Protocol of the Session on April 14, 2005

Drucksache 4/961

Des Weiteren liegt mit Drucksache 4/1022 ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU vor.

Die Diskussion wird durch den Abgeordneten Gehrcke der beantragenden PDS-Fraktion eingeleitet.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Souveränität einer parlamentarischen Opposition kommt nicht nur zum Ausdruck, wenn sie die Regierungspolitik scharf kritisiert und gegenhält - das sind Sie, so hoffe ich, von uns gewohnt - oder Alternativen vorlegt, sondern es gehört auch dazu, die Landesregierung zu loben, wenn sie aus Sicht der Opposition Schritte in die richtige Richtung geht. Eben solche Schritte geht die Landesregierung - zumindest heute -, wenn sie sich mit der zivilen Nutzung der Kyritz-Ruppiner-Heide auseinander setzt.

Der Chef der Staatskanzlei äußerte, dass die Brandenburger Landesregierung die zivile Nutzung begrüße und an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags appelliere, dem Gruppenantrag zuzustimmen. Das halte ich für eine richtige Entscheidung und ich möchte, dass der Landtag die Souveränität findet, diese Richtungsentscheidung der Landesregierung zu unterstützen.

Deswegen haben wir Ihnen einen Antrag vorgelegt, in dem wir das begrüßen und gleichzeitig den Ministerpräsidenten unseres Landes bitten, von seinem Rederecht im Bundestag Gebrauch zu machen und dabei auch den Bundestagsabgeordneten nahe zu bringen, warum es im Interesse des Landes Brandenburg und, wie ich finde, auch im Interesse der Bundesrepublik ist, dass die Kyritz-Ruppiner Heide nicht militärisch, sondern zivil genutzt wird.

Jetzt aber haben wir ein Problem mit der Landesregierung und den die Landesregierung tragenden Parteien. Ich registriere zunehmend, wie beleidigt Sie reagieren, wenn man Sie kritisiert. Heute erlebe ich, wie abwehrend Sie auch reagieren, wenn man Sie einmal lobt. Was wollen Sie denn eigentlich, kritisiert oder gelobt werden?

(Beifall bei der PDS)

Sie können sich das aussuchen.

Was Sie hier als Antrag vorgelegt haben, entspricht überhaupt nicht dem, was heute diskutiert wird. In Ihrem Antrag, der aus zwei Teilen besteht, heißt es nicht, dass Sie an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags appellieren, dem Gruppenantrag zuzustimmen. Ist das Zufall oder Absicht oder haben Sie das vergessen? - Das ist aber der Kernpunkt, weil im Bundestag entschieden wird.

In Ihrem Antrag steht auch nicht, dass der Ministerpräsident gebeten werden soll, von seinem Rederecht im Bundestag Gebrauch zu machen.

Deswegen finde ich Ihren Antrag nicht schlecht genug, um ihn abzulehnen, und nicht gut genug, um ihm zuzustimmen. Aus diesem Grunde werden wir uns bei der Abstimmung der Stimme enthalten.

Im Übrigen haben Sie in Ihrem Antrag ein Stöckchen eingebaut und glauben, dass die PDS-Fraktion darüber springt, in

dem Sie sich mit den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr solidarisch erklärt.

(Schippel [SPD]: Das haben die auch verdient!)

- Ich sehe ja die Absicht, die Sie damit verfolgen. - Ich gebe zu, dass Sie die Latte ziemlich niedrig aufgelegt haben. Sie haben in den Antrag ja nicht hineingeschrieben, dass sich die PDSFraktion mit dem Verteidigungsministerium solidarisch erklären soll. Ich war immer solidarisch mit den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, dies aber in einer anderen Art und Weise, als Sie das hier meinen. Ich war solidarisch mit ihren sozialen Rechten, ich war solidarisch damit, dass man Standorte von Garnisonen nicht einfach auflösen kann, ohne Nachfolgeüberlegungen anzustellen, und ich war solidarisch, indem ich sie gegen Auslandseinsätze, die ich für unverantwortlich halte, in Schutz genommen habe.

(Beifall bei der PDS)

Eine solche Solidarität - wenn Sie es damit ernst meinen - mit den Angehörigen der Bundeswehr, sie vor Auslandseinsätzen und vor solchen Aussagen des Verteidigungsministers, wie ich sie jetzt zitiere, in Schutz zu nehmen, meine ich. Dieses Zitat ist nachzulesen in der Ausgabe des „Stern“ vom 9. Dezember des letzten Jahres:

„So, wie die Bundeswehr jetzt umgebaut wird, ist sie auch dazu bestimmt, Krieg zu führen, auch an einem Ort der Welt, von dem wir nie gedacht haben, dass jemals ein deutscher Soldat da seinen Fuß hinsetzt.“

Gegen solche Aussagen muss man die Soldatinnen und Soldaten in Schutz nehmen und das tut die PDS.

(Beifall bei der PDS)

Unsere Gegner sind nicht die Soldatinnen und Soldaten, sondern unser Gegner ist das politische Konzept.

Wir möchten, dass der Landtag noch einmal deutlich seine Meinung sagt, und zwar deutlicher, als Sie es mit Ihrem Antrag tun, weil der Hintergrund selbstverständlich der Gruppenantrag im Bundestag ist.

Das Verteidigungsministerium hat seine Pläne zur militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide intensiviert. Das kann man wissen, wenn man sich etwas sachkundig macht. Dabei wird darauf gebaut, dass der Gruppenantrag im Bundestag keine Mehrheit erhält. Daraus soll schlussgefolgert werden, der Bundestag habe sich noch einmal zur militärischen Nutzung bekannt, und dann soll, soweit juristische Dinge dem nicht entgegenstehen, mit der militärischen Nutzung begonnen werden. Das ist die konkrete Planung im Verteidigungsministerium und das ist schon sehr weit aufbereitet.

Die Frage ist jetzt, ob die drei Ministerpräsidenten, die sich gegen die militärische Nutzung ausgesprochen haben, der Ministerpräsident unseres Landes, der Regierende Bürgermeister von Berlin und der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, oder deren Stellvertreter, im Bundestag die Interessen der Bundesländer vertreten und das den Bundestagsabgeordneten eindeutig nahe bringen. Wenn das geschieht, gibt es eine Chance für den Gruppenantrag.

Darum bitte ich sehr ernsthaft. Wir loben Sie, wir begrüßen und unterstützen Ihre Bemühungen und bitten unseren Ministerpräsidenten, im Bundestag zu sprechen. An welchem Punkt sind Sie denn dabei überfordert?

Wir müssten über ein höher gelegtes Stöckchen von wegen der Solidarität mit den Soldatinnen und Soldaten springen, wenn wir Ihrem Antrag zustimmten, als es bei Ihnen der Fall wäre, wenn Sie unserem Antrag zustimmten. Sie können doch ernsthaft nichts dagegen haben, dass wir das, was Sie gemacht haben, begrüßen. Das können Sie auch der Öffentlichkeit nicht erklären.

Wir sollten uns das gegenseitig ein bisschen leichter machen. Auf Neudeutsch heißt das Deal: Wir enthalten uns bei Ihrem Antrag und Sie stimmen unserem Antrag zu. Dann freuen sich die Demonstranten in der Kyritz-Ruppiner Heide; 10 000 waren beim Ostermarsch. Wir sind glücklich, Sie haben ein gutes Gefühl und eine gute Sache wird befördert. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Klein.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Gehrcke, ich habe Ihre Worte vernommen. Ich muss Ihnen aber sagen: Ihr Antrag ist in meinen Augen weder ein Lob noch ein Tadel. Er ist schlicht und einfach überflüssig. Ich will versuchen, das zu erklären. Ob Sie uns dann folgen, werden wir sehen. Das gilt auch für die Abstimmung über den Antrag und über den Entschließungsantrag am Ende der Debatte. Wir werden dann sehen, wie wir miteinander klarkommen.

Herr Gehrcke, liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDSFraktion, das Thema bewegt uns bekanntlich seit langem. Ich erinnere an den 31. März des vergangenen Jahres. Damals hat dieser Landtag in großer Übereinstimmung von PDS, SPD und CDU beschlossen, dass sich sowohl der Landtag als auch die Landesregierung, und zwar selbstverständlich einschließlich des Ministerpräsidenten, für die zivile Nutzung der KyritzRuppiner Heide einsetzen werden. Die in diesem Beschluss zum Ausdruck kommende Meinung wurde am 24. November des vergangenen Jahres in diesem Landtag bestätigt. Der Ehrlichkeit halber muss ich sagen, Herr Gehrcke, dass auch Sie in Ihrem Antrag entsprechend gewürdigt haben, dass das in diesem Landtag sowie bei Landesregierung und Ministerpräsident so gelaufen ist.

Dennoch muss ich hier fragen: Was hilft uns Ihr Antrag bei dem, was wir vorhaben? Ich wage die Antwort: Er hilft uns nicht. Der Ministerpräsident hat ja bereits überall zum Ausdruck gebracht, welche Meinung dieses Parlament und die Landesregierung zu der zivilen bzw. militärischen Nutzung vertritt.

Wie wir alle wissen, hat die Entscheidung darüber dummerweise nicht dieser Landtag zu treffen, sondern sie fällt nun einmal in Berlin. Von entscheidender Bedeutung ist dabei eine Person, nämlich die des Verteidigungsministers. Was also lag näher, als nach dem 31. März des letzten Jahres sofort den

Kontakt zu Peter Struck zu suchen? In wirklich unmittelbarer zeitlicher Nähe zu diesem Termin kam es zu einem Gespräch auf Veranlassung mehrerer Personen. An dem Gespräch nahmen folgende Personen teil: der Verteidigungsminister, der Ministerpräsident dieses Landes, der Landrat von OstprignitzRuppin, der schon seit langem Aktivist für die zivile Nutzung ist, der Bundestagsabgeordnete Ernst Bahr, der Mitinitiator des Gruppenantrags ist, von dem Sie, Herr Gehrcke, hier gesprochen haben, und ich als Vertreter des Landtags aus dieser Region und der die Landesregierung tragenden Fraktion der SPD.

Wir haben Peter Struck in aller Deutlichkeit klar gemacht, was es für die Menschen in der Region bedeutete, wenn dort nicht eine zivile, sondern die militärische Nutzung Vorrang bekommt. Wir haben ein Ergebnis erreicht, das nicht befriedigt. Sie alle wissen das. Das Ergebnis ist für uns enttäuschend gewesen, wenn ich von einem kleinen Hoffnungsschimmer absehe, der darin besteht, dass nach einer zwischen dem Verteidigungsminister und Ministerpräsident Platzeck getroffenen Vereinbarung weitere Gespräche zwischen ihnen geführt werden, wobei vonseiten des Bundes auch nicht der Schritt unternommen werden soll, der oft unternommen wird, indem im Falle einer gerichtlichen Entscheidung zuungunsten des Verteidigungsministers dagegen sofort Revision eingelegt wird. Es wurde verabredet, einen solchen Automatismus nicht eintreten zu lassen, sondern erst wieder den Kontakt zueinander zu suchen und miteinander zu reden.

Kontakte dieser Art hat es inzwischen in vielfältiger Form gegeben. Sie stimmen mir sicherlich darin zu, dass es für den Ministerpräsidenten leichter ist, Kontakt mit dem Verteidigungsminister aufzunehmen, als dies beispielsweise bei einem Landtagsabgeordneten der Fall wäre. Im Übrigen ist die Haltung unseres Parlaments in Berlin wohl bekannt.

Die PDS-Fraktion fordert nun in ihrem Antrag, wenn sie das auch freundlicher formuliert, wie ich eingestehen will, dass der Ministerpräsident zu dem Gruppenantrag im Bundestag reden möge. Wir dagegen wollen die Entscheidung darüber dem Ministerpräsidenten selbst überlassen.

(Unruhe bei der PDS)

- Ich will Ihnen auch erklären, warum. Herr Gehrcke, Sie waren doch Bundestagsabgeordneter und wissen deshalb, zu welcher Tageszeit ein solcher Antrag im Bundestag behandelt wird, nämlich vielleicht um 21.30 Uhr. Vor diesem Hintergrund muss man wirklich überlegen, ob der Ministerpräsident vor 20 Abgeordneten im Bundestag zu diesem schwierigen Thema reden soll. Wir wollen, dass der Ministerpräsident selbst die Entscheidung trifft, ob er dort redet oder nicht.

Unsere Entschließung, werte Kolleginnen und Kollegen, zum PDS-Antrag unterscheidet sich inhaltlich im ersten Absatz kaum vom PDS-Antrag - bis auf eine Ausnahme. Diese Ausnahme zielt auf die Unterstützung des Gruppenantrages im Bundestag.

Ich will Ihnen ehrlich eingestehen, dafür gab es in der Koalition - ich füge das Wort „leider“ hinzu - keine Mehrheit. Deswegen fehlt dieser Satz im Entschließungsantrag.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist beendet.

Ach, du meine Güte. Nun wollte ich gerade noch so etwas Wichtiges sagen.

(Zuruf von der SPD: Noch Wichtigeres?)

- Noch wichtiger als alles davor.

Aber dann will ich nur noch ein Wort dazu sagen, weshalb der PDS-Antrag doch nützlich war. Wir haben nämlich die Gelegenheit nutzen können, den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr für ihr Engagement zu danken und uns in Solidarität mit ihnen zu üben. Ansonsten lehnen wir den PDS-Antrag ab und unserem Entschließungsantrag stimmen wir zu. - Ich danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der DVU spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Jahre wieder kommt in diesem Saal ein PDS-Antrag zum geplanten Truppenübungsplatz der Bundeswehr in der KyritzRuppiner Heide über uns. Um aber für Abwechslung zu sorgen, wurde die Überschrift geändert. Aus „Kein Bombodrom“ ist „Für eine zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide“ geworden. Aber sachliche Unterschiede zu den Vorgängeranträgen? Fehlanzeige!

Sinn und Zweck dieses Antrags ist es offenbar nur, die plötzliche Meinungsänderung der Umfaller der Landesregierung in Sachen Übungsplatz Kyritz-Ruppiner Heide im Wahlkampf in der letzten Legislaturperiode durch dieses Haus absegnen zu lassen, wohl in der Hoffnung, dass weitere unbedarfte Leute auf diesen ideologischen Eselskarren der PDS springen.