil wir im letzten Jahr erhebliche Schwierigkeiten hatten. Wir haben durch intensive Zusammenarbeit mit der Berliner Polizei verhindert, dass ein Teil der Gewaltbereiten aus Berlin nach Brandenburg gereist ist. Wir haben Vorkontrollen durchgeführt, über die sich einige Teilnehmer beschwert haben. Nachdem sie dann aber gesehen haben, welche Klientel wir im Rahmen der Vorkontrollen herausgefischt haben, ist ihnen die Notwendigkeit solcher Kontrollen sehr deutlich geworden.
Ich sage deswegen: Diese Vorkontrollen sind nötig, weil wir nicht wissen, was passiert. Im Augenblick wird im Internet das Internet ist auch eine unserer Erkenntnisquellen - zu einer Demonstration aufgerufen, aber es ist noch unklar, wohin die Ströme gehen. Sie können zu uns gehen, sie können auch anderswohin gehen.
Am Lausitzring findet vom 15. bis 19. Juni eine Großveranstaltung der „Böhsen Onkelz“ statt. Ich habe erfahren: Diese Band war früher rechtsextremistisch eingestellt und steht jetzt ganz woanders. In diesen fünf Tagen kommen 140 000 Menschen dort zusammen. Das heißt, die Polizei muss eingesetzt werden, um dies alles zu regeln. Ich gehe davon aus, dass genügend Polizeikräfte zur Verfügung stehen. In den beiden Nachbarländern Sachsen-Anhalt und Sachsen finden zum selben Zeitpunkt andere Veranstaltungen statt, sodass die dortigen Landespolizeien gebunden sind. Wir haben Hilfe vom Bund beantragt und werden sie - denke ich - auch bekommen. Ich glaube, die Polizei wird diese Lage richtig handhaben; ich möchte nur darauf hinweisen, dass eine Gefährdung besteht.
Wir alle in diesem Hause müssen uns doch darüber einig sein und das ist meine Bitte an alle -: Gewalt ist nicht die Sprache der Demokratie. Darauf kommt es mir an und das wollte ich heute deutlich machen.
Herr Minister, ich gehe davon aus, dass es bei Appellen an die Gesellschaft keinen Widerspruch zwischen den Aussagen des Innenministers dieses Landes und des Parteivorsitzenden Schönbohm gibt. Sie haben vor kurzem hier im Plenum die Gesellschaft aufgefordert, die Polizei dabei zu unterstützen, diese Dinge zu verhindern.
Ich frage Sie, ob Sie bereit sind, hier vor aller Öffentlichkeit, auch vor der Presse, diesen Aufruf zu wiederholen und zu sagen, dass die Gesellschaft in Halbe demonstrieren soll, um das Treiben der Neonazis dort zu unterbinden.
Erstens: Sind Sie der Meinung, dass das Demonstrationsrecht immer zu 100 % durchgesetzt werden muss, auch wenn die Antragsteller die Demokratie abschaffen wollen?
Zweitens: Gibt es von Ihrer Seite einen Erfahrungsaustausch mit den Berliner Einsatzkräften, die am 8. Mai eine ziemlich gute Strategie verfolgt haben?
Eine dritte Nachfrage von Herrn Dr. Scharfenberg hat sich erledigt. Dann bitte ich um Beantwortung der gestellten Fragen.
Herr Kollege Schippel, ich muss etwas zur Formulierung sagen, denn darin liegt das Problem. Das Treiben der Neonazis kann die Zivilgesellschaft nur unterbinden, wenn wir erreichen, dass sich das Denken in den Köpfen ändert. Was wir nicht machen können, ist zu sagen: Wir wollen eine Demonstration, die vom Gericht genehmigt ist, verhindern. - Das ist der Unterschied. Das ist meine Position auch als Verfassungsminister und das ist die Schwierigkeit bei der Polizei. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass sich die Zivilgesellschaft engagiert. Ich habe gestern etwas gesagt, was ich wiederholen will, weil es vielleicht missverständlich war: Ich habe nicht die Absicht, einer Fahne der DKP, die ihre Teilnahme dort ebenfalls angemeldet hat, hinterherzulaufen.
Nur, damit Sie meine Position kennen, Frau Enkelmann. Das überrascht Sie doch nicht. Sie kennen doch meine Position. Wichtig ist, dass wir uns einig sind, wie wir damit umgehen. Zur Methode: Wenn Sie gewollt hätten, was Sie hier angeben, hätten Sie anders handeln können. Zum Beispiel hätte der Mitarbeiter Ihrer Kollegin Weber vorschlagen können, im Parlament ein parteiübergreifendes Bündnis herbeizuführen. - Das wäre doch eine Lösung gewesen.
Jetzt allerdings haben Sie sich darauf festgelegt, es mit den anderen zusammen machen zu wollen. Ich werde an diesem Tag in Halbe sein, um mir den Polizeieinsatz anzusehen, damit ich anschließend Ihre Fragen beantworten kann.
Was das Demonstrationsrecht angeht, haben wir eine ganz klare Regelung. Nicht der Innenminister, sondern die Gerichte entscheiden, was im Rahmen des Ermessensspielraums möglich und nicht möglich ist. Mir ist in Berlin von der PDS und von den GRÜNEN vorgeworfen worden, dass ich die Demonstration nicht verboten habe. Ich habe gesagt: Die kann ich nicht verbieten, weil das keinen Erfolg hat. - Darauf hieß es: Dann verbieten Sie das wenigstens und dann soll das Gericht dieses Verbot aufheben. - Wir müssen uns zu unserer Demokratie bekennen. Wir sind eine wehrhafte Demokratie und brauchen Bürger, die sich dafür einsetzen.
Die einen sagen: Wir beteiligen uns an der Demonstration. Die anderen sagen: Wir machen es anders. Das muss man akzeptieren. Von daher bin ich für eine wehrhafte Demokratie, aber nicht dafür, dass alle hinter einem herlaufen. - Danke.
Vielen Dank. Wir kommen zur Dringlichen Anfrage 18 (Um- gang des Ministerpräsidenten mit Landtagsabgeordneten), Drucksache 4/1349, die die Abgeordnete Dr. Enkelmann stellt.
Die Landesregierung veranstaltet gegenwärtig eine Reihe von Standortentwicklungskonferenzen, so hießen sie vergangene Woche im Nachrichtenspiegel. In dieser Woche gibt es eine Erweiterung, da heißt es „verwaltungsinterne Standortentwicklungskonferenzen“, also Konferenzen, auf denen die neue Förderstrategie debattiert werden soll.