Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ihnen vorliegende Konzept der Landesregierung legt die wesentlichen Grundsätze für die Weiterführung der Funktionalreform fest. Ich möchte daran erinnern, dass die Erarbeitung dieses Konzepts auf Ihren Auftrag vom Mai letzten Jahres zurückgeht.
In der Begründung der Entschließung wurde zu Recht hervorgehoben, dass die 1993 bis 1996 durchgeführte Funktionalreform eine Reihe von Aufgabenverlagerungen vom Land auf die Landkreise bewirkt hat. Die Fortführung der Funktionalreform und insbesondere die Übertragung von Aufgaben der Landkreisebene auf die Gemeindeebene sollte nach Beendigung der Gemeindegebietsreform forciert werden.
Mit den Kommunalwahlen am 26. Oktober findet nun der Neugliederungsprozess, der zu einer wesentlichen Stärkung der unteren Verwaltungseinheiten geführt hat, seinen Abschluss. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um auch im Interesse einer bürgernahen Verwaltung den amtsfreien Gemeinden und
den Ämtern mehr Kompetenzen zu übertragen. Gleichzeitig sollte auch die Möglichkeit weiterer Aufgabenverlagerungen vom Land auf die Landkreise und die kreisfreien Städte geprüft werden.
Lassen Sie mich nun zum Konzept Folgendes ausführen: Dieses Konzept geht von den Erfahrungen der Jahre 1993 bis 1996 aus, verschweigt aber auch nicht, dass die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen aus Sicht des Landes - wir haben es heute Morgen diskutiert - ungünstiger geworden sind. Das strikte Konnexitätsprinzip sowie die angespannte Haushaltslage engen unseren Spielraum nicht vollständig, aber doch erheblich ein. Der Grundsatz, eine Aufgabenverlagerung müsse auch wirtschaftlich sein, gewinnt vor diesem Hintergrund immer mehr an Bedeutung.
Angesichts des unabweisbaren Erfordernisses, auf allen Verwaltungsebenen Kosten einzusparen, wird sich also für uns die Frage stellen, wo eine Bündelung auf kommunaler Ebene nicht nur fachlich sinnvoll ist, sondern durch nachgewiesene und nachweisbare Synergieeffekte auch zu einer besseren Aufgabenerledigung führen kann.
Die Funktionalreform als Teil des Gesamtreformprozesses ist in einem engen Zusammenhang zu sehen mit dem Modernisierungsauftrag aus dem Haushaltssicherungsgesetz, mit den Entlastungen der Kommunen von pflichtigen Aufgaben, mit der Reduzierung von Normen und Standards und der durchgängigen Aufgabenkritik sämtlicher Verwaltungsbereiche.
Die Weiterführung der Funktionalreform ist deshalb kein Selbstzweck, sondern muss nach Auffassung der Landesregierung mit den anderen Maßnahmen zur Reform der öffentlichen Verwaltung in Einklang stehen. Lassen Sie mich dazu die wichtigsten Grundsätze nennen.
Erstens: Aufgabenübertragungen sollen zu einer größtmöglichen Bündelung auf kommunaler Ebene, zum Abbau von Doppelzuständigkeiten sowie zur orts- und bürgernahen Aufgabenerfüllung führen.
Zweitens: Vor einer Aufgabenübertragung ist aufgabenkritisch zu prüfen, ob die Aufgabe nicht aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert werden kann.
Drittens: Eine Aufgabenübertragung setzt des Weiteren voraus, dass bei dem neuen Aufgabenträger eine sachgerechte, wirtschaftliche und effektive Aufgabenerledigung gewährleistet ist.
Viertens: Jede Aufgabenübertragung bedarf insbesondere unter Beachtung des strikten Konnexitätsprinzips einer sorgfältigen und vergleichenden Kostenprognose.
Fünftens: Nicht nur größere Aufgabenkomplexe, sondern auch Teilaufgaben sind an nachgeordnete Bereiche zu übertragen, wenn dies den vorgenannten Grundsätzen entspricht. In Einzelfällen kann auch ein Hochzonen von Aufgaben in Betracht kommen, wenn dies unter Abwägung aller Kriterien verfassungsrechtlich und wirtschaftlich geboten ist.
Sechstens: Die Auswirkungen des verstärkten Einsatzes von E-Government, insbesondere die Überbrückung räumlicher Entfernungen durch elektronische Bürgerdienste, sind bei den weiteren Überlegungen zur Aufgabenübertragung zu berück
sichtigen. Ich gehe davon aus, dass die Möglichkeiten der elektronischen Bearbeitung, also E-Government, mittelfristig zu weiteren Veränderungen führen können.
Meine Damen und Herren, das Ihnen vorliegende Konzept stellt kein fertiges Modell für die künftige Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen dar. Angesichts der ständig neuen Aufgaben und Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen, wäre es ohnehin vermessen, eine abschließende Struktur jetzt festlegen zu wollen. Eine Struktur, die sich nicht verändert, wird ein Skelett, das dann am Wegesrand liegt.
Trotz oder gerade aufgrund der von mir hervorgehobenen schwierigen Rahmenbedingungen ist es notwendig, pragmatisch und ergebnisoffen zu prüfen, welche weiteren Aufgabenverlagerungen tatsächlich im öffentlichen Interesse liegen.
Für die weitere Diskussion liegen zahlreiche Vorschläge auf dem Tisch. Sie können sie der Anlage zu dem Konzept entnehmen.
Die breite Palette der Rückmeldungen signalisiert auf der einen Seite den insbesondere aus kommunaler Sicht bestehenden Handlungsbedarf. Auf der anderen Seite verdeutlichen die sehr unterschiedlichen Einschätzungen, dass hier eine vertiefte und kritische Prüfung der Einzelvorschläge unumgänglich ist. Hierbei geht es bei den verschiedenen Bereichen auch um die Frage, wie man seine Interessen durchsetzen oder wahrnehmen kann.
Dieser Aufgabe wird sich im Rahmen einer interministeriellen Projektgruppe Staatssekretär Lancelle aus dem Innenministerium annehmen. Selbstverständlich werden auch die kommunalen Spitzenverbände beteiligt sein. Die Projektgruppe soll die für die Weiterführung der Funktionalreform maßgeblichen Fragestellungen, die ich hier nur angerissen habe, aufarbeiten und anschließend der Landesregierung konkrete Handlungsvorschläge unterbreiten. Die Umsetzung in Form von Rechtsänderungen wird realistischerweise erst in der nächsten Legislaturperiode erfolgen können.
Meine Damen und Herren, es ist die Absicht der Landesregierung, die Funktionalreform überall dort, wo sie zu einer bürgernahen und zugleich effizienten Aufgabenwahrnehmung führt, fortzusetzen. Wir sind davon überzeugt, dass dezentrale Entscheidungen besser sind als zentrale Entscheidungen, soweit erstere möglich sind. Wir sollten uns aber keinen Illusionen im Hinblick auf die zu erzielenden Erfolge hingeben. Die vor uns liegende Arbeit wird kleinteilig und mühsam sein. Es ist ein langer, steiniger Weg, aber es lohnt sich, diesen Weg gemeinsam zu gehen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Bezug auf eine Entschließung des Landtages vom 29. Mai 2002 hat die Landesregierung nun ein Papier zur Weiterführung der Funktionalreform vorgelegt. Wenn das jetzt als eine Leistung der Koalitionsfraktionen dargestellt wird, dann möch
te ich Sie in aller Deutlichkeit daran erinnern, dass das auf einen Antrag der PDS zurückgeht; denn, meine Damen und Herren, ohne Antrag keine Entschließung.
Die Koalition hat seinerzeit den Inhalt des Antrags meiner Fraktion in vollem Umfang in einen eigenen Entschließungsantrag umgewandelt.
denn die Funktionalreform ist traditionell ein eher ungeliebtes Thema, noch dazu, weil damit nicht nur die Aufgaben, sondern auch die notwendigen finanziellen Mittel nach unten delegiert werden. Das heißt: Die Ministerien verlieren an Einfluss, womit die Minister in der Regel Schwierigkeiten haben.
Von daher macht es sich natürlich gut, Funktionalreform ausgehend vom Abschlussbericht der Landesregierung aus dem Jahre 1996 als einen ständigen, dynamischen Prozess zu begreifen. Das Problem ist nur, dass diese elegante Betrachtungsweise nicht in praktische Politik umgesetzt worden ist.
Das Grundproblem bei der Funktionalreform besteht darin, dass die Regierung unter Druck gesetzt werden muss, da sie aus sich heraus die nötigen Konsequenzen nicht gezogen hat. Deswegen haben wir in unserem Antrag vom Mai vergangenen Jahres bewusst Zeitdruck gemacht. Dem ist die Koalition dadurch ausgewichen, dass sie den Termin großzügig um ein halbes Jahr verlängert hat. Herr Petke sagte so schön, die PDS mache keine Vorschläge und wolle die Verantwortung nur an die Landesregierung delegieren.
Nach Aussage von Herrn Schippel und Herrn Petke wollten sie keinen Schnellschuss, wollten nichts übers Knie brechen. Auch wir wollen keinen Schnellschuss. Wenn ich mir die Ergebnisse der Überlegungen ansehe, für die die Landesregierung immerhin mehr als ein Jahr Zeit hatte, dann finde ich das aber sehr bescheiden. Was die Landesregierung vorgelegt hat, ist allenfalls ein Bericht über den bisherigen Ablauf der Funktionalreform
Bemerkenswert finde ich, dass Sie sich zwar auf das Funktionalreformgrundsätzegesetz von 1994 beziehen, gleichzeitig aber eine Anpassung an heutige Bedingungen vornehmen. Wenn Sie den Grundsatz einer sachgerechten, wirtschaftlichen und effektiven Aufgabenerledigung an das Erfordernis einer umfassenden Kosteneinsparung auf allen Ebenen binden, dann versuchen Sie damit, das Konnexitätsprinzip auszuhebeln. Sie schieben der kommunalen Ebene die Aufgabe zu, einen eige
nen Beitrag zu leisten, um mittelfristig für übertragene Aufgaben eine Effizienzrendite zu erreichen. Damit wird der Kern der Funktionalreform angesprochen. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die Kommunen nicht bereit sind, neue Aufgaben zu übernehmen, wenn damit zusätzliche finanzielle Belastungen drohen. Genau über diese Schiene kann man die Funktionalreform von vornherein entschärfen.
Auch der Bezug auf E-Government hat den Hintergrund, dass mit den heutigen technischen Möglichkeiten Bürgernähe nicht unbedingt mit der Wahrnehmung von Aufgaben durch die Kommunalverwaltung hergestellt werden muss.
Des Weiteren schaffen Sie den Vorbehalt, dass Privatisierung vor Aufgabenübertragung auf eine andere Ebene steht. Das steht nach meiner Ansicht in Widerspruch zu Ihrer Koalitionsvereinbarung.
Nicht zuletzt stellt die Landesregierung darauf ab, dass Aufgaben nicht nur nach unten übertragen werden sollen, sondern auch eine Hochzonung von Aufgaben in Betracht kommt. Damit entfernen Sie sich deutlich von den Grundsätzen des Funktionalreformgrundsätzegesetzes. Sie öffnen sich ein Hintertürchen nach dem anderen, sodass man die Erwartungen, die mit der Fortführung der Funktionalreform verbunden werden, sehr niedrig hängen muss.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal daran erinnern, dass ursprünglich einmal beabsichtigt war, die vom Land wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben weitgehend auf die kommunale Ebene zu übertragen. Regierungen sollen regieren und Verwaltungen sollen verwalten - so der damalige Innenminister Ziel im März 1994. Davon sind wir weit entfernt.
Es zeigt sich, dass Sie über die Funktionalreform reden, sich aber nicht binden wollen. Das ist hier so wie auch beim Thema der Entbürokratisierung: Große Worte, aber keine greifbaren Ergebnisse. Es ist hier auch so wie bei der versprochenen Gemeindefinanzreform, von der jetzt wieder abgerückt werden soll. Sie haben den Gemeinden zugesagt, dass es nach der Gemeindegebietsreform auf der Grundlage der gekräftigten Verwaltungsstrukturen eine Aufgabenverlagerung nach unten geben wird. Eine solche klare Aussage kann ich in dem Bericht aber nicht finden.
Sie haben sich für die Einrichtung einer interministeriellen Projektgruppe entschieden. Wir hätten es besser gefunden, wenn Sie die Form einer unabhängigen Kommission gewählt hätten, wie sie im Jahre 1992 gebildet wurde.
Ich will schließlich kritisch anmerken, dass das so genannte Konzept keinerlei zeitliche Vorstellungen enthält. Die Regierung will sich auch in dieser Frage nicht binden. Wir halten es für erforderlich, dass ein konkreter zeitlicher Rahmen festgelegt wird. Sie können sich darauf verlassen, dass die PDS-Fraktion auch in Zukunft treibende Kraft bei der Funktionalreform bleiben wird. - Danke sehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute Vormittag war die finanzielle Ausstattung der Brandenburger Kommunen Gegenstand der Aktuellen Stunde. Mit dem Geld ist das ja so eine Sache: Man kann eigentlich nie genug davon haben und man hat im Allgemeinen auch nie genug davon. Diese Erkenntnis sollte logischerweise zu der Schlussfolgerung führen, das vorhandene Geld zumindest so effektiv wie möglich einzusetzen. An wenigen anderen Orten dürfte dies mehr Anerkennung finden als in Brandenburg.
In diesem Kontext sehe ich - ich hoffe, dass ich damit nicht allein stehe - die Debatte um die Fortsetzung der Funktionalreform. Wichtige Voraussetzungen hierfür sind mit dem erfolgreichen Abschluss der Gemeindestrukturreform gegeben; denn diese Reform wird maßgeblich zu leistungsfähigeren Verwaltungsstrukturen auf kommunaler Ebene beitragen.