Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Äußerung von Frau Konzack entschieden zurückweisen, soweit sie damit einen Zusammenhang zwischen unserer Frage betreffend die Sterilisation und die unsäglichen Ereignisse in Sachsenhausen herstellt. Ich bitte Sie ganz einfach, fair zu sein und anzuerkennen, dass die PDS-Fraktion diese Fragen nicht aus Geigel stellt, sondern dass sie sehr wohl daran interessiert ist, die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen im Land Brandenburg herzustellen. Nehmen Sie mir das bitte ab! Ich hatte selbst ein mehrfach schwerst geschädigtes Kind, das leider im November verstorben ist. Ich weiß also, worüber ich rede, und lasse mir von
Ich danke Frau Bednarsky. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich stelle fest, dass Sie die Antwort der Landesregierung in der Drucksache 3/6507 auf die Große Anfrage 62 zur Kenntnis genommen haben.
Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht zum 31. Dezember 2002 (11. Tätigkeitsbericht)
Stellungnahme der Landesregierung zum Tätigkeitsbericht 2002 des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht nach § 27 Satz 2 BbgDSG
Elfter Bericht der Landesregierung über die Tätigkeit der für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich zuständigen Aufsichtsbehörde an den Landtag Brandenburg
Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile der Fraktion der PDS, der Abgeordneten Kaiser-Nicht, das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Gesetz entsprechend befassen wir uns im Landtag alljährlich mit den Fragen des Datenschutzes und des Akteneinsichtsrechts. Mein Eindruck ist, dass diese Befassung für die Kollegen der Koalitionsfraktionen und die Landesregierung immer mehr zu einer Pflichtübung verkommt. Davor ist zu warnen. Das Datenschutzrecht und seine praktische Umsetzung sind eine sehr komplizierte und hochsensible Materie angesichts der Tatsache, dass sich die technischen Möglichkeiten zu einer faktischen Überwachung des einzelnen Bürgers in rasantem Tempo entwickeln. Damit wachsen auch die Anforderungen zur Einhaltung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Dieser Anspruch steht, selbst wenn er von vielen Betroffenen
subjektiv gar nicht so wahrgenommen wird. Wir haben es im Gegenteil damit zu tun, dass eine gewisse Leichtfertigkeit Raum gewinnt.
Wie der Bundesdatenschutzbeauftragte feststellt, ist mit der neuen Technik auch ein neues Denken eingezogen. Private Telefonate, die gesetzlich geschützt sind, finden dank Handy in aller Öffentlichkeit statt. Mit der Benutzung des Internets werden viele persönliche Spuren geradezu gedankenlos verstreut.
Andererseits gibt es auch Ängste. In Zeiten globalen Terrors akzeptieren Menschen Kontrolle im Tausch gegen persönliche Daten. Das Grundrecht auf Sicherheit wird gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gestellt. Damit vertraut der Bürger dem Staat, was aber umgekehrt nicht gilt. Das zeigt die enorme Zunahme der Anzahl der Telefonüberwachungen. Das zeigt auch die Diskussion um die Ausweitung der Gendatenbanken und der Videoüberwachung. Wir müssen diese Diskussion führen.
Es ist über die Grenzen Brandenburgs hinaus bekannt, dass der Landesdatenschutzbeauftragte seine Aufgaben verantwortungsbewusst wahrnimmt und einen gewichtigen Beitrag zu dieser Auseinandersetzung leistet. Die PDS-Fraktion unterstützt ausdrücklich dieses sein Herangehen. Es widerspiegelt sich in dem vorliegenen Tätigkeitsbericht 2002, mit dem sich der Innenausschuss noch im vergangenen Jahr - sagen wir: eher formal - befasst hat. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass es erstmals keine inhaltliche Stellungnahme des Ausschusses als Beschlussempfehlung an das Plenum gibt. An meiner Fraktion hat das nicht gelegen, am Landesbeauftragten auch nicht. Wir haben einen Vorschlag für eine solche Stellungnahme vorgelegt, der allerdings durch den Rost der unwilligen und wahrscheinlich ein bisschen unvorbereiteten Koalitionsvertreter gefallen ist.
Herr Dix hat vielfältige Verletzungen des Datenschutzes gründlich aufgezeigt, die in der Stellungnahme der Landesregierung zu einem großen Teil auch anerkannt werden. Dabei halten wir es im Unterschied zur Landesregierung für richtig, dass sich der Landesbeauftragte auch zur qualitativen Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik äußert, so im Zusammenhang mit der Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes und der Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. Das Datenschutzrecht lässt sich nun einmal nicht begrenzt auf Landessicht erfassen. Mut zum Blick über den Tellerrand, Herr Minister, ist da angesagt. Warum nicht auch bei diesem Thema? Bei Sicherheitsachsen geht es ja. Vielleicht passt es ihm bei diesem Thema nicht? - Schade, dass er nicht zuhört.
Die Landesregierung hat es sich aus meiner Sicht hier sehr einfach gemacht, indem sie sich nur zu den aus ihrer Sicht beurteilungswürdigen Themen geäußert hat. Überflüssig sind aus meiner Sicht auch kleinliche Sticheleien, mit denen die Landesregierung an manchen Stellen aufwartet. Ich bedauere es sehr, dass der Innenausschuss dem nicht entgegengewirkt hat, indem die vom Landesbeauftragten hervorgehobenen offenen Probleme an den Landtag weitergegeben werden.
Wir haben jetzt versucht, das über den Änderungsantrag Drucksache 3/6989 - zu korrigieren. Das ist erstens die Aufforderung an die Landesregierung, sicherzustellen, dass die seit 1999 vom Brandenburgischen Datenschutzgesetz vorgeschriebenen Risikoanalysen und Sicherheitskonzepte in allen Behörden des Landes erstellt und auch umgesetzt werden.
Zweitens soll die Landesregierung die Möglichkeit einer Bundesratsinitiative zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und des Vergaberechts prüfen, um durch verbesserte Möglichkeiten der Einsicht in Vergabeunterlagen natürlich bei gleichzeitiger Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einen zusätzlichen Beitrag zur Bekämpfung der Korruption zu leisten.
Bevor ich zum Ende komme, vielleicht noch zur Erklärung: Korruption kann eben auch dadurch bekämpft werden, dass Informationen über die Vergabe öffentlicher Aufträge bei Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen öffentlich zugänglich gemacht werden. Das gilt jedoch nur unterhalb bestimmter Schwellenwerte, oberhalb dieser greift das Bundesrecht, vor allem das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die dazu ergangenen Vergabeordnungen und Verdingungsordnungen. Durch diese Vorschriften ist eine Akteneinsicht durch nicht am Verfahren Beteiligte auch dann pauschal ausgeschlossen, wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse davon nicht betroffen sind. Genau an dieser Schnittstelle sind Veränderungen erforderlich. Dafür sollte sich die Landesregierung einsetzen. Deshalb auch noch einmal unser Änderungsantrag.
Nachdem der Innenausschuss den Vorschlägen, die die PDSFraktion als Tischvorlage zur Diskussion gestellt hatte, nicht gefolgt ist und sich auf eine Kenntnisnahme beschränkt hat, geben wir Ihnen heute noch einmal Gelegenheit, sich dafür zu entscheiden. Ich meine, dass nunmehr ausreichend Zeit und Gelegenheit war, sich damit zu befassen. - Vielen Dank.
Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Kaiser-Nicht. - Das Wort erhält die Fraktion der SPD, Herr Abgeordneter Schippel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin, bezeichnen Sie diejenigen, die nicht Ihrer Auffassung sind oder nicht in jedem Punkt mit dem Datenschutzbeauftragten übereinstimmen, doch nicht als solche, für die das Thema keine Rolle spielt oder uninteressant ist. Ich denke, damit werden Sie uns nicht gerecht.
Ich glaube, der Bericht unterteilt sich in zwei Bereiche. Es ist zum einen der Bericht des klassischen Datenschutzbeauftragten. Hierzu hat die Landesregierung in ihrer Stellungnahme mehr als einmal darauf hingewiesen, dass die Bemerkungen von Herrn Dix sehr sachgerecht sind. Zum Zweiten ist es der Bericht des Beauftragten für Akteneinsicht. Hier wird aus Sicht der Landesregierung an manchen Stellen viel deutlicher und kritischer bewertet. Da findet sich mehrfach die Einschätzung, die Ausführungen des LDA seien nicht gerechtfertigt.
An dieser Stelle muss ich ebenfalls Kritik anmelden, Herr Innenminister. Es steht den Ministerien nicht zu, Beauftragten, die vom Landtag gewählt sind, zu erklären, dass ihre Hinweise
nicht gerechtfertigt seien. Man kann die Hinweise gegebenenfalls in der eigenen Darstellung korrigieren, aber die Einschätzung der Hinweise als „nicht gerechtfertigt“ steht der Landesregierung nicht zu.
Im Zusammenhang mit dem Landesorganisationsgesetz wies mein Kollege Bochow unter anderem auf diese Berichte hin. Es ist vorgesehen, den Berichtszeitraum auf zwei Jahre zu verlängern. Der Bericht des Datenschutzbeauftragten ist für uns als Parlamentarier ein unentbehrliches Hilfsmittel für unsere Arbeit. Eine Verlängerung des Berichtszeitraums werden wir deshalb nicht mittragen. Herr Innenminister, das liegt auch nicht in Ihrem Interesse; denn vor kurzem, als es um die Erfassung von Autokennzeichen ging, haben Sie noch versichert, dass Sie den gläsernen Bürger nicht wollten. Insofern brauchen wir den Kontrollmechanismus.
Meine Bemerkungen zum „gläsernen Bürger“ erfolgen auch vor dem Hintergrund des soeben Gehörten. Bei fortschreitender technischer Entwicklung müssen wir sicherstellen, dass es den gläsernen Bürger nicht gibt. Im Hinblick auf die Vergangenheit haben wir dafür zu sorgen, dass er nicht wieder aufersteht. Meine Damen und Herren von der PDS, bei aller Betroffenheit kann ich Ihnen einen Hinweis nicht ersparen: Wer fragt, wo und in welcher Größenordnung Sterilisationen vorgenommen wurden, verlangt, dass Ärzte, Behörden etc. Auskunft geben. Ich hoffe, der Datenschutz verhindert das.
Ein Beispiel für die Notwendigkeit einer unabhängigen, das heißt außerhalb der Landesregierung stehenden Kontrollinstanz bringt der Bericht im Hinblick auf die Rasterfahndung. Der 11. September scheint mir in der öffentlichen Debatte immer mehr verharmlost zu werden. Für mich steht fest: Die Maßnahmen, die das Land Brandenburg damals ergriffen hat, waren in keiner Weise überzogen. Genauso steht fest: Solche Maßnahmen bedürfen einer unabhängigen Kontrolle; denn die Sicht jener, die sich naturgemäß damit befassen - Polizei und Verfassungsschutz -, ist eine Sicht von innen. Wir brauchen die Sicht von außen. Wir brauchen also diesen Bericht.
Manch einer mag die Hinweise als störend oder unnötig empfinden. Aber vor dem Hintergrund der fortschreitenden technischen Entwicklung - nirgendwo vermehren sich Daten so exorbitant wie in den Bereichen Internet und Handy - erweist sich die Notwendigkeit dieser Berichte.
Ich bin dem Beauftragten für den Datenschutz für die Sorgfalt bei der Erstellung seiner Berichte sehr dankbar.
Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Schippel. - Ich gebe das Wort der Fraktion der DVU, Herrn Abgeordneten Claus.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wir leben in einer immer unübersichtlicher werdenden Welt. Gerade die Bürgerinnen und Bürger empfinden das in hohem Maße. Daraus folgt im Umkehrschluss: Niemand hat mehr den Überblick.
Mit der Komplexität steigt die Missbrauchsgefahr. Bei nahezu allen Formen der organisierten Kriminalität verzeichnen wir seit Jahren Steigerungsraten. Das betrifft auch die Wirtschaftskriminalität.
In dieser Situation halten wir als DVU-Fraktion einen effektiven Datenschutz für unerlässlich. Sowohl die Wirtschaft als auch die Bürgerinnen und Bürger müssen wissen, was mit ihren Daten oder Geschäftsgeheimnissen passiert.
Aus diesem Grund unterstützen wir als DVU-Fraktion die Arbeit des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Das hat im Übrigen schon mehrfach seinen Ausdruck gefunden, etwa bei der Behandlung des Zweiten Gesetzes der Landesregierung zur Entlastung der Kommunen. Es führte aus unserer Sicht zu einer Verschlechterung des Akteneinsichts- und Informationszugangsrechts.
Insgesamt gehen wir davon aus - betrachten wir den Datenund Ideenmissbrauch in anderen Ländern -, dass der Datenschutz bei uns in Deutschland ein positiver Standortfaktor für die Wirtschaft ist. Auch das sollte nicht vernachlässigt werden.
Nach Ansicht meiner Fraktion ist die Grenze hier wie in anderen Bereichen zwar dort zu ziehen, wo Datenschutz mit einem Übermaß an Bürokratie einhergeht; ein solches Übermaß können wir bei der Arbeit unseres Landesbeauftragten für den Datenschutz aber nicht erkennen. Das sei vorweggeschickt.
Nun zu den Einzelfällen des Berichts. Aus unserer Sicht lassen sie sich grob in die beiden Gruppen „Belästigungen“ und „Unbehagen der Bürger nach dem Motto: Woher kennen die meine Daten?“ unterteilen. Zum Teil, etwa im Videothekenfall oder im Wohlfahrtsfall, wurde dabei sogar mit fürsorglichen Zielen gehandelt. Weiter gehören in diese Kategorie die Fälle IPAdressen, Patientendaten, Möbelhaus und Aktionshaus. Hierzu ist festzustellen, dass all diese Fälle von den Aufsichtsbehörden einer zufrieden stellenden Lösung im Interesse der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zugeführt werden können.
Der Bericht enthält aber auch Problemfälle. Ich nenne insbesondere den Handyfall, eBay, Handwerkerdateien, die Videoüberwachung von Arbeitnehmern und die Übermittlung von Daten in Nicht-EU-Länder. Hier ist aus unserer Sicht der Gesetzgeber gefordert, sich vertiefende Gedanken zu machen. Ich möchte diese kurz anreißen. Nehmen wir den Handyfall. In technischer Hinsicht mag zwar der bekannte Spruch „Nichts ist unmöglich.“ gelten; unsere Fraktion sieht aber die Grenze deutlich überschritten, wenn es mittels eines Handys möglich wird, privat über das Handy eines Dritten Gespräche zu belauschen, ohne dass dieser etwas bemerkt.