Protocol of the Session on March 31, 2004

Zum anderen hat sich das Land - vornehm ausgedrückt - aus der Finanzierung des Schülerverkehrs zurückgezogen und damit die Kommunen und die Eltern belastet. Damit gehen ob der sehr hohen Fahrtkosten natürlich Fahrgäste bei den kommunalen und privaten Verkehrsunternehmen verloren. Das ist schon deutlich spürbar. Es gehen Einnahmen bei den Verkehrsunter

nehmen verloren und es werden Leistungen reduziert. Angebote werden reduziert, weil die Nachfrage aufgrund der hohen finanziellen Belastung einfach nicht mehr da ist. Im Ergebnis haben wir wieder mehr private Autos auf den Straßen und die Verkehrssicherheit auf Schulwegen birgt zunehmend größere Risiken.

Hinzu kommt: Der Verkehrsverbund wird morgen, am 01.04., innerhalb von neun Monaten das zweite Mal die Tarife erhöhen. Vor allem werden die Vielfahrer belastet, also diejenigen, die mit Monats- und Jahreskarte fahren. Dem haben alle Aufsichtsratsmitglieder im Brandenburger Verkehrsverbund zugestimmt - sowohl die Landesregierung wie auch die Landräte und die Oberbürgermeister. Dazu kommt am 01.04. auch noch, dass die Bahn ihre Preise im Fernverkehr erhöht - also alles Verschlechterungen der Bedingungen für die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger auch in Brandenburg.

Zu alldem kommt hinzu, dass die Bundesregierung die Pendlerpauschale im Rahmen der Steuergesetzgebung gekürzt hat.

Die PDS-Fraktion weist aus diesen Gründen den Gesetzentwurf der Landesregierung zurück, weil - das will ich noch einmal ganz deutlich sagen - mit diesen vorliegenden Regelungen ein Paradigmenwechsel eingeleitet werden soll. Künftig soll der ÖPNV als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe in Trägerschaft der Landkreise und kreisfreien Städte betrieben werden. Das finden wir ungeheuerlich,

(Zuruf von der SPD)

weil damit sehr viele Risiken, Herr Schippel, verbunden sind. Die Konsequenz: Bei nicht ausgeglichenen Kreis- bzw. Stadthaushalten dürfen keine freiwilligen Aufgaben finanziert werden. Das ist doch so, Herr Schippel? Auch beim ÖPNV. So besteht die Gefahr, dass die Linien und Netze nicht mehr bedient werden und es somit zu drastischen Einschränkungen des Mobilitätsrechts der Bürgerinnen und Bürger kommen kann. Aber ÖPNV - ich wiederhole es - gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Demzufolge sind diese Angebote durch den Staat vorzuhalten. Das hat auch die Brandenburger Landesregierung zu leisten.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS-Fraktion fordert in diesem Zusammenhang erneut Mobilitätssicherung für alle und überall, das heißt, Chancengleichheit für alle und an allen Orten zu wahren. Gleichwertige Lebensbedingungen, so wie in der Landesverfassung verankert, sind in allen Regionen zu sichern. Oder die Landesregierung sagt, dass sie das nicht mehr leisten kann und will. Dann muss sie sich aber dafür aussprechen, dass die Landesverfassung geändert wird. Ich glaube, das wollen wir alle gemeinsam nicht.

Die 50 Millionen Euro sollen nach einem Schlüssel - das kann man im Gesetz nachlesen, es ist nur schwierig zu verstehen, und alle Fragen, die wir bisher gestellt haben, auch im Ausschuss, konnten uns leider nicht beantwortet werden - unter Berücksichtigung von vier Erfolgs-, Aufwands- und Strukturkomponenten anteilig an die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt werden. Der vorgesehene Verteilungsschlüssel soll den verkehrspolitischen Zielen, den spezifischen Verhältnissen und

den finanziellen Rahmenbedingungen angemessen Rechnung tragen. Das ist doch eine tolle Formulierung.

Die Frage ist spannend: Wer wird das bewerten und beurteilen und wer wird die Entscheidung treffen, welcher Landkreis und welche kreisfreie Stadt wie viel von diesen 50 Millionen erhält, also wie viel von dem Kuchen bekommt?

(Zuruf des Abgeordneten Dellmann [SPD])

Da kann man den Landräten und den Oberbürgermeistern nur empfehlen, eine dicke Freundschaft zum Verkehrsminister zu entwickeln, damit man von den 50 Millionen, von dem Kuchen, auch wirklich etwas abbekommt.

(Zuruf des Abgeordneten Dellmann [SPD])

Ihre Finanzierungsvorschläge, meine Damen und Herren der Landesregierung, die Sie im Gesetzentwurf machen, sind nicht transparent und mit der Struktur des bisherigen Haushalts auch nicht kompatibel. Dazu kann ich nur sagen: All meine Fragen, die ich an das MSWV gerichtet habe, wurden leider nicht beantwortet. Ich bin gespannt, wie das diesmal im Ausschuss zum Tragen kommt.

Kritik und Ablehnung kommen nicht nur von der PDS-Fraktion, sondern auch vom Städte- und Gemeindebund, vom Landkreistag und von den Verkehrsunternehmen. Wir werden das noch einmal ganz deutlich zu hören bekommen, wenn wir eine Anhörung machen. Ich bitte Sie, jetzt schon darüber nachzudenken, wie die Bedingungen in diesem ÖPNV-Gesetz anders gestaltet werden können. Wir werden dazu Anträge unterbreiten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Tack, und gebe das Wort der Fraktion der SPD, Herrn Abgeordneten Dellmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den vergangenen Jahren musste das ÖPNV-Gesetz auf den Prüfstand. Die gesamte ÖPNV-Finanzierung im Land Brandenburg gehörte auf den Prüfstand. Diese Arbeit ist jetzt erledigt worden. Es gab unterschiedliche Finanzierungsformen und unterschiedlichste Finanzierungswege, zum einen direkt zwischen Land und Aufgabenträgern, zum anderen zwischen dem Land und den einzelnen Busunternehmen, Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, § 45 a des Personenbeförderungsgesetzes oder ÖPNV-Gesetz. In fast allen Landkreisen und kreisfreien Städten sind die wesentlichen Investitionsvorhaben, Busbetriebshöfe, Erneuerung der Straßenbahn, erledigt.

Da wir große Anteile an Investitionsförderung hatten, war die Frage: Ist das in diesem Bereich notwendig oder können wir das nicht damit koppeln, den Aufgabenträgern - nämlich den kreisfreien Städten wie Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) - gemeinsam mit den Landkreisen eine höhere Verantwortung beim Einsatz der vorhandenen Mittel zu übertragen? Ich glaube, diese Frage muss man mit einem klaren Ja beantworten.

Wir haben bei den Aufgabenträgern - zum Beispiel bei den Kreistagen - jedoch die Situation zu verzeichnen, dass sie zum Teil gar nicht genau wissen, was der ÖPNV kostet. Wenn Sie, Frau Enkelmann, zum Beispiel die Kreistagsabgeordneten im Barnim danach fragen, werden Sie feststellen, dass diese Ihre Frage nicht beantworten können.

Ich glaube, dass es auch gut ist, wenn wir sagen: Wir wollen dezentralisieren, wir geben mehr Verantwortung in die Regionen.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Ja, weniger Geld!)

Wir müssen auch beachten, dass wir in Zukunft mehr Wettbewerb haben werden. Das bedeutet auch Änderungen der Investitionsförderung für einzelne Busunternehmen. Beispielsweise genügen Fahrzeugförderungen nicht den verstärkten Anforderungen des Wettbewerbs.

Ich muss leider ganz klar sagen, dass Sie hier und heute leider wieder die Unwahrheit sagen. Sie sagen schlicht die Unwahrheit.

(Widerspruch bei der PDS)

In der Gesetzesbegründung steht eindeutig, welche Finanzierungsströme es bisher gab - schauen Sie sich die Anlage an und was künftig zur Verfügung gestellt wird.

(Frau Tack [PDS]: Wir reden demnächst! Das sind ganz spannende Fragen!)

Es entspricht auch nicht den Tatsachen, dass sich das Land aus der Finanzierung der Schülerbeförderung zurückzieht.

(Zuruf von der PDS: Das ist ein Fall für den Staatsanwalt! Ganz klar!)

Der Landesgesetzgeber ist nur der Forderung der kommunalen Ebene nachgekommen, die Zweckbindung aufzuheben.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Frau Enkelmann, Sie dürfen mit Ihrem Kommunalpolitischen Forum nicht immer den Fehler begehen, auf der einen Seite etwas zu fordern - starke kommunale Verantwortung zum Beispiel -, und auf der anderen Seite dann darüber zu schimpfen, wenn es endlich passiert.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das geht nur, wenn die Fi- nanzen stimmen, Herr Dellmann! Alles andere macht überhaupt keinen Sinn; das wissen Sie!)

Es geht mehr Geld in die kommunale Verantwortung - eindeutig! - und wir werden strikt darauf achten, dass es auch verantwortungsvoll verwendet wird.

Natürlich existiert auf kommunaler Ebene angesichts der Definition als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe die Sorge - diese muss man sehr ernst nehmen -, dass, wenn Haushalte nicht ausgeglichen sind, das Innenministerium, die Kommunalaufsicht, Herr Schönbohm kommt und an dieser Aufgabe kürzt.

(Frau Tack [PDS]: Was ist, wenn der Haushalt nicht ausfi- nanziert ist? Wer soll die Aufgabe dann erfüllen?)

- Aber, liebe Frau Tack, das müssen wir auch heute schon beachten. Es besteht keine Pflicht des Landkreises, Busverkehr zwischen X und Y durchzuführen.

(Zuruf von der PDS: Genau!)

Auch dies erfolgt heute schon quasi auf freiwilliger Ebene, indem nämlich die Landkreise über die Nahverkehrspläne definieren, wo sie fahren. Es gibt im Land Brandenburg keinen Fall, dass die Kommunalaufsicht, das Innenministerium, zu einem Landkreis gegangen wäre und gesagt hätte: Ihr müsst im ÖPNV Strecken sperren. - Das gab es nicht und wird es nicht geben.

Ich verweise abschließend darauf, dass es sich - man kann es als Nachteil, aber auch als Vorteil sehen - um Bundesmittel und um Regionalisierungsmittel handelt.

(Zuruf von der PDS: Genau!)

Regionalisierungsmittel dürfen von den Aufgabenträgern nicht für andere Aufgaben eingesetzt werden. Deshalb ist eine solche Sorge in diesem Fall unbegründet.

Warum diese freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe? - Sie wissen, dass wir das Ganze seit Monaten diskutieren. Da jedoch die entsprechenden Voraussetzungen, nämlich das strikte Konnexitätsprinzip, in der brandenburgischen Verfassung verankert sind, bleibt gar nichts anderes übrig, als diesen Weg zu gehen.

Ich bin sehr gespannt, welche Alternativvorschläge die PDSFraktion unterbreiten wird. Vom Landkreistag, vom Städteund Gemeindebund sind bisher keine echten Alternativvorschläge unterbreitet worden. Ansonsten gäbe es nur eine Alternative: Wir bleiben bei den alten gesetzlichen Regelungen. Damit haben wir aber das Ziel nicht erreicht. Ich bin gespannt, Frau Tack, ob Sie das Problem lösen werden. Vielleicht haben Sie ja den goldenen Mittelweg gefunden. Wenn dem so sein sollte, wären wir gern bereit, darüber zu diskutieren.

Ich fasse zusammen: Es ist ein guter Gesetzentwurf. In zwei, drei Punkten besteht auch aus meiner Sicht Diskussionsbedarf, zum Beispiel bezüglich der Frage: Wo liegt die Grenze der Investitionsförderung? Ab welcher Grenze sollte das Land fördern?

Was wir uns ebenfalls noch einmal im Detail anschauen sollten, ist der Verteilungsschlüssel. Das ist eine Ebene, auf der die Dinge per Rechtsverordnung geregelt werden.

Das sind aber nur Details.

Die SPD-Fraktion steht zu dem grundsätzlichen Ansatz, die ÖPNV-Finanzierung neu zu strukturieren. Ich glaube, dass das eine Erfolgsgeschichte wird. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)