Protocol of the Session on August 27, 2003

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Große, und gebe jetzt das Wort an die Fraktion der SPD, Frau Abgeordnete Siebke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Große hat sehr umfänglich dargestellt, warum sie will, dass die Fortbildung evaluiert wird, nimmt aber - soweit ich das verstanden habe - das Ergebnis vorweg und stellt schon einmal fest, dass der Unternehmer Reiche auf diesem Gebiet wenig qualifiziert sei. Ich bin der Meinung: Wenn man Evaluation fordert, sollte man erst die Ergebnisse abwarten und dann seine Konsequenzen darstellen. Dann kann das durchaus auch kritisch sein.

Einig sind wir uns mit der PDS-Fraktion in dem Anliegen, die Qualität der Fortbildung in Brandenburg unter die Lupe zu nehmen. In der heutigen Aktuellen Stunde wurde bereits thematisiert, dass Lehrer gut qualifiziert und kompetent sein müssen. Das gilt für den Fachunterricht, das gilt für Schulentwicklung, das gilt für Schulleitungen, die diesen Prozess zu leiten haben, gleichermaßen, sodass Fortbildung eine Pflicht für jeden Lehrer an Brandenburger Schulen - ich meine, nicht nur hier - ist.

Geregelt ist das in Brandenburg - da stimme ich Frau Große zu - recht schwammig. Man muss also darüber reden, ob das so bleiben soll oder nicht. Das sollten wir aber erst dann tun, wenn der Evaluationsprozess abgeschlossen ist.

Wir haben also das gleiche Anliegen und haben einen Entschließungsantrag vorbereitet, der ein anderes Datum zum Inhalt hat. Ich meine, wir müssen noch ein bisschen Zeit ins Land gehen lassen, wobei Februar 2004 ein angemessenes Datum sein dürfte.

Uns interessiert in diesem Zusammenhang darüber hinaus, welche externen Evaluationsangebote - das ist ein großes Anliegen - die Schulen einwerben können, um die Qualität ihrer Bildungs- und Erziehungsarbeit zu gewährleisten. Wir wollen auch noch Aussagen über Modellschulen, die im Land Brandenburg angedacht sind, bekommen. Ansonsten befinden wir uns von der Grundauffassung her durchaus in Übereinstim

mung und ich bitte, dem Entschließungsantrag der SPD- und der CDU-Fraktion zuzustimmen. - Danke.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Siebke, und gebe das Wort an die Fraktion der DVU, Frau Abgeordnete Fechner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Genossen der PDS, was halten Sie von der Fortbildung Ihrer PDS-Abgeordneten?

(Unruhe bei der PDS)

Denn das PLIB, auf das Sie sich hier beziehen, existiert seit dem 1. Juli nämlich nicht mehr. Es gibt jetzt das LISUM. Frau Große, das müssten Sie eigentlich wissen.

Uns liegen zwei Anträge vor, zum einen der der PDS und zum anderen der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen. Die PDS möchte, grob gesagt, dass dem Landtag bis Dezember 2003 ein Konzept vorgelegt wird, und die Koalitionsfraktionen möchten dieses Konzept für den Ausschuss.

Wir sind der Meinung, dass der Ausschuss das kompetentere Gremium für diese Thematik ist. Deshalb werden wir diesem Entschließungsantrag zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der DVU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Fechner, und gebe das Wort an die Fraktion der CDU, Frau Abgeordnete Hartfelder.

Frau Kollegin Große, auch die CDU- und die SPD-Fraktion sind für Überraschungen gut, wie Sie jetzt hören werden: Ich schließe mich dem hier Gesagten in Gänze an. Das heißt: Der Antrag wird von der CDU-Fraktion unterstützt werden und im Ausschuss werden wir dann, wenn die Daten vorliegen, beraten. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Ihnen, Frau Abgeordnete Hartfelder, und gebe jetzt das Wort an die Landesregierung, Herrn Minister Reiche.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frau Große, Sie verbinden eine scharfe Analyse mit traumwandlerischen Schlussfolgerungen. Ich bin gern bereit, zu klaren Verabredungen zu kommen, aber dann nicht nach der Melodie: Reiche soll etwas vorschlagen und wird dann von Frau Blechinger, Frau Hartfelder und Frau Große dafür kritisiert,

dass er schon wieder einmal eine neue Idee durch das Dorf treibt. Wenn dann die Proteste der Lehrer, die sich durch mehr verpflichtende Fortbildung beschwert fühlen, kommen, sind Sie alle es nicht gewesen. Also: Wir können hier gerne etwas verbindlich verabreden, müssen es dann aber solidarisch und gemeinsam durchsetzen und tragen. Ich halte das übrigens wie Sie für zumutbar; denn die wirklich verpflichtende Unterrichtszeit macht bei den Lehrern nur knapp 50 % ihrer realen Arbeitszeit aus.

(Zuruf)

- Ich kann Ihnen das gern vorrechnen. Mit den Ferien und mit den 26 bzw. 28 Wochenstunden Verpflichtung sind das etwa 48 % - viel weniger, als viele denken. Wenn man es genau rechnet, ist es sogar nur ein reichliches Drittel.

Ich halte auch nichts davon, dass wir immer mehr evaluieren, um dann herauszubekommen, dass Sie mit Ihrer Analyse in Gänze Recht haben. Denn das, was Sie hier als Tatsachen vorgetragen haben, trifft leider zu. Es gibt keinen Punkt, bei dem ich Ihnen widersprechen müsste. Deshalb brauche ich es nicht zu evaluieren, sondern wir können gleich zur Tat schreiten und gemeinsam etwas verabreden.

Ob wir mehr SCHILF, also mehr schulinterne Lehrerfortbildung, brauchen, weiß ich nicht. Das glaube ich eher nicht. Andere Länder preisen es als große Revolution, dass sie jetzt 10, 12 oder 15 Stunden, also weniger als wir, durch Verordnung festlegen. Ich habe den Schulleitern gerade bei der Schulleiterfortbildung am Anfang des Jahres gesagt, ich erwarte von ihnen, dass sie ihre Lehrer auffordern, drängen, ja verpflichten, sich mehr persönlich, individuell fortzubilden, und dass sie sich das auch belegen lassen.

Jetzt wollen Sie gern einen wirtschaftlichen Anreiz, also einen goldenen Zügel, mit dem man erreichen kann, dass sich die Lehrer fortbilden. Wie wollen Sie das schaffen? Da gibt es nur zwei Wege: Entweder durch Abzüge. Ich glaube nicht, dass Sie das wirklich meinen und außerdem stünde da der Tarifvertrag im Wege. Oder Sie meinen, dass man den Leuten etwas zusätzlich geben sollte. Ich habe das vor einiger Zeit vorgeschlagen. Ich stehe dafür zur Verfügung, dass wir Personalmittel in Mittel umwandeln, die wir Lehrern, die sich in Bezug auf Fortbildung besonders engagieren, zusätzlich geben, eine Art Prämie zum Beispiel.

(Zuruf)

- Das ist nun gerade nicht richtig. Sie haben es leider viel zu leise gesagt. Deshalb muss ich es hier noch einmal laut wiederholen. Ob eine Stundenentlastung für die Lehrer, die sich besonders viel qualifiziert und fortgebildet haben und insofern vermutlich zu den besten Lehrern gehören, hilfreich und sinnvoll ist, wage ich zu bezweifeln. Denn die Stunden müssen ja gehalten werden. Wer also hält statt der stundenentlasteten Lehrer dann den Unterricht? Die Lehrer, die sich nicht fortgebildet haben. Halten Sie das wirklich für sinnvoll? Ich glaube nicht.

Wenn Sie also Prämien ausreichen wollen, gern. Als mein Büroleiter bzw. ich den Vorschlag gemacht haben und die Gewerkschaften und viele andere über uns herfielen, hat uns allerdings niemand aus diesem Parlament unterstützt.

Ich preise und rühme mich übrigens nicht damit, dass ich der größte Unternehmer des Landes Brandenburg sei, sondern das ist eine reine Tatsachenfeststellung. Wir leiten gemeinsam - Sie sind der Aufsichtsrat - ein Unternehmen, in dem täglich rund 1 Million Brandenburger arbeiten, nämlich 345 000 Schüler, 25 309 Lehrer, rund 500 Mitarbeiter in den übergeordneten Einrichtungen, in Schulämtern, im Ministerium usw., und 600 000 Eltern. Das macht rund 1 Million Menschen, die täglich da zu tun haben.

Wir haben mit BUSS ein neues System entwickelt; das ist, glaube ich, ganz gut. Es hat übrigens dazu geführt - darüber haben Sie leider nicht geredet, obwohl das zu einer redlichen Analyse gehört hätte -, dass die Lehrerinnen und Lehrer im vergangenen Jahr 200 000 Stunden in der m.a.u.s.-Fortbildung tätig gewesen sind. Sie haben vielleicht auch nicht vor Augen gehabt, dass im Jahr 2002 mit 473 000 Fortbildungsstunden der Lehrerinnen und Lehrer die Zahl erheblich größer war als in den Jahren 2000 und 2001. Es gibt also auch dort eine bessere Entwicklung, übrigens vermutlich als Folge einer guten Strukturentscheidung. Wir haben nämlich gesagt, statt es im LISUM bzw. auf der Landesebene zu entscheiden, soll die Zuständigkeit für die Fortbildung bei den Schulämtern liegen.

Ich will Ihnen abschließend ganz kurz die Schwerpunkte der regionalen Fortbildung in den Jahren 2003 und 2004 nennen, nämlich die Fremdsprache ab Klasse 3, die Begegnungssprache, Lernstandsdiagnostik in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I, die Implementation der neuen Rahmenlehrpläne in der Primarstufe, FLEX, die Differenzierung in der Jahrgangsstufe 5 und 6, Lesekompetenz in der Primarstufe und in der Sekundarstufe I, die Fortbildung im Zusammenhang mit der Implementation der Rahmenlehrpläne der Sekundarstufe I und die Qualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer für die zentralen Prüfungen in den 10. und 12. bzw. 13. Klassen, aber auch die Sozial- und Methodenkompetenz für die Lehrkräfte, Schulprogrammentwicklung und nach wie vor neue Medien.

Ich bin gern bereit, auf der Grundlage des Koalitionsantrags im Ausschuss darüber zu reden, was wir an verpflichtender Fortbildung gemeinsam zusätzlich unternehmen können. Wir können parteiübergreifend mit der Opposition sagen: Wir legen für das Schuljahr 10 Stunden fest und fordern die Schulleiter auf, das zu überprüfen. Aber dann tragen wir das, bitte schön, gemeinsam gegenüber den Gewerkschaften, gegenüber den Lehrerverbänden, dann darf sich nicht hinter meinem Rücken alles versammeln und sagen: Das ist nur wieder eine neue Idee von Reiche und dafür kritisieren wir ihn. Wir können also gemeinsam etwas verabreden, dann müssen wir es aber auch gemeinsam vertreten.

Insofern freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Reiche. - Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache und kommen zur Abstimmung.

Mir liegt der Antrag der Fraktion der PDS vor, den Antrag Drucksache 3/6280 - an den Ausschuss für Bildung, Jugend

und Sport zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag folgt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe jetzt den Antrag in Drucksache 3/6280 zur Abstimmung in der Sache auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag einstimmig angenommen worden.

Ich rufe jetzt den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der CDU, Drucksache 3/6323, auf. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag einstimmig angenommen worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 14 und rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Berichterstattung der Landesregierung über Auswirkungen der Umsetzung der „Agenda 2010“ im Land Brandenburg

Antrag der Fraktion der PDS

Drucksache 3/6281

Ich eröffne die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt und erteile Herrn Abgeordneten Thiel das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat vor wenigen Tagen die Hartz-Gesetze III und IV präsentiert, das Vorziehen der Steuerreform verkündet sowie eine Reform der Gemeindefinanzen und einen Gesetzentwurf für die Gesundheitsreform vorgelegt. Andere Teile der so genannten Agenda 2010 wurden bekanntlich in Kraft gesetzt. Hartz I und II sind nach den Worten des stellvertretenden Ministerpräsidenten Jörg Schönbohm „zelebriert und gefeiert worden, aber verpufft“. Das klingt so ähnlich wie fröhliches Placebo. Aber ein Placebo, meine Damen und Herren, ist das Gesamtpaket Agenda 2010 beileibe nicht. Es bewirkt absolut nicht das, was es angeblich bewirken soll, nämlich die Arbeitslosigkeit nachhaltig zu senken. Wenn ich einmal ein paar Schlagzeilen der letzten Presse zitieren soll: „Ernüchterung statt Hartz-Euphorie“, „Hartz-Reform nur Scharlatanerie“, „Von den 55 PSAAgenturen in der Region Berlin-Brandenburg wurden bisher lediglich 14 Arbeitslose in feste Jobs vermittelt“, „Ministerpräsident Platzeck gibt bekannt, dass Abstriche bei beschäftigungspolitischen Zielen des Landes vor allen Dingen in berlinfernen Regionen anstehen“ - Ich könnte die Liste fortsetzen.

Meine Damen und Herren, das Gesamtpaket Agenda 2010 wirkt sich dafür umso massiver auf die Lebensverhältnisse der Bürgerinnen und Bürger aus. Die Arbeitslosenhilfe verschwindet aus dem Instrumentenkasten der Sozialpolitik. Der bereits bestehende Druck auf Arbeitslose wird weiter erhöht. Für Zahnersatz und Krankengeld müssen die Versicherten künftig allein aufkommen. Die Entfernungspauschale soll gekürzt werden. Für das Vortragen einer vollständigen Liste der sozialen Eingriffe fehlt mir an dieser Stelle leider die Zeit.

Hier kann aus Sicht der PDS nur ein konsequentes Nein erfolgen, denn wenn diese so genannte Reform - laut Kanzler Schröder eine der größten Sozialreformen, die wir in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt hatten - einem Konzept folgt, dann heißt dieses Konzept aus unserer Sicht: massiver Sozialabbau.

(Beifall bei der PDS)

Zudem ist bisher völlig unklar, welche detaillierten Auswirkungen das gesamte Hartz-Paket haben wird. In den Arbeitsämtern, in den Kommunen, in sozialen Vereinen und Verbänden herrscht große Verunsicherung. Mehr noch: Die wirtschaftliche Situation in den neuen Bundesländern wurde bei dieser Reform offensichtlich völlig außer Acht gelassen. Nur, meine Damen und Herren von der SPD, das sollten Sie den Menschen dann auch so sagen. Bislang haben Sie regelmäßig - zum Beispiel vor der Bundestagswahl - große Erwartungen geweckt, die Sie nun nicht erfüllen können und deshalb klammheimlich zurückschrauben wollen.