Protocol of the Session on June 18, 2004

(Beifall bei der CDU)

Eine 58%ige Aufklärungsquote kann sich zweifellos sehen lassen.

Wir haben das Feuerwehrgesetz geändert, haben Brand- und Katastrophenschutz zusammengeführt und die integrierten Leitstellen angeschoben.

Wir haben gestern über den Verfassungsschutz gesprochen und heute etwas zum Rechtsextremismus gehört. Offenbar ist jetzt auf Bundesebene der Weg für das Zuwanderungsgesetz frei. Hierzu jedoch noch eine Bemerkung: Egal, wie das Gesetz gestrickt ist, es wird immer Einzelfälle geben, bei denen sich die Frage stellt: Gehört der Mensch in diese oder jene Kategorie? Kann er bleiben oder kann er nicht bleiben? Auch wenn es im Gesetz eine Härtefallregelung gibt, wird sich diese Frage stellen. Also, Herr Innenminister, brauchen wir im Lande schon eine entsprechende Kommission, die beratend tätig wird, bevor die Gerichte sprechen. Ich hoffe da auf Ihre Bereitschaft. - Es sieht so aus, als sei sie vorhanden.

Wir werden bei den folgenden Vorträgen vermutlich noch großes Wehklagen darüber hören, dass an dieser und jener Stelle gespart und gestrichen werden muss und wir mit der Haushaltskonsolidierung noch nicht weiter gekommen sind. Beide Forderungen widersprechen einander und sind nicht besonders „regierungsfähig“.

(Zuruf von der PDS: Und warum sollen die Leute euch wählen?)

Das war Aussage 1. Aussage 2, Herr Innenminister oder Herr Landesvorsitzender - so sage ich in dem Fall besser -: Diese Feststellung war keine Koalitionsaussage.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Fritsch und erteile nun der Fraktion der PDS das Wort. Herr Abgeordneter Prof. Dr. Bisky, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden nicht verwundert sein, dass ich die Märchenstunde, die die Taten der Landesregierung in besonders hellem Licht erstrahlen lassen soll, nicht fortsetzen möchte.

(Lebhafter Beifall bei der PDS)

Erst vor wenigen Tagen haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ja eine Quittung ausgestellt bekommen, ebenso Sie, meine Damen und Herren von der SPD. Sagen Sie bitte nicht, das habe nur an Europa gelegen. Wenn in Brandenburg die Wahlbeteiligung so gering wie nirgendwo sonst ist, liegt das nicht nur an Europa.

Diese Koalition hatte am vergangenen Sonntag in den Wahllokalen ganz real noch 10 % der Brandenburgerinnen und Brandenburger hinter sich und ich warne davor, dass Sie jetzt versuchen, den restlichen 90 % mit einer Selbstloborgie weiszumachen, dass sie sich geirrt hätten.

(Beifall bei der PDS)

Damit wir uns nicht missverstehen: Ich baue darauf, dass im

Herbst, wenn es um den neuen Landtag geht, wieder mehr Brandenburgerinnen und Brandenburger zur Wahl gehen. Ich hoffe darauf und ich habe keinen Grund, dies zu fürchten. Was am letzten Wochenende geschehen ist, ist ein Denkzettel für uns alle, auch für meine Partei, eine Ermahnung zu Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein und vor allem zu Konsequenz und Realismus. Sozial gerecht statt selbstgerecht!

Manche sagen nun: Neues Spiel - neues Glück. - Nein, so einfach wird es für niemanden von uns sein. Die Auseinandersetzungen gehen in die nächste Runde und an deren Ende wird wiederum gewählt und gewogen. Was am Ende dabei herauskommt, wird wesentlich davon abhängen, wie jeder von uns mit dem Ergebnis vom letzten Sonntag umgeht. Mit Bluffen allein wird man nicht vorankommen. Eine nüchterne Bilanz ist unverzichtbar.

Frau Enkelmann wird unsere alternativen Projekte für die Zukunft vorstellen. Ich konzentriere mich auf die Bilanz.

(Oh! bei SPD und CDU)

- Ihnen wird das Lachen noch vergehen. - Sie sieht folgendermaßen aus: 1991 gab es in Brandenburg noch das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner in Ostdeutschland, heute gibt es den geringsten Anstieg im Vergleich zu anderen ostdeutschen Flächenländern.

Weniger als ein Drittel aller Brandenburgerinnen und Brandenburger ist in ein Beschäftigungsverhältnis eingebunden. In keinem anderen ostdeutschen Land fällt diese Quote niedriger aus. Nirgendwo in Deutschland drängen sich so viele Bewerber um einen freien Job wie im Land Brandenburg - nämlich 30.

Brandenburgs Schülerinnen und Schüler sind nur ungenügend auf die Zukunft vorbereitet. Das belegen PISA und IGLU. Damit büßen sie gegenüber Altersgefährten aus anderen Bundesländern Chancen ein - kein Wunder in dem Land mit den niedrigsten Bildungsausgaben pro Schüler und mit immer weniger Schulen.

Noch nie hat die öffentliche Hand in Brandenburg einen geringeren Anteil des Landeshaushalts in Investitionen gesteckt. Gerade einmal ein Fünftel ist es noch.

Noch nie waren die Kommunen so schlecht gestellt wie jetzt und doch wird die Gesamtverschuldung des Landes allein in der ablaufenden Wahlperiode um rund 5 Milliarden Euro steigen.

Zugleich erleben wir eine Verschwendung, die einem die Haare zu Berge stehen lässt - Chipfabrik, CargoLifter, Lausitzring, Flughafen Schönefeld. Gigantische Summen an Steuergeldern werden in den märkischen Sand gesetzt. Von den versprochenen Arbeitsplätzen keine Spur. Die CDU-Wirtschaftsminister haben es nicht besser gemacht als die sozialdemokratischen, sondern ihre Vorgänger in dieser Hinsicht weit übertroffen.

(Beifall bei der PDS)

Der ländliche Raum verödet. Der Trend zur Verarmung, zur Überalterung und zur Entvölkerung ist nicht gestoppt. Hier und da gibt es Leistungszentren im Land Brandenburg; das übersehen wir nicht. Doch ihre Ausstrahlung bleibt auf die unmittel

bare Umgebung beschränkt. Mit dem Speckgürtel ist Berlin nach Brandenburg hineingewachsen. Eine neue, eine brandenburgische Perspektive hat unser Land den Menschen dort noch nicht gegeben.

Politische Debatten über eine Fusionsperspektive 2006/2009 bieten keine Antwort auf das eigentliche Problem. Das Land, die Region verliert an innerem Zusammenhalt. Die Politik hat sich von den Bürgerinnen und Bürgern getrennt. Sie werden zu Zuschauern gemacht. Die SPD/CDU-Mehrheit reduziert den Landtag zum Gefolgsorgan der Landesregierung und schottet das Parlament gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern bewusst ab, zum Beispiel mit der Weigerung, die von über 150 000 Brandenburgerinnen und Brandenburgern getragene Volksinitiative gegen Kita-Kürzungen überhaupt zu behandeln. Überhaupt zu behandeln - darum geht es.

Bei der Gemeindegebietsreform wuchsen nicht Lebensorte zusammen, sondern wurden Kommunen häufig obrigkeitsstaatlich und zentralistisch aufgelöst und neu geordnet.

Die Medienstadt Babelsberg sieht nicht so aus, wie man es geplant und immer wieder versprochen hatte, und wenn ich den Presseberichten glauben kann, ist jetzt gar das Filmorchester bedroht. Ich hoffe, der Landesregierung fällt da etwas ein.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Mit vielen seiner Probleme steht Brandenburg nicht allein, steht auch der Osten nicht allein. Soziale Einschnitte bedrängen die Menschen in Ost und West, grenzen mehr und mehr von ihnen aus, nehmen ihnen Lebenschancen und Sicherheiten im Alter wie im Krankheitsfall, bei der Jobsuche und im Kampf um den täglichen Lebensunterhalt. Vieles wird teurer, vieles wird schlechter. Die finanziellen Spielräume der öffentlichen wie der privaten Haushalte verringern sich.

Die Massenarbeitslosigkeit aber ist geblieben. Perspektiven sind Mangelware. Die SPD/CDU-Koalition in Brandenburg hat der dafür verantwortlichen faktischen großen Koalition auf Bundesebene nichts entgegenzusetzen und sie hat dem auch nichts entgegensetzen wollen - anders übrigens als die häufig hier kritisierten rot-roten Koalitionen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin.

Brandenburg und seine Politiker als Flaggschiff und Lotsen des Ostens im wiedervereinigten Deutschland - diese Zeiten sind vorbei, nicht, weil Matthias Platzeck das nicht packt, er packt es nicht, weil sich die Zeiten verändert haben. Deshalb ist Realismus angesagt.

Wir bemerken sehr wohl Ihre Suche nach neuen Leitbildern für Brandenburg, Herr Ministerpräsident, und wir würdigen durchaus, dass Sie dabei nicht nur nach Bayern und Irland schauen.

Aber die Zeit der Deutungen und Symbole ist vorüber. Jetzt muss mit Bezug auf den konkreten Weg Brandenburgs in die Wissensgesellschaft zugepackt werden, wenn die zurückliegenden 15 Jahre nicht umsonst gewesen sein sollen und die bevorstehenden 15 Jahre genutzt werden sollen. Sagen Sie uns nicht, was Sie machen wollen, Herr Ministerpräsident, sondern sagen Sie uns vor allem, was Sie anders machen wollen - darum geht es -, anders auch als Ihr jetziger Koalitionspartner; denn Man

fred Stolpes vor fünf Jahren getroffene fatale Einschätzung, hier könne man sozialdemokratische Politik am besten mit der CDU machen, hat in der Konsequenz nicht nur die SPD auf das damals blamable Zustimmungsniveau der Union gebracht, sondern auch einen Kurs eingeleitet, der das Land sozial-, wirtschafts- und finanzpolitisch in den Abgrund treibt.

(Beifall bei der PDS)

Das Klima von Toleranz, Offenheit und Liberalität wurde seit dem Regierungseintritt der CDU Stück für Stück von V-Leuten-Affären und Fußfessel-Debatten, von Verweigerung gegenüber dem Zuwanderungsgesetz und von Hasstiraden gegen die „kleine DDR“, wie das genannt wurde, oder die vermeintliche „DDR-Mentalität“ im Lande zerfressen.

Während Bundesregierung, Bevölkerungsmehrheit Ost und mit ihr die PDS und eben auch die SPD sich dem Irak-Krieg verweigerten, dienten Jörg Schönbohm und die Seinen das Land Brandenburg den USA als Teil der „Koalition der Willigen“ an.

(Zuruf des Abgeordneten Bartsch [CDU])

Gemeinsam beendeten SPD und CDU den Traum vom selbstbewussten Brandenburg bei jeder Bundesratsentscheidung, die die negativen Auswirkungen der Hartz-Gesetze oder der Steuerreform auf Ostdeutschland billigend in Kauf nahm.

Sie haben wahrlich keinen Anlass, den Brandenburgerinnen und Brandenburgern Dankbarkeit und neuerlichen Vertrauensvorschuss abzuverlangen. Von zehn ursprünglichen Mitgliedern des Kabinetts sind noch drei vorhanden, sieben haben das Kabinett verlassen. Das ist immerhin eine hohe Quote. Aber es ist vielleicht noch nicht das Ende. Ich bleibe da Optimist.

(Beifall bei der PDS)

Da Sie sonst niemand lobt, ersetzen Sie die entstandene Lücke mit Eigenlob, als Bezug ein Filmtitel: Das ist der große Bluff.

Abschließend habe ich noch eine Bitte. Hier und anderswo kann man große Plakate lesen mit dem Slogan „Brandenburg ist sexy“. „Oha!“, sage ich. Schaue ich mal runter, dann sehe ich, dass das von der Brandenburg-Partei ist und die Brandenburg-Partei CDU macht natürlich keinen Populismus, sondern da atmet immer tiefer deutsche Philosophie. Junge Union mit „Brandenburg ist geil“ lasse ich da einmal beiseite.

(Zuruf des Abgeordneten Bartsch [CDU])

Ich habe dennoch eine Bitte an Sie, Herr Innenminister: Bitte keine sexuellen Belästigungen auf dem Weg zum Arbeitsplatz! - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS - Zurufe von der CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Prof. Dr. Bisky und gebe das Wort der Fraktion der CDU. Bitte, Frau Abgeordnete Blechinger.