Protocol of the Session on June 25, 2003

Als Besorgnis erregend sind die konstant hohe Arbeitslosigkeit und die Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg zu bezeichnen. Konnte Brandenburg im Zeitraum 1992 bis 2001 als einziges neues Bundesland noch ein Plus von insgesamt 158 000 Menschen verbuchen, das zum größten Teil aus der Stadt-Umland-Wanderung aus Berlin resultierte, so hat es im Jahr 2001 erstmalig einen Wanderungsverlust von 700 Bürgern gegeben.

Besonders erschreckend ist, dass Brandenburg im Jahr 2001 7 500 Menschen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren an die alten Bundesländer verloren hat. Die Entvölkerung betrifft besonders die dörflich geprägten ländlichen Regionen im äußeren Entwicklungsraum, während der so genannte Speckgürtel um Berlin deutliche Wanderungsgewinne verbuchen kann.

Während es uns durch besondere Anstrengungen auf Landesebene und auf kommunaler Ebene bisher gelungen ist, den meisten Schulabgängern eine Ausbildung zu ermöglichen, ist der Übergang von der Ausbildung in den Beruf aufgrund des Arbeitsplatzdefizits in unserem Bundesland schwierig, vielerorts sogar deprimierend. Die Folge ist: Die jungen Leute, die künftigen Leistungsträger unseres Gemeinwesens und die Basis unserer sozialen Sicherungssysteme, ziehen der Arbeit hinterher und verlassen das Land Brandenburg häufig für immer. Dies kann so nicht bleiben; denn so wird das ohnehin schon vorhandene demographische Problem durch den Fortgang unserer Jugend noch erheblich verstärkt.

Ich stimme ausdrücklich unserer Landesregierung zu, wenn sie in der Beantwortung der Frage 20 unter anderem feststellt:

„Die Landesregierung sieht es deshalb als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben an, die vorhandenen Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu erhalten bzw. neue zu schaffen.“

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aus Sicht der CDU-Fraktion müssen daher die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft erheblich verbessert werden, damit die Betriebe gestärkt werden, sich Existenzgründer hier niederlassen und Arbeitsplätze geschaffen werden. In manchen Bereichen gibt es gute Ansätze für eine Umweltpartnerschaft zwischen Verwaltung und Industrie- und Handelskammern, die aber noch mehr mit Leben ausgefüllt werden müssen. In anderen Bereichen ist ein deutliches Umdenken nötig.

Herr Gemmel, Sie haben die Windkraftanlagen angesprochen. Wir halten es für notwendig, dass die Privilegierung der Windkraftanlagen im Baugesetzbuch nicht die alleinige Privilegierung für regenerative Energien bleibt. Auch die anderen Energiequellen wie Biogasanlagen und solartechnische Anlagen gehören mit einer Privilegierung in das Baugesetzbuch, um in Brandenburg allen regenerativen Energien gleiche Chancen einzuräumen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluss Ihres Beitrags!

Vielleicht noch eine kurze Bemerkung zu dem, was Frau Dr. Enkelmann hier ausgeführt hat: unsere kleine lokale Agenda, die wir hier schaffen sollten, der Lampenladen im Sitzungsraum 306 der SPD. Frau Dr. Enkelmann, der Raum 306 und die 60 Lampen darin stammen aus der Zeit, als sich Herr Vietze schon in diesem Hause bewegte.

(Zuruf von der PDS: Da wird es höchste Zeit, dass man etwas ändert!)

Herr Abgeordneter, bei allem Interesse für Ihren Beitrag -, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wir hätten viele Probleme nicht, Frau Dr. Enkelmann, wenn die Partei der Arbeiter und Bauern und ihre Regierung uns nicht solche Situationen hinterlassen hätte.

(Beifall bei CDU und SPD - Zurufe von der PDS - Gegen- ruf des Abgeordneten Homeyer [CDU]: Wenn ihr eine Zu- gabe haben wollt, müsst ihr das hier vorn beantragen!)

Wir kommen zur Landesregierung. Herr Minister Birthler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion der Vorredner zeigt, dass natürlich Gefahr für die Agenda 21 besteht, wenn jeder in die Agenda das hineininterpretiert, was ihn gerade bewegt. Dann verzetteln wir uns und erreichen genau das nicht, was mit der Agenda gewollt ist.

Vor Ihnen liegt die Antwort auf die Große Anfrage zu einem Thema, das noch weitere Besonderheiten aufweist. Diese beginnen damit, dass jedes Ressort der Landesregierung daran mitgewirkt hat. So breit spannt sich das. Trotz des stattlichen Umfangs bilden die 62 Antworten aber doch nur einen Ausschnitt von dem, was es auf die Fragen zu sagen gäbe.

Nachhaltige Entwicklung - ein Thema, das zwar in aller Munde

ist, von dem aber nur jeder Achte weiß, was es bedeutet, wenn man den Umfragen glauben darf. Für den ebenso sperrigen wie dehnbaren Begriff gibt es unzählige Definitionen. Diese reichen von derjenigen, die 1987 von der so genannten Brundtland-Kommission formuliert wurde, bis hin zu der des Verbandes der Chemischen Industrie. Es gibt also heute praktisch keine Interessengruppen mehr, die sich dieses Themas nicht angenommen hätten, um es im Sinne ihrer Interessen zu interpretieren.

Wir hielten es deshalb für sinnvoll, den Antworten eine Präambel voranzustellen, um einige einführende Bemerkungen zur Begrifflichkeit zu machen. Obwohl die Vokabel im öffentlichen Gebrauch erst 15 Jahre alt ist, steht sie doch so abgegriffen da wie kaum eine andere. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi sagte dazu:

„Selten bietet ein politisches Konzept so viel für so viele und wird von so wenigen in seinem Wert geschätzt.“

Das Konzept der Nachhaltigkeit umreißt einen Politikansatz von höchster Aktualität und Bedeutung, und doch werden seine Konturen immer komplexer und drohen zu verschwinden. Deshalb ist es wichtig gewesen, dass Frau Enkelmann noch einmal auf die Wurzeln dieses Gedankens von Herrn Carlowitz eingegangen ist. Seit nunmehr 300 Jahren ist die Nachhaltigkeitsidee überall dort, wo sie auftaucht, ein Kind der Krise, der Existenzgefährdung, der Entwicklungsbegrenzung, drohender Wohlstandsverluste.

So war es auch 1992 auf dem Weltgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio. Der entwickelte Norden und der unterentwickelte Süden trafen aufeinander, um einen Plan zu verabreden, der für zwei unterschiedliche Probleme eine gemeinsame Lösung finden sollte. Bildlich gesprochen hatten die einen ihre Not durch zu viele rauchende Schornsteine und die anderen dadurch, dass es bei ihnen zu wenig rauchte. Heraus kam, wie Sie alle wissen, die Agenda 21, eine Hausaufgabenplanung für eine weltweite zukunftsgerechte Entwicklung.

Nun könnte man einwenden: Welchen Sinn hat so ein globaler Ansatz für die Bewältigung der Probleme in Brandenburg? Geht es dabei nicht eher um Probleme aus Übersee oder von übermorgen?

Die kostenmäßigen Auswirkungen der vom Menschen verursachten Klimaveränderung zeigen sich bereits, ohne freilich ihre ganze Tragweite schon zu offenbaren. Die Hochwasserereignisse der letzten Jahre oder die großen Anstrengungen, die wir unternehmen müssen, um den Landschaftswasserhaushalt wieder in die Balance zu bringen, lassen uns lernen, dass uns das heute unmittelbar betrifft, dass das Morgen schon immer häufiger das Heute wird und dass es nicht nur um Moral, globale Verantwortung, Umweltschutz oder die Dritte Welt geht, sondern um die Sicherung unserer Entwicklungs- und Wettbewerbsfähigkeit. Es geht um einen Politikansatz, der Wohlstand und Gerechtigkeit gewährleisten soll, indem er das pflegt und hegt, was in unserem Land an Wertvollem vorhanden ist.

Von Goethe stammt die Aufforderung, Saatfrüchte sollten nicht zermahlen werden. Die Not soll eben nicht dazu verleiten, das Zukunftskapital zu verzehren. Das gebietet die Vernunft. Denn

man sägt nicht an dem Ast, auf dem man sitzt. Verantwortungsvolle und verantwortbare Politik kann heute deshalb nur Politik im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sein.

(Beifall bei der PDS)

Die Landesregierung hat sich deshalb dieses Konzept zum Maßstab gesetzt. Dabei ist klar, dass es sich nicht um ein neues, eigenständiges Politikfeld handelt, sondern Richtschnur und Maß für alle Entscheidungen sein muss.

Meine Damen und Herren, die Antwort auf die Große Anfrage 56 gibt in ihrem Rahmen Auskunft über Ansätze der Politik der Landesregierung. Die eigentliche Größe dieser Aufgabe kann sie aber nur anreißen. Ich möchte darauf hinweisen, liebe Frau Kollegin Enkelmann, dass die Fortsetzung der zentralen Unterstützung nichts mit der Großen Anfrage und auch nichts mit der PDS zu tun hat; denn sie läuft seit zwei Jahren und hatte lediglich etwas mit der Haushaltssperre zu tun.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das hat aber etwas länger gedauert!)

Wir stimmen aber insoweit überein, dass wir beide begrüßen, dass mithilfe des ANU und des WWF in Brandenburg eine gute Struktur vorhanden ist. Die Landesregierung ist nicht alleiniger Akteur. Wenn wir unser Ziel erreichen wollen, den Einstieg in eine dauerhaft tragfähige und zukunftsgerechte Entwicklung gesamtgesellschaftlich zu schaffen, müssen Regierung und Parlament, alle Gruppen der Zivilgesellschaft und jeder Einzelne mitwirken. Ich würde mich freuen, wenn die heutige Landtagsdebatte hierzu Anstöße gegeben hat. - In diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir sind am Ende der Rednerliste und ich schließe die Aussprache. Damit ist die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 56, Drucksache 3/5830, zur Kenntnis genommen worden. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der PDS-Fraktion, Drucksache 3/6039. Wer diesem Entschließungsantrag folgt, möge die Hand aufheben. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist er mehrheitlich abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Agrarbericht 2003 - Bericht zur Lage der Land- und Ernährungswirtschaft des Landes Brandenburg

Bericht der Landesregierung

Die Aussprache wird mit dem Beitrag der Landesregierung eröffnet. Herr Minister Birthler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 8 des Landwirtschaftsfördergesetzes verpflichtet die Landesregierung, dem Landtag jährlich über die Lage der Landwirtschaft zu berichten formal zwar eine gesetzliche Verpflichtung, für mich allerdings ein jährlicher Anlass, mit Ihnen Fragen zur Entwicklung der Landwirtschaft zu diskutieren.

Mit dem vorliegenden Agrarbericht 2003 wird einmal mehr deutlich: Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft haben auch heute eine große Bedeutung für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Die Landwirtschaft bietet mit ihren hochwertigen Erzeugnissen die Grundlage für eine sich positiv entwickelnde Ernährungsindustrie. Landwirte produzieren darüber hinaus zunehmend nachwachsende Rohstoffe, leisten über die damit verbundene Substitution fossiler Rohstoffe einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz. Gleichzeitig pflegen und erhalten sie auf diese Weise eine uns vertraute und lieb gewonnene Kulturlandschaft. Diese Leistung kann die Landwirtschaft dauerhaft nur erbringen, wenn geeignete Rahmenbedingungen bestehen, Rahmenbedingungen, die es ihr ermöglichen, sich auch in einem national und international härter werdenden Wettbewerb erfolgreich zu behaupten. Dabei möchte ich auch daran erinnern: Die deutsche Landwirtschaft erfüllt verschiedene Sozial- und Umweltstandards, die in dieser Form von Mitbewerbern nicht erbracht werden müssen.

Im Wettbewerb zu bestehen stellt im Übrigen ökologisch wirtschaftende Betriebe wie konventionelle Betriebe tagtäglich vor die gleichen Herausforderungen. Ich meine, der vorliegende Bericht macht deutlich, dass sie dazu auch weiterhin der finanziellen Förderung der EU, des Bundes oder des Landes bedürfen. In diesen Kontext gehört auch eine schlüssige Positionierung im Hinblick auf die aktuell anstehende Halbzeitbewertung der Agenda 2000. Die Landesregierung hat hier mit großem Nachdruck für eine Vermeidung von Sonderopfern der ostdeutschen Landwirtschaft gestritten. Dies gilt zum Beispiel im Zusammenhang mit der künftigen Strukturierung von Degression und Modulation. Dies gilt aber auch für die Fragen im Zusammenhang mit der für Brandenburg so bedeutsamen Roggenintervention.

Vieles konnte in den zurückliegenden Monaten von uns, vielfach auch mit Unterstützung des Bundes, in die richtige Richtung bewegt werden. Ich gehe davon aus, dass sich dieser Einsatz letztlich auch im Ergebnis niederschlagen wird. Wie schwierig es ist, hier die unterschiedlichen agrarpolitischen Interessen der Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen, mögen Sie auch daran erkennen, dass sich der Agrarministerrat bislang nicht einigen konnte. Heute ist der Agrarministerrat in eine neue Beratungsrunde eingetreten. Das Ergebnis bleibt abzuwarten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend noch auf die aktuelle Situation der diesjährigen Vorsommertrockenheit eingehen. Die Monate Februar bis Mai dieses Jahres sind durch erhebliche Niederschlagsdefizite im Vergleich mit den langjährigen Durchschnittswerten gekennzeichnet. Wenngleich regional durchaus unterschiedlich, ist es durch diesen Witterungsverlauf zu massiven Schädigungen gekommen, die sich in entsprechenden Ertragsausfällen niederschlagen werden. Im Lichte der schwierigen Rahmenbedingungen der Vorjahre - ich

nenne nur die Stichworte Frühsommertrockenheit 2000, BSEKrise 2001, Jahrhunderthochwasser 2002 - dürften die finanziellen Reserven vieler landwirtschaftlicher Unternehmen weitgehend erschöpft sein.

Vor diesem Hintergrund erscheinen mir Hilfsmaßnahmen des Staates angezeigt, dies um nicht zuletzt betriebliche Insolvenzen so weit wie möglich zu begrenzen und Arbeitsplätze in den ländlichen Räumen zu erhalten.

In Abstimmung mit den für die jeweiligen Einzelmaßnahmen zuständigen Institutionen arbeitet mein Haus daran, den landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Unternehmen des Landes das nachfolgende Paket von Hilfsmaßnahmen anzubieten:

Erstens: Erlaubnis zur Nutzung von Stilllegungsflächen zur Gewinnung von Futter oder Einstreu. Hierzu hat mein Haus bereits Anfang des Monats über das Bundesministerium einen entsprechenden Antrag an die Kommission gerichtet. Darüber hinaus habe ich mich dazu mit einem direkten Schreiben an Kommissar Fischler und an die Brandenburger Abgeordneten im Europaparlament gewandt. Angesichts der ernsten Lage ist es nicht zu verstehen, dass dieser Antrag von der Kommission abgelehnt wurde.

(Beifall bei der PDS)

Die Bundesregierung bemüht sich gegenwärtig darum, dass diese Entscheidung revidiert wird.