Form- und fristgemäß beantragt ist die namentliche Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 3/7253.
Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen, die Abgeordneten um ein klares, unmissverständliches Votum und die jeweils nicht Aufgerufenen um die notwendige Ruhe.
Hatte ein anwesender Abgeordneter keine Gelegenheit zu votieren? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte um einen Moment Geduld zur Auszählung der Stimmen.
Ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt: Für den Antrag stimmten 67 Abgeordnete, dagegen sechs. Kein Abgeordneter hat sich
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der PDS, Drucksache 3/7254. Auch hierzu ist form- und fristgerecht namentliche Abstimmung beantragt worden.
Ich bitte die Schriftführer, ihre Listen vorzubereiten. Das bereitet im Augenblick etwas Schwierigkeiten, weil die Formulare fehlen. - Ich bitte Sie auch bei dieser Abstimmung um ein klares Votum; die jeweils nicht Aufgerufenen bitte ich um die für die Abstimmung notwendige Ruhe.
Ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt: Für den Antrag stimmten 19 Abgeordnete, dagegen 44; zehn enthielten sich der Stimme. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der anfragenden Fraktion. Herr Dr. Trunschke, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bürgerbeteiligung am Haushalt - wer die Debatten in unserem Haus und die Notlage der Kommunen kennt, kann den Anspruch kaum verstehen. Worüber soll man entscheiden, wenn es nichts zu verteilen gibt? Wozu gibt es im Übrigen Parlamente, die dafür zuständig sind? - So oder ähnlich lauten die Vorwürfe, die gegen entsprechende Forderungen immer erhoben werden. Es kommt das Argument hinzu: Wir haben doch zahlreiche Mitsprachemöglichkeiten.
Die Antwort der Landesregierung zeigt deutlich: Bürgerbeteiligung am Haushalt gibt es in Brandenburg bisher fast nicht. Dennoch behaupte ich: Bürgerbeteiligung am Haushalt oder, in einem umfassenderen Sinne gesprochen, partizipative Demo
kratie wird eines der zentralen Themen der nächsten Zeit sein vielleicht noch nicht morgen, aber ganz sicher übermorgen.
Wie komme ich darauf? Zum einen macht mich die internationale Entwicklung sicher. Seit in der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre vor fast 15 Jahren zum ersten Mal der Organamento Participativo, der partizipative Haushalt, eingeführt wurde, hat er sich nicht nur dort zu einem Erfolgsmodell entwickelt, sondern sich rasant weltweit ausgebreitet, dies zunächst natürlich in Brasilien, wo inzwischen über 200 Kommunen ein ähnliches Verfahren anwenden, aber auch in Neuseeland hat fast jede Stadt den partizipativen Haushalt. Man muss aber gar nicht in die südliche Hemisphäre gehen; man kann auch nach Europa schauen. Ich nenne St. Denis, eine Vorstadt von Paris, kommunistisch regiert. Sie müssen aber nicht erschrecken, denn ein weiteres Beispiel für einen solchen Haushalt ist Barcelona, das anders regiert wird.
Auch in Deutschland finden wir inzwischen erste Ansätze. So gibt es einen Modellversuch in Nordrhein-Westfalen. Man kann nun wirklich nicht behaupten, Nordrhein-Westfalen werde kommunistisch regiert. Offensichtlich gibt es also ein darüber hinausgehendes Interesse. Selbst in unserer großen Nachbarstadt Berlin ist inzwischen die Entscheidung gefallen, dass mehrere Stadtbezirke einen solchen Haushalt einführen. Auch für Gesamtberlin ist eine entsprechende Initiative gestartet worden. Die Initiative ist dort von unten gewachsen. Inzwischen beschäftigen sich aber alle - ich sage ausdrücklich: alle Parteien damit und die parteinahen Stiftungen arbeiten sogar gemeinsam daran, was in der Bundesrepublik wirklich nicht gerade üblich ist.
Bürgerhaushalte finden also Anerkennung und das sogar von links bis rechts. Nach Porto Alegre hat sich inzwischen eine regelrechte Pilgerfahrt entwickelt. Partizipative Demokratie war ein zentrales Thema sowohl auf dem europäischen Sozialforum als auch auf dem Weltsozialforum. Die weltweite Suche nach Ergänzungen - ich sage ausdrücklich: nach Ergänzungen, nicht: nach Ersatz - zur parlamentarischen Demokratie ist im Gange. Im Kern geht es um die moderne Umsetzung einer bekannten Forderung von Willy Brandt: „Mehr Demokratie wagen“.
Der Weltwährungsfonds lobt die Effizienz des partizipativen Haushalts von Porto Alegre als herausragenden Standortvorteil. Er fordert Unternehmen ausdrücklich auf, in Städten zu investieren, in denen es ein solches Haushaltsmodell gibt. Da frage ich Sie: Warum sollten wir nicht mehr Demokratie wagen? Warum sollten wir uns einen solchen Effizienzvorteil entgehen lassen? - Deshalb hat die PDS die Große Anfrage gestellt.
Sehen wir uns nun die Antwort der Landesregierung an. Sie fällt sehr dürftig aus. Ich akzeptiere das - denn ich habe ja eingangs gesagt, wir haben in Brandenburg in der Hinsicht wirklich noch nicht viel zu bieten - mit Ausnahme des ersten Teils, in dem es darum geht, was Sie wissen und wie Sie das ausgewertet haben. Ich glaube der Landesregierung einfach nicht, dass sie nicht in der Lage ist, internationale Erfahrungen auszuwerten. Sie müssten wenigstens vorliegen. Das Internet ist voll davon. Die Goethe-Institute berichten darüber und auch Stiftungen wie die Konrad-Adenauer-Stiftung und andere beschäftigen sich damit.
„Der Landesregierung liegen keine Informationen über Erfahrungen mit dem partizipativen Haushalt vor. Daher können auch keine Angaben zu eventuellen Auswertungen vorgenommen werden.“
Ich habe hier das Schreiben aus dem Innenministerium, mit dem die Landräte und Oberbürgermeister aufgefordert wurden, ihre Informationen und Vorhaben mitzuteilen. Dort heißt es wiederum:
„In Nordrhein-Westfalen gibt es seit fast drei Jahren das Projekt Bürgerhaushalt, das mit bisher positiver Resonanz in dafür ausgewählten Modellkommunen erprobt wird.“
Was denn nun? Dafür, dass Sie keine Informationen haben, wissen Sie erstaunlich gut Bescheid, dass es erfolgreich ist. Ich frage mich nun: Haben Sie seitens der Landesregierung die Landräte und Oberbürgermeister belogen oder haben Sie uns belogen? Oder sagen Ihnen die Mitarbeiter nur nicht, was Sache ist?
Falls Sie wirklich unwissend sind, kann ich Ihnen gern Kopien der Zwischenberichte der Bertelsmann-Stiftung - davon gibt es inzwischen zwei - zur Verfügung stellen. Sie können aber auch gern ins Internet gucken. Unter www.buergerhaushalt.de finden Sie die entsprechenden Informationen. Sie können auch gern auf die Website der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg gucken. Die ist allerdings noch im Aufbau. Dort finden Sie unter www.buergerhaushalt-Brandenburg.de auch einige Informationen.
Ungeachtet dieser kleinen Kritik bin ich durchaus geneigt, die Antwort der Landesregierung positiv zu sehen, weil ich glaube, dass wir gemeinsam der Auffassung sind - egal, wie wir sonst positioniert sind -, das Vertrauen zwischen Bürgern und Politikern, zwischen Bürgern und Parteien muss wieder gestärkt werden. Bürgerhaushalte und Elemente partizipativer Demokratie sind eine Möglichkeit dazu. Deshalb freue ich mich, dass in der Antwort der Landesregierung auch zum Ausdruck kommt, dass man für solche Entwicklungen offen ist. Unsere Anfrage und die Antwort der Landesregierung sind nur ein Anfang.
Ich akzeptiere des Weiteren, dass die Landesregierung zurückhaltend ist. Wir müssen in Brandenburg einen eigenständigen Weg finden. Einfache Kopien werden uns nicht helfen.
Einverstanden bin ich auch damit, dass die Initiative von den Kommunen ausgehen soll; denn dort ist das Hauptbetätigungsfeld dafür.
Problematisch finde ich allerdings, dass die Landesregierung solche Modellvorhaben nicht anregen und fördern will, wie es eben in Nordrhein-Westfalen geschieht. Ich bestreite, dass es daran liegt, dass wir zu wenig finanzielle Spielräume haben. Keine der Städte in Deutschland, die sich daran beteiligt, hat einen ausgeglichenen Haushalt. Sie versuchen es gerade deswegen, weil sie darüber nicht verfügen. Auch von Berlin, wo eine solche Entwicklung in Gang gekommen ist, kann man nun nicht behaupten, dass es dort einen ausgeglichenen Haushalt gibt.
Sie werden sicherlich auch nicht erwarten, dass es in einer Stadt in Südbrasilien wie Porto Alegre anders ist.
Unbefriedigend ist die Antwort auf die Frage 12, was wir mit dem Landeshaushalt machen können, um dort mehr Transparenz hineinzubekommen. Niemand will die Budgethoheit des Landtags irgendwie einschränken, auch wenn ich mir manchmal gewünscht hätte, die Koalitionsfraktionen hätten diese in etwas stärkeren Maße gegenüber der Regierung wahrgenommen. Die Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten bei haushaltspolitischen Fragen, beim Haushalt sind mit dem, was wir bisher längst nicht haben, ausgeschöpft. Ein Beispiel für mehr Information, für mehr Transparenz im Haushalt wären die so genannten Budgetanalysen, wie man sie inzwischen weltweit finden kann, zum Beispiel in den USA. Es geht darum aufzuzeigen wie sich so ein Haushalt für bestimmte Lebenslagen tatsächlich auswirkt. Erst das macht den Haushalt verständlich, erst das schafft tatsächlich Transparenz.
Fragen wir uns zum Beispiel einmal: Was bedeutet unser Landeshaushalt über alle Einzelpläne, über die Ministerien, über alle Kapitel und Titel hinweg für Kinder? Das ist gar nicht so einfach herauszubekommen. Deshalb haben wir noch eine Anfrage gestellt - die müssten Sie heute in den Fächern gefunden haben -, nämlich genau danach: Was bedeutet der Landeshaushalt 2004 für Kinder?
Bürgerbeteiligung ist ein kommendes Thema. Davon bin ich überzeugt. Ich freue mich, dass die PDS das wenigstens ins Wahlprogramm geschrieben hat. Aber ich glaube, das gilt für uns alle. Sehen wir uns genau an, was in der Landeshauptstadt Potsdam, die so etwas als erste und einzige Kommune in Brandenburg beschlossen hat, passieren wird. Sehen wir uns auch an, was im weiten Land noch passiert. Auch dort sind mir einige Überlegungen bekannt, zum Beispiel in Vetschau, in Königs Wusterhausen und anderen Kommunen. Ich glaube, das wird noch eine sehr spannende Sache. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Ich danke dem Abgeordneten Dr. Trunschke und gebe das Wort der Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Schippel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat eine Anfrage an die Landesregierung gestellt, die ein durchaus modernes und zeitgemäßes Thema behandelt. Ich will das Thema „Bürgerbeteiligung am Haushalt“ auch nicht schlecht reden. Die Vorteile wurden schon genannt. Sie reichen von Transparenz über Kostenkontrolle bis zur Mitentscheidung. Ja, der Bürgerhaushalt ist ein Element, das der zunehmenden Politikverdrossenheit Einhalt gebieten kann.
Jeden dieser Vorteile kann man aber nicht allein stehen lassen. Eine kritische Würdigung tut ebenfalls gut. Lassen Sie mich gleich bei der Einleitung der Großen Anfrage anfangen. Als Paradebeispiel - das übrigens nicht nur in der Drucksache ge