Protocol of the Session on June 16, 2004

lichen auf drei Säulen: Opferschutz, Eigensicherung und Rechtsklarheit. Die beabsichtigten Regelungen machen die Maßnahmen der Polizei besser vorhersehbar und erreichen auf diesem Wege auch einen klaren Abschreckungseffekt. Dies gilt insbesondere für das neue Wohnungsverweisungsrecht, die videogestützte Dokumentation von polizeilichen Fahrzeugkontrollen und die Einführung der Elektroimpulsgeräte. Wer genau weiß, welche Folgen sein Gefahren verursachendes Verhalten auslösen kann, wird sein Handeln überdenken. Hieraus ergibt sich ein präventiver Aspekt und damit ein Sicherheitsgewinn für jeden Einzelnen, auch für die Polizeibeamten in unserem Land.

Lassen Sie mich einige Bemerkungen zu den Regelungen im Einzelnen machen.

Wohnungsverweis und Rückkehrverbot bei häuslicher Gewalt: Soweit die Polizei in Fällen häuslicher Gewalt bislang zur Streitschlichtung gerufen wurde, hat sie dem Geschehen nicht tatenlos zugesehen, sondern so manchen Haustyrannen per Platzverweis vor die Tür gesetzt. Aber es gab bei den Beamten oft Unsicherheiten über den Umfang der Wegweisungsbefugnis und zum Rückkehrverbot. Mit dem nunmehr vorliegenden § 16 a wurde eine klare Eingriffsbefugnis für die Polizei geschaffen, auf deren Grundlage die Verursacher häuslicher Gewalt bis zu einer richterlichen Entscheidung über zivilrechtlichen Schutz aus der Wohnung verwiesen und ein Rückkehrverbot ausgesprochen werden kann. Kurz ausgedrückt: Wer prügelt, verlässt die Wohnung.

Videoaufnahmen und Polizeikontrollen zur Eigensicherung: Personen- und Fahrzeugkontrollen stellen für Polizeibeamte ein besonderes Sicherheitsrisiko dar, weil es immer wieder vorkommt, dass sie bei dieser Maßnahme unvermittelt angegriffen und verletzt werden - bis hin zur Tötung. Unrühmlicher Höhepunkt war das Jahr 2000, in dem in Deutschland insgesamt acht Polizeibeamte im Dienst durch Angriffe zu Tode gekommen sind. Vor diesem Hintergrund haben wir für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Polizei die Möglichkeit geregelt, Personen- und Fahrzeugkontrollen zur Eigensicherung per Video aufzuzeichnen. Nach den bisherigen Erkenntnissen aus einem Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz im Jahr 2001 neigen die Betroffenen im Bewusstsein einer Videoaufzeichnung einer Kontrollmaßnahme zu weniger Aggressionen.

Aufzeichnung von Notrufen: Durch die Anrufaufzeichnung soll eine effektive Gefahrenabwehr sichergestellt werden; denn viele Anrufer befinden sich in einer physischen oder psychischen Ausnahmesituation, sodass ihre Mitteilungen unverständlich klingen. Daneben soll durch die Aufzeichnung der Notrufe auch der Missbrauch von Notrufeinrichtungen verhindert werden.

Die Ablösung des geltenden Polizeiorganisationsgesetzes ist in dem Sinne zu sehen, dass es in das allgemeine Polizeirecht eingegliedert wird.

Mit diesem Gesetz verbessern wir die Möglichkeiten unserer Polizeibeamten. Sie haben eine klare Handlungsbefugnis und besitzen gleichzeitig Möglichkeiten, ihren gefahrvollen Dienst sicherer zu gewährleisten - für eine leistungsfähige Polizei, die damit besser in die Lage versetzt wird, ihre Aufgaben mit guten Ergebnissen zu erfüllen.

Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/7670, ab. Er bezieht sich auf Änderungen in den §§ 82 bis 86. Wer diesem Änderungsantrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit mehrheitlich abgelehnt.

Wir sind bei der Beschlussempfehlung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres in der Drucksache 3/7608 - Neudruck - folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit bei einer Reihe von Stimmenthaltungen einstimmig so beschlossen; das Gesetz ist in 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 17, um Tagesordnungspunkt 18 aufzurufen:

2. Lesung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des ÖPNV-Gesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 3/7211

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr

Drucksache 3/7609

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Frau Tack, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Meinungen zum ÖPNV-Gesetz gehen weit auseinander. Daran hat sich aufgrund der Anhörung und der Ausschusssitzung leider nicht viel geändert. Wir sind der Auffassung, dass Sie noch einmal nachdenken sollten. Deshalb haben wir zwei Änderungsanträge eingebracht. Wir sind der Meinung, dass das ÖPNV-Gesetz, wie Sie es hier verabschieden wollen, mit einem sehr großen Risiko verbunden ist. Es wird letztendlich zulasten der Menschen und ihrer Mobilitätsbedürfnisse hier im Land gehen.

In diesem Zusammenhang will ich daran erinnern: Nirgendwo auf der Welt kann ÖPNV kostendeckend angeboten werden, wenn attraktive, zuverlässige und sozialverträgliche Angebote mit Bussen und Bahnen gefahren werden sollen. Deshalb, meine Damen und Herren, gehört der öffentliche Personennahverkehr zur sozialen Daseinsvorsorge, die der Staat zu leisten hat, und dies ist ein Ausdruck sozialer Gerechtigkeit gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Mobilität für alle und überall zu sichern heißt die Aufgabenstellung für ein ÖPNV-Gesetz, und dies erfüllen Sie aus unserer Sicht sehr schlecht.

Das neue ÖPNV-Gesetz ist verbunden mit der Gefahr, dass wir einen weiteren Schritt zum Einstieg in den Ausstieg aus der Verantwortung für einen guten und umweltschonenden öffent

lichen Verkehr gehen. An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass die Statistik vermittelt hat, dass im Jahr 2003 10,5 Millionen Fahrgäste allein in Brandenburg - also nicht im gesamten Verkehrsverbund, sondern nur in Brandenburg - weniger mit Bussen und Bahnen gefahren sind als im Jahr 2002. Das sollte für uns ein Achtungszeichen sein, wenn wir den Stau auf der Straße wirklich auflösen, Mobilitätsbedürfnisse befriedigen und einen zuverlässigen, attraktiven ÖPNV schaffen wollen. Dazu müsste das Gesetz entsprechend unseren beiden Änderungsanträgen korrigiert werden.

Wir wollen nicht, was Sie gegenwärtig mit dem Gesetzentwurf tun: dass sich die Rahmenbedingungen für den ÖPNV weiter verschlechtern. Sie haben innerhalb von acht Monaten die Tarife beim Verkehrsverbund für Bus und Bahn zweimal erhöht. Sie belasten die Kommunen und die Eltern mit der Finanzierung der nach wie vor gegebenen Landesaufgabe „Schülerbeförderung“ und nun geben Sie sogar die Zukunft der kommunalen und privaten ÖPNV-Anbieter in die Hände der Freiwilligkeit der Aufgabenträger Landkreise und kreisfreie Städte und in die ungewisse Finanzierungsquelle „Regionalisierungsmittel des Bundes für die Bahn“. Das, meine Damen und Herren, ist aus unserer Sicht verantwortungslos, und zwar auch angesichts dessen, dass die aktuelle Shell-Studie - da sollte jeder noch einmal hineinschauen - auch wegen des rückläufigen ÖPNV in den Ländern, bis zum Jahre 2030 ein dramatisches Anwachsen des PKW-Bestandes ankündigt. Das ist eine Tatsache, bei der bei allen die Alarmglocken klingeln müssten mit dem Ergebnis, mehr Anstrengung für den öffentlichen Verkehr zu unternehmen, damit der prognostizierte Stau auf den Straßen gar nicht erst eintritt. Dazu brauchen wir ein zukunftsorientiertes ÖPNV-Gesetz. Der vorliegende Gesetzentwurf reicht meines Erachtens dafür nicht aus.

Stichwort Schülerverkehr: Ich habe schon gesagt, dass 10,5 Millionen Fahrgäste im vergangenen Jahr darauf verzichtet haben, Busse und Bahnen zu nutzen - das waren 7 % weniger im Linienverkehr, weil die Angebote entsprechend waren -, wobei der Rückgang im Schülerverkehr im vergangenen Jahr 6 % betrug. Mit der neuen Lösung, in diesem Jahr den Schülerverkehr durch Eltern und Kommunen zu finanzieren, wird sich die Situation dramatisch verändern. Sie wissen das, und ich hoffe, Sie haben sich genauso wie ich vor Ort sachkundig gemacht. Im Spree-Neiße-Kreis zum Beispiel - einschließlich CottbusVerkehr - haben 35 % der Eltern die Kinder abgemeldet. Das ist zu einem Teil natürlich rückläufigen Schülerzahlen geschuldet, zum anderen Teil aber auch dem sehr hohen Elternbeitrag.

Es gibt einen weiteren Grund, sich vor Ort einmal sachkundig zu machen; ich erinnere dazu an die Diskussion im Ausschuss. Natürlich gibt es - dazu fallen mir Potsdam und Cottbus ein sehr gute Verkehrshöfe, die nach der Wende entstanden sind; viele Investitionen sind realisiert worden. Aber auch diese Einrichtungen müssen in den kommenden Jahren instand gehalten werden, kosten also Geld.

Was den Wagenbestand betrifft, bitte ich Sie sehr: Schauen Sie sich vor Ort an, wie es aussieht. Viele Verkehrsbetriebe haben natürlich gleich Anfang der 90er Jahre gekauft und ihren Wagenbestand aufgerüstet. Es ist aber nun an der Zeit, auch hier Erneuerungen vorzunehmen.

Wir haben zwei Änderungsanträge eingereicht. Der eine, das Wort „freiwillige“ vor dem Wort „Selbstverwaltungsaufgabe“

zu streichen, dürfte unstrittig sein, damit die Zukunft des ÖPNV nicht der Freiwilligkeit und damit der Haushaltsentscheidung und -konsolidierung anheim fällt.

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss!

Ich komme zum Schluss. - Zu dem zweiten Änderungsantrag bitten wir Sie, konsequent zu handeln und die Finanzierung des Schülerverkehrs in das ÖPNV-Gesetz einzustellen, damit auch dieses leidige Problem vom Tisch ist. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort erhält die SPD-Fraktion. Für sie spricht der Abgeordnete Dellmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Tack, ich halte es für ein starkes Stück, dass Sie uns vorwerfen, wir würden uns nicht in der Praxis umsehen. Ich glaube, jeder, der sich mit den Busunternehmen bzw. den Aufgabenträgern in den Regionen ernsthaft auseinander setzt, hat sehr wohl einen Einblick, wie der Stand ist und was erreicht worden ist.

Es ist eben nicht so, dass sich die Positionen nicht verändert hätten. Ihre Position zum ÖPNV-Gesetz, Frau Tack, hat sich nicht geändert. Aber ich kann feststellen - auch zwischen der 1. und der 2. Lesung -, dass es bei den Aufgabenträgern und Busunternehmen inzwischen eine breite Zustimmung gibt. Ich höre niemanden mehr im Land, der sagt: Leute, dreht es bloß zurück! - Vielmehr wird gesagt: Macht es bitte! - Es gibt Bedenken, was die Frage der Selbstverwaltungsaufgabe - pflichtig oder freiwillig? - anbelangt. Aber das, glaube ich, ist ausgiebig an dieser Stelle diskutiert worden.

Diesen Paradigmenwechsel auf den Weg zu bringen war eine richtige und kluge Entscheidung. Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich noch einmal Hartmut Meyer erwähnen, der diesen Wechsel gemeinsam mit dem MSWV auf den Weg gebracht hat. Ich meine, wir setzen das jetzt konsequent um.

Frau Tack, ich traf vorhin den Oberbürgermeister von Potsdam, Jann Jakobs, und habe ihn noch einmal gefragt, ob wir es nun machen sollen oder nicht. Er hat gesagt: Natürlich, macht es bitte und beschließt heute dieses Gesetz; denn Potsdam wird statt 4,4 Millionen Euro dann ca. 8,2 Millionen Euro erhalten. Ich meine, mit 3,8 Millionen Euro mehr allein für die Stadt Potsdam kann man etwas bewegen, auch die Erneuerung des Wagenparks, Reparaturmaßnahmen an Busbetriebshöfen etc. vornehmen.

Sie, Frau Tack, sind zwar nicht verbal, aber inhaltlich absolut sprachlos.

(Zuruf der Abgeordneten Tack [PDS])

Ich hätte mit Ihnen gern über ein alternatives Finanzierungskonzept für den ÖPNV gesprochen. Hier haben Sie uns überhaupt nichts geliefert. Sie sagen nur, was alles Ihnen nicht gefällt. Sie sagen aber nicht, wie Sie es denn gern auf den Weg bringen würden. Sie haben nur zwei Punkte herausgegriffen, zu denen Sie Änderungsanträge gestellt haben, und diese sind ausgesprochen populistisch. Die Regelung des Schülerverkehrs gehört in das Schulgesetz und nicht in das ÖPNV-Gesetz.

(Zuruf der Abgeordneten Tack [PDS])

Dort ist es richtig aufgehoben. Über die andere Frage, pflichtig und freiwillig, haben wir uns bereits ausgetauscht.

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit zur Beantwortung einer Zwischenfrage?

Gern, Herr Präsident.

Herr Dellmann, auch ich habe mit dem Oberbürgermeister von Potsdam geredet, das heißt, es gibt eine schriftliche Stellungnahme im Anhörungsprotokoll. Stimmen Sie mir zu, dass, wie die Stadt Potsdam feststellt, 44 % der ÖPNV-Finanzierung zur Disposition gestellt werden könnten, wenn im Rahmen der weiteren Haushaltskonsolidierung freiwillige Aufgaben nicht erfüllt werden dürften, und dass die Stadt Potsdam also sehr wohl auf dieses Risiko hingewiesen hat und auch die Städte und Landkreise davor gewarnt haben, das Prinzip der Freiwilligkeit zur Anwendung zu bringen?

Frau Tack, auch in Potsdam besteht die Situation, dass ausgesprochen viele Aufgaben freiwillig wahrgenommen werden. Ich habe noch nicht erlebt, dass der Innenminister auf die Idee gekommen wäre, beispielsweise den Bau der Theater zu stoppen oder ähnliche Dinge.

(Zuruf der Abgeordneten Tack [PDS])

Zum Übrigen handelt es sich hier um Mittel, die keine Landesmittel sind, die zweckgebunden sind. Das sind Regionalisierungsmittel. Deshalb teile ich die Sorge nicht.

Frau Tack, wir sollten in diesem Land nicht immer, wie Sie es unheimlich gern tun, die Risiken beschwören,

(Zuruf der Abgeordneten Tack [PDS])

sondern die Chancen nutzen. Lassen Sie uns deshalb bitte auch mit diesem neuen ÖPNV-Gesetz die Chancen nutzen! Motivieren wir die Aufgabenträger, jetzt wirklich intelligent das Mehr an Geld für das Wohl der Brandenburger Bevölkerung und vor allen Dingen für die ÖPNV-Nutzer einzusetzen! - Vielen herzlichen Dank.