Lieber junger Kollege von der DVU, früher hat man Ihnen vorgeworfen, Ihre Reden würden in München geschrieben. Dass Sie heute einen Abriss von Herrn Jürgens bringen und Ihre Reden jetzt bei der PDS in Potsdam geschrieben werden, war mir neu.
Drittens ein Hinweis an die Kollegin von der SPD-Fraktion: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sollte man nicht kritisieren, sondern respektieren, egal ob bezüglich des Zuwanderungsgesetzes oder des Verbotes, bundesweit Studiengebühren zu erheben. Ich bin wirklich froh darüber, dass das Bundesverfassungsgericht Frau Bulmahn und der rot-grünen Bundesregierung dieses zentralistische Instrument aus der Hand geschlagen hat und wir auf föderaler Ebene in den Bundesländern die Freiheit haben, selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen, ob wir Studiengebühren einführen oder nicht.
Sicherlich - das muss man offen sagen - haben wir es in unserer Koalition nicht unbedingt leicht. Im Sommer des Jahres 2004 ist unser Partner mit einem klaren Nein in den Wahlkampf gegangen. Wir haben gesagt, wir sind offen, wenn die Entscheidungen sozialverträglich sind und den Studenten und Hochschulen in Brandenburg nutzen.
Dann kam der 15. Januar 2005, der Neujahrsempfang an der Potsdamer Universität, an dem der Ministerpräsident die Ehre hatte, die Grußworte der Landesregierung zu überbringen, und an dem er dem Ansinnen der Studenten, zu unterschreiben, keinesfalls Studiengebühren zu erheben, widerstand und diesen Showeffekten nicht aufgesessen ist, wie er sagte.
Dann gibt es aber Aussagen, auch das muss man hier klar betonen, um einen „Konsens und eine Sprachfähigkeit über den Ernst der Lage herzustellen“. Es gibt eine südbrandenburgische Abgeordnete - die ansonsten nicht gerade auffällt -, die in Leserbriefen an die „Lausitzer Rundschau“ behauptete, die SPD werde es niemals wollen, denn das würde ja 650 Euro pro Monat bedeuten. - Hierzu wurde, glaube ich, den Menschen nicht unbedingt die Wahrheit ins Gesicht gesagt. Wenn solche Überlegungen angestellt werden, handelt es sich um die Summe von 500 Euro pro Semester. Diesbezüglich besteht Klärungsbedarf. Hier müssen wir gemeinsam Wahrheiten finden und vertreten.
Meine Damen und Herren, internationale Vergleiche sind gut, aber schlechte Beispiele sollten wir uns nicht zum Vorbild neh
men. Wenn in Österreich die Einführung von Studiengebühren eine Steigerung von 10 % für die Studenten und Universitäten gebracht hat, welche jedoch später von den Finanzministern kassiert worden ist, dürfen wir unserer Koalition und unserem Finanzminister so etwas nicht erlauben. Grundsatz muss sein: Wenn wir Studentinnen und Studenten sowie auch deren Eltern belasten, müssen die 500 Euro pro Semester wirklich den Hochschulen und Studenten zugute kommen und dürfen nicht im Haushalt untergehen. Ansonsten würde ich meine Stimme niemals für Studiengebühren hergeben.
Sicherlich werden unterschiedliche Modelle diskutiert. Die Wissenschaftsministerin wird noch im Einzelnen darauf eingehen.
Schauen Sie einmal die Leistungsbilanz im Land Brandenburg an. Wir sind ein neues bzw. junges Bundesland und haben bei der Leistungsbilanz ein Minus von ca. 50 %. Süditalien - eine Problemregion der Welt - hat 18 % und die Problemregion Israel 13 %. Diese Summen fehlen, um aus eigener Kraft bestehen zu können.
Zum Arbeitsmarkt: Wir haben Arbeitsmarktzahlen, die mit denen von Weihnachten 1931 vergleichbar sind. Diesbezüglich sind wir auch nicht konkurrenzfähig. Es betrifft auch den Wissenschaftsund Forschungsbereich. Also müssen wir überlegen, wie wir Zukunftschancen für junge Menschen schaffen, damit sie nach einem Studium bessere Berufsaussichten haben und mehr verdienen können. Sie müssen sozial so abgefedert werden, dass nicht etwa 75 % der Bevölkerung, die kein Abitur ablegen, nicht studieren und schlechtere Berufschancen bzw. schlechtere Verdienstmöglichkeiten haben, dies mit Steuern bezahlen.
Bei uns studieren nur etwa 20 % der Kinder aus Elternhäusern, die Abitur gemacht haben. Es liegt eben nicht daran, dass es bei uns keine Studiengebühren gibt, sondern es liegt am Bewusstseinsstand und an mangelnder Aufklärung.
Ich möchte noch eines sagen: Wenn in Berlin die PDS und leider auch die SPD, vertreten durch Herrn Flemming, daran denken, eine Insel zu schaffen und eine finanzpolitische Mauer zu ziehen - jedes Landeskind aus Bayern, Bremen oder Brandenburg, das möglicherweise dort studiert, muss von der Landesregierung einen Ausgleich gezahlt bekommen -, dann finde ich, dass das keine offene freie Gesellschaft mehr ist, sondern an eine Transitoder Postpauschale erinnert; das ist sozialistische Wegelagerei.
dass maßvolle Studiengebühren ein großes Besiedelungsprogramm für unsere Universitäten bzw. Hochschulen nach sich ziehen.
Studiengebühren, eigene Verantwortung übernehmen, auch ein Opfer bringen - das ist „Erneuerung aus eigener Kraft“ pur, meine Damen und Herren.
Deswegen lassen Sie uns darüber reden und streiten, wie wir es sozial gerecht regeln, dass nicht die von ihrem Einkommensund Ausbildungsniveau her unteren Schichten die oberen Regionen der Pyramide tragen. Das ist unser Anspruch, denn wir müssen mit unserem Wissenschafts- und Forschungsstandort konkurrenzfähig sein und die Chancen junger Menschen erhöhen und nicht verringern. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Niekisch. - Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Prof. Dr. Wanka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema lautet „Studiengebührenfreiheit im Land Brandenburg“. Die These aufzustellen, Studiengebühren sind gut oder Studiengebühren sind schlecht, ist schlichtweg Unfug. Es hängt davon ab, wie das System ist. Beides ist möglich: Studiengebühren können extrem negativ, können aber auch sehr positiv sein.
Wie sieht die Situation in Deutschland aus? In Deutschland gibt es keine Studiengebühren für das Erststudium - es ist gebührenfrei - und es existiert seit vielen Jahren ein BAföG-System. Die Folgen davon zeige ich an drei Punkten auf, die typisch sind:
Erstens: Wir haben eine soziale Auslese. Nur 12 % der Studierenden an Hochschulen stammen - wie Sie es erwähnt haben - aus sozial schwächeren Schichten. Das ist in den letzten 20 Jahren so entstanden. Hingegen stieg in derselben Zeit der Anteil der Studierenden aus sozial höheren Schichten auf 37 %. 72 % aller Beamtenkinder studieren. Das heißt: Wir haben eine Exklusivität beim Studium und keine Gerechtigkeit.
Zweitens: Bildungsbeteiligung. Im OECD-Durchschnitt studieren 51 % eines Altersjahrganges, in Deutschland sind es nur 37 %. In Deutschland wird im Schnitt sechs Jahre lang studiert. Im OECD-Durchschnitt sind es fünf Jahre, wobei viele Länder mit Studiengebühren dabei sind. Das heißt, das ist keine besonders gute Situation.
Drittens: Studieren in Deutschland ist für Studenten nicht einfach. Die letzte Studie von HIS zeigt, dass 25 % - also ein Viertel aller jungen Leute - ihr Studium abbrechen. Es gibt einen ganzen Komplex von Gründen für den Studienabbruch. Zu den drei wichtigsten Gründen zählen die finanziellen Schwierigkeiten während des Studiums. 63 % unserer Studierenden müssen nebenher arbeiten. Es wurde eine Bilanz darüber aufgestellt, wie ein Student sein Studium finanziert: zu 51 % durch die Eltern und zu 30 % durch eigenes Arbeiten. Wir sagen: Die Möglichkeit, akademische Bildung zu erwerben, darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Aber genau das ist die Situation in Deutschland.
- Ich rede! - Wenn man in dieser Situation einfach sagt, jetzt kommen Studiengebühren oben drauf, dann verschärft man die Situation und Studieren ist nicht mehr günstig. Das aber ist nicht die Position der Landesregierung.
Gerade weil die Situation, die ich eben beschrieben habe, so schlecht ist, besteht die Notwendigkeit, ein anderes System der Studienfinanzierung völlig unabhängig davon einzuführen, ob es Studiengebühren gibt oder nicht. Diese Notwendigkeit besteht schon seit Jahren. Es gibt gute Möglichkeiten, dies umzusetzen. Ich möchte meine Vorzugsvariante charakterisieren, die es in den nordischen Ländern - in Schweden, Dänemark, Norwegen, zum Teil auch in den Niederlanden und Australien gibt: Dort erhält jeder Student - unabhängig vom Elterneinkommen - eine bestimmte Sockelfinanzierung vom Staat, die er nicht zurückzahlen muss. In Schweden sind es zum Beispiel 275 Euro pro Monat.
In Deutschland ist errechnet worden: Wenn Vergünstigungen wie Kindergeld und Steuerfreibeträge gespart würden, könnte kostenneutral jedem Studenten unabhängig vom Einkommen der Eltern monatlich Geld in etwa in dieser Höhe gezahlt werden. Dazu kommt idealerweise die Möglichkeit, ein Darlehen zu festen Konditionen und mit langen Fristen von 20 oder 25 Jahren aufzunehmen, das erst zurückgezahlt werden muss, wenn man das Studium abgeschlossen hat und Geld verdient. Wenn man in der Zeit nicht verdient, weil man keinen Job findet, zahlt man nicht zurück. An dieser Stelle - hier habe ich Ihre Logik überhaupt nicht verstanden - muss der Staat das Risiko der Ausfallbürgschaft tragen. Das ist zum Beispiel in Australien so. Hätten wir ein solches Modell, das andere Länder bereits haben, könnte auch die Frage nach Studiengebühren gestellt werden. Jedoch brauchen wir ein solches System völlig unabhängig von Studiengebühren.
Nun kann man sagen: Das kann man machen. Man hat es in Deutschland jedoch nicht gemacht, obwohl diese Modelle seit Jahren bekannt sind. Die Analyse ist seit Jahren schlecht. Allein aufgrund der Tatsache, dass wir das Urteil vom 26. Januar haben, gibt es in Deutschland Bewegung. Die KfW-Bank hat ihr System vorgestellt: Ab Herbst dieses Jahres kann ein Student erstmalig in Deutschland - wir in den neuen Bundesländern haben viele Studenten aus sozial schwachen Schichten -, der sich zum Beispiel an der Fachhochschule Lausitz einschreibt, ein Darlehen ohne jede Sicherheit von der Bank erhalten, nur weil er studienfähig ist und sich eingeschrieben hat. Er kann monatlich 650 Euro als Darlehen für seine Lebenshaltungskosten bekommen. Wenn er in einem Bundesland studieren will, in dem Gebühren erhoben werden, erhält er dieses Geld. Wenn er ein Auslandssemester absolvieren will, erhält er noch 2 500 Euro extra - und das alles zu einem Zinssatz von 4,8 %, wobei das Darlehen 25 Jahre nach Ende des Studiums nicht vorher - mit sozialen Abfederungen aller möglichen Ausprägungen rückzahlbar ist.
Weil hier die Frauen angesprochen wurden, möchte ich einen weiteren Aspekt - das ist ein Brandenburger Vorschlag - nennen. Die Rückzahlung wird beispielsweise erlassen, wenn eine Frau Kinder bekommt; 40 % der Akademikerinnen bekommen keine Kinder.
Der Vorschlag der KfW-Bank enthält keine Absicherung durch den Staat. Wenn die Bundesregierung oder die Landesregierungen bereit sind, ein Stück Risiko zu übernehmen, könnte der
Zinssatz von 4,8 % bis auf 3,4 % gesenkt werden, was jedoch eine politische Entscheidung wäre. Allerdings halte ich die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, derzeit für nicht sehr groß.
Wenn man ein vernünftiges System hat, ein Studium sozialverträglich zu finanzieren, und die Gebühren bei den Hochschulen verbleiben, was ich für zwingend halte, sowie keine Strafgebühren für Langzeitstudenten eingeführt werden, obwohl dem Finanzminister klar ist, dass dies zusätzliches Geld bringt - in Richtung PDS muss ich sagen, die Brandenburger Landesregierung hat geschafft, wofür Sie erst einen Parteitag brauchten - und keine Senkung der staatlichen Zuschüsse erfolgt, machen Studiengebühren Sinn.
Ich nenne einmal vier Punkte, die sehr einprägsam sind. Der erste Punkt betrifft die Qualität der Lehre. In Deutschland gibt man für einen Studenten im Jahr im Schnitt 10 000 Dollar aus, in den USA sind es 22 000 Dollar. Dieses Geld gibt aber nicht der Staat aus. Der Staat gibt in den USA pro Student nicht mehr aus als der Staat in Deutschland, sondern in den USA gibt es eine private Bildungsbeteiligung. Wenn wir auf diesen 10 000 Dollar „hocken bleiben“ - wir können nicht durch Umverteilung im Steuersystem auf 22 000 Dollar kommen, dann müssten wir in vielen anderen Bereichen sparen -, sind wir international nicht wettbewerbsfähig und dies angesichts der Tatsache, dass wir schon jetzt über 5 Millionen Arbeitslose haben.
Der zweite Punkt betrifft die Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Es ist ausgerechnet worden: Handwerksmeister - wie eine Friseurin - geben für ihre Ausbildung Geld aus, nachher verdienen sie und haben Steuern zu zahlen. Akademiker haben natürlich mehr Steuern zu zahlen, sind aber in der Bilanz eindeutig die Gewinner. Sie sind die Bildungsgewinner, sie haben den größten Effekt. In den letzten 30 Jahren gibt es unter den Akademikern in Deutschland, auch in Brandenburg, die niedrigste Arbeitslosenrate. Man hat die Chance, ein höheres Einkommen zu erzielen, und man hat viel größere Sicherheiten. Dies bezahlt der Steuerzahler und er bezahlt es auch in Zukunft. Zu erwarten, dass derjenige sich selbst beteiligt, der die Vorteile hat, und diese Beteiligung so zu organisieren, dass er erst zahlen muss, wenn er sein Studium abgeschlossen hat, halte ich für sozial gerecht.
Dritter Punkt: Ausgehend davon, dass keine Studiengebühren erhoben werden, stammen in Deutschland derzeit 39 % der jungen Leute, die studieren, aus Elternhäusern, in denen nicht studiert wurde. In Australien, wo es Studiengebühren gibt, sind es 46 %. In Kanada, wo es auch Studiengebühren gibt, sind es 66 %. In den Ländern, in denen Studiengebühren qualifiziert mit entsprechender Absicherung eingeführt worden sind, ist die Zahl der Studierenden gestiegen und - was für uns ganz wichtig ist - die Zahl der Studierenden aus sozial schwächeren Schichten hat auch zugenommen.
Vierter Punkt: ein höherer Stellenwert der Lehre. In Deutschland hat ein Professor einen sehr starken Vorteil, wenn er gut und forschungsstark ist. In dem Moment, in dem die Lehre stärker honoriert wird, stehen die Bedürfnisse der Studierenden mehr im Mittelpunkt. Hier wurde mehrmals Österreich erwähnt. Österreich hat vor vier Jahren Studiengebühren einge
führt und dabei fast alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Inzwischen hat Österreich korrigiert. Fakt ist in Österreich nun, dass die Zahl derer, die ihr Studium abschließen, enorm gestiegen ist. In Österreich hat früher die Hälfte der Studenten im ersten Semester überhaupt keine Prüfungen abgelegt, sondern alles hinausgeschoben. Jetzt machen 80 % der Studierenden ihre Prüfung. Die Haltung zum Studium hat sich verändert. Das muss man sicherlich genauer untersuchen. Jedenfalls haben wir eine neue Situation, in der man nicht sagen kann: Das ist gut oder schlecht. Man muss vielmehr überlegen, wie wir in Brandenburg damit umgehen. Das Urteil vom 26. Januar hat eine große Freiheit für die einzelnen Bundesländer gebracht, aber auch die Verpflichtung der Bundesländer, sich untereinander abzustimmen und Mobilität zu ermöglichen. Das geht nur - weil gesagt wurde, das gehe nicht per Zuruf der KMK-Präsidentin -, wenn alle überzeugt sind.
An dieser Stelle möchte ich, weil wir einen Antrag der Fraktion der PDS zur Aktuellen Stunde haben, die Position Berlins darstellen, die nicht unwichtig ist. Das Bundesland Berlin muss sich ja an dem Konsens beteiligen, den man eventuell erzielen kann.
Wie sieht es Berlin? Dort haben Sie politische Verantwortung; Ihr Senator sagt: In Berlin gibt es in dieser Legislaturperiode keine Studiengebühren.
- Das ist doch völlig egal. Diese Legislaturperiode geht bis Mitte des nächsten Jahres. Meine Damen und Herren, bis dahin führt nicht einmal Bayern Studiengebühren ein. Das kann man zwar sagen, aber es bedeutet nichts weiter.