Protocol of the Session on March 3, 2005

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter, Ihre Fragestellung zeigt, dass Sie die Bekämpfung des Rechtsextremismus auf die Repression durch die Polizei reduzieren. Das überrascht mich doch, da wir seit langer Zeit darüber diskutiert haben, dass die Polizei am Ende der Entwicklung und nicht an deren Anfang steht. Am Anfang der Dinge steht die Gesellschaft. Wir haben verschiedentlich darüber gesprochen - auch Sie in Ihrer Funktion als Vorsitzender des Innenausschusses -, was dagegen zu tun ist. Dabei haben wir festgestellt, dass in einem Strafverfahren, nachdem die Täter dingfest gemacht wurden, viele andere gesagt haben: Wir haben davon gewusst. - Angesichts dessen stellt sich die Frage, welcher Art die Gesellschaft ist. Darum müssen wir uns mit einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz auseinander setzen.

Aber ich bin von Ihrer Anfrage auch deswegen etwas überrascht, weil Sie als Vorsitzender des Innenausschusses wissen,

was wir getan haben; ich wiederhole es: In meiner Zeit als Innenminister haben wir die Zahl der Mitarbeiter bei der MEGA, der Mobilen Einsatzeinheit gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit, verdoppelt. Außerdem haben wir täterorientierte Maßnahmen neu eingeführt und damit erreicht, potenzielle Straftäter frühzeitig aus der Anonymität herauszulösen. Des Weiteren haben wir ein Handlungskonzept der Polizei des Landes Brandenburg zur Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität festgeschrieben. Darin sind Ziele und Leitlinien formuliert sowie besondere Arbeitsweisen und ein Maßnahmenkatalog bewährter präventiver und repressiver Bekämpfungsmaßnahmen festgelegt worden.

Es gibt einen sehr hohen, massiven Aufklärungs- und Verfolgungsdruck der Polizei. Wir waren uns bisher darüber einig, dass dies im Grunde genommen kaum noch weiter zu steigern ist, weil wir damit an rechtsstaatliche Grenzen stießen. Darum werden wir den polizeilichen Druck aufrechterhalten. Auch vor dem Hintergrund der notwendigen Stelleneinsparungen wird in diesem Bereich nicht gespart.

Aber durch Strafverfolgung allein können die Ursachen nicht bekämpft werden; das haben wir auch im Landespräventionsrat erörtert, Herr Kollege Scharfenberg. In diesem Gremium haben wir eine Arbeitsgruppe, die sich nur mit diesem Thema befasst, wobei daran alle anderen gesellschaftlich relevanten Gruppen mitwirken können. Es geht also um ein gemeinsames Engagement von Staat, Politik, Gesellschaft und Bürgern.

Hier spielt auch eine Rolle, was in den Elternhäusern und Schulen vorgeht. Diese Themen müssen diskutiert werden, sie fallen allerdings nicht in die alleinige Zuständigkeit des Innenministers. Ich bin immer dann zuständig, wenn die Sache schief gelaufen ist. In dem Fall tun wir das, was wir tun können.

Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg hat dazu noch weiteren Informationsbedarf.

Herr Innenminister, da ich in der medialen Widerspiegelung Ihrer Aussagen eine gewisse Sprunghaftigkeit festgestellt habe, stelle ich folgende Nachfragen.

Erste Frage: Sie haben in der Vergangenheit - so wurde es in den Medien wiedergegeben - den Slogan „Schwerter statt Kerzen“ vertreten und damit eine gewisse Abneigung gegen öffentliche Aktionen deutlich gemacht. Ich frage Sie: Wie stehen Sie nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre zu öffentlichen, parteiübergreifenden Aktionen gegen den Rechtsextremismus?

Zweite Frage: Sie haben im Zusammenhang mit der Vorstellung der PMK-Statistik öffentlich gemacht, dass gegenwärtig eine Resolution gegen Rechtsetremismus vorbereitet wird, die aber nur auf SPD und CDU begrenzt sein soll. Sie haben in diesem Zusammenhang Vorbehalte gegen eine Beteiligung der PDS geäußert. So wurde es in den Medien wiedergegeben.

Ich habe schon im vergangenen Jahr Ihre Überlegungen zur Kenntnis genommen, in diesem Jahr in Halbe eine Gegendemonstration gegen den Neonazi-Aufmarsch zu veranstalten,

allerdings nur als Veranstaltung der Koalitionsparteien. Wie stehen Sie zu gemeinsamen Aktionen der demokratischen Parteien SPD, CDU und PDS gegen den Rechtsextremismus?

Das ist eine interessante Fragestellung. Ich bitte darum, Herr Präsident, dass darüber auch im Innenausschuss diskutiert wird.

(Zurufe)

- Ja, ich werde alle drei Fragen beantworten, jede Frage in fünf Minuten. Dann können Sie die Mittagspause streichen. Ich mache es also kurz.

Sie sind auf den Slogan „Schwerter statt Kerzen“ eingegangen. Ich habe in einem Interview gesagt, ich bin nicht dafür, diese demonstrativen Kerzenprozessionen im Zusammenhang mit einer definierten Prozession in Berlin zu veranstalten. Ich bin dafür, dass wir uns nachhaltig dafür einsetzen. Ich hatte in Cottbus Diskussionen mit Links- und mit Rechtsextremen, die es auch dort gibt, und mit ihnen eine gemeinsame Veranstaltung durchgeführt. Ich habe gefragt, wer diese Aktion fortführen könne. Es kam nichts dabei heraus. Es wird zu viel geredet und zu wenig getan. Das ist das, was ich gesagt habe. Dazu stehe ich auch.

Wir müssen meiner Ansicht nach die Möglichkeiten des Rechtsstaates nutzen. Im Augenblick wird ein Demonstrationsverbot in Halbe in Erwägung gezogen; Sie sind vielleicht auch dafür. Diese Diskussion findet zwischen der CDU/CSUBundestagsfraktion sowie der SPD-Fraktion und der Fraktion der Grünen statt. Wir wollen einmal sehen, wie das ausgeht. Bundesinnenminister Schily und ich erzielten in diesem Punkt eine größere Übereinstimmung als vielleicht einige von den Grünen. Dieses Gesetzgebungsverfahren ist in Gang.

Sie haben gesagt, wir würden uns auf Veranstaltungen von SPD und CDU beschränken. Ich habe nichts dagegen. Wir haben doch gestern von einem Ihrer Kollegen gehört, dass wir uns mit der Geschichte befassen sollen. Befassen Sie sich doch bitte auch einmal mit der Geschichte, und zwar mit Ihrer eigenen. Fragen Sie sich einmal, was alles dahinter steht. Das ist der Grund dafür, warum ich immer sehr skeptisch bin, wenn Sie versuchen, diese Gemeinsamkeit herzustellen. Ich hoffe, dass es Gemeinsamkeiten auf der Basis unserer Verfassung gibt. Aber nur, weil es hier diese Grundübereinstimmung gibt, heißt es nicht, dass ich unvoreingenommen alles mit Ihnen gemeinsam mache. Das ist meine persönliche Position.

Des Weiteren habe ich gesagt, dass ich überhaupt nichts dagegen habe, wenn Sie sich einer Resolution, die die Mehrheitsfraktionen beschließen, anschließen wollen. Aber ich muss doch nicht versuchen, eine Resolution zu verabschieden, der Sie um jeden Preis zustimmen. Das muss ich doch nicht machen. Man überlegt, welche Position die Landesregierung und welche Position die Koalitionsfraktionen vertreten, und auf dieser Grundlage wird eine Resolution erarbeitet. Anschließend stellt man fest, ob man ihr zustimmen kann oder nicht und ob man möglicherweise etwas ändert. Das aber ist eine Angelegenheit der Fraktionen. Ich werde dem nicht im Wege stehen, aber ich werde auch nicht vehement dafür kämpfen, weil ich nicht der Auffassung bin, dass es notwendig ist.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Abgeordnete Hesselbarth erhält das Wort für eine Nachfrage.

Ich habe speziell zu der Statistik eine Nachfrage. Gehört auch das Tragen verbotener Kleidung, zum Beispiel Thor Steinar, in diese Statistik hinein?

(Minister Schönbohm: Ja!)

- Sie nicken bereits. Wie viele kriminelle Straftaten bzw. wie viele Gewaltdelikte waren das?

Wir haben uns auf der Innenministerkonferenz auf etwas verständigt, das ich sehr vernünftig finde. Um keinen Interpretationsspielraum zu geben, haben wir gesagt: Alle verfassungsfeindlichen Symbole werden aufgeführt, wenn sie irgendwo festgestellt werden. Nachdem das Amtsgericht Perleberg festgestellt hat, dass Thor Steinar unter diesen Sachverhalt fällt und damit verboten ist, sind 121 Fälle in die Kriminalstatistik eingegangen. Das ist einer der Gründe dafür - das alles habe ich bereits vorgetragen - warum die Zahlen so hoch sind.

Ein zweiter Grund, weshalb die Zahlen 2004 höher sind, ist folgender: Im Wahlkampf wurden eine Menge Wahlkampfplakate beschädigt, die in diese Statistik mit eingehen.

Vielen Dank. - Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht erhält das Wort.

Herr Minister, die Erfolge der Polizei gerade auch in Auseinandersetzungen mit den Rechtsextremen auf diesem Gebiet sind unstreitig und wir erkennen sie auch an. Wenn man sich aber die Statistik der politisch motivierten Kriminalität und auch die Täterstruktur genauer ansieht, fällt eine Zunahme an rechtsextremistischer Gewaltkriminalität, aber auch ein extremes Überwiegen der Ersttäter auf. Die aufgegriffenen Täter sind immer häufiger Ersttäter. Sie werden immer jünger. Sie handeln immer häufiger unter extremem Alkoholeinfluss. Die Täter wachsen in diesem unserem Land heran.

Ich frage deshalb nach - der Landtag befindet sich im Moment in einer Haushaltsdebatte -: Welche Schlussfolgerung zieht die Landesregierung möglicherweise hin zu einer veränderten Schwerpunktsetzung in Richtung Prävention?

Ich weiß, Sie glauben immer, dass es am Geld hängt. Bisweilen aber hängt es auch am persönlichen Engagement. Wir reden von Zivilgesellschaft.

(Zurufe)

Wir werden in den Schulen - aber nicht nur da, sondern auch bei den freiwilligen Feuerwehren und in allen anderen Bereichen - darüber sprechen müssen, dass man nicht wegsieht und Dinge nicht durchgehen lässt. Wenn Förster sagen, sie hätten

gewusst, dass sie den und den Kram machen, wenn ein Feuerwehrmann sagt, sie hätten gewusst, dass das Rechtsextreme sind, aber sie hätten gedacht, das wisse doch jeder, dann zeigt das, wo das Problem liegt. Es ist keine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins und der gemeinsamen Verantwortung.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

In diesem Punkt bin ich mit Ihnen sofort einig. Wenn wir uns gemeinsam dieser Aufgabe stellen, befinde ich mich an Ihrer Seite. Nicht Deklaration, sondern praktisches Handeln wäre meine Konsequenz daraus.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Innenminister. - Wir sind damit am Ende der heute etwas ausführlicheren Fragestunde angelangt. Ich schließe Tagesordnungspunkt 2

(Unruhe)

und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetz zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes und des Landesorganisationsgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/206

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 4/507

2. Lesung

Es wurde vereinbart, hierzu keine Debatte zu führen. Ich stelle daher die Beschlussempfehlung direkt zur Abstimmung und bitte um Ihr Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und einigen Stimmenthaltungen ist dieser Beschluss gefasst und das Gesetz angenommen.

Ich verabschiede Sie jetzt in die Mittagspause. Wir sehen uns um 13 Uhr wieder.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.08 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.02 Uhr)

Meine Damen und Herren! Verabredungsgemäß setzen wir jetzt die Sitzung fort und kommen zum Tagesordnungspunkt 4:

Gesetz zu dem Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag