Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion möchte ich eingangs ausdrücklich feststellen, Herr Minister Baaske, dass es bei dieser Großen Anfrage nicht darum geht, die Landesregierung zu beschäftigen, sondern darum, die Landesregierung auf Probleme der Behindertenhilfe in diesem Lande aufmerksam zu machen. Wie die Antworten zeigen, ist dies auch nötig.
Im Besonderen geht es um die Förder- und Beschäftigungsbereiche an den Werkstätten für behinderte Menschen. Nach Abschluss der schulischen Förderung eines behinderten Jugendlichen muss in der Regel davon ausgegangen werden, dass die berufliche Eingliederung in eine WfbM möglich ist. Daher ist, so einhellig die Kommentatoren des Sozialgesetzbuches, IX. Buch, stets im Eingangsverfahren zunächst die Werkstattfähigkeit des behinderten Menschen unabhängig von Art und Schwere der Behinderung sowie unabhängig von seinem Pflegebedarf zu prüfen. Die Aufnahme in eine Förder- und Beschäftigungsstätte kommt ohne ein entsprechendes Votum des Fachausschusses einer WfbM nicht in Betracht.
Es ist gewollt, dass Jugendliche, für die eine Förderung in der Werkstatt selbst, also im unmittelbaren Arbeitsprozess, nicht oder noch nicht möglich ist, in Einrichtungen und Gruppen betreut werden müssen, die der Werkstatt angegliedert sein sollen. Die Betonung liegt hierbei auf „der Werkstatt angegliedert“. Auf diesem Wege bekommen Menschen mit Behinderungen im Förder- und Beschäftigungsbereich ein Gefühl der Zugehörigkeit zum Arbeitsleben und damit ein Stück Integration.
Die in Förder- und Beschäftigungsstätten anzubietenden Maßnahmen haben das Ziel, durch Förderung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen die für ihn erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen, auf Maßnahmen der Teilhabe am Arbeitsleben vor allem in WfbM vorzubereiten, die pflegerische Versorgung sicherzustellen, angemessene tagesstrukturierende Hilfen für die aus der Werkstatt aus Leistungs- oder Altersgründen ausgeschiedenen Menschen anzubieten.
Daraus ergeben sich im Einzelnen, so der Wille des Gesetzgebers, folgende vom Träger der Sozialhilfe zur Verfügung zu stellenden Leistungen: Förderung, Erhalt und Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten im persönlichen und lebenspraktischen Bereich, Entwicklung des Sozialverhaltens, Mobilitätstraining, Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten mit dem Ziel der Eingliederung in eine WfbM und eine pflegerische Versorgung.
- Sie haben es ja fast überstanden, meine Damen und Herren. Ich bitte Sie aber doch, bei diesem Thema zuzuhören.
Dieses Zusammenspiel von Werkstatt und einem der Werkstatt bei Bedarf sozusagen vorgelagerten Förder- und Beschäftigungsbereich ist eine zeitgemäße behindertenpädagogische Er
kenntnis, die Eingang in das Sozialgesetzbuch, IX. Buch - Teilhabe und Rehabilitation von behinderten Menschen -, gefunden hat.
Die Landesregierung stützt sich hingegen ausschließlich und immer wieder auf §§ 39 und 40 BSHG, die mehr als 40 Jahre alt sind. Dagegen sollte sich eine zeitgemäße Behindertenpolitik vor allem auf die gesetzlichen Bestimmungen des SGB IX stützen.
Mit Rundschreiben vom Dezember 2002 hat die Landesregierung bzw. das Landesamt für Soziales und Versorgung die Voraussetzungen für einen Besuch des Förder- und Beschäftigungsbereichs verändert. Dies hat seit 2003 auch praktische Folgen dergestalt, dass eine Reihe behinderter Menschen nicht mehr im FBB, sondern in den Wohnstätten betreut wird. Dies ist übrigens auch dem Ministerium bekannt und wird zudem in der Antwort auf die Große Anfrage deutlich. Die Landesregierung behauptet einen Vorrang von behinderten Menschen, die nicht in einer Wohnstätte, sondern in der eigenen Häuslichkeit leben. Anders ausgedrückt: Plätze im FBB sollen zuerst jene Jugendlichen erhalten, die noch bei den Eltern leben, und erst dann die Bewohner von Wohnstätten.
Dieser Vorrang ist weder durch das BSHG noch durch das SGB IX gedeckt. Die Landesregierung begründet ihr Vorgehen mit dem Ziel der Entlastung der Eltern. Meine Damen und Herren, das wollen Sie hoffentlich so nicht ernsthaft stehen lassen.
Vorrangig geht es doch wohl um die behinderten Menschen, um die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Ziel der Maßnahmen ist die Vermittlung von lebenspraktischen Fertigkeiten und sozialem Verhalten. Ob diese Ziele im häuslichen Bereich oder in der Wohnstätte besser zu realisieren sind, ist zumindest diskussionswürdig. Viele Wohnstätten sind personell und sächlich gar nicht in der Lage, das zu leisten, was bisher im FBB geleistet worden ist.
Das Entscheidende ist jedoch, dass die Integration, die Gleichstellung auf der Strecke bleibt, wenn Wohnen und Beschäftigung für die behinderten Menschen nicht auch räumlich getrennt werden. Oder können Sie sich vielleicht vorstellen, dass Wohnen, Essen, Arbeit, Freizeit, Schlafen in den gleichen Örtlichkeiten stattfinden?
Das Zwei-Milieu-Prinzip der modernen Behindertenpädagogik, an dem aus fachlichen Gründen auch ich festhalte, bedeutet nicht, wie die Landesregierung behauptet, den Anspruch behinderter Menschen auf tagesstrukturierende Maßnahmen, sondern bedeutet, wie der Name schon vorgibt, eine klare Trennung von Wohnen und fördernder Beschäftigung.
Diese Auffassung hat auch die Landesregierung noch vor sechs Jahren vertreten. Da wurde zum Beispiel in Hönow ein Förderund Beschäftigungsbereich an der Wohnstätte gebaut, weil den dort Wohnenden längere Anfahrtwege nicht zuzumuten waren. Dort wurden die Bedingungen aber so gestaltet, dass Wohnen und Förderung bzw. Beschäftigung örtlich voneinander getrennt sind. Dies ist ein Stück Gleichstellung und Integration. Dies ist die Umsetzung des Zwei-Milieu-Prinzips.
Wenn der überörtliche Sozialhilfeträger unter Zwei-MilieuPrinzip allerdings versteht, dass die behinderten Wohnstättenbewohner auch einmal spazieren gehen, ansonsten aber alles in
Die Fragen 10 bis 13 will oder kann die Landesregierung offensichtlich nicht beantworten. Worum geht es?
Wir möchten gern dargestellt haben, ob und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen eine Förderung in der Wohnstätte gewährleistet ist, weil wir, wie gesagt, begründete Zweifel daran haben, dass die Förderung in der Wohnstätte angemessen und sinnvoll ist. Welche personellen Voraussetzungen, welche räumlichen Vorgaben, welche sächlichen Voraussetzungen, welche Konzepte gibt es und gibt es überhaupt Förderpläne dafür? - Leider keine Aussagen. In dem erwähnten Rundschreiben werden aber genau diese Voraussetzungen benannt, dies allerdings ohne jede inhaltliche Untersetzung.
Die Landesregierung erwartet keine Einsparungen und die Plätze im Förder- und Beschäftigungsbereich an den Werkstätten sollen mittelfristig auskömmlich sein. Da fragt sich doch jeder, warum denn dann Menschen aus dem Förder- und Beschäftigungsbereich herausgenommen werden und in den Wohnstätten betreut werden sollen, wo die Voraussetzungen überhaupt noch nicht durchgängig gegeben sind. Das alles verstehe, wer wolle.
Die gesamte Antwort der Landesregierung hat insofern bestehende Unsicherheiten und Unklarheiten leider nicht gelöst. Wie sich die WfbM und der Förder- und Beschäftigungsbereich entwickeln sollen, was sie für wen an Integrationsleistungen erbringen sollen, bleibt leider offen. Wir waren in diesem Land schon einmal weiter. - Danke.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zu später Stunde haben sich zwei Gäste, die wir gut kennen, hier eingefunden. Wir begrüßen unsere Ehemaligen, Herrn Ludwig und Herrn Franck, die den Beratungen zu den letzten Tagesordnungspunkten unserer heutigen Sitzung noch beiwohnen möchten. - Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Bednarsky, warum Sie diese Große Anfrage gestellt haben, hat sich uns nicht ganz erschlossen, weil Sie dieselben Fragen, die Sie hier stellen, schon im Ausschuss gestellt haben und dort auch dieselben Antworten bekommen haben. Am Ende ist ja auch mehr eine Kleine Anfrage mit kleinen Antworten herausgekommen.
Ich fasse das noch einmal zusammen: Die Antwort auf Ihre Große Anfrage zeigt, dass Ihre Bedenken unbegründet sind.
Erstens: Menschen mit Behinderungen werden nicht aus dem Förder- und Beschäftigungsbereich gedrängt.
Zweitens: Bei Plätzen in Tagesförderstätten belegt Brandenburg bundesweit den vierten Platz. Wenn man die Besonderheiten der beiden Stadtstaaten, die vor uns liegen, herausnimmt, dann ist von den Flächenländern nur das Saarland besser. Ich meine, das ist eine gute Bilanz, die auch Sie anerkennen können, wenn Sie wollen.
Drittens: Der Rechtsanspruch behinderter Menschen auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wird auch in Brandenburg eingelöst, wenn auch auf vielfältigere Weise, als Sie das vielleicht interpretieren oder sehen möchten.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass ich den Prozess nach der Wende ebenfalls sehr kritisch begleite. Das wissen Sie auch. Es gibt Bereiche, in denen wir richtiggehend einen Quantensprung nach vorn gemacht haben. Das ist zum Beispiel der Bereich der Behinderten. Ich finde, das sollten Sie persönlich und die PDS-Fraktion auch einmal anerkennen,
weil es schlicht und einfach so ist. Der frühere Zustand spottete einfach jeder Beschreibung. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Kuhnert. - Das Wort erhält die Fraktion der DVU. Frau Abgeordnete Fechner, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Genossen der PDS, ich freue mich immer wieder, wenn ich höre und sehe, wie Sie Ihr Herz für die Behinderten entdecken. Schade nur, dass Sie es vor etlichen Jahren nicht entdeckt haben, als Sie noch unter SED regierten.
Aber wir wollen ja hier nicht über die Vergangenheit, Herrn Vietze & Co., reden. Reden wir also über die Große Anfrage „Die Zukunft der Förder- und Beschäftigungsstätten im Bereich der Behindertenhilfe“.
Wenn ich die Antworten der Landesregierung richtig interpretiere, dann haben die Genossen der PDS einfach nur ein Rundschreiben des LASV falsch verstanden und deswegen diese Große Anfrage gestellt.
Doch kann ich auch verstehen, dass man der Landesregierung ein gewisses Misstrauen entgegenbringt. Die Stolpe-Regierungen haben Brandenburg so hoch verschuldet, dass die Landesregierung keine Möglichkeiten mehr hat und auf Teufel komm raus sparen muss. Skrupel gibt es da nicht mehr. Gerade bei den Schwächsten wird der Rotstift angesetzt. Die behinderten Brandenburger gehören leider in diese Kategorien und wären