Protocol of the Session on March 3, 2005

Gesetz zu dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/207

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 4/569

2. Lesung

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt mit dem Redebeitrag der PDS-Fraktion. Frau Abgeordnete KaiserNicht, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der ohnehin komplizierte Prozess der Entstehung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages ist durch das Gutachten, das uns in der vergangenen Woche vom Juristischen Dienst des Sächsischen Landtages übermittelt wurde, nicht einfacher geworden.

Ich möchte in Erinnerung rufen, wie die Ministerpräsidenten die konkreten Bedingungen geschaffen haben, unter denen heute die 2. Lesung des Vertrages im Brandenburger Landtag stattfindet. Nachdem die Fertigstellung des Entwurfs des Staatsvertrages wieder und wieder verschoben wurde, es erhebliche Dissonanzen zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der unabhängigen Kommission zur Erfassung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten und den Landesregierungen gegeben hat, setzten die Ministerpräsidenten erst im Oktober vergangenen Jahres ihre Unterschriften unter den Staatsvertrag. Bis zur Einreichung des entsprechenden Zustimmungsgesetzes in den Brandenburger Landtag verging dann noch einmal ein Monat. Und jetzt, da wir alle wissen, dass für den Staatsvertrag selbst die Ratifizierungsurkunden bis zum 31. März hinterlegt werden müssen, kommt auch noch das Gutachten - ein Gutachten, von dem meine Fraktion meint, dass es seriös ist, nicht nur, weil man das bei Rechtsgutachten von wissenschaftlichen Parlamentsdiensten generell voraussetzen sollte.

Sie, meine Damen und Herren, wie auch wir kennen das Gutachten und werden bestätigen: Die Argumentation der Gutachter basiert auf den wichtigsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfreiheit und es belegt auch unter Auswertung einer mehrstündigen Anhörung im Sächsischen Landtag Anfang Februar: Dieser Staatsvertrag ist verfassungswidrig, weil er unter Zuhilfenahme von verfassungsrechtlich nicht zulässigen Begründungen vom Vorschlag der KEF abweicht. Der Vertrag - ich zitiere - „verletzt die Rundfunkfreiheit und die hieraus resultierende Finanzgewährleistungspflicht des Staates aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes sowie Artikel 20 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Freistaates Sachsen.“

Nicht die Frage, dass die Ministerpräsidenten unter dem Vorschlag der KEF blieben, ist das Problem, sondern die dafür angeführte Begründung ist verfassungsrechtlich nicht belastbar. Auf gut Deutsch: Einfach festzustellen, dass die Abweichung vom Vorschlag der Kommission zur Feststellung des Finanzbedarfs in das Umfeld einer - „deutlich angespannten wirtschaftlichen Lage fällt, welche große Herausforderungen und finanzielle Einschränkungen für alle Teile der Bevölkerung mit sich bringt“ - an die Formulierung „für alle Teile der Bevölkerung“ kann man sicher ein Fragezeichen setzen -, reicht dennoch nicht, so das Gutachten. Auf dieser spärlichen Basis ist keine

Nachprüfbarkeit der Entscheidungen der Ministerpräsidenten möglich, wie sie aber im Lichte des Grundrechtsschutzes der Rundfunkanstalten vom Bundesverfassungsgericht gefordert wird.

Meine Fraktion hat deshalb, unmittelbar nachdem uns dieses Gutachten zur Kenntnis gekommen ist, das Gespräch mit den anderen Fraktionen gesucht, um die heutige 2. Lesung zu verschieben. Dies wurde auch mit Verweis auf die von den Ministerpräsidenten, nicht von den Landesparlamenten, gesetzte Frist abgelehnt. Der Staatsvertrag würde gegenstandslos, wenn bis Ende März nicht durch alle Länder die Ratifizierung erfolgte. Das ist sicher richtig. Die PDS-Fraktion anerkennt durchaus, dass manche Regelung im Staatsvertrag für die Bürgerinnen und Bürger sinnvoll ist, etwa die automatische Gebührenbefreiung für ALG-II-Empfänger.

Wir sehen natürlich auch, dass im Falle des Nicht-Inkraft-Tretens des Staatsvertrages alles beim Alten bleiben würde. Zum einen würde dies zwar keine Gebührenerhöhung für den einzelnen Bürger bringen, zum anderen aber hätten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch entgegen dem geltenden Recht ein erhebliches Defizit, das wahrscheinlich in einem neuen Staatsvertrag zu noch höheren Gebühren führen würde. Ich möchte aber auch nicht vergessen, dass uns alle diverse kritische Stimmen erreicht haben: vom Landesdatenschutzbeauftragten, vom Brandenburger Hotel- und Gaststättenverband und auch von Landräten, die sich um das künftige Verfahren der Gebührenbefreiung von Personen mit geringem Einkommen sorgen.

Dies alles in Rechnung stellend frage ich: Haben wir wirklich das Recht, im Wissen um ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken, die in der bisherigen parlamentarischen Beratung keine Rolle spielen konnten, diesem Vertrag zuzustimmen? Meine Fraktion beantwortet diese Frage mehrheitlich mit Nein. Wir werden uns deshalb auch mehrheitlich der Stimme enthalten.

In Anlehnung an das Rechtsgutachten gebe ich zum Schluss noch folgende Begründung: Da die Bestimmungen des Grundgesetzes nach Artikel 3 Abs. 5 Satz 1 und 2 denen der Landesverfassung vorgehen und die Gesetzgebung des Landes Brandenburg an Bundesrecht gebunden ist, darf der Landtag, auf Sachsen bezogen, dem Entwurf eines Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der diesen Staatsvertrag in Landesrecht transformieren soll, nicht zustimmen. Hierbei ist unbeachtlich, dass bei der Nichtzustimmung auch nur eines Landes der Staatsvertrag nicht in Kraft tritt und somit der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag in der bisherigen Fassung weiter gilt, was bedeutet, dass die Rundfunkgebühr zunächst nicht erhöht wird.

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist überschritten.

Ich bin in diesem Moment am Schluss, Herr Präsident.

Ich meine dennoch, dass diese Argumentation der sächsischen Landtagsjuristen hier noch einmal angemerkt sein sollte. Wir zumindest berufen uns darauf. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Wir setzen die Aussprache mit dem Redebeitrag der SPD-Fraktion fort. Es spricht der Abgeordnete Birthler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Hauptausschuss hat dem Landtag mehrheitlich empfohlen, dem Achten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge zuzustimmen. Ich kann mich diesem Votum nur anschließen.

Ein Schwerpunkt ist, wie schon gesagt wurde, die Erhöhung der Rundfunkgebühren. Ich halte dies angesichts der Leistungen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Bevölkerung bietet, für einen akzeptablen Kompromiss. Dazu gehört die Neustrukturierung der Gebührenerhebung und des Befreiungsrechts.

Wichtig ist auch ein zweiter Schwerpunkt. Dieser bindet die strukturellen Vorgaben zur Begrenzung der Hörfunk- und Fernsehprogramme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zusammen. Das heißt, damit wird erstmalig im Staatsvertrag eine Begrenzung der öffentlich-rechtlichen Programme festgeschrieben.

Für die öffentlich-rechtlichen Anstalten ergibt sich eine große Verantwortung. Deshalb ist es konsequent, dass in einer Anlage zum Staatsvertrag die strukturelle Selbstbindung von ARD, ZDF und Deutschlandradio zusammengefasst ist. Die hohe Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Bevölkerung, unter anderem gemessen an den Einschaltquoten, zeigt, dass wir mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein hohes Gut haben, das wir gemeinsam schützen und unterstützen sollten. Deshalb empfehle ich Ihnen die Zustimmung zum Staatsvertrag. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Abgeordneter Birthler. - Für die DVU-Fraktion spricht der Abgeordnete Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die rechtlichen und sachlichen Bedenken, die ich bereits in der 1. Lesung zum Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag den Kolleginnen und Kollegen eindringlich vor Augen geführt habe, kann ich heute nur noch einmal bestätigen.

Unabhängig von der aus Sicht meiner Fraktion unverschämten neuerlichen Gebührenerhöhung kann ich mich vor allem den Ausführungen wesentlicher Bedenkenträger, namentlich des Herrn Landesbeauftragten für den Datenschutz, in vollem Umfang anschließen. Herr Dr. Dix hat gegenüber dem Hauptausschuss die im vorliegenden Staatsvertrag enthaltenen eklatanten Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz ausführlich moniert. Dies deckt sich indes auch mit den Bedenken des Datenschutzbeauftragten des Bundes und seinen Kollegen aus den Ländern, die sich seit Jahren dafür einsetzen, dass auch beim öffentlichen Rundfunk das Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit zu berücksichtigen ist.

Durch den vorliegenden Staatsvertrag soll nun die Beschaffung und Verarbeitung von Daten aus dem kommerziellen Adresshandel legitimiert werden. Das verstößt gegen wesentliche datenschutzrechtliche Grundsätze, insbesondere den, dass öffentlichrechtliche Institutionen personenbezogene Daten nur verarbeiten dürfen, wenn diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Bisher ist die Rechtslage so, dass eine Befugnis für die Beschaffung von mehreren Millionen Adressdatensätzen im Jahr für die Durchführung von Mailing-Aktionen beim Adresshandel den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht zusteht.

Insbesondere handelt es sich bei den gekauften oder angemeldeten Adressbeständen nicht um öffentlich zugängliche Daten, sondern um vorselektierte und strukturierte Datenbestände. Die Regelung des § 8 Abs. 4 Rundfunkgebührenstaatsvertrag verstößt damit eindeutig gegen geltendes Recht sowie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die nun beabsichtige Form der Datenbeschaffung ist Teil der Gebührenerhebung und damit Wahrnehmung einer hoheitsrechtlichen Aufgabe, was die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwingend notwendig macht. Jede Gebührenerhöhung ist bekanntlich dem Bereich der Eingriffsverwaltung zuzuordnen. Im § 8 Abs. 4 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages fehlt es aber bereits an der Eignung zur Erreichung des öffentlich-rechtlichen Zieles einer Gebührenerhöhung. Über die von privaten Adresshändlern bezogene Datenqualität kann man natürlich nur spekulieren.

Nach Ansicht meiner Fraktion fehlt es darüber hinaus auch an der Gebotenheit. Diese Gebotenheit, meine Damen und Herren, kommt daher: Die kommerzielle Adressbeschaffung kann nicht das mildeste Mittel für den Bürger sein, betrachtet man das erhebliche Misstrauenspotenzial, namentlich im Fall der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen der Rundfunksender gegenüber Adresshändlern, das hiermit geschaffen wird. Durch zwangsläufig zu erhebende Gewährleistungseinreden bei schlechter Datenqualität können dem Datenschutz unterliegende Rundfunknutzerdaten wieder rechtswidrig an Dritte gelangen. Das stellt eindeutig einen Verstoß gegen § 28 Bundesdatenschutzgesetz dar.

(Beifall bei der DVU)

Mithin ist es für die Fraktion der DVU nicht hinnehmbar und auch skandalös, dass die von Herrn Dr. Dix im vorgelegten Antragsentwurf geforderte Aussetzung von § 8 Abs. 4 vom Hauptausschuss schlichtweg negiert wurde. Da hilft es auch nicht, wenn Sie, Herr Kollege Klein, im Hauptausschuss diese prekäre Rechtssituation mit der lapidaren Formulierung kommentierten, man könne solche Mängel ja schließlich beim neunten oder irgendeinem späteren Staatsvertrag berücksichtigen.

Unabhängig von der Schlampigkeit des Staatsvertrages müssen wir als DVU-Politiker den wesentlichen Vertragszweck rügen, nämlich den, dass es hier lediglich...

Herr Schuldt, Ihre Redezeit ist erschöpft.

Nur einen Satz noch, Herr Präsident.

... um eine Optimierung des Abkassierens bei den Bürgerinnen und Bürgern geht, und das mit fragwürdigen Mitteln. Wir lehnen selbstverständlich die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses sowie den Staatsvertrag insgesamt ab. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Während der Abgeordnete Niekisch ans Rednerpult tritt, begrüße ich Gäste in unserer Mitte. Es ist eine Jugendgruppe von Spätaussiedlern aus dem Jugendintegrationsdienst Prignitz, Kanalhaus e. V. Herzlich willkommen und einen interessanten Nachmittag für euch!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schuldt, ein kleiner Ratschlag: Weniger Kraftausdrücke würden Ihnen zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen.

(Zustimmung bei der PDS)

„Unverschämt“ und „Schlampigkeit“ - ich glaube, diese Begriffe sind nicht sehr inhaltsschwanger.

Meine Damen und Herren, die Entscheidung des Hauptausschusses ist von Kollegen Birthler bereits zitiert worden. Auch wir von der CDU haben uns entschlossen, zuzustimmen und den vorgesehenen Änderungen zu diesem Staatsvertrag freien Raum zu geben.

Trotzdem muss ich einige Vorbemerkungen machen. Abgesehen von der DVU, die all diese Dinge in Bausch und Bogen verwirft, ist es die PDS, die sich auf Rechtsgutachten aus Sachsen stützt, die aber dort schon geklärt worden sind. Auf der anderen Seite haben Sie nach dem, was ich von Ihnen gehört und gelesen habe, mit den Rundfunkgebührenerhöhungen am wenigsten Schwierigkeiten. Auch mit unserem Koalitionspartner ging das etwas einfacher. Bei uns waren die Vorbehalte etwas länger, tiefgehender und nur mit Mühe auszuräumen.

(Unruhe bei der PDS - Zurufe)

Deshalb möchte ich noch einmal betonen, dass man mit einer Entschließung oder zumindest mit Entschlossenheit einige Dinge hervorheben muss. Wir bekennen uns nach wie vor zum dualen Rundfunksystem und bekräftigen den Willen zu einer zukunftsfähigen Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir begrüßen dazu auch alle konstruktiven Initiativen zur Schaffung einer modernen wie kostengünstigen öffentlichrechtlichen Medienordnung. Wir fordern aber trotzdem den Ministerpräsidenten auf, in der Rundfunkkommission der Länder Initiativen mit dem Ziel zu starten oder sie wenigstens zu unterstützen, bei künftigen Änderungen zum Rundfunkstaatsvertrag die Vorschläge des 14. Berichts der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, kurz KEF genannt, nachhaltig zu berücksichtigen. Hierzu zählen weiterführende Maßnahmen zur Kostensenkung in Verbindung mit verbesserter Aufgabenkritik, Reduzierung der Personal

und Verwaltungskosten, Verzicht auf teuren Rechteerwerb, Zurückführung der Verspartung und Beschränkung vor allen Dingen des Online-Angebotes. Wir wollen die Ausweitung von Leistungen an gleichzeitiger Kostenreduzierung gemessen haben und möchten gern die Zurückführung des kostenintensiven Wettbewerbs zwischen öffentlich-rechtlichen Anstalten sowie das generelle Absenken von Werbeausgaben.

Ich muss in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die privaten Rundfunk- und Fernsehanstalten noch auf dem Klageweg sind und dass fraglich ist, ob dieses in Zukunft in diesem Verhältnis, welches zum Teil ein Missverhältnis ist, so bestehen bleibt, denn mit der Erhöhung der Rundfunkgebühren, wie sie jetzt sehr maßvoll ausgestattet ist, aber trotzdem beschlossen wird, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland bei knapp 8 Milliarden Euro, die zur Verfügung stehen, während es bei den Privaten nur knapp 5 Milliarden Euro sind.