Protocol of the Session on January 28, 2004

Herr Sarrach, für die Beantwortung dieser Frage fehlte einfach noch die Zeit. Uns liegt bisher nicht einmal die Begründung des Urteils vor. Diese müssen wir uns natürlich genau ansehen und die Details, die sich daraus ableiten, erst einmal aufarbeiten. Das alles werden wir tun und vor allem die gleiche Richtung des Handelns in allen neuen Bundesländern anstreben. Brandenburg ist hier ja nicht das einzige Land, sondern das betrifft alle neuen Länder.

Zu Ihrer anderen Frage: Es war, wie gesagt, 1992 das Vermögensrechtsänderungsgesetz des Bundes, das uns gezwungen hat, dies entsprechend umzusetzen. Das ist die Grundlage gewesen. Es ist nichts unrechtmäßig vom Land Brandenburg gemacht worden, sondern im gesamten damaligen Beitrittsgebiet wurde das entsprechend dem Bundesgesetz so gehandhabt.

Alle Details müssen sich aus der Begründung des Gerichtsurteils ableiten und vor allem auch die Reaktion des Bundes darauf ist entscheidend für die Frage, wie wir weiter verfahren werden.

Ich danke. - Wir sind damit bei den mündlichen Anfragen. Ich möchte zunächst darauf hinweisen, dass sich die Abgeordneten Frau Dr. Schröder und Herr Bischoff geeinigt haben, die Fragen 1910 und 1917 zu tauschen. Da sich mit der Frage 1917 thematisch die Frage 1918 verbindet, könnte die Landesregierung beide Fragen zusammen beantworten, wenn dies die Zustimmung der Fragesteller findet. - Damit ist Herr Bischoff aufgerufen, seine Frage 1917 (Trennungsgeld) zu formulieren.

Nach Berichten der Presse sind bei der Bearbeitung und Gewährung von Trennungsgeldzahlungen im Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg erhebliche Fehler und Versäumnisse aufgetreten, die zu unberechtigten Zahlungen geführt haben. Eine Aufarbeitung muss konsequent und auch so zügig wie möglich erfolgen.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Wird sie bei der beabsichtigten Neuregelung von Trennungsgeld daraus Rückschlüsse ziehen und konsequentere Regelungen einführen?

Jetzt hat Herr Vietze die Gelegenheit, die Frage 1918 (Tren- nungsgeld ohne Ende?) zu formulieren.

Seit der Einreichung der Frage hat sich natürlich manches im Lande in besonderer Weise ereignet. Als gestern der stellvertretende Ministerpräsident über das entschiedene Handeln der

Regierung sprach, um eine Vertrauenskrise abzuwenden, hatten wir es mit einer solchen zu tun. Mein ursächlicher Gegenstand war die Frage, wie zügig aufgeklärt wird angesichts einer doch schon monatelang währenden Auseinandersetzung mit dem Vizepräsidenten des Rechnungshofes Hülsmann, mit dem ExStaatssekretär im Justizministerium Stange sowie eines über dieses Thema sehr intensiv geführten Briefwechsels, Kleiner Anfragen, Erklärungen der Regierung.

(Zurufe von der CDU: Frage!)

- Ich möchte, Herr Lunacek, von der Landesregierung gern wissen, ob sie diese Situation, die jetzt eingetreten ist, aufgrund ihres unzureichenden Aufklärungswillens mit verantwortet und sich demzufolge in der Pflicht sieht, ganz entschieden nicht nur, wie Herr Bischoff anfragt, Neuregelungen zu veranlassen, sondern vor allem im Interesse der Öffentlichkeit eine zügige Aufklärung dieser Sachverhalte zu gewährleisten, weil das natürlich in besonderer Weise seit mehreren Jahren auf der Tagesordnung steht.

(Beifall bei der PDS)

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrter Herr Bischoff, verehrter Herr Vietze, ich denke, da kann und darf man nicht herumreden: Es gibt eine Vertrauenskrise.

Es gibt eine Vertrauenskrise und das Ansehen der Justiz in unserem Land ist beschädigt. Viele Menschen fragen sich in Brandenburg und fragen auch mich seit Tagen ganz direkt: Wem können wir eigentlich noch trauen? Welcher Institution, welcher Einrichtung der Demokratie können wir trauen, wenn selbst in der Justiz derartige Vorkommnisse möglich sind? Diese Fragen sind für mich nachvollziehbar.

Wir leben in ohnehin schwierigen Zeiten, in denen man solches Vertrauen braucht, auch um sich zurechtzufinden, auch um zu wissen: Wenn da entschieden wird, dann ist das alles hundertprozentig richtig, dann kann man sich darauf verlassen.

Ich stehe auch nicht an zu sagen, dass ich bei der Durchsicht der Unterlagen und dazu geführten Gesprächen manchmal auf Anspruchshaltungen getroffen bin, bei denen mir die Spucke wegblieb und ich mich schon gefragt habe: Was ist eigentlich los?

Es gibt eine schöne Tugend der Bescheidenheit und ich denke, sie ist nicht unmodern, sondern ist gerade in diesen Zeiten hochmodern.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Blechinger [CDU])

Wer sich in den Landesdienst begibt, sollte sie üben.

Mir ist dabei fast schon egal - obwohl es juristisch natürlich nicht egal ist -, ob falsche Angaben auf den Bögen gemacht wurden oder die Anträge am Ende falsch bearbeitet wurden.

Für die Menschen im Lande ist es egal, weil sie sagen: Am Ende ist es zu Zahlungen gekommen, die nie hätten geleistet werden dürfen, und zum Teil in Höhen, die atemberaubend sind.

Die Justizministerin hat letzte Woche erste Ergebnisse vorgelegt. Diese geben Anlass zu großer Sorge. Wenn von 70 untersuchten Fällen im Bereich der Justiz 33 beanstandungswürdig sind, dann ist das mit Sicherheit Anlass zur Sorge.

Ich habe deshalb letzte Woche das Justizministerium darum gebeten, so weit als irgend möglich innerhalb von Tagen Klarheit zu schaffen. Wenn ich sage „so weit als irgend möglich“, dann müssen wir, wenn wir auf dem Boden der Realität bleiben, einbeziehen, dass es um Vorgänge geht, die zum Teil lange zurückliegen, manchmal nicht leicht rekonstruierbar sind und zu denen die Aktenlagen unvollständig waren bzw. sind.

Mittlerweile ist diese Klarheit, zumindest was die Spitzen angeht, im Wesentlichen geschaffen. Sie haben es heute lesen können: Dem Präsidenten des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg wird nicht vorgeworfen, seinerzeit falsche Angaben gemacht zu haben. Unbeschadet dessen will er das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg nicht in einen Zusammenhang mit einem Präsidenten gebracht sehen, dessen Verhalten in der Öffentlichkeit bei dem Bezug von Trennungsgeld als fragwürdig empfunden wird. Er stellt deshalb heute sein Amt als Präsident des Landesverfassungsgerichts zur Verfügung und zahlt einen Teil der Trennungsentschädigung zurück.

Der Generalstaatsanwalt dieses Landes zahlt gleichfalls einen Teil der Trennungsentschädigung zurück. Auch ihm - das will ich deutlich sagen - ist nicht der Vorwurf zu machen, in den Anträgen falsche Angaben gemacht zu haben.

Anders liegt aus unserer Sicht der Fall des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts des Landes Brandenburg. Hier sind über drei Jahre lang Trennungsgeldzahlungen in Empfang genommen worden, die aus unserer Sicht auf falschen Angaben beruhten. Deshalb wird die Justizministerin - vorbehaltlich einer noch zu erfolgenden Anhörung - ein Disziplinarverfahren gegen den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts mit dem Ziel der Amtsenthebung einleiten.

Diese Ergebnisse der vom Justizministerium veranlassten Prüfung waren mir Anlass, eine flächendeckende Überprüfung aller Häuser nach gleichen Maßstäben mit externen Experten anzuweisen. Ich habe den Chef der Staatskanzlei beauftragt, diese Arbeiten zu koordinieren und zügig zum Abschluss zu bringen. Wir haben dafür einen anerkannten Trennungsgeldexperten von der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung gewinnen können. Er ist Praktiker und Kommentator zum Trennungsgeldrecht und wird als Ermittlungsführer mit einem größeren Team für uns tätig sein.

Sie können davon ausgehen, dass wir bedingungs- und rückstandslos aufklären werden. Bestehende Ansprüche auf Rückzahlung von Trennungsgeld werden wir geltend machen. Wenn es Anlass gibt, dienst- oder arbeitsrechtlich gegen Landesbedienstete vorzugehen, wird dies erfolgen; wo nötig, wird Strafanzeige erstattet.

Das Vertrauen der Bevölkerung in unser Rechtssystem ist das Ergebnis jahrelanger harter Aufbauarbeit vieler Frauen und

Männer. Die Justiz im Land hat schwierige Situationen gemeistert - dank des großen Einsatzes von vielen Richtern und Staatsanwälten. Es ist - mit Verlaub - zum Kotzen, dass jetzt alle in einen Topf geworfen werden. Ich will hier sehr deutlich sagen: Wir werden uns schützend vor all jene Richter und Staatsanwälte stellen, die ehrlich und engagiert für dieses Land, für unser Rechtssystem gearbeitet haben. Denen danke ich auch.

(Beifall bei SPD und CDU sowie des Abgeordneten Vietze [PDS])

Ich werde deshalb nicht zulassen, dass dieses für unser Land lebenswichtige Vertrauen durch diejenigen zerstört wird, die bei sich bietender Gelegenheit das eigene materielle Wohl über ihre dienstlichen Pflichten, ja letztlich über das Recht gestellt haben. Mir kommt es darauf an, sichtbar gewordene Missstände schnellstens aufzuklären. Das werden wir schonungslos tun. Nur so ist Glaubwürdigkeit wieder herzustellen. Sie können davon ausgehen, dass wir eine ausgesprochen restriktive Verordnung zum Trennungsgeld erarbeiten werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herr Ministerpräsident, es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit dem zweiten Fragesteller, Herrn Vietze.

Vietze (PDS)

Herr Ministerpräsident, da ich Ihnen zustimme, dass es Aufgabe der Landesregierung und des Ministerpräsidenten ist, sich schützend vor jene zu stellen, die jetzt ebenfalls öffentlich diskreditiert werden, habe ich an Sie zunächst die Frage: Haben Sie nicht eine Verantwortung dafür gesehen, den Präsidenten des Verfassungsgerichts und den Generalstaatsanwalt zu einem Zeitpunkt, zu dem möglicherweise durch eine gezielte Kontrolle eine viel vernünftigere Regelung möglich gewesen wäre, zu schützen? Wird durch den jetzigen Akt nicht etwas nachvollzogen, was die Landesregierung versäumt hat? Ich kann Ihnen mitteilen: Mit Schreiben vom 6. Oktober hat sich die Finanzministerin an die Ausschussvorsitzende...

Herr Vietze, wir belassen es bei den Fragen!

Herr Präsident, ich brauche das zur Einleitung, weil in dem Schreiben steht...

Nein, Sie brauchen das nicht zur Einleitung! Die Nachfragen werden ausschließlich auf die Antwort bezogen!

Herr Ministerpräsident, dann möchte ich Sie bitten, mir folgende Fragen zu beantworten: Warum hat sich die Finanzministerin vor dem Hintergrund eines Missbrauchsverdachts und von

zum Teil gestiegenen Aufwendungen für Trennungsgeld und Umzugskosten bei der Abgeordneten Osten für die Information bedankt? Warum ist seit dem 6. Oktober das damit verbundene notwendige Handeln der Landesregierung ausgeblieben, wie es in den Antworten auf die Anfragen in den Drucksachen 3/6739 und 3/6679 angekündigt worden war?

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Herr Abgeordneter Vietze, Sie können sich vorstellen, dass bei so schwerwiegenden Vorgängen, die hier zu verhandeln und zu überprüfen sind - zum Teil liegen sie schon zehn Jahre zurück -, allerhöchste Sorgfaltspflicht angemahnt ist. Diese Sorgfalt ist geübt worden. Als am vergangenen Dienstag die ersten Ergebnisse sichtbar wurden - auch das habe ich vorhin gesagt -, habe ich sehr darauf gedrungen - das haben wir gemeinsam gemacht -, dass umgehend, innerhalb weniger Tage, so weit als möglich letzte Klarheit hergestellt wird.

Herr Sarrach, bitte.

Herr Ministerpräsident, diese Antwort kann nicht befriedigen. Da der eingetretene Zustand skandalös ist und einen Schaden für die Justiz bedeutet und weil auch ich stinksauer bin, weil ich nämlich den Rücktritt von Dr. Macke für vermeidbar hielt...

Herr Sarrach, wenn Sie eine Frage haben, dann formulieren Sie sie!

... frage ich Sie - erstens -: Weshalb war die Justizministerin trotz viermonatiger Vorprüfung nicht in der Lage oder nicht willens, aufgekommene Spekulationen in den Medien über Dr. Macke und Dr. Rautenberg in der letzten Woche sofort zu beenden, weil über Spitzenjuristen wegen des Ansehens der Justiz nicht einen Tag lang spekuliert werden darf?

Zweitens: Kann ausgeschlossen werden, dass Ergebnisse der Prüfung im MdJE gezielt aus dem Ministerium an die Presse gegeben wurden? Denn die Spekulationen hatten von Anfang an einen berechtigten Kern.

Auf den zweiten Teil Ihrer Frage erwarten Sie wahrscheinlich keine Antwort.

(Sarrach [PDS]: Doch!)