Protocol of the Session on December 11, 2003

Unsere Verantwortung besteht in der Tat darin, die nötige Unterstützung zu organisieren, und nicht darin, einen zuverläs

sigen, fähigen Investor zu ersetzen. Das wird in aller Regel nicht funktionieren.

Das Thema „Chipfabrik“ kann jetzt nur noch aufgearbeitet werden. Selbstverständlich ist in diesem Zusammenhang Schadensbegrenzung notwendig und ich begrüße es außerordentlich, dass ganz offenbar für das Zuendeführen der Ausbildung der Lehrlinge Lösungen gefunden worden sind und sich alle Beteiligten dafür eingesetzt haben.

(Zuruf von der PDS)

Bedauerlich, keine Anschlussverwendung zu haben, bleibt es allemal, aber ohne Ausbildung die Schule verlassen zu müssen ist für die jungen Menschen noch viel bitterer und schwieriger für das Zurechtfinden im Leben.

Was bestehen bleibt, ist die Frage: Wie geht es weiter in Frankfurt, wie geht es weiter in Ostbrandenburg, wie in unserem Land? Matthias Platzeck hat die Ansätze dazu in seiner Regierungserklärung genannt

(Zuruf von der PDS)

nicht das erste Mal, das ist wohl wahr; aber die Aufgaben, die Strategien, die hier formuliert sind, kann man ja wohl sinnvollerweise auch nicht alle zwei Jahre wechseln,

(Zuruf von der PDS)

sondern das muss Kontinuität haben, das muss Ausdauer haben in der Umsetzung, das muss von allen mitgetragen werden.

Meine Damen und Herren, für Frankfurt habe ich das IHP bereits genannt. Frankfurt hat eine Reihe weiterer Initiativen, insbesondere im Zusammenhang mit der EU, mit dem Beitritt Polens im kommenden Mai. Das verdient ebenfalls unsere Unterstützung, auch das ist eine Zukunftschance für Frankfurt und weckt Hoffnung in der Region.

Frankfurt hat wie viele andere Städte das Problem mit den Plattenbauwohnungen und unternimmt den Versuch, polnischen Bürgern Wohnmöglichkeiten in diesen Häusern zu organisieren. Ich bin sehr gespannt, wie das funktioniert; denn dass die Europäische Union Mietzuschüsse zahlt, ist ja wohl schwer vorstellbar. Also hier sind gute Ideen gefragt, um dies tatsächlich voranzubringen.

Wir haben derzeit in Frankfurt eine große Hoffnung: dass die Arbeitsplätze der Oderlandbrauerei erhalten werden können. Natürlich hat hier Politik auch eine vermittelnde Rolle zu spielen, aber letzten Endes wird es auch hier darauf ankommen, einen Betrieb, ein Unternehmen zu finden, das die Verantwortung für diese Brauerei auch im wirtschaftlichen Sinne übernimmt.

In Ostbrandenburg verbanden sich mit der Chipfabrik Hoffnungen nicht nur für die Stadt Frankfurt, sondern für die ganze Region, die außerordentlich stark ländlich geprägt ist. Als hätte das Chipfabrik-Debakel nicht schon gereicht, kommen jetzt auch noch Hiobsbotschaften aus Eisenhüttenstadt. Politik kann die Entscheidung dort nicht treffen, Politik kann aber dazu beitragen, dem Konzern dort auch klarzumachen, dass er sich aus der Verantwortung für diesen Standort, für diese Region nicht

zurückziehen darf. Die Gespräche darüber laufen und ich hoffe, dass es dort einen Erfolg geben wird.

(Unruhe im Saal)

Meine Damen, meine Herren! Ich spreche ein schon einmal in den Saal geworfenes Wort hier an, weil wir ja weitere Chancen haben. Wir haben in Neuhardenberg einen Flugplatz, da existiert die nötige Infrastruktur, da existiert das fachkundige Personal, da gibt es einen Investor, der alles selber bezahlen und auf eigene Verantwortung betreiben will. Wir gehen hier nicht einmal das Risiko ein, dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, Steuergelder in den märkischen Sand zu setzen. Trotzdem gibt es Schwierigkeiten, dieses Projekt zum Laufen zu bringen.

(Zuruf von der CDU: Wer glaubt das? - Zuruf von der SPD)

Ich werde nicht derjenige sein, der sagt, es gäbe hier keine Probleme. Es gibt wirtschaftliche Konkurrenzen zum Standort Schönefeld, es gibt vielleicht bei manchen auch ideologische Vorbehalte, die sagen: Wir wollen überhaupt keine Flugzeuge in dieser Gegend in der Luft haben! - Das darf alles nicht zählen. Wenn hier eine Chance besteht, Entwicklung in Gang zu bringen, dann müssen wir die objektiven Hemmnisse überwinden, dann müssen die rechtlichen Prüfungen erfolgen. Da kann es natürlich Schwierigkeiten geben, aber ich glaube, nach dem Scheitern der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) hat die Region Ostbrandenburg „einen gut“ bei der Landespolitik.

(Schippel [SPD]: Na, na!)

Alle Bemühungen sollten gebündelt werden, damit dort etwas passiert. Ob das eins zu eins die Vorstellungen sind, die der Betreiber hat, weiß ich nicht, aber es muss da etwas passieren, weil die Voraussetzungen an dieser Stelle so exzellent sind.

Meine Damen und Herren, die Region wartet auf ein positives Entwicklungszeichen; viele andere Chancen hat sie nicht.

Matthias Platzeck wies richtig auf die florierenden und sich entwickelnden Großunternehmen in Brandenburg hin. Wo wäre unser Land ohne Schwedt, ohne Schwarzheide, ohne Ludwigsfelde und Eisenhüttenstadt?! Doch allein mit diesen Unternehmen floriert die Wirtschaft noch lange nicht. Mittelstand und Kleinbetriebe, Handwerk und Dienstleistungen sind zusammengenommen der größte Arbeitgeber im Lande. Hinzu kommen die Einrichtungen der Forschung und aus dieser hervorgegangene Ausgründungen; denn wirtschaftlich-technisches Know-how ist äußerst zukunftsträchtig und birgt enormes Wachstumspotenzial in sich.

Umwelttechnologie, Biotechnologie, die IuK-Technologie können und werden sich zu einer Symbiose vereinen, die dem ganzen Land mittelfristig ein internationales Profil geben kann und soll. Wichtig für politische Verantwortungsträger in diesem Zusammenhang ist, dass diesen im Einzelnen nicht immer sehr spektakulären Unternehmen jegliche Unterstützung zuteil wird.

Wir alle kennen die Aussagen, unsere kleinen und mittleren Betriebe haben nicht zuletzt deshalb erhebliche Probleme, weil sie im Durchschnitt eine Eigenkapitaldeckung von nur 20 % haben; das bedeutet, sie haben erhebliche Kapitaldienste zu leisten. Deshalb setzen wir auch so große Hoffnungen darein,

dass die Steuerreform kommt, dass die Gemeindefinanzreform kommt, um hier die Verhältnisse neu zu ordnen und eine solidere, weniger konjunkturabhängige Ausstattung mit Finanzen zu erzielen.

Dieser Vorgang liegt derzeit im Vermittlungsausschuss. Meine Damen und Herren von der Koalitionspartei CDU in unserem Landtag, helfen Sie mit über Ihre Kontakte zu Ihren „Oberen“, dass die Reformpläne dort nicht hängen bleiben und nicht scheitern!

(Beifall bei der SPD - Frau Blechinger [CDU]: Sie wer- den nicht scheitern!)

Mit Unterstützung für unsere Unternehmen ist aber nicht in erster Linie immer nur Geld gemeint. Im Allgemeinen wird immer von den Rahmenbedingungen gesprochen. Lobbyarbeit ist hier wichtig, Anerkennung kleinerer Leistungen ist auch wichtig, die Einsicht vor allem, dass ein geretteter Arbeitsplatz uns weiterbringt und mehr wert ist als hundert geplante, die dann aber nicht realisiert werden.

Ich komme zu meinem Lieblingsthema „Bürokratie“. Meine Damen und Herren, es ist wohl gut, dass es keine Statistik darüber gibt, wie viele Ansiedlungsvorhaben, Existenzgründungen und Niederlassungen an starren Vorschriften und restriktiver Handhabung von Gesetzen gescheitert sind.

(Zuruf von der PDS: Warum eigentlich?)

Ich glaube, wir würden unseren Augen nicht trauen, wenn wir eine solche Statistik vor uns hätten. Wie schwer sich die Verwaltungen damit tun, wissen wir alle zur Genüge. Was nützt es, wenn, was schwer genug ist, die Politik Normen und Standards abbaut, in den Verwaltungen aber dann die Gewohnheit obsiegt? Es ist eine große Herausforderung für uns alle, Mittel und Wege zu finden, um den in den Verwaltungen Tätigen, von den Ministern über die Landräte bis in jedes Rathaus hinein, klarzumachen, dass Paragraphen auch dazu benutzt werden können, Entwicklungen zu befördern statt sie zu verhindern. Ich sehe sehr wohl die Schwierigkeit, die ein Verwaltungschef hat, alle seine Mitarbeiter in diesem Sinne zu motivieren. Das ist eine Sisyphusarbeit. Deswegen darf man sich trotzdem nicht davor drücken. Jeder, der in unserem Land etwas unternehmen will, muss von der zuständigen Verwaltung an die Hand genommen werden, bis das Unternehmen läuft. Ein solches positives Klima wird sich herumsprechen und wird dem Land Brandenburg einen Ruf verschaffen, der viel mehr wert ist als so manche Großinvestition; denn dann kommen Wachstum und Eigeninitiative von allein in Gang.

Wir dürfen in dem Zusammenhang natürlich auch nicht die Bundes- und Europapolitik außer Acht lassen. Die EU-Erweiterung steht unmittelbar bevor. Wir sollten alle noch einmal durchchecken, ob wir darauf gut vorbereitet sind. Insbesondere die Wirtschaft Ostbrandenburgs fordere ich zu diesem Check auf. Der 1. Mai kommt nicht urplötzlich. Wer die Chance zur Erweiterung nutzen will, muss sich sputen.

Was die Bundesrepublik und ihre Politik angeht, so hoffe ich, dass der Vermittlungsausschuss zu Ergebnissen kommt, die die Umsetzung der Reformen ermöglichen. Die Wirtschaft wartet darauf. Erste Anzeichen - wir hatten gerade die Ergebnisse einer Studie der IHK Cottbus vorliegen - deuten darauf hin, dass

die Wirtschaft das Klima etwas positiver sieht, dass also ein Aufwärtstrend zu verzeichnen ist. Das kann - ich hoffe, es ist so - eine erste Reaktion auf die bundespolitischen Beschlüsse darstellen. Wir werden uns als Land Brandenburg in diese Reformvorhaben weiterhin einbringen, um mittelfristig eine Stabilisierung und dann auch wieder Wachstum zu erreichen.

Meine Damen und Herren, Politik wird von Menschen gemacht, und wo Menschen arbeiten, machen sie auch Fehler. Aber nur wenn aus diesen Fehlern gelernt wird, können wir gestärkt daraus hervorgehen. Oder noch provozierender formuliert: Nur wer aus Fehlern lernt und in der Lage ist, die Lehren daraus umzusetzen, soll auch Anspruch haben, die Zukunft unseres Landes Brandenburg mitzugestalten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das Wort geht an die DVU-Fraktion. Für sie spricht die Abgeordnete Hesselbarth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, und doch ist ein märkischer Traum geplatzt. Die Idee der Errichtung von Kommunikationschips mit der IHP-Technologie in Frankfurt (Oder) ist leider am Ende. 245 Millionen Euro, davon 38 Millionen Euro Landesbeteiligung und 2,6 Millionen Euro ausstehende Zinsen, wurden wieder einmal buchstäblich in den märkischen Sand gesetzt.

Alle Beteiligten schieben sich auch diesmal wieder gegenseitig die Schuld zu. Die Betreiberfirma Communicant warf der Bundesregierung vor, mit überharten Bedingungen für eine Bundesbürgschaft über 520 Millionen Euro das Projekt verhindert zu haben. So habe die Bundesregierung eine Verdoppelung der Beteiligung Brandenburgs und eine Verschiebung der geplanten zweiten Chipfabrik in Dubai gefordert. Außerdem hätten die Geldgeber über 650 Millionen Dollar Fremdkapital selbstschuldnerische Bürgschaften geben sollen. Die Regierung habe zudem mit der geforderten Neubewertung des Rohbaus der Chipfabrik die Überschuldung von Communicant ausgelöst.

Ex-Ministerpräsident und Bundesverkehrsminister Stolpe wiederum gab der Europäischen Kommission die Schuld am Misslingen. Sie habe sich nicht flexibel genug gezeigt. Er meinte damit wohl das zweite von Brüssel geforderte Modifizierungsverfahren aufgrund der Ergebnisse der Beratungen im Bürgschaftsausschuss.

Obwohl auch wir als DVU-Fraktion der Meinung sind, dass all diese Schuldzuweisungen nach außen zweifelsohne eine gewisse Berechtigung haben, müssen wir doch feststellen, dass die Wirklichkeit etwas anders aussieht. Es hat dem Projekt Chipfabrik ganz einfach ein starker Partner aus der Wirtschaft gefehlt, ein Investor. Ohne diesen hätte dieses Projekt, das auch wir als DVU-Fraktion unterstützten, niemals begonnen werden dürfen. Doch der damalige Ministerpräsident Stolpe, Ex-Wirtschaftsminister Fürniß und der Noch-Communicant-Chef Ourmazd brachten es fertig, fast zwei Jahre lang alles schönzureden und darüber hinaus den Landtag sowie den für das Projekt zuständigen Wirtschaftsausschuss im Unklaren zu lassen bzw. mit Halb- oder Unwahrheiten hinters Licht zu führen.

Erst heute wissen wir, dass keiner der am Projekt Chipfabrik Beteiligten so richtig investieren wollte, weil jeder ein anderes Ziel verfolgte. Der amerikanische Chiphersteller Intel wollte preiswert die Technologie aus dem IHP haben. Das Emirat Dubai wollte eine eigene Chipfabrik und die Landesregierung schließlich versprach Arbeitsplätze in Frankfurt (Oder). Ein geplatztes Versprechen, für das sie sich zu verantworten haben wird.

Alle Risiken sollten beim Staat, beim Bund und bei Brandenburg bleiben - das konnte einfach nicht gut gehen. Daher blieb der Bund in den Bürgschaftsverhandlungen zurückhaltend und ließ das Projekt letztendlich scheitern. Das Scheitern der geplanten Chipfabrik in Frankfurt (Oder) ist für das nach diversen Großprojektpleiten ramponierte Image des Landes Brandenburg ein sehr schwerer Schlag.

Ausgerechnet die Bundesregierung hat mit ihren harten an die Investoren gerichteten Bedingungen dem Milliardenvorhaben den Todesstoß versetzt, und das ohne Rücksicht auf Sie, Herr Ministerpräsident Platzeck. Angesichts der katastrophalen Haushaltslage auch auf Bundesebene war das abrupte Aus der Chipfabrik aus Bundessicht sogar folgerichtig. Anders als die geplante Chipfabrik in Dresden, für die der Bund eine Millionenbürgschaft zugesagt hat, stand das Frankfurter Projekt immer auf wackligen Beinen. Innerhalb von drei Jahren gelang es nicht, genügend Geld für das Projekt aufzutreiben. Der Technologievorsprung schwankte beträchtlich. Das Management des Unternehmens galt als maßlos überfordert und die politische Begleitung des Projektes war von Anfang an eine Katastrophe. Wie bei CargoLifter und anderen gescheiterten Großprojekten in Brandenburg fehlte der Chipfabrik ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept.

Wieder einmal sollte der Staat Millionen locker machen und in der Hoffnung auf Arbeitsplätze ein enormes, nicht abschätzbares Risiko übernehmen. Doch anders als beim Lausitzring, bei CargoLifter und anderen Projekten hat die Politik diesmal ihren Traum sogar selbst begraben und nicht erst den drohenden wirtschaftlichen Misserfolg abgewartet.

Insgesamt gesehen ist das Scheitern der Chipfabrik ein Armutszeugnis für die gesamte Brandenburger Standortpolitik. Zugegeben, das auf Mobilfunktechnologie spezialisierte Chipwerk wäre zweifelsohne eine Wette auf die Zukunft gewesen. Ebenso unzweifelhaft wäre es eine Investition mit hohem Risiko gewesen, zumal es um eine neue Produktionstechnologie für Mikrochips ging. Auch gibt es keine Garantie, dass die Bürgschaft des Bundes im Falle eines Scheiterns von den Gläubigern nicht gezogen worden wäre. Trotzdem waren die Chancen für das Entstehen zukunftsfähiger Arbeitsplätze in der Informationstechnologie um ein Vielfaches höher als beispielsweise durch Direktsubventionen für die deutsche Kohle.

Ein Armutszeugnis ist es nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Menschen in der am Boden liegenden Region Frankfurt (Oder) große Hoffnungen in das geplante Werk gesetzt hatten.

Der globale Chiphersteller Intel wird die ursprünglich in Brandenburg mitentwickelte Produktionstechnologie und das Know-how nun vielleicht in einem anderen Land zur Marktreife bringen und das wäre ihm nicht einmal zu verdenken.

Das Scheitern der Chipfabrik zeigt wieder einmal die katastrophale Wirtschaftspolitik dieser Landesregierung. Die Misser

folge der Brandenburger Wirtschaftspolitik stehen sozusagen gut sichtbar in der Landschaft: Die Investitionsruine Chipfabrik steht neben der Autobahn, die Rennstrecke Lausitzring ist unübersehbar und die Werkhalle von CargoLifter erhebt sich hoch über den märkischen Kiefernwald.