Protocol of the Session on March 2, 2005

- Das ist doch völlig egal. Diese Legislaturperiode geht bis Mitte des nächsten Jahres. Meine Damen und Herren, bis dahin führt nicht einmal Bayern Studiengebühren ein. Das kann man zwar sagen, aber es bedeutet nichts weiter.

Zweitens: Herr Niekisch hat angesprochen, dass Herr Flierl ein Bündnis der Länder anstrebt, die keine Studiengebühren einführen, und zwar mit der Maßgabe, diejenigen abzukassieren, die aus Ländern kommen, in denen Studiengebühren erhoben werden. Das bedeutet für Brandenburg die Verpflichtung, ein Arbeiterkind aus Hamburg, das bei uns zum Beispiel deutsches und polnisches Recht studieren will, hier ohne soziale Absicherung zahlen zu lassen. Flierl steht dem Modell von RheinlandPfalz nahe, also dem Leistungsausgleich zwischen den Ländern; vielleicht haben Sie es sich noch nicht genau angesehen. Voraussetzung dafür sind Studienkonten. Sie zu führen bedeutet, dass eine bestimmte Anzahl von Semestern frei ist und anschließend 650 Euro ohne soziale Absicherung gezahlt werden müssen. Was daran sozial sein soll, erschließt sich mir überhaupt nicht; vielleicht verstehen Sie es.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Meines Erachtens gehen wir in Brandenburg den richtigen Weg, indem wir die Entwicklung verfolgen und uns für Möglichkeiten zur Unterstützung der Studierenden wie das KfWKreditmodell engagieren, dabei jedoch nicht vorschnell agieren - wir sind nicht Vorreiter -, aber auch nicht sagen, das komme mit uns nicht infrage, und dafür Argumente anführen, die nicht nachvollziehbar sind.

Sie haben den Ministerpräsidenten an dieser Stelle angegriffen, weil er nicht das Ob, sondern das Wie in den Mittelpunkt stelle. Ich bin sehr froh darüber. In Deutschland besteht die Situation,

dass alles zementiert wird; die Arbeitslosigkeit ist ein Indiz dafür. Wenn wir im Wissenschaftsbereich nicht gut sind, können wir uns nicht abschotten und sagen, dies sei zwar ein schlechter Zustand, aber wir müssten ihn unbedingt halten. Ich halte es für einen Vorteil, dass der Ministerpräsident an dieser Stelle ohne ideologische Scheuklappen bereit ist, mit darüber nachzudenken und zu diskutieren. Dass Ihnen das nicht gefällt, ist auch verständlich. - Danke schön.

(Beifall bei CDU und SPD)

Danke schön, Frau Ministerin Wanka. - Ich rufe die SPD-Fraktion noch einmal auf. Die Abgeordnete Geywitz hat noch fünf Minuten Redezeit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben jetzt, was passiert, wenn die ursprüngliche Idee, nämlich diese wesentliche Frage bundeseinheitlich zu regeln, nicht durchkommt. Ich verstehe Herrn Dr. Niekisch überhaupt nicht; er sagte, der Zentralismus von Frau Bulmahn sei ganz furchtbar und es sei gut, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Zentralismus vom Tisch gewedelt habe. Gleichzeitig beschwert er sich darüber, dass die Berliner eine andere als die in Bayern beabsichtigte Regelung einführen wollen. Das ist die Konsequenz aus der Äußerung des Bundesverfassungsgerichtes, es dürfe nicht bundeseinheitlich geregelt werden.

In der jetzigen Situation muss Brandenburg nicht dringend Studiengebühren einführen - das ist in dieser Debatte klar geworden -, aber wir sehen natürlich, dass es Bundesländer gibt, die Studiengebühren - teilweise sogar sehr saftige - einführen werden. Daneben besteht die Möglichkeit, Studienkonten einzurichten. Dieses Modell halte ich - in größerem Maße als Frau Wanka - für sympathischer.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was mit unseren Kindern geschieht, wenn sie woanders studieren. Wir sind also von außen, durch das Handeln der Bundesländer BadenWürttemberg, Hamburg und Bayern, gezwungen, darüber nachzudenken, wie wir damit umgehen. Dieser Debatte kann man sich auch nicht verschließen, indem man den Standpunkt vertritt, wir seien hier auf einer Insel und machten das nicht, weil wir einmal einen Beschluss gefasst haben und dies für sozial ungerecht hielten. Das ist sicherlich eine schöne Meinung, die man haben kann, wenn man in der Opposition ist, aber wenn man in der Verantwortung dafür steht, dass unsere Kinder hier in Brandenburg studieren wollen und vielleicht auch einmal zum Studium in ein anderes Bundesland gehen, dann ist das keine verantwortungsbewusste Position.

Wir haben deutlich gemacht, dass es schlechte Modelle gibt, dass die Modelle Gefahren in sich bergen und es Modelle gibt, die zu bevorzugen sind, weil sie die Studierneigung nicht nach unten ziehen; denn wir können es in der Tat nicht zulassen, dass gerade in Ostdeutschland noch weniger junge Menschen aus einem Jahrgang zum Studium kommen. Dafür erachte ich das Modell der Studienkonten als ganz hervorragend geeignet.

Man sollte sich einmal ansehen, wie es in Rheinland-Pfalz praktiziert wird. Dort ist das Erststudium gebührenfrei. Dabei

ist nicht lebensunpraktisch nach acht oder neun Semestern Schluss; vielmehr hat man ein bestimmtes Budget an Semesterwochenstunden, das man in seinem Studium zunächst einmal aufbrauchen kann. Es ist einem selbst anheim gestellt, in welcher Zeit man das macht. Man kann zwischendurch ein Kind bekommen oder sich politisch im AstA engagieren oder ein Jahr durch Australien trampen oder was immer man machen will, um seine Jugend zu verleben. Aber es ist klar, dass es keine strenge Regelung gibt, nach der nach neun Semestern zu zahlen begonnen werden muss. Dies halte ich gerade angesichts der angesprochenen Patchwork-Lebensläufe von jungen Menschen, die uns auf die Zukunft vorbereiten, für ein sehr sinnvolles Modell. Darüber kann man diskutieren; das werden wir auch tun.

Ich begrüße die Position von Frau Wanka, die eindeutig gesagt hat: Wir sind hier nicht Vorreiter, aber wir können auch nicht die Augen vor der Realität verschließen und Brandenburg als Insel der Glückseligen definieren, wo Studiengebühren niemals und auf keinen Fall eingeführt werden. Wir sind Teil dieser Bundesrepublik. Wir haben eine heftige Diskussion und unterschiedliche Modelle. Wir müssen uns überlegen, welches Modell wir für Brandenburg finden, damit unsere Kinder studieren können, damit alle Kinder - nicht nur die reicher Eltern - studieren können und damit unser System der Studienfinanzierung und der Hochschulfinanzierung im Wettbewerb der Bundesländer bestehen kann. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Abgeordnete Geywitz. - Der Abgeordnete Dr. Niekisch erhält noch drei Minuten Redezeit, die ich ihm ausnahmsweise zugestehe, weil er eben angesprochen worden ist. Eigentlich haben Sie Ihre Redezeit bereits ausgeschöpft.

Herr Präsident, vielen Dank für Ihre Großzügigkeit. - Ich spreche einige Punkte im Nachgang an.

Wenn Sie so stark auf die Zentrale pochen und beklagen, dass unterschiedliche Bundesländer unterschiedliche Wege gehen, dann müssten wir den Föderalismus ganz abschaffen. Ich halte es für gut, dass es Konkurrenz gibt und Brandenburg sich daran beteiligt. Wir sollten uns davon nicht ausschließen. Das beklagen wir gerade: Wir wollen nicht Studienkonten mit Strafgebühren, die dann wirklich 650 Euro pro Monat bedeuten könnten, also das, was Herr Flierl und auch Herr Flemming, der wissenschaftspolitische Sprecher der SPD, in Berlin wollen.

Frau Geywitz, die Tatsache, dass man sich etwas früher orientieren muss, ist gar nicht so schlecht. In der DDR-Zeit musste man schon in der achten Klasse sagen, ob und was man studiert; die Hälfte musste sich verpflichten, Lehrer oder Offizier zu werden. Dahin wollen wir nicht zurück.

(Frau Geywitz [SPD]: Das ist doch lächerlich! Ostalgie!)

Aber dass man sich etwas früher orientiert, seine Lebensplanung etwas straffer und disziplinierter angeht, halten wir für sehr vernünftig. Dass es die Möglichkeit gibt, durch Familien

gründung - Demographie ist doch Ihr großes Thema - diesen Schuldenberg Stück für Stück „abzukindern“,

(Widerspruch bei der PDS)

wie wir früher in der DDR gesagt haben, ist etwas Bekanntes und auf moderner Grundlage sehr förderlich; das ist tatsächlich Dialektik, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der PDS)

Sie werden sehen, dass die Einführung von Studiengebühren maßvoll, nachgelagert und sozial verträglich - endlich die Umverteilung von unten nach oben, also von ärmeren, sozial schwächeren Familien zu stärkeren Familien, abfedern und beenden wird. Vor allen Dingen wird es nicht nur Drittmittel, sondern auch sehr viel Engagement von Privaten und der Wirtschaft für unsere Hochschulen hervorbringen, das sonst woandershin geht.

Eine letzte Anmerkung: Neulich stand in der Zeitung, in der Politik spiele die Wahrheit kaum eine Rolle bzw. sei zu 90 % dafür da, verborgen oder verbogen zu werden. Wir sollten uns ehrlich und offen darüber unterhalten und der Wahrheit eine Chance geben. Deswegen sind Demagogie und Ideologie nicht angebracht; vielmehr soll geprüft werden, was nützt. - In diesem Sinne, mit dem Gesicht zur Realität, bedanke ich mich herzlich.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Niekisch. - Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, begrüße ich die Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse der Goethe-Realschule in Eberswalde. Herzlich willkommen! Ich wünsche Ihnen einen interessanten Vormittag.

(Allgemeiner Beifall)

Wir begrüßen selbstverständlich auch unsere Kollegen in Grün, bei denen ich im Moment nicht weiß, woher sie kommen. Seien Sie trotzdem herzlich willkommen.

(Allgemeiner Beifall)

Bevor das Wort noch einmal an die antragstellende Fraktion geht, frage ich die Landesregierung, ob sie noch Redebedarf hat. - Das ist nicht der Fall. Danke, Frau Ministerin Wanka. Dann hat der Abgeordnete Jürgens noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gerade noch einmal auf die Tagesordnung geguckt; das Thema der Aktuellen Stunde heißt „Studiengebührenfreiheit im Land Brandenburg“. Insofern bin ich etwas erstaunt, Herr Niekisch, dass Sie ziemlich polemisch und ziemlich platt versuchen, PDS und DVU in einen Topf zu werfen. Das entspricht nicht der Realität; das ist nicht Gegenstand der heutigen Aktuellen Stunde. Das wissen Sie genau.

(Beifall bei der PDS - Dr. Niekisch [CDU]: 1 : 1!)

Der Schluss Ihrer Rede hat mir gezeigt: Sie haben das Problem einfach nicht verstanden. Studiengebühren werden eben genau

das nicht erreichen, was Sie in Bezug auf die Verteilung von unten nach oben gesagt haben. Genau das Gegenteil wird der Fall sein.

(Dr. Niekisch [CDU]: Warten wir es ab!)

Wir können bereits in anderen Bundesländern und in anderen Ländern nachvollziehen, dass es genau so ist. Insofern bin ich Frau Ministerin Wanka dankbar, dass wenigstens sie versucht hat, die Debatte auf einer fachlichen Ebene zu führen. Sie hat erkannt, dass das System der Studienfinanzierung richtig ist. Da bin ich mit Ihnen, Frau Ministerin Wanka, einer Meinung. Sie haben gut angefangen, was die Analyse des Systems derzeit betrifft,

(Zuruf von der CDU: Prima!)

allerdings sind Sie zum Ende hin - das muss ich sagen - in Ihren Konsequenzen nicht ganz so stringent, wie ich mir das vorgestellt hätte. Aber ich bin der Meinung, wir sind ja noch in einer Debatte, was die Studiengebühren in Brandenburg angeht. Ich denke, wir können da zu einem guten Schluss kommen. Ich bin nicht der Meinung wie Sie, dass Studiengebühren letztlich bei einem richtigen System zu den richtigen Konsequenzen führen, wie wir sie uns vorstellen. Aber darüber können wir noch in die Debatte eintreten und einen fruchtbaren Dialog führen.

Jetzt noch zwei Sätze zu Frau Geywitz. Draußen auf dem Parkplatz steht ein Auto, auf dem steht: „Klare Worte“. Genau diese klaren Worte habe ich in Ihrem Redebeitrag etwas vermisst. Sie haben zwar richtig die Bedenken erkannt, die auch wir bei den Studiengebühren haben - ich sehe hier zwischen uns viele Gemeinsamkeiten -, allerdings fehlen mir ein wenig die klaren Konsequenzen, die Sie aus diesen Bedenken ziehen.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Sie haben zwar Ihren Parteitagsbeschluss angesprochen - Herr Schulze! -, jedoch muss ich sagen: Obwohl es diesen Parteitagsbeschluss gibt, wird er von der SPD - leider - nicht so klar in der Öffentlichkeit vertreten.

Herr Niekisch, vielleicht noch einen Satz zu der Aktion an der Universität Potsdam: Der Ministerpräsident hat sich geweigert, einen Parteitagsbeschluss der SPD noch einmal coram publico zu bestätigen. Das ist eigentlich das Schlimme,

(Widerspruch des Abgeordneten Schulze [SPD])

dass sich der Landesvorsitzende der SPD nicht hinter den Beschluss seiner eigenen Partei stellt.

(Beifall bei der PDS)

Ich sehe also durchaus Gemeinsamkeiten mit der SPD, was die Bedenken bezüglich Studiengebühren angeht. Ich glaube, dass wir mit der heutigen Debatte eine gute Grundlage für eine weitere Debatte zum Thema Studiengebühren haben werden. Dabei können wir dann sicherlich auch noch einmal über Berlin reden. Denn in Berlin - das muss ich noch einmal ganz klar feststellen - gibt es eine klare Beschlusslage, und zwar sowohl von der SPD als auch von der PDS als auch im Koalitionsvertrag. Wenn der Koalitionsvertrag nun einmal nur bis 2006 gilt,

dann kann in ihm auch nur bis 2006 festgeschrieben werden, dass es keine Studiengebühren gibt.