Protocol of the Session on June 25, 2003

Brandenburg hat - das sollte niemand von uns kleinreden und schon gar nicht totschweigen - enorme Potenziale: Hauptstadtregion, Höchstfördergebiet der Europäischen Union, Beitritt Polens zur EU. Gleichzeitig sinken ab 2006 die Zuschüsse aus dem Solidarpakt. Kein anderes Bundesland hat derzeit mit solch immensen demographischen Verwerfungen zu kämpfen wie unser Land Brandenburg.

(Zuruf von der PDS: Was machen Sie dagegen?)

Bis heute wurden mehr als 4 200 Stellen von Landesbediensteten abgebaut. Vergleichbare Länder allerdings haben mit Stand von heute 5 000 Bedienstete weniger. Im Klartext heißt das: Wir finanzieren mit über 200 Millionen Euro 5 000 Landesbedienstete, die bereits heute überzählig sind. Dieses Geld haben wir nicht, sondern wir finanzieren Personal auf Kredit - mit über 200 Millionen Euro pro Jahr! In jedem Jahr kommen allein dafür 10 Millionen Euro an Zinsbelastungen hinzu, die den Spielraum zusätzlich einengen.

Der Abbau von insgesamt 12 400 Stellen von Landesbediensteten bis Ende 2007 ist deshalb nur eine Zwischenetappe; denn bis 2010 wird die Zahl von insgesamt 16 000 Landesbediensteten zu reduzieren sein. Dieser Anpassungsprozess darf sich weder verzögern noch generell in Gefahr geraten. Wir wollen eine verbindliche Stellenreduzierung in Jahresetappen. Deswegen haben wir Änderungsanträge für eine nachvollziehbare Anpassung in gleichmäßigen Jahresquoten vorgelegt. Selbst kleinste Verzögerungen gefährden die Sicherung des Gesamthaushalts. 1 000 Landesbedienstete - von über 60 000 übrigens! - kosten den Steuerzahler - über dessen Hab und Gut diskutieren wir hier, Herr Kollege Vietze - exakt 42 Millionen Euro pro Jahr. Sollte der Abbau nicht freiwillig oder mit allen Angeboten wie Teilzeit, Umsetzungen, Vereinbarungen mit Gewerkschaften etc. erfolgen, wollen wir, dass im Zweifelsfall auch betriebsbedingt gekündigt wird. Denn die Lage ist sehr ernst!

Wir werden eine jährliche Absenkung der Landesausgaben um mindestens 1,5 % umsetzen - abzüglich der Teuerungsrate, die zwischen 2 und 3 % liegt. Es ist wichtig und notwendig, dass

die behutsame Anpassung der Landesausgaben ermöglicht wird. Künftige Haushaltsentwürfe werden von der Landesregierung bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode unter dieser Prämisse erarbeitet, auch der Etat 2004. Wir werden Leistungsgesetze auf fünf Jahre befristen. Nach einem halben Jahrzehnt werden künftige Leistungsgesetze auslaufen. Der Landtag bewertet dann im Lichte der Möglichkeiten neu und trifft erneut eine Entscheidung.

Wir wollen mehr Effizienz und mehr Zusammenarbeit mit dem Bundesland Berlin. Hier liegen erhebliche Sparpotenziale. Eine Reihe von Ausgliederungen und Umstrukturierungen ist in dem Katalog des Gesetzes genannt.

Herr Abgeordneter Bischoff, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Vietze.

Herr Bischoff, können Sie mir darin zustimmen, dass es der Regelung, Leistungsgesetze nach fünf Jahren zu prüfen, nicht bedarf, wenn man zum Beispiel an das Kindertagesstättengesetz denkt, das einer jährlichen Veränderung unterliegt?

Herr Kollege Vietze, ich antworte ganz klar mit Nein. - Wir wollen mehr Effizienz und eine engere Zusammenarbeit mit Berlin. Hierin liegen erhebliche Sparpotenziale. Eine Reihe von Ausgliederungen sind im Gesetz benannt. Ich habe es eben erwähnt. Mehr Effizienz, mehr Kosten- und Leistungsrechnung und eine ordentliche Standardsoftware sollen unsere Kosteneffizienz verbessern. Die Aufgaben müssen stärker als bisher gemeinsam mit Berlin vereinbart werden. Das verringert Reibungsverluste und spart für beide Landeskassen bares Geld.

Es muss eine Debatte beginnen, um sofort - noch vor der Länderfusion - die Zusammenarbeit vertiefen und die Sparpotenziale erschließen zu können. Es gibt dabei ein Problem: Noch fehlt ein Verfassungsartikel, der die Zusammenarbeit auf dem Weg einer Länderfusion ganz konkret als Ziel benennt und bestimmt. Auch über das Haushaltssicherungsgesetz gab es verfassungsrechtliche Debatten mit sehr unterschiedlichen Sichtweisen. Wir haben uns intensiv mit dieser Frage auseinander gesetzt und nehmen sie sehr ernst.

Mit der heutigen Beschlussfassung stellen wir uns demonstrativ hinter den eingeschlagenen Kurs der Landesregierung: erstens Reduzierung von Personal, zweitens Reduzierung von Ausgaben, drittens kundenorientierte, effiziente Landesverwaltung. Natürlich ist das Haushaltssicherungsgesetz eine der wichtigen Zwischenetappen und ein Meilenstein. Aber es ist noch ein sehr langer Weg, der ein durchgreifendes Umdenken erfordert, und zwar auf allen Ebenen, und - ich wiederhole - es bedarf eines Mentalitätswechsels.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU)

Wir danken allen in der Landesregierung, die in schwieriger Detailarbeit und oft genug gegen gelegentliche Bedenkenträger den Gesetzentwurf erarbeitet haben. Besonderer Dank gilt der Stabstelle für Verwaltungsmodernisierung mit Herrn West

phal und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Abgeordneten Bischoff. - Ich gebe das Wort an die Fraktion der DVU. Bitte, Herr Abgeordneter Schuldt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung braucht offensichtlich auch 13 Jahre nach der politischen Wende noch Nachhilfe in Sachen freiheitlich-demokratische Grundordnung. Zweifel an diesem Gesetzentwurf bestehen ebenfalls noch im Hinblick auf die vorliegende Beschlussempfehlung. Hierzu einige Beispiele:

Zu begrüßen ist zwar die auch von uns nachdrücklich geforderte Streichung des Artikels 2 § 1 Abs. 3, denn sowohl der Landesdatenschutzbeauftragte als auch der Landesrechnungshof wie auch der Landtag sind nach der Verfassung unter dem Aspekt des Grundsatzes der Gewaltenteilung unabhängig. Deshalb wäre die Auslagerung dieser verwalteten Einheiten ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung indes nimmt davon nicht einmal den Landtag aus, denn auch der Legislative sollten Entscheidungsspielräume aus der Hand genommen werden. Diesen Verfassungsvorstoß greift die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses immerhin auf. Unberücksichtigt bleibt allerdings in der vorliegenden Beschlussempfehlung nach wie vor, dass die mit dem Verwaltungsmodernisierungsgrundsatz in § 3 enthaltene Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Dritte nicht jeweils durch eine bereichsspezifische Rechtsvorschrift zugelassen ist. Ein Dritter kann indes diese Aufgaben nur wahrnehmen, wenn er Beliehener, also ressortgebundener Beamter im funktionellen Sinne, ist. Solange diese Voraussetzung nicht gegeben ist, hält die in Artikel 2 § 3 Abs. 1 genannte Ausgliederung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Des Weiteren behält die Beschlussempfehlung weitere rechtsstaatliche Unschärfen des Gesetzentwurfes der Landesregierung bei, so zum Beispiel in § 11 Abs. 3 Satz 2 entsprechend § 12 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzentwurfes der Landesregierung zum Verwaltungsmodernisierungsgesetz. Das dort formulierte „Entgegenstehen“ von Geheimhaltungsinteressen ist im Sinne der Transparenz des Verwaltungshandelns verfassungsmäßig fragwürdig, weil die Geheimhaltungsinteressen im Gesetzentwurf nicht präzisiert wurden. Ferner ist mit dem Terminus „Entgegenstehen“ als unbestimmtem Rechtsbegriff der Verschleierung gegenüber den Bürgern Tür und Tor geöffnet. Auch das muss geändert werden, und zwar in der Form, wie es der Landesdatenschutzbeauftragte in seiner Stellungnahme zum Haushaltssicherungsgesetz gefordert hat. Es kann nicht angehen, dass auf diesem Wege quasi geheime Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften existieren. Schließlich kann eine extensive Auslegung dieser Vorschrift auch die Frage der Einbeziehung anderer Publikationswege als das Internet im Analogiewege aufwerfen.

Des Weiteren gibt es mit der vorliegenden Fassung des Haushaltssicherungsgesetzes keine klar formulierte Planungssicher

heit im Hinblick auf die Folgen betriebsbedingter Kündigungen. Ich erinnere an § 3 des Gesetzentwurfs über finanzpolitische Leitlinien und Vorgaben. Ebenso wird nichts über Sozialpläne ausgesagt. Die Landesgesetzgebung ist keine Spielwiese für Experimente unter dem Druck der aktuellen desaströsen Haushaltslage. Deshalb können wir der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses zum Haushaltssicherungsgesetz 2003 nicht zustimmen.

Zum Schluss meiner Rede zum Antrag der PDS-Fraktion, die die Einsetzung eines Sonderausschusses beantragt. Wir als DVU-Fraktion werden uns nicht daran beteiligen, durch Missbrauch der parlamentarischen Kontrolle die notwendige Verschlankung von Brandenburgs janusköpfiger Verwaltung sowie notwendige Einschnitte im Bereich der überbordenden Bürokratie des Landes zu blockieren. Darauf zielt Ihr Antrag, Herr Vietze, doch wirklich ab.

(Vietze [PDS]: Sie haben ihn nicht gelesen!)

Stimmen Sie stattdessen unserem Änderungsantrag zu! - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU - Vietze [PDS]: Sie haben ihn nicht richtig gelesen! - Zurufe von der PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Schuldt und gebe das Wort der Fraktion der CDU, dem Abgeordneten Lunacek.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Finanzpolitiker zu sein ist zurzeit wahrlich kein Vergnügen.

(Vietze [PDS]: Richtig!)

Die Anstrengungen, die wir den Kolleginnen und Kollegen und den Bürgerinnen und Bürgern im Land abverlangen, sind immens. Die äußeren Bedingungen arbeiten gegen uns. Ich habe das Gefühl, als seien wir bei den immer wiederkehrenden Argumentationen und sich verschlechternden Bedingungen manchmal Hamster im Laufrad. Auf der einen Seite sparen wir wie noch nie, auf der anderen Seite sind wir gezwungen, Schulden wie lange nicht mehr zu machen. Die Haushalte der Jahre 2000 bis 2003 waren Konsolidierungshaushalte. Der Nachtragshaushalt 2003 - vor gut drei Monaten verabschiedet umfasste Einschnitte, wie sie hier vorher noch nie beschlossen worden sind. Zeitgleich offenbart die Steuerschätzung vom Mai erhebliche Steuerausfälle. Ergebnis: Wir machen in diesem Jahr 1,2 Milliarden Euro neue Schulden und wir wirtschaften seit wenigen Wochen mit einer Haushaltssperre.

Finanzpolitik ist in diesen Zeiten wahrlich wie das Bohren sehr dicker Bretter. Ich bin trotzdem der festen Überzeugung, dass die Probleme lösbar sind. Ich glaube, das vorliegende Haushaltssicherungsgesetz, meine Damen und Herren, ist ein großer Schritt zur Lösung dieser Probleme, ein Schritt in die richtige Richtung, eine Richtung, die uns wieder Freiräume schafft und Perspektiven eröffnet.

Meine Damen und Herren! Jetzt, da die Wirtschaft lahmt und die Steuern nicht so wie erwartet kommen, wird deutlich, dass

dieses Land lange über seine Verhältnisse gelebt hat und dem Staat Aufgaben zugewiesen worden sind, die ihn schlichtweg überfordern. Davon müssen wir weg, sonst richten wir unser Gemeinwesen zugrunde. Das ist meine tiefe Überzeugung, Herr Vietze, dabei bleibe ich.

Sie haben in 15 Minuten vorgetragen, was alles Sie nicht wollen und was Sie in Zweifel ziehen. Einen Weg haben Sie aber nicht aufgezeigt. Ich sage Ihnen, warum: Sie wissen es selbst nicht. Es würde Ihre Partei zerreißen; denn Sie sind weder Fisch noch Fleisch. Sie wissen nicht, ob Sie in Richtung Vergangenheit oder nach vorn wollen.

(Widerspruch bei der PDS - Zurufe des Abgeordneten Vietze [PDS])

Das ist bis hinauf zur Bundesebene Ihr Problem.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Vietze [PDS])

Meine Damen und Herren! Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Probleme lösbar sind, wenn der feste Wille und der Mut dazu vorhanden und wenn wir bereit sind, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Das ist nicht immer der Fall.

Die Landesregierung und der Landtag haben sich zu einer ganzen Reihe von Einzelmaßnahmen durchringen können. Genannt seien der Nachtragshaushalt 2003 mit Sparmaßnahmen in Höhe von netto 282 Millionen Euro - das ist eine Menge Geld - und eine Reihe von Leistungsgesetzen, die wir geändert haben. Der Kita-Anspruch wurde etwas reduziert, das Landespflegegeld wurde reduziert, wir haben bei Musikschulen eingegriffen, wir haben bei Landesfrauenhäusern eingegriffen usw. usf.

Es ist aber offensichtlich, dass das alles nicht reicht. Wir waren gezwungen, in diesem Jahr wieder Schulden in Höhe von 1,2 Milliarden Euro zu machen; das sind mehr als 10 % des Haushalts. Jeder zehnte Euro, den wir im Haushalt ausgeben, wird über neue Schulden finanziert. Der Schuldenberg wächst und wächst und erdrückt uns immer mehr.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen ein Konzept, eine klare Ansage, wohin wir gehen müssen. Wir müssen deutlich machen, was sich das Land Brandenburg perspektivisch leisten kann und was für die Zukunft wichtig ist.

Dahin geht auch mein Appell an die Landesregierung. Ich erwarte von der Landesregierung spätestens mit dem Haushaltsplanentwurf 2004 die Vorlage eines solchen Konzeptes. Das ist im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung möglich. Wir müssen jetzt sagen, wo wir in vier bis fünf Jahren stehen werden, was wir uns dauerhaft leisten können und was nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Hinzu kommt, dass wir in den neuen Bundesländern und damit auch in Brandenburg pro Einwohner 35 % mehr Geld zur Verfügung haben als die alten Bundesländer - Geld, das uns für den Aufbau Ost überwiesen, zum Teil aber nicht zielführend eingesetzt wird. Ab dem Jahr 2006 erhalten wir jährlich weniger dieser Sondermittel. Wir müssen uns jetzt Gedanken machen, wie wir dann mit dieser Situation umgehen.

Herr Abgeordneter Lunacek, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Herr Lunacek, finden Sie es nicht ungerecht, der PDS-Fraktion vorzuwerfen, dass sie kein Konzept unterbreitet, während Sie, die große, starke CDU, und Ihr Koalitionspartner, die SPD, das Konzept von der Regierung einfordern?

Lieber Kollege Vietze, auf der einen Seite kritisieren Sie fortwährend, dass wir im Lehrerbereich und für die politische Bildung zu wenig Mittel haben; auf der anderen Seite kritisieren Sie, dass wir zu viele Schulden machen. Wir haben den Nachtragshaushalt verabschiedet und damit die einschneidenden Maßnahmen durchgeführt. Ich habe draußen, ebenso wie viele Kollegen, den Kopf dafür hingehalten und verständlicherweise auch den Ärger der Betroffenen gespürt. Es ist einfach unredlich, auf der einen Seite alles zu kritisieren und auf der anderen Seite nicht zu wissen, was man überhaupt will, und das noch lauthals als das Große zu verkünden, das uns eventuell weiterbringt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herr Abgeordneter Lunacek, Herr Vietze möchte noch eine Frage stellen. Weitere Fragen darf er nicht stellen. Möchten Sie die Frage noch beantworten?