Protocol of the Session on March 3, 2004

Erstens: Habe ich Sie richtig verstanden, dass mit den Bohrungen 2003 ein Teil dieser Forderungen erfüllt ist?

Zweitens: Wenn der Aufwand denn nicht mehr so groß wäre, wäre es dann nicht denkbar, diese dritte Bohrung doch noch runterzubringen, um diesen jahrelangen Streit endlich zu beenden?

Herr Schippel, diese Frage nehme ich als Denksportaufgabe mit. Dabei ergibt sich die Frage, ob eine ausreichende Nachweisführung deshalb infrage gestellt werden muss, weil ein anderer Beteiligter glaubt, es sei nicht ausreichend nachgewiesen.

Ich verstehe Ihr Anliegen, kann darauf aber gegenwärtig keine Antwort geben, weil ich mich - dem entsprechenden Einsatz der öffentlichen Mittel verpflichtet - zunächst auf die Position beziehen will und muss, dass wir ausreichend Vorsorge getroffen haben. - Danke schön.

Ich bedanke mich auch. - Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich schließe Tagesordnungspunkt 1 und rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Hochschulen auf Innovationskurs. Wo stehen brandenburgische Hochschulen im nationalen wie internationalen Wettbewerb?

Antrag der Fraktion der CDU

Zunächst geht das Wort an den Vertreter der antragstellenden Fraktion. Herr Dr. Niekisch, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute in der Aktuellen Stunde über die Hochschulen in Brandenburg Hochschulen auf Innovationskurs. Wo stehen denn die brandenburgischen Hochschulen im nationalen wie im internationalen Wettbewerb?

Einen Spruch möchte ich voranstellen: „Knowledge is Power“ „Wissen ist Macht“ - sagte der englische Staatsmann und Philosoph Francis Bacon am Ausgang des 16. Jahrhunderts, also vor 400 Jahren. Dieser Spruch ist nach wie vor aktuell, vor allen Dingen für uns. Wissen verstand er als Macht über die Natur im Dienste der Menschen und der Menschheit. Dieser Spruch beinhaltet alles: sich die Natur untertan zu machen, um den Menschen zu dienen. Wenn man den Menschen dient, wird man auch der Ökologie gerecht werden.

Ich möchte einen zweiten Gedanken hinzufügen, der für Deutschland, Europa und vor allem für Brandenburg passt. Er ist 1962 von dem größten Deutschen, dessen Name seit wenigen Wochen feststeht, ausgesprochen worden:

„Die gesamte ökonomische Situation Deutschlands ist doch die: Wir haben keine Naturschätze mehr von Bedeutung, seitdem die Kohle entthront ist. Diese Industriegebiete werden uns in den kommenden Jahren noch sehr große Sorgen machen und sehr viel Geld kosten. Unsere Landwirtschaft hat, wenn man es wohlwollend ausdrücken will, ein mittleres Klima mit minderer Höhe in einem großen Umfang. Es ist jedenfalls keine Landwirtschaft, die auf eigenen Füßen stehen kann. Was haben wir also? Wir haben lediglich die Arbeitskraft und die Kenntnis der deutschen Menschen. Das ist unser einziger Besitz.“

Bei aller Reverenz gegenüber der Landwirtschaft - sie kann eben nicht auf eigenen Füßen stehen und auch nicht Deutschland oder Europa ernähren.

Der Ausspruch Konrad Adenauers macht etwas deutlich, was in den 70er und 80er Jahren nicht nur im Osten Deutschlands, sondern auch im Westen verloren gegangen ist: dass Wissen Macht ist. Im Westen wurde das vor allen Dingen durch die 68er-Generation als „instrumentelle Vernunft“ verteufelt, die nur dazu da sei, Herrschaft über die Menschen zu erlangen.

Wir müssen uns aber wieder vergegenwärtigen, dass das Erreichen, Erhalten oder Besitzen eines hoch gebildeten, hoch motivierten und fachlich mit Spitzenniveau arbeitenden Humankapitals nicht bloße Ausbildung braucht, sondern Bildung, Erziehung, Stetigkeit, ja auch Entsagung. Dazu gehört natürlich, dass wir damit Konkurrenzfähigkeit erlangen, und dazu gehört natürlich auch Geld. Wir müssen uns also auf die wesentliche Aufgabe „Schaffen von verwertbarem Wissen durch Lehre und Forschung“ stärker konzentrieren.

Da es heute darum geht, zu erforschen oder zu ermitteln, wo wir im nationalen und im internationalen Vergleich stehen, muss man das Umfeld schon einmal beleuchten. Der große Satz „Vorsprung durch Technik“ war lange ein Synonym für Deutschland, ist aber heute in der Welt nicht mehr so selbstver

ständlich. Das ist umso bedauerlicher, als Deutschland zwei Weltkriege verloren hat und das Exklusivrecht auf fast alle Patente hat abgeben müssen. Nachkriegsteilung, die Kosten der Teilung und die Überwindung der Teilung belasten uns ökonomisch und finanziell nach wie vor schwer.

Schon 1956 hat der amerikanische Nobelpreisträger Robert Solow herausgefunden, dass sieben Achtel des Wirtschaftswachstums einer Nation oder einer Region durch Innovation erzeugt werden. Dies haben wir wieder verstärkt zu lernen.

Ich bin nicht deswegen Konservativer, weil ich meine, früher sei alles besser gewesen. Wir Konservativen wissen, dass das, was gestern und heute schlecht war, unbedingt besser gemacht werden muss. Aber wir können auch, um einen großen Satz der Wendezeit zu zitieren, in die Zukunft umkehren und schauen, was wir wirklich einmal besser gemacht haben, wo wir einmal standen, zum Beispiel in einer Zeit - Anfang des 20. Jahrhunderts -, die wir oft als Wilhelminismus belächeln, ja wegen der militärischen und außenpolitischen Verfehlungen verabscheuen. Aber in jener Zeit dieses merkwürdigen und sehr unruhigen Kaisers zwischen 1900 und 1915 hat Deutschland eine Spitzenposition bei der Erringung der Nobelpreise innegehabt. Wir haben in dieser Zeit elf Nobelpreise für Physik und Chemie errungen; Großbritannien sechs, Frankreich fünf. Wir hatten also doppelt so viel. Für die USA waren es lediglich zwei Nobelpreise.

Wir haben nach wie vor eine hervorragende Ingenieurausbildung, bilden aber in Deutschland pro Jahr 20 000 Ingenieure zu wenig aus. Was besonders bedrückend ist - das gilt nicht nur für Brandenburg -: Etwa 100 000 höher Qualifizierte jährlich verlassen Deutschland zeitweilig oder für immer. Das ist ein Brandzeichen; denn wir wissen: Wenn junge Menschen gehen, wenn Eliten abwandern, hat man nur zwei Möglichkeiten: entweder eine Mauer zu bauen oder die Freiheit zu erhöhen. Freiheit zu erhöhen ist das, worauf wir setzen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der PDS)

Die Rahmenbedingungen müssen wir schon einmal beleuchten. Wir leben zurzeit in einem Stimmungstief. 60 % der Bevölkerung befürchten ein Absinken des Lebensstandards. Große Parolen mit Hoffnungscharakter wie Eliteuniversitäten und Innovation haben Hochkonjunktur. Trotzdem gibt es in Deutschland eine Wachstums- und Innovationsschwäche. Die Steuer- und Reformansätze - ich sage das ohne parteitaktische Häme oder Schadenfreude - haben noch nicht die Erfolge gezeitigt, die wir uns alle wünschen. Zwischen den Jahren 2000 und 2002 sind die öffentlichen und privaten Forschungsaufgaben um nur 6 % gestiegen. Bei den Schweden waren es 30 %, in den USA 25 % und in Japan immerhin noch 15 %.

Deutsche Autos haben große Konjunktur, wenn auch die Qualität nachlässt, wie wir von internationalen Ausstellungen wissen. Aber bei Chemie, Pharmazie, Gentechnik gilt: Wir sind nicht mehr die Forscher oder die Apotheke der Welt. Im Vergleich der OECD-Staaten waren wir früher immer auf Platz 3 hinter Japan und den USA. Heute sind wir auf Rang 7.

Nach 1998 hat es im Bund ein sehr erstaunliches Mehr an Hochschulmitteln gegeben. Leider gibt es jetzt drastische Kürzungen. Seit 2002 und konkret im Bundeshaushalt seit 2004 sinken die Hochschulneubaumittel um 135 Millionen Euro.

Brandenburg hat wie alle anderen neuen Länder und alle deutschen Länder und Freistaaten ökonomisch und auch finanziell einen steinigen Weg nach oben zu gehen, um das Niveau zu halten oder wieder zu erreichen.

Brandenburg hat aufgeholt, schon seit der Wende. Nirgendwo in den neuen Ländern sind so viele Universitäten und Fachhochschulen neu aufgebaut und gegründet worden, vor allen Dingen unsere drei Universitäten. Wir hatten keine längere Tradition wie die Einrichtungen in Greifswald, Halle, Leipzig oder Jena. Auch die wissenschaftlichen Einrichtungen, die hier angesiedelt worden sind, die Max-Planck-Institute, die LeibnizGesellschaft und die Fraunhofer-Institute, stehen dafür.

Besonders in den letzten viereinhalb Jahren haben wir aus den schwierigen und sehr engen Bedingungen der Hochschulrahmengesetzgebung des Bundes Hervorragendes herausgeholt. Ich habe mir gestern gerade noch einmal ein MAZ-Interview „Hundert Tage Ministerin Wanka“ herausgesucht und gesehen, welche Riesenschritte wir seitdem in der Koalition und mit dem Ministerium gemeinsam geschafft haben. Ich will auch betonen, dass seit der Neuwahl des Ministerpräsidenten im Jahre 2002 jemand auf dem ersten Platz dieser Regierungsbank sitzt, der ein stärkeres Interesse und einen stärkeren Sensus für Wissenschaft und Forschung im Lande hat.

Unsere Studentenzahlen sind in den letzten viereinhalb Jahren von 28 000 auf 38 000 gestiegen. Sowohl die Zahl der Studienplätze als auch die der Studenten ist gestiegen. Aber nach wie vor ist es so, dass uns die Hochschulgesetzgebung des Bundes sehr viele Zwänge auferlegt. Wir brauchen die Freiheit für die Universitäten und Hochschulen, über das eigene Geld noch stärker selbstständig zu verfügen. Die Hochschulen brauchen auch die Freiheit, selbst über Studiengebühren zu entscheiden. Vor allen Dingen brauchen sie die Freiheit, sich die Studenten und ihr Personal selbst auszusuchen.

(Beifall bei der CDU)

Prof. Röllecke, einem ehemaligen Präsidenten der Rektorenkonferenz in Deutschland, wird folgendes Zitat zugeschrieben:

„Jede Organisation entscheidet über die Aufnahme ihrer Mitglieder selbst. Es gibt davon nur zwei Ausnahmen: die Universitäten und die Gefängnisse.“

Bei einer dieser beiden Ausnahmen, nämlich den Hochschulen, können wir das verändern.

(Zuruf von der PDS)

Ich hätte fast gesagt: Das Zentralkomitee oder die zentrale Studienplatzvergabe ist ein alter Zopf, der abgeschnitten werden muss.

In Brandenburg sind wir innerhalb der Rahmengesetzgebung des Bundes durch ein Drei-Säulen-Modell der Hochschulfinanzierung neue Wege gegangen. Lediglich 78 % gibt es nur so. 20 % des Geldes werden vergeben, wenn Studenten ordentlich ausgebildet und zum Prüfungsabschluss gebracht werden, wenn es vernünftige Abschlüsse und Promotionen gibt, wenn die Internationalität der Universität wächst, der Frauenanteil stimmt und die Hochschule sich profiliert. Vor allen Dingen werden die letzten 2 % durch besondere Zielvereinbarungen festgelegt, bei denen es nicht nur um allgemeine Profilierung

geht. Es geht um die Qualitätssteigerung von Lehre und Forschung in Richtung Elite, die erweiterte Zusammenarbeit vor allen Dingen mit der Wirtschaft der Region und die besondere Förderung von Nachwuchseliten.

Ich möchte nur ganz kurz ein paar Beispiele dafür nennen, wie sich aufgrund dieser Forderung die Hochschulen und Universitäten anzustrengen und ihr eigenes Profil zu entwickeln beginnen. Hasso-Plattner-Institut in Potsdam: Aufbau von Schlüsselqualifikationen für Beruf und Existenzgründung. Brandenburgische Technische Universität in Cottbus: Etablierung von sechs Nachwuchsforschergruppen zur Stärkung der Grundlagenforschung vor allen Dingen bei der Triebwerks-, Raumfahrt- und Motorentechnik. Viadrina: Fortentwicklung des Europaprofils. Fachhochschule Brandenburg: Forschungsprojekt Medienkonvergenz. Eberswalde: Forschung zum Einsatz erneuerbarer Energien und vor allen Dingen Erforschung und Entwicklung der Steigerung der Qualität des ländlichen Raums - einmalig in Deutschland, gut in Brandenburg. Fachhochschule in Wildau: bessere Kooperation mit der Wirtschaft, Profilierung als Ausgründungsfachhochschule und bei Technologietransfer.

Der Kollege Sternagel hat Recht, wenn er sagt, wir sollten uns nicht so sehr selbst auf die Schulter klopfen, wenn wir auch auf einem guten Weg sind. Vor allem investiert der Mittelstand noch zu wenig in die Forschung. Aber wir können mit zwei Dingen reagieren. Wir können neben der Lehrstellenabgabe möglicherweise auch noch eine Nichtforschungsabgabe initiieren. Wir können den Einrichtungen aber auch mehr Freiheit und die Möglichkeit sowie das nötige Geld geben, damit sie wirklich forschen können.

Ich möchte noch einen Punkt, der mir wichtig erscheint, erwähnen. Unsere Forschungsinstitute sind ein Markenzeichen des Landes Brandenburg für Forschung und Entwicklung. Sie haben aber auch Probleme. Das gilt zum Beispiel für das MaxPlanck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm. Dort wird jetzt an Kartoffeln geforscht. Das kann man nicht nur im Gewächshaus, sondern muss es auf dem freien Feld tun. Es ist international erwiesen, sogar von Greenpeace, dass das ungefährlich ist, dass dort keine Samen freigesetzt werden und dass man gerade in ökologischer Hinsicht durch Stärkegewinnung, durch mehr Stärke durch Genmanipulation an Kartoffeln, Holz und Papier ökologisch besser verarbeiten kann. Da gibt es Parteien wie die Grünen in der Stadtverordnetenversammlung von Potsdam, die die kommerzielle Vermarktung und den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen und Kartoffeln stoppen wollen. Wir haben schon genügend rückwärts gewandte und reaktionäre Parteien in diesem Parlament. Die brauchen wir ab September hier keinesfalls.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der PDS)

Ich fasse zusammen: Brandenburg geht mit dem neuen Modell der Hochschulfinanzierung neue Wege. Es gibt Zielvereinbarungen und seit dem 9. Februar gibt es einen speziellen Hochschulpakt, den die Ministerin mit den Hochschulen geschlossen hat, was sehr viel Sicherheit, Perspektive und vor allen Dingen auch Wege in die Zukunft öffnet.

Es wird eine Bestandszusage für alle neun Hochschulen in Brandenburg geben. Das war einmal anders. 1999 wurde in den Zeitungen darüber philosophiert, eine oder zwei Hoch

schulen zu schließen. Die Finanzmittel können frei vergeben werden, auch über mehrere Haushaltsjahre, und brauchen nicht zurückgeführt zu werden. Es gibt Ausnahmen bei Stellenbesetzungssperren im Rahmen künftiger Haushaltssperren. Es gibt eine klare Position der Landesregierung und der Koalition hinsichtlich der Weiterführung der gemeinsamen Finanzierung für Hochschulbau und Forschung von Bund und Ländern und es wird eine Konsolidierung der Hochschulhaushalte angestrebt.

Freiheit ist das wichtigste Wort, das wir haben. Wir müssen heraus aus der Zwangsjacke der Hochschulrahmengesetzgebung; denn was eine hervorragende Hochschule oder sogar eine Elitehochschule ist, das entscheiden keine Zentrale und nicht zusätzlich 50 Millionen Euro, sondern das entscheiden die Studenten per freier Studienplatzwahl.

(Vietze [PDS]: Ich denke, die dürfen nicht frei wählen!)

Das erweisen die Deutsche Forschungsgemeinschaft und vor allen Dingen die Wirtschaft durch die Vergabe von Förder- und Drittmitteln und letztlich auch die Hochschullehrer und die Professoren, indem sie einem Ruf zu einer ganz bestimmten Stelle folgen.

Wir haben in Brandenburg das Beste herausgeholt.

(Vietze [PDS]: Sie!)

Ich darf zum Abschluss noch einmal den gekürten größten Deutschen zitieren, gerade weil wir im Mai eine größere Europäische Union werden. Er sagte kurz vor seinem Tode 1967:

„In unserer Epoche dreht sich das Rad der Geschichte mit ungeheurer Schnelligkeit. Wenn der politische Einfluss der europäischen Länder weiter bestehen soll, muss gehandelt werden. Wenn nicht gleich die bestmögliche Lösung vorhanden ist, muss man sich auf den Weg machen.“