Inwieweit das Unterschätzen des Aufbaus Ost bzw. Managementfehler des Landes und des Unternehmens für das Scheitern verantwortlich sind, wird der Untersuchungsausschuss zu klären haben. Ich hoffe, dass sich neben dem Untersuchungsausschuss auch andere Institutionen damit beschäftigen werden.
Die Regierungserklärung und die gestern begonnene Debatte über den Haushalt weisen seitens der CDU- und der SPD-Fraktion nur eine geringe inhaltliche Übereinstimmung auf. Der Anspruch auf ein modernes Brandenburg wird blockiert. Niemand in der PDS-Fraktion macht sich Illusionen über die finanzpolitische Situation des Landes. Aber zwischen uns besteht ein grundlegender politischer Dissens. Formaljuristisch ist der vorliegende Haushalt verfassungskonform. Trotzdem ist er kein Abbild der realen Situation im Lande Brandenburg, weil sich das Land Brandenburg real in einer Situation der haushaltswirtschaftlichen Notlage befindet. Von Offenheit und Ehrlichkeit ist dabei nichts zu erkennen.
Die Lösung des Problems wird auf den im kommenden Jahr zu erwartenden Nachtragshaushalt verschoben, und zwar nach dem Prinzip Hoffnung, dass dann andere, zum Beispiel der Bund, für diese Entwicklung verantwortlich gemacht werden können. Das ist zum Teil richtig, da die Steuer- und Arbeitsmarktreform für den Osten verheerende Auswirkungen haben wird und die Frage zu stellen ist, inwieweit die Bundesregierung überhaupt auf die
Idee kommt, über Hartz IV den Osten abzuhängen, was die Frage nach dem strukturpolitischen Konzept für den Angleichungsprozess zwischen Ost und West noch einmal ganz deutlich macht. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit.
Richtig ist, dass die Verwendung der Mittel aus dem Solidarpakt II mit sinkender Tendenz gerade noch den Status quo im Lande Brandenburg erhält. Richtig ist auch, dass die Steuerdeckungsquote wieder unter 50 % gesunken ist. Richtig ist auch, dass die Investitionsquote rechnerisch bei 20 % liegt. Richtig ist schließlich auch, dass die Neuverschuldung steigen wird. In dieser Situation hätte sich zum Beispiel aus der Evaluierung der europäischen Strukturfonds die Möglichkeit eines generellen Umbaus des öffentlichen Fördersystems ergeben.
Diese Chance blieb ungenutzt und damit auch die Möglichkeit, Ordnungspolitik im Lande Brandenburg den Realitäten anzupassen. Damit wird die Lösung eines Problems wieder um zwölf Monate verschoben; denn - machen wir uns nichts vor im Wahljahr werden keine grundlegenden Entscheidungen getroffen werden.
Damit wurde nicht Zukunft aufgebaut, sondern Zukunft verspielt und ein effizienter Mitteleinsatz für die nächsten Jahre nicht sichergestellt.
Niemand braucht das Image des Landes Brandenburg schlechtzureden; das Image folgt der Situation im Lande und ist schlecht. Wie die Bertelsmann-Studie ergeben hat, hat sich das Land Brandenburg unter der SPD-CDU-Koalition am schlechtesten von allen Bundesländern entwickelt. Das ist nicht nur Ausdruck von Rahmenbedingungen des Bundes und der Europäischen Union, sondern ist auch Ausdruck des Scheiterns Ihrer Politik und eines Koalitionsvertrags, wobei die Kritik seitens der PDS-Fraktion an diesem Vertrag von Ihnen fast als Verrat an der Zukunft Brandenburgs gegeißelt worden ist. Ich sage Ihnen: Was Sie damals unrealistischerweise vereinbart haben, ist gescheitert. Das haben wir Ihnen schon vorher gesagt. Ich gehe davon aus, dass es im Wahljahr dazu eine Evaluierung durch die Wähler geben wird.
Wenn ein Anstieg der Nettokreditaufnahme nicht zu verhindern ist, dann geht es um das Ziel der Einsetzung dieser Mittel in den nächsten Jahren, um eine wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Konsolidierung tatsächlich einzuleiten und zu erreichen. Wenn das nicht gelingt, wird sich die Vertrauenskrise gegenüber Parteien weiter vertiefen und wird sich die so dringend notwendige Aufbruchstimmung im Lande Brandenburg nicht einstellen.
Wir haben zentrale Standortaufgaben. Erstens: Im Zusammenhang mit dem härter werdenden Verteilungskampf der Länder untereinander ist die Föderalismusdebatte auch durch die Landesregierung und durch das Parlament zu intensivieren. Dabei geht es nicht nur um eine Neuaufteilung der Aufgaben zwischen Bund und Ländern, sondern auch um eine Kopplung des Nachteilsausgleichs zwischen den Regionen mit dem so genannten Wettbewerbsföderalismus. Als einen Schritt dazu schlage ich zum wiederholten Male eine bundespolitische Debatte über einen Standortsicherungsvertrag vor, der bei Investitionen eine Situation der möglichen politischen Erpressung der öffentlichen Hand in den Ländern verhindert.
Natürlich wird sich die Debatte um den Solidarpakt II im nächsten Jahr vertiefen. Sie alle wissen genauso gut wie wir, dass 51 Milliarden Euro aus dem Solidarpakt II gesetzlich nicht gesichert sind. Natürlich werden wir die Kontrolle über die Verwendung der Mittel durch die öffentliche Hand im Lande Brandenburg ausbauen. Selbstverständlich werden wir auf jede Verschwendung und auf jedes Missmanagement hinweisen. Das sind wir schon unseren eigenen Bürgern schuldig, weil der Solidarzuschlag auch im Osten erhoben wird. Aber, meine Damen und Herren, bei einer Debatte, bei der die Förderung des Ostens generell infrage gestellt wird, erwarte ich auch von Ihnen nicht nur Vorschläge dahin gehend, dass schlicht und einfach schon einmal 200 Millionen Euro im konsumtiven Bereich gestrichen werden können, um damit die Haushaltssituation zu verändern. Ich finde, das hat mit einer verantwortungsvollen Finanzpolitik nichts zu tun, überhaupt nichts.
Zweitens geht es um die Zusammenfassung der Strukturfondsmittel der Europäischen Union in einem gemeinsamen Fonds, der eine komplexe Förderung der Regionen sicherstellt. Das ist auch der politische Ansatz dafür, dass man offensiv nicht nur über die Gleichwertigkeit von Lebensbedingungen, sondern auch über die Unterschiede zwischen den Regionen kommunizieren kann. Nur wenn Perspektiven für die Bevölkerung nachvollziehbar sind, wird es auch eine Identität zwischen Engagement und politischer Zielstellung geben.
Drittens nenne ich die Aufrechterhaltung der Mobilitätsvoraussetzungen und der Erreichbarkeit aller Regionen im Lande.
Viertens geht es um die Ausrichtung der Mittelstandspolitik auf eine technologische Orientierung, um längerfristige Marktperspektiven auch im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung realisieren zu können, um die Stärkung von Wertschöpfungsketten zum Beispiel in den Bereichen Verkehrstechnik, Biotechnologie, Film, Fernsehen und anderen, um die Überwindung der Eigenkapitalschwäche Brandenburger Unternehmen sowohl bei Existenzgründungen als auch bei der so genannten zweiten Investitionsschwelle. Das kann auch Veränderungen gesetzlicher Regelungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der ILB beinhalten, die zu einer Mittelstandsbank ausgebaut werden muss, und das trotz und gerade wegen Basel II.
Herr Minister Junghanns, tun Sie mir bitte einen großen Gefallen. Reden Sie nicht vom Großprojekt Mittelstand. Der Begriff Großprojekte assoziiert im Moment das Scheitern politischer Vorhaben im Land Brandenburg.
Fünftens ist die Umsetzung eines Infrastrukturverständnisses, das wirtschaftliche und soziale Infrastruktur miteinander verbindet, um so eine Voraussetzung zu schaffen, Wertschöpfung, Beschäftigung und Lebensqualität sicherzustellen, zu nennen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident sprach die Wiederauflage des Brandenburger Weges an. Die PDS ist zu Kooperationen bereit, dort, wo es sich lohnt. Sie ist aber nicht bereit zur Wiederauflage eines politischen Modells, das sich darin erschöpft, Fehler nicht mehr zu benennen. Wenn ein ehemaliger Ministerpräsident als Gipfel der Selbstkritik in einem Interview nach dem Scheitern der Chipfabrik verkünden darf, dass man jetzt noch intensiver über den Ein
satz von Fördermitteln nachdenken muss, dann tut es mir Leid: Dieser politische Weg ist mit der PDS nicht zu haben!
Wenn es um Sachfragen der Kooperation im Interesse dieses Landes geht, so wird das von uns erwartet, und zwar jederzeit. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf den Anlass der heutigen Regierungserklärung - Scheitern der Chipfabrik - hätten wir wahrscheinlich alle gern verzichtet. Es herrscht große Enttäuschung darüber in Brandenburg, insbesondere in der betroffenen Region Ostbrandenburg. Trotzdem danke ich Matthias Platzeck für seine Regierungserklärung.
Ich denke, er hat sehr wohl deutlich machen können, dass das gegenwärtig veröffentlichte Bild von der Brandenburger Situation zumindest nicht die ganze Wahrheit ist.
Ich finde, wir sollten, wenn wir schon die Bertelsmann-Stiftung zitieren, mit der Problematik auch fair und ehrlich umgehen, denn vor dem Hintergrund der unbestrittenen Tatsache, dass uns Arbeitsplätze fehlen, dass wir zu wenig Wertschöpfung haben, dort einschneidende Maßnahmen - Herr Vietze, Sie haben das gestern genüsslich zitiert - gefordert werden, schließe ich daraus erst einmal Ihre Zustimmung zu dieser Aussage. Wenn wir aber im Haushaltsverfahren wenig einschneidende Maßnahmen vereinbaren und verabreden, gibt es heftigen Protest von Ihrer Seite. Schauen Sie sich bitte einmal die Vielzahl Ihrer Änderungsanträge zum Haushalt an; wir waren ja erst beim Einzelplan 07. Überall Erhöhung konsumtiver Ausgaben!
Das sind nicht die geforderten einschneidenden Maßnahmen. Sie finden in der Vielzahl jedoch auch zwei, drei Anträge, die anders aussehen. Das sind aber nicht die einschneidenden Maßnahmen, die die Bertelsmann-Stiftung meint. Wenn, dann müssten wir hier konsequent vorgehen und Politik aus einem Guss machen.
Es ist sicherlich richtig, dass nur die konsequente Aufklärung von in der Vergangenheit gemachten Fehlern unsere Stärken und Chancen für die Zukunft nutzbar macht. Ich stimme dieser Aussage zu und füge aus Sicht eines Parlamentariers eine Bemerkung hinsichtlich politischer Verantwortung für Vergangenheit und Zukunft hinzu. Um es vorab noch einmal zu bekräftigen: Meine Fraktion wird sich den vorliegenden Anträgen zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses anschließen und damit unseren Fraktionsbeschluss zur bestmöglichen Aufklärung der Gründe des Scheiterns umsetzen.
Auf dem Weg zu einem solchen Projekt sind viele Fragen zu stellen und laufend zu beantworten: Gibt es eine hinreichend tragfähige Geschäftsidee und das zur Realisierung nötige technische und wissenschaftliche Know-how? Welche Absatzchancen und Kundenbindungen können hergestellt werden? Welche Finanzierung ist vorhanden bzw. erforderlich? Welche Genehmigungserfordernisse mit welchen Chancen sind zu beachten? - Das sind nur einige wenige, aber beispielhafte Fragen, die im Laufe des Verfahrens offenbar nicht befriedigend beantwortet werden konnten. Wir müssen es jetzt im Nachhinein tun. Das geschieht nicht zum Selbstzweck, sondern wir brauchen die Antworten. Auch in Zukunft wird es in Brandenburg Ansiedlungen und Investitionen geben, die der politischen Unterstützung und finanziellen Förderung durch die öffentliche Hand bedürfen. Dafür muss in der Tat das Urteilsvermögen aller Beteiligten geschärft werden. Nicht allein politische Wünschbarkeit - sie auch, aber nicht allein -, sondern vor allem ökonomische Tragfähigkeit muss zum Maßstab werden.
Die angestrebte Analyse leistet wohl einen Beitrag zum Verständnis der Vergangenheit. Dies allein würde einen Untersuchungsausschuss aber nicht rechtfertigen. Der wichtigere Teil, die eigentliche Bedeutung, liegt in der Gestaltung der Zukunft. Ein Großprojekt - und nicht nur ein Großprojekt - politisch begleiten heißt eine harte Nuss knacken. Wer aber dem Weg dahin mehr Bedeutung beimisst als dem Ziel, hat den Kern der Nuss schon vergessen und begnügt sich mit der Schale. Wir haben das gerade in den vergangenen Tagen erlebt, meine Damen und Herren.
In Frankfurt (Oder) ist eine große Chance vertan worden. Hier hätte nämlich beispielhaft gezeigt werden können, wie die Wertschöpfungskette Wissenschaft, Forschung, Innovation, Technologietransfer Wirtschaft gemeint ist und wie sie funktioniert. Ich bin nach wie vor von der Exzellenz der Frankfurter IHP-Technologie überzeugt und deshalb umso enttäuschter über den Ausgang des Vorgangs. Aber das IHP gibt es weiter, es feiert am nächsten Donnerstag sein 20-jähriges Bestehen. Ich bin gespannt auf die Zukunftsvisionen, die uns Dr. Mehr vortragen wird, denn das IHP - da bin ich sicher - hat in Frankfurt eine gute Zukunft.
Mit der Chipfabrik wird Brandenburg in der Weltliga der Hochtechnologie spielen. - Das hätte auch auf der Grundlage der wirklich hervorragenden Forschungsergebnisse funktionieren können, wenn dieser Aussage nicht die wirtschaftliche und finanzielle Grundlage gefehlt hätte. Um diese Grundlage zu organisieren, hätte es auch der Weltliga des Managertums bedurft.
Die Chipfabrik wird jetzt, wie nicht anders zu erwarten, in die schwarze Reihe der gescheiterten Projekte Brandenburgs eingehen. Meistens schließt sich dann die Meinung an, Brandenburg solle künftig die Finger von solchen Projekten lassen, insbesondere dann, wenn sie prestigeträchtig in Szene gesetzt werden sollen. Einer solchen generellen Ablehnung von Großprojekten werde ich nicht das Wort reden. Investitionen jeglicher Art und Größe sind für unser Land überlebenswichtig,
vor allem solche, die auch noch innovativ sind, und solche, die dann in aller Regel Auftraggeber für viele mittelständische Betriebe sind.
Natürlich beinhalten solche Investitionen immer auch ein Risiko, ein Risiko, das einzugehen sich dann lohnt, wenn die wirtschaftlichen Grundlagen und politischen Rahmenbedingungen vorhanden sind.
Genauso deutlich muss aber auch gesagt werden, dass diese Risikoabschätzung vor der Verkündung von Vorhaben stehen muss und nicht an deren Ende, womöglich erst in einem Untersuchungsausschuss.
Politische Bescheidenheit ist hier angemahnt. Die politische Unterstützung - das ist meine Erfahrung aus den letzten Jahren - wirkt außerordentlich unsymmetrisch. Man kann sehr leicht mit der Verweigerung politischer Unterstützung und der Versagung von Genehmigungen ein wichtiges Vorhaben zu Fall bringen, es nicht zustande kommen lassen. In dieser Richtung ist die Aktivität der Politik sehr effizient. Man kann mit der gegebenen politischen Unterstützung leider aber nur einen kleinen Beitrag zum Gelingen eines Vorhabens leisten und damit einen soliden Investor nicht ersetzen.
Diese Erfahrung haben wir machen müssen und deshalb rate ich jedem - ich hoffe, das sieht der Wirtschaftsminister ähnlich -, wenn uns einmal ein Vorhaben gelingt, uns nicht hinzustellen und zu sagen: Wir haben es gemacht.
Gemacht haben es die anderen; wir haben es nicht verhindert und wir haben das, was wir zutun konnten, getan.
Das haben wir auch in Frankfurt gemacht: mit Geld, mit politischer Unterstützung bis hin zu der ungewöhnlichen Form einer Beteiligung in einer Gesellschaft. Trotzdem hat es nicht gereicht, was eben damit zu tun hat, dass Politik allein es nicht bewegen kann. Also sollte dieser Anspruch auch nicht erhoben werden.
Das Scheitern der Chipfabrik hat, wie wir wissen, nicht nur in Politikerkreisen Enttäuschung ausgelöst. Viel schlimmer ist die Botschaft in Frankfurt, in ganz Ostbrandenburg aufgenommen worden. Geradezu verheerend ist sie für die Betroffenen, für die Mitarbeiter, für hoffnungsvolle Arbeitslose, die bereits in Umschulungsmaßnahmen sind, für die Auszubildenden und viele andere, die sich einen Aufschwung für diese Region versprochen haben.
Ich habe deshalb großes Verständnis für die ersten Reaktionen der Bevölkerung vor Ort nach Bekanntwerden des Scheiterns. Auch wenn diese Reaktionen zum Teil überzogen waren, zum Teil die falschen Adressaten hatten - sie zeigen deutlich, mit welchem Engagement und mit wie vielen Erwartungen vor Ort das Vorhaben verbunden war.
Der Aufschrei der Frankfurter war kein Jammern; er war Ausdruck von Wut und Schmerz. Diese Emotionen zeigen aber auch, dass unsere Brandenburger ihr Schicksal nicht einfach hinnehmen wollen. Auch in Premnitz erlebten wir vor kurzem einen gleichermaßen engagierten Kampf um die Erhaltung des Technologiestandorts. Viele weitere Beispiele ließen sich anfügen dafür, wie sich die Brandenburger vor Ort für ihre ureigensten Interessen einsetzen.
Unsere Verantwortung besteht in der Tat darin, die nötige Unterstützung zu organisieren, und nicht darin, einen zuverläs