Protocol of the Session on April 10, 2003

Das hat nichts mit Ängsteschüren zu tun, wie uns die Kollegen der SPD in der Vergangenheit - heute tun sie es nicht - so oft vorwarfen, sondern ist nüchterne Realität.

(Zuruf der Abgeordneten Konzack [SPD])

Nein, das machen Sie heute nicht mehr.

(Zuruf der Abgeordneten Konzack [SPD])

- Ich habe es nicht gehört.

(Heiterkeit bei der PDS)

Bei gleicher Betrachtungsweise bei den ambulanten Fachärzten der Fachrichtungen Anästhesiologie, Hautkrankheiten, Nervenheilkunde, Orthopädie, Augenheilkunde und Radiologie sowie Urologie wird es ebenfalls empfindliche Engpässe geben.

Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist die Festlegung, dass eine bedarfsgerechte Versorgung - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - bereits dann als gewährleistet gilt, wenn mehr als 50 % der benötigten Fachärzte für die Versorgung im Kreis vorgehalten werden. Das stelle man sich einmal in einer öffentlichen Verwaltung vor!

Wenn wir weiter zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Zahl der Absolventen eines Medizinstudiums zwischen 1994 und 2000 um 23 % gesunken ist und die Zahl der so genannten Stu

dienabbrecher bei ca. 20 % eines Studienjahrgangs liegt sowie sich die Zahl der Approbationen - der Zulassung zum Arztberuf; Lauterbach übrigens hat sie nicht, er ist zwar Mediziner, aber kein zugelassener Arzt - zwischen 1994 und 2000 um 25 % vermindert hat, dann offenbart sich die ganze Tragweite der sich langsam anbahnenden Katastrophe. Lassen Sie es mich so deutlich benennen! Auch das sind nackte Zahlen und kein Lobbyistengerede, als das es so gern abgetan wird.

Vor diesem Hintergrund und - jetzt muss ich einmal deutlich werden - angesichts einer chaotischen, Tag für Tag aufs Neue verunsichernden Gesundheits-, Sozial- und Rentenpolitik der Bundesregierung

(Beifall bei CDU und PDS)

erweist sich die von der SPD initiierte Aktuelle Stunde geradezu als mutige Selbstentleibung.

(Heiterkeit bei der PDS sowie vereinzelt bei SPD und CDU)

Daher wissen wir Ihr persönliches Engagement, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, hier in Brandenburg richtig zu schätzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich darf an dieser Stelle daran erinnern, dass auf Betreiben der CDU in diesem Hause die Landesregierung und die Kommunen, damals noch unter Herrn Minister Ziel, zu aktivem und koordiniertem Handeln aufgefordert wurden. Bescheidene Ergebnisse sind bisher im Zusammenwirken mit der Kassenärztlichen Vereinigung, mit den Krankenkassen, dem Verband der Ersatzkassen, der aus strukturellen Gründen öfter extra darum gebeten wurde, erreicht worden.

Wenn wir, wie im Antrag der SPD-Fraktion zur Aktuellen Stunde angekündigt, wirklich zur Versachlichung der Diskussion einen Beitrag leisten wollen, dann beschreiben wir bitte zuallererst die Lebenssituation der so genannten Leistungserbringer, der Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern und Niederlassungen. Die insgesamt 128 von fast 3 000 Ärzten in Polikliniken, die Sie als Rammbock ins Feld führen wollen, sind hier selbstverständlich inbegriffen. Werden wir uns jedoch noch einmal klar, dass es dabei in allererster Linie um das jetzige und noch mehr um das künftige Wohl und Wehe der Patienten geht und nicht um das angebliche Einkommen der Ärzte, wie Gewerkschaftsbonzen, einige Kassenfunktionäre, schlecht recherchierende Journalisten und nicht zertifizierte Politiker, allen voran das Gutachterpanoptikum der Bundesgesundheitsministerin, gebetsmühlenartig verkünden - dies stets uneinheitlich, aber dafür konstant.

Vor Ort, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir versuchen, den Ärztinnen und Ärzten trotz steigender Leistungsverdichtung einige Erleichterungen zu verschaffen. Neben besserer Honorierung von oft unzumutbaren Hausbesuchsdistanzen in ländlichen Regionen, der Zulassung von Zweitniederlassungen im Sinne von Außenstellen, der Umsatzgarantie für junge oder alte Existenzgründer, der Zulassung einwandfrei deutsch sprechender ausländischer Kollegen kommt es besonders darauf an - Herr Kallenbach, da bin ich voll auf Ihrer Seite -, den Kommunen klarzumachen, dass es ihre Ärzte sind, die sie in ihrem

Gebiet brauchen - so wie in anderen Ländern auch. Lassen Sie uns bitte an dieser Stelle ansetzen. Der Einsatz ausländischer Ärztinnen und Ärzte, den wir ausdrücklich unterstützen, wird nicht die Lösung, sondern immer nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein.

Auch erscheint es mir geradezu müßig, über Umsatzgarantien zu sprechen. Meine Damen und Herren, vergleichen wir diese Situation einmal mit der eines Bäckers, der in Bernau oder Eberswalde als einziger tätig ist. Was muss der für Brötchen backen, wenn er Umsatzgarantien braucht?

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und PDS)

Viel wichtiger noch ist es, endlich wieder das Image des ärztlichen Berufsstandes so zu sehen, wie die Patientinnen und Patienten das in überwältigendem Maße tagtäglich empfinden. Das kostet nicht einen Pfennig, sondern nur den Willen, objektiver zu sein.

Wir sollten nicht zulassen - Herr Minister Baaske, nehmen Sie diesen Wunsch bitte nach Berlin mit -, dass Woche für Woche, Tag für Tag, ja manchmal Stunde für Stunde der Brandenburger Bevölkerung ein Bild von den Regierungsverantwortlichen gezeichnet wird, das mit der Realität nichts mehr gemein hat und nur eines erzeugt: eine allgemeine, leider wiederkehrende Verunsicherung, die wir dann hier mühselig wieder beseitigen müssen.

(Vietze [PDS]: Das ist die besondere Dynamik!)

Was Frau Bundesministerin Schmidt und ihre zahlreichen Kommissionäre von sich geben, ist ein Ausfluss ungeprüfter Ungereimtheiten, den selbst der Bundeskanzler nur mit schwacher Geste abzuwehren vermochte.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

- Sie kennen doch Ihren Kanzler und wissen, was er dazu gesagt hat.

Der Verlust an Vertrauen in das Ansehen eines ganzen Berufsstandes ist eine der größten Fehlleistungen dieser Bundesregierung. - Nehmen Sie das bitte so, wie es ist.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Wer Staatsmedizin will, muss das unumwunden sagen. Die Niederlande, die keine Fachärzte in freier Niederlassung mehr kennen, nur noch Angestellte an den Krankenhäusern, wissen schmerzlich um die Beeinträchtigung der Basisversorgung ihrer Patienten. Auch Großbritannien kennt die Restriktionen einer Staatsmedizin nach zukünftig Schmidt-Lauterbach'schem Zuschnitt, wenn das so kommt, was ich nicht hoffe. Zum Beispiel sind dort lange Wartezeiten auf planbare Operationen für Patienten ohne Zusatzversicherung gang und gäbe. Dafür kommen diese Patienten dann nach Deutschland.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns wieder von Patientenversorgung und weniger von Krankheitsverwaltung reden. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass der Staat selbst in der Vergangenheit große und größte Hindernisse bei der Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung aufgetürmt hat: den legitimierten Raub von Versichertengel

dern, zum Beispiel in den Jahren 1995 bis 2002 im Umfang von nahezu 29 Milliarden Euro.

(Schippel [SPD]: Wunderbar! - Weiterer Zuruf von der SPD: 16 Jahre CDU-Vorherrschaft!)

Ich habe 1995 gesagt: Und ich kenne die Agierenden.

(Beifall bei der PDS - Zurufe von der SPD)

Das ist offiziell geduldeter Betrug an Versicherten, machen wir uns nichts vor. Damit muss Schluss sein.

(Freese [SPD]: Heißt das, Herr Seehofer ist ein Betrüger?)

- Ich habe gesagt „legitimierter Betrug“, also darf man klauen.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

- Ich könnte in Tränen ausbrechen, Herr Schippel.

(Schippel [SPD]: Brauchen Sie ein Taschentuch?)

Damit muss Schluss sein. Lassen Sie uns, verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD - und jetzt spreche ich Sie persönlich an, da ich von Ihnen ja überzeugt bin -,

(Lachen bei der PDS)

einen gemeinsamen Bundesratsantrag gewissenhaft vorbereiten und einbringen! Die Zeit zum Handeln in den deutschen Ländern ist reif. Im Bundesgesundheitsministerium - und das ist nicht nur meine Einschätzung, das ist die Einschätzung vieler SPD-Kollegen, die mir sehr nahe stehen - fehlt derzeit jede Sachkompetenz. Sie werden das sehen, wenn man sich zwischen Lauterbach und Rürup entscheiden muss. Ich hoffe, dass wir nicht noch länger leiden. - Ich bedanke mich herzlich für die Gelegenheit, hier sprechen zu dürfen.

(Beifall bei CDU und PDS)

Ich danke dem Abgeordneten Dr. Wagner. - Ich erteile das Wort der Fraktion der DVU. Frau Abgeordnete Fechner, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation der medizinischen Versorgung hier im Land, hauptsächlich in den ländlichen Randgebieten, ist mitunter katastrophal. Mir stehen leider nur fünf Minuten Redezeit zur Verfügung, sodass ich mich mit meinen Ausführungen ausschließlich auf den Ärztemangel hier im Land beschränken muss, wohl wissend, dass das nicht das einzige Problem der medizinischen Versorgung hier im Land ist.

Mittlerweile fehlen im Land Brandenburg mindestens 180 Ärzte. Viele Arztpraxen, hauptsächlich in den ländlichen Gebieten, mussten schließen, weil für sie kein Nachfolger zur Verfügung stand. Auch an Brandenburger Kliniken sind Stellen oft nicht besetzt. Welch gravierende Auswirkungen das gerade für die ländliche Bevölkerung hat, dürfte jedem bekannt sein.

Doch was wird sich, perspektivisch gesehen, daran ändern? Eine Besserung der Situation ist nach Auffassung unserer Fraktion, der Fraktion der Deutschen Volksunion, jedenfalls nicht in Sicht, wenn politisch nicht bald umgesteuert wird. Natürlich wird sich die Landesregierung wieder herausreden und darauf verweisen, dass die Kassenärztliche Vereinigung für die Versorgung mit Ärzten verantwortlich ist. Diese Tatsache lässt sich nicht leugnen, aber dem Land obliegt es, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. So könnte die Landesregierung zum Beispiel dafür sorgen, dass unsere Bevölkerung im Land bleibt und hier eine berufliche Perspektive findet. Das Problem ist doch, dass die Jungen gehen und die Alten bleiben. Naturgemäß gehen ältere Menschen häufiger zum Arzt. Auch Ärzte werden älter. Über 22 % der Brandenburger Hausärzte sind älter als 60 Jahre. Das heißt, dass in den kommenden Jahren noch mehr Arztpraxen schließen, wenn kein Nachfolger gefunden wird.

Etliche Vorschläge, wie man den Ärztemangel beheben kann, wurden unterbreitet, auch heute hier im Plenum: von einer Umsatzgarantie für Praxen über so genannte Buschzulagen für Landärzte bis zu der Idee, die Kassenärztliche Vereinigung oder auch die Kommunen könnten frei werden Praxen aufkaufen, um sie jungen Ärzten zur Verfügung zu stellen. Auch über eine Zwangsverpflichtung der Studienabgänger für einige Jahre, wie zu DDR-Zeiten praktiziert, wurde kurzzeitig diskutiert. Denn nur ein Drittel der jährlich 2 000 Absolventen des Medizinstudiums geht tatsächlich in Arztpraxen. Die Masse folgt den Verlockungen des Auslands oder der Pharmaindustrie.