Protocol of the Session on May 22, 2003

In der aktuellen Presse wurde intensiv über Vorschläge zur Einführung eines Familiengeldes im Land Brandenburg berichtet. Angesichts der dramatischen Haushaltslage wurde zwecks Finanzierung dieser kostenträchtigen Maßnahme gefordert, die Kita- und Hortbetreuung gravierend einzuschränken.

Ich frage die Landesregierung: Wie beurteilt sie die aktuellen Vorschläge zur erheblichen Einschränkung der Kita- und Hortbetreuung?

Minister Reiche ist offensichtlich nicht da. Mit Ihrem Einverständnis erteile ich dem Staatssekretär zur Beantwortung der Frage das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Redepenning, im Zusammenhang mit der Diskussion um eine Einschränkung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung wurde der Vorschlag gemacht, statt eines landesrechtlich geregelten Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung ein Landeserziehungsgeld einzuführen. Dabei wurde auf das sächsische Modell verwiesen und der Eindruck vermittelt, dies könnte erheblich zur Entlastung des Landes beitragen.

Lassen Sie mich dazu einige Zahlen wiedergeben, um anschließend zu einer Bewertung zu kommen.

Sachsen hat im Jahr 2001 58 Millionen Euro für das einkommensabhängige Landeserziehungsgeld für Kinder im dritten Lebensjahr aufgewandt. Bedingung dafür ist, dass diese Kinder nicht in Kindertagesstätten oder Tagespflege betreut werden. Wenn man dies auf das Land Brandenburg übertragen würde, ergäbe sich ein Bedarf von etwa 32 Millionen Euro. Damit könnte etwa der Hälfte der Familien mit dreijährigen Kindern ein monatliches Erziehungsgeld in Höhe von 300 Euro gezahlt werden.

Im Land Brandenburg werden gegenwärtig etwa zwei Drittel der Kinder im dritten Lebensjahr, also insgesamt etwa 12 000 Kinder, in Kitas oder Tagespflege betreut. Nun ist es sehr schwierig zu prognostizieren, wie viele Eltern auf eine Kindertagesbetreuung verzichten und lieber Landeserziehungsgeld in Anspruch nehmen würden. Mein Rechenbeispiel geht davon aus, dass etwa ein Drittel der 12 000 Kinder bei einem Brandenburger Landeserziehungsgeld nicht mehr betreut werden müsste, also rund 4 000 Kinder. Darüber hinaus wären auch die Kinder

empfangsberechtigt, die bisher nicht in Kitas oder Tagespflege betreut werden.

Die Reduzierung des Betreuungsumfangs in Kitas in dieser Größenordnung würde Einsparungen im Landeshaushalt bei den Zuschüssen für die Kindertagesstätten in Höhe von etwa 7 Millionen Euro ermöglichen. Zugleich würden dadurch die Kommunen entlastet. Damit ergibt sich für das Land folgende Gesamtrechnung: Aufwand für ein Landeserziehungsgeld 32 Millionen Euro, Einsparung des Landes bei den Kita-Zuschüssen 7 Millionen Euro, Mehraufwand für das Land 25 Millionen Euro.

Aus diesen Zahlen lässt sich sehr schnell der Schluss ziehen: Ein Brandenburger Erziehungsgeld wäre als erziehungspolitische Maßnahme zur Unterstützung für Eltern mit geringerem Einkommen zwar positiv zu beurteilen, hätte aber deutliche Mehraufwendungen aus dem Landeshaushalt zur Folge. Die Reduzierung der Ausgaben der öffentlichen Hand und insbesondere des Landes für Kindertagesbetreuung entspräche auch nicht im Entferntesten dem finanziellen Aufwand. Deshalb bitte ich diejenigen, die derartige Vorstellungen äußern und möglicherweise auch Erwartungen bei Eltern wecken, auch deutlich zu sagen, wie diese zusätzlichen Mittel für ein Landeserziehungsgeld bereitgestellt werden sollen.

(Beifall bei der SPD)

Als Schlussbemerkung sei noch darauf hingewiesen, dass die sächsische Landesregierung durch Änderung des Landeserziehungsgeldgesetzes gegenüber dem Leistungsumfang von 2001 für die nach dem 01.01.2002 geborenen Kinder ganz erhebliche Leistungseinschränkungen vorgenommen hat. So ist der Regelbetrag von 300 auf 200 Euro reduziert und die Bezugszeit auf 9 Monate beschränkt worden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt noch Klärungsbedarf. Herr Hammer, bitte.

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, dass die Stadt Frankfurt (Oder) ein kommunales Erziehungsgeld zur Verfügung gestellt hat, aber langsam wieder davon zurücktritt, weil es ein Auslaufmodell ist?

Sie haben das richtig beschrieben. Genauso ist es.

Frau Bednarsky, bitte.

Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch der Auffassung, dass die beste Familienpolitik darin bestehen würde, den Rechtsanspruch der Kinder und die Standards im Kita- und Hortbereich nicht weiter einzuschränken?

Frau Abgeordnete Bednarsky, Sie wissen, dass wir eine angespannte Haushaltslage haben, aber der Rechtsanspruch, der in Brandenburg besteht, gemeinsam mit dem Sachsen-Anhalts der höchste in der Bundesrepublik ist. Ich glaube, das beantwortet auch die Frage.

(Beifall bei SPD und CDU)

Danke sehr. - Wir sind bei der Frage 1604 (Strompreiserhöhun- gen infolge politischer Sonderlasten), gestellt vom Abgeordneten Bartsch. Bitte schön.

Die zu Beginn dieses Jahres erfolgten Strompreiserhöhungen sind zur Hälfte auf Sonderlasten wie die Ökosteuer, die Förderung der erneuerbaren Energien und das Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung zurückzuführen. Die politischen Entscheidungen haben mittlerweile die durch die Liberalisierung bei den Verbrauchern entstandenen Gewinne aufgezehrt.

Dies hat der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft auf der Pressekonferenz des Verbandes zum Thema „Leistungsbilanz 2001/2002“ am 4. Februar 2003 in Berlin ausgeführt. Er forderte die Bundesregierung auf, die nationalen Sonderlasten für die Stromverbraucher zu senken. Ihre Rechnungen dürften nicht als Inkassoinstrument des Staates missbraucht werden.

Ich frage die Landesregierung: Was bedeutet dieser Preisanstieg für die Verbraucher - Industrie, Gewerbe und Haushalte im Land Brandenburg?

Das Wort geht an den Wirtschaftsminister. Bitte sehr, Herr Junghanns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch für die Verbraucher im Land Brandenburg haben sich die Strompreise zum 1. Januar 2003 aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen erhöht. Am stärksten betroffen sind dabei Kleinverbraucher wie Haushaltskunden und Gewerbetreibende mit einem Jahresverbrauch von bis zu 100 000 Kilowattstunden. Für diese Kundengruppe ist eine Preissteigerung um 0,26 Cent pro Kilowattstunde aufgrund der Erhöhung der Stromsteuer und um insgesamt ca. 0,2 Cent je Kilowattstunde aufgrund der steigenden Belastungen aus dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, zu verzeichnen.

Infolge der gesetzlichen Belastungen hat auch die brandenburgische Energieaufsichtsbehörde nicht umhingekonnt, den Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Veränderungen des Allgemeinen Tarifs zu genehmigen. Dabei haben die Unternehmen auch die meisten nicht genehmigungspflichtigen Preise der Sondervereinbarung in gleicher Höhe angepasst. Für Unternehmen des produzierenden Gewerbes, aber auch für Betriebe

der Land- und Forstwirtschaft bzw. für Verbraucher mit einem Jahresverbrauch, der größer ist als 100 000 Kilowattstunden, enthalten die Gesetze verschiedene Ausnahmeregelungen.

Diese Regelungen sind aber sehr differenziert und einzelfallbezogen zu betrachten. Hierbei ist insbesondere bei der Stromsteuer auf unternehmensindividuelle Daten abzustellen und die Regelung zu treffen. Deshalb sind Aussagen zu den tatsächlichen Preiserhöhungen in dieser Verbrauchergruppe schwer möglich.

Keine Ausnahmeregelung existiert bislang für die Begrenzung der Kosten, die sich aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ergeben. Insbesondere die stromintensive Wirtschaft wird jedoch durch eine ständig steigende Belastung in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt, ja bedroht. Zur Abwendung dieser Bedrohung ist vorgesehen, in das ErneuerbareEnergien-Gesetz eine so genannte Härtefallklausel aufzunehmen, die den Umlagebetrag für stromintensive Unternehmen begrenzt. In dem derzeit laufenden Gesetzgebungsverfahren wird diese Härtefallklausel seitens des Landes Brandenburg in engen Grenzen unterstützt. Die Härtefallklausel darf, wenn sie erweitert und ausgedehnt wird, nicht zu der Sekundärwirkung der zusätzlichen Belastung von kleinen und mittelständischen Unternehmen führen.

Die Bundesregierung beabsichtigt, das Erneuerbare-EnergienGesetz in Kürze insgesamt zu novellieren. Ziel dieser Novelle muss es unseres Erachtens sein, Energieeinspeisevergütungen stärker degressiv zu gestalten, um die Entwicklung der erneuerbaren Energien hin zu mehr Wirtschaftlichkeit zu beschleunigen. Nur so wird sich der weitere Anstieg der Umlagebeträge und damit der Stromkosten vermeiden lassen. Der Wirtschaft und den Bürgern unseres Landes werden keine weiteren Preissteigerungen zuzumuten sein. - Danke schön.

Ich bedanke mich. - Wir sind bei der Frage 1582 (Altschulden in der Landwirtschaft). Dass sie an dieser Stelle steht, ist das Ergebnis der Turbulenz, auf die ich vorhin schon hinwies, der Turbulenz in der Absicht, die Reihung individuellen wie Fraktionsinteressen unterzuordnen. Die Frage wird von Frau Wehlan gestellt.

Noch vor der Sommerpause soll im Bundestag die 1. Lesung des jetzt vorliegenden Entwurfs des Gesetzes zur Änderung der Regelung über Altschulden landwirtschaftlicher Unternehmen verabschiedet werden. Damit soll eine beschleunigte Ablösung der Altschulden entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Betriebe erreicht werden. In Vorbereitung darauf werden die Länder angehört.

Ich frage die Landesregierung: Wie bewerten Sie den vorliegenden Gesetzentwurf hinsichtlich der Auswirkungen für die betroffenen Brandenburger Betriebe?

Herr Minister Birthler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bemühen der Bundesregierung, mit einer abschließenden Regelung zur Altschuldenfrage in der Landwirtschaft eines der letzten wiedervereinigungsbedingten Probleme der ostdeutschen Landwirtschaft zu lösen, findet grundsätzliche Unterstützung der Landesregierung.

Der nunmehr vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet einerseits eine unternehmensindividuelle Ablöseregelung, zugleich aber auch eine Verschärfung der gegenwärtigen Rückzahlungsbedingungen für die im Rangrücktritt stehenden Schulden. Diesen Grundansatz hält die Landesregierung für zielführend und akzeptabel. Gegen die konkrete Ausgestaltung dieses Gesetzes sind jedoch erhebliche Vorbehalte geltend zu machen.

Erstens: Wenngleich haushaltspolitische Zwänge außer Frage stehen, kann und darf eine abschließende Regelung der Altschuldenproblematik nicht von dem Bestreben dominiert sein, einen möglichst hohen Beitrag zu den Einnahmen des Bundeshaushaltes zu leisten. Vielmehr muss ein wettbewerbsrechtlich zulässiger Ansatz im Vordergrund stehen, der einem breiten Kreis von Unternehmen, also nicht nur wirtschaftlich starken mit geringen Altschulden, die Chance eröffnet, ihre Altschulden abzulösen. Nur wer eine derartige reale Chance zur Ablösung seiner Altschulden nicht nutzt, sollte angemessene Verschärfungen der gegenwärtigen Rückzahlungsbedingungen in Kauf nehmen müssen. Gerade dieser Herangehensweise folgt der Gesetzentwurf nicht.

Zweitens: Es ist verständlich, dass die detaillierte Ausgestaltung einer Ablöseregelung im Interesse der vorgesehenen unternehmensindividuellen Umwandlungsverhältnisse nicht im Gesetz geregelt werden kann. Andererseits belässt die im Gesetzentwurf gewählte Formulierung einen nach unserer Auffassung entschieden zu großen Ermessensspielraum für die Beurteilung der Angemessenheit eines angebotenen Ablösebetrages.

Die vorgesehene Verordnungsermächtigung verstärkt zudem unsere Bedenken, dass die Ausgestaltung dieses Ermessensspielraumes von dem Bestreben dominiert wird, möglichst hohe Einnahmen für den Erblastentilgungsfonds zulasten der Wirtschaftskraft der Unternehmen zu erzielen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der Unternehmen den Ablösebetrag nicht aus eigenen Mitteln aufbringen kann, sondern dafür Kredite benötigt. Es bleibt offen, ob Banken gerade in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation und angesichts veränderter Regularien für die Ausreichung von Krediten - bereit sind, Ablösebeträge zu kreditieren.

Drittens: Die vorgesehene Änderung der Rückzahlungsbedingungen für die im Rangrücktritt stehenden Altschulden würde dazu führen, dass eine vergleichsweise große Zahl Altschulden führender Betriebe den gesamten Jahresüberschuss abführen müsste. Dies mag für eine kurze Zeitspanne zu verkraften sein, dürfte jedoch bereits mittelfristig zu erheblichen wirtschaftlichen Problemen führen, weil keine Eigenkapitalbildung als Grundlage für Neuinvestitionen möglich ist.

Darüber hinaus kann eine solche Situation die Fähigkeit beeinträchtigen, den Kapitaldienst für die in der Zeit nach 1990 getätigten Neuinvestitionen zu leisten. Insoweit scheinen erhebli

che Zweifel angebracht, ob derart weit reichende staatliche Eingriffe in bestehende privatrechtliche Verträge, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, zulässig sind.

Viertens: Der Gesetzentwurf räumt die Möglichkeit ein, die bestehende Rangrücktrittsvereinbarung mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn ernsthafte Zweifel an der Sanierungsabsicht des Altschulden führenden Unternehmens bestehen und nicht ausgeräumt werden können. Es erhebt sich die Frage, inwieweit der Umstand, dass kein Jahresüberschuss erwirtschaftet wird, eine Rolle bei der Beurteilung der Sanierungsabsicht bzw. Sanierungsfähigkeit spielt. Sollte es eine maßgebliche sein, würde eine derartige Regelung für nicht wenige Unternehmen sehr wahrscheinlich wie ein Fallbeil wirken.

Wir haben unsere Bedenken und Vorbehalte in eine unter Federführung des Landes Brandenburg erarbeitete gemeinsame Stellungnahme der neuen Bundesländer zum Gesetzentwurf einfließen lassen und diese dem in der Sache federführenden Bundesfinanzminister übermittelt. Sie wurden am 20. Mai in einer Anhörung vorgetragen und diskutiert. Ich hoffe, dass es gelingen wird, die nötigen Veränderungen in den Gesetzentwurf einzuarbeiten.

Herr Minister, es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit der Fragestellerin. Bitte sehr, Frau Wehlan.

Gerade der letzte Satz war eigentlich Anlass meiner Nachfrage: Welche Chancen haben Sie aufgrund der Atmosphäre in der Anhörung wahrgenommen, um die von Ihnen kritisch dargelegten Änderungsanforderungen auch in das Gesetz einbringen zu können? Mein Eindruck ist da eher ein anderer.

Das ist eine schwierige Bewertung, die ich jetzt nicht vornehmen möchte. Ich möchte Ihnen, Frau Wehlan, auch nicht widersprechen, was Ihren Eindruck betrifft. Aber gerade bei solchen Verhandlungen ist es schwierig, Atmosphären zu beurteilen. Ich halte es nach wie vor für wichtig, dass alle neuen Bundesländer eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben haben und das ist auch sehr deutlich geworden. Wie der Gesetzgeber sich entscheidet, werden wir sehen. Ich bitte Sie und natürlich den Landesbauernverband und andere Interessierte, auch selber auf den Gesetzgeber zuzugehen, denn letztlich muss der Bundestag entscheiden.

Herr Dr. Wiebke, bitte.

Herr Minister, gibt es eine einzelbetriebliche Folgenabschätzung oder ist geplant, so etwas zu machen, um zu verifizieren, wie viele unserer Unternehmen möglicherweise von der Wirkung dieses Gesetzes so betroffen wären, dass sie in die Insolvenz gehen müssten?

Es ist ein Bündel von Regelungen, die getroffen worden sind. Ich würde eine solche Übersicht gern einmal im Ausschuss vorlegen. Es ist schwierig. Wenn das Gesetz wirklich so bleibt, wie es ist, wovon ich nicht ausgehe, dann wären schon einige unserer Betriebe betroffen. Aber ich würde darüber gern im Ausschuss berichten.