In jedem einzelnen Fall der Reform ging es dem Ausschuss um die Priorität der vorgetragenen Sachargumente unter Berücksichtigung zahlreicher Abwägungsfaktoren. Der Bürgerwille ist einer davon. Wir haben uns gerade bei dem Vierten Gesetz bemüht, diesem so weit wie möglich zu entsprechen. Deshalb darf ich namens meiner Fraktion um Ihre Zustimmung zu diesem Vierten Gesetz bitten.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Unsere Haltung zu den einzelnen Neugliederungssachverhalten des Vierten Gesetzes im Innenausschuss war unterschiedlich. Sie reichte von Ablehnung über Enthaltung bis zur Zustimmung. Hier im Plenum wird dieser Gesetzentwurf aber insgesamt zur Abstimmung gestellt. Ein differenziertes Abstimmungsverhalten ist uns deshalb nicht möglich. Folglich müssen wir dieses Vierte Gesetz insgesamt ablehnen. Bei Einzelabstimmungen sähe dies sicherlich anders aus.
Auch im Zusammenhang mit dem Vierten Gesetz möchte ich zunächst zweierlei anmerken. Die Landesregierung und die Ausschussmehrheit sind bei ihren Entwürfen offenbar unter anderem folgendem grundlegenden Fehler aufgesessen: Es reicht nicht aus, dass die Landesregierung zu von ihr angestrebten Neugliederungen Ausführungen macht, denen allenfalls zu entnehmen ist, dass sie die Neugliederung für „wünschenswert“ hält. Der Gesetzgeber muss in jedem Einzelfall darlegen, dass bzw. warum eine bestimmte Neugliederung notwendig und zugleich das mildeste Mittel ist. Das heißt konkret, dass andere leitliniengerechte Alternativen ausscheiden. Das wurde im Übrigen durch die vom Ausschuss gehörten Experten ebenfalls bestätigt.
Es geht hier um Eingriffe des Gesetzgebers in die verfassungsrechtlich geschützte kommunale Selbstverwaltung. Zum Teil besteht aus diesem Grund in den Gemeinden vor Ort noch Klärungsbedarf zu Neugliederungsalternativen, deren Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern im Vorfeld der Gesetzentwürfe offenbar zu kurz gekommen ist.
Ich kann aus Zeitgründen bei diesem Vierten Gesetz wie auch bei den folgenden Gesetzen fünf und sechs nicht auf jeden einzelnen Neugliederungssachverhalt eingehen. Ich muss mich hier auf einige Beispiele beschränken.
reich der Ämter Emster-Havel und Groß Kreutz eingegangen. § 13 des Vierten Gesetzes sieht vor, beide Ämter aufzulösen und aus den verbleibenden Gemeinden dieser Ämter eine amtsfreie Großgemeinde zu bilden.
Das lehnen wir ab. Wir sehen Möglichkeiten zur Bürgernähe und zugleich für leitliniengerechte Neugliederungsalternativen, zu denen auch vor Ort prinzipiell Bereitschaft besteht.
Zu den Neugliederungsvorschlägen in § 1, der die Gemeinden Bredow, Zeestow und Brieselang betrifft, in § 3, der die Gemeinden Falkenrehde, Tremmen, Zachow und die Stadt Ketzin betrifft, in § 4, der die Gemeinde Nitzahn betrifft, in § 7, der die Gemeinde Döberitz und die Stadt Premnitz betrifft, in § 9, der die Gemeinden Hagelberg und Schwanebeck sowie die Stadt Belzig betrifft, sowie in § 12, der die Gemeinden Rottstock und Görzke betrifft, sehen wir nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge keine leitliniengerechten Alternativen zu dem Vierten Gesetz der Landesregierung.
Hieraus wird aber aus Sicht der DVU-Fraktion in besonderem Maße zugleich deutlich, dass ein dringendes Bedürfnis besteht, die Ortsteilrechte der §§ 54 ff. der Gemeindeordnung zu überarbeiten und nachhaltig zu stärken. Nur so kann vor Ort die Bereitschaft gefördert werden, Reformbemühungen freiwillig zu folgen. Dadurch kann den bisherigen Gemeinden ein höheres Maß an Wahrnehmung ortseigener Angelegenheiten erhalten bleiben.
Hierzu muss insbesondere ein weiter gehender Bestandsschutz für bestehende Einrichtungen eingearbeitet werden und ein Mindestmaß an zugewiesenen Mitteln garantiert bleiben. Vernachlässigungen von einzelnen ehemals selbstständigen Gemeinden nach Eingliederungen oder Zusammenschlüssen durch dann dominante Gemeinden müssen auf diese Weise verhindert werden. Einen entsprechenden Änderungsantrag haben wir bereits zu dem Änderungsgesetz der Landesregierung zur Gemeindeordnung gestellt. Dieser wurde durch die Mehrheitsfraktionen im Hause leider abgelehnt.
Gegen die Vorschläge der Landesregierung in § 5 des Vierten Gesetzes, der Nauen-Land betrifft, in § 6, der das bisherige Amt Nennhausen betrifft, in § 8, der das Amt Schönwalde-Glien sowie die Gemeinde Grünefeld betrifft, in § 10, der das Amt Michendorf betrifft, und in § 19, der das Amt Zossen betrifft, haben wir, gelinde gesagt, schwerwiegende Bedenken. Hier ergeben sich durchaus Alternativen, die mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht hinreichend erörtert wurden.
Dem Neugliederungsvorschlag in § 14, der den Amtswechsel der Gemeinde Seeburg in die Gemeinde Dallgow-Döberitz vorsieht, können wir hingegen folgen. Dies entspricht wohl auch dem Bürgerwillen, und dem sollte hier entsprochen wer
den, auch wenn durch die Neugliederung zugleich eine Änderung der Kreisgrenzen erfolgen muss. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch anhand dieses Vierten Gesetzes lässt sich aufzeigen, dass der Ausschuss nicht, wie vom Gemeindetag behauptet, den Regierungsentwurf abnickt. Vielmehr hat sich der Ausschuss auch hier mit den vorgebrachten Argumenten intensiv auseinander gesetzt und auch von der Notwendigkeit des Abweichens vom Regierungsentwurf überzeugen lassen.
Im Mittelpunkt unserer Diskussionen standen hier insbesondere die Ämter Nennhausen, Emster-Havel, Groß Kreutz, DallgowDöberitz, Dahme (Mark) und Niederer Fläming.
Bei den Gemeinden Dallgow-Döberitz und Seeburg des Amtes Fahrland ging es in erster Linie darum, ob ein Zusammenschluss über die Kreisgrenzen der Landkreise Havelland und Potsdam-Mittelmark ausnahmsweise anderen Lösungen vorzuziehen sei. Gründe für einen ausnahmsweise gebotenen Zusammenschluss lagen nach Auffassung des Ausschusses vor allem in der raumstrukturellen Situation der Gemeinde Seeburg, in der Schaffung von Verwaltungseinheiten gleicher Leistungskraft sowie in der Lösung der durch die Stadt-Umland-Situation zu Potsdam liegenden Problematik. Der Ausschuss gab diesen Gesichtspunkten den Vorrang gegenüber den Interessen des Landkreises Potsdam-Mittelmark und dem Erhalt der Kreisgrenzen.
Auch beim Amt Trebbin hat sich der Ausschuss die Gewichtung der entscheidungserheblichen Argumente nicht leicht gemacht. Dem mit Nachdruck vorgetragenen Bestreben der Gemeinde Thyrow, sich gebenenfalls unter Abtrennung einzelner Ortsteile der Stadt Luckenwalde anzugliedern, konnte dennoch nicht entsprochen werden. Vorrangig berücksichtigt hat der Ausschuss hier, dass es bei einer solchen Vorgehensweise zu einer Schwächung der Verwaltungskraft der zukünftig amtsfreien Gemeinde Trebbin gekommen wäre. An deren Stärkung als leistungsfähige Stadt zwischen dem Mittelzentrum Ludwigsfelde und dem Mittelzentrum Luckenwalde besteht ein vorrangiges öffentliches Interesse, um eine nachhaltige und gleichmäßige Entwicklung der Verwaltungsstruktur zu gewährleisten.
Schließlich lag ein Schwerpunkt unserer Arbeit zum Vierten Gemeindegebietsreformgesetz in der Auseinandersetzung um die Verwaltungseinheiten Amt Dahme/Mark und Amt Niederer Fläming. Der Gesetzentwurf sah hier eine Zuordnung des Amtes Niederer Fläming zum Amt Dahme/Mark vor. Diesem Vorschlag schloss sich der Innenausschuss nach intensiver Beratung jedoch nicht an. Dem stand unter anderem entgegen, dass sich die Gemeinde Niederer Fläming unter Einschluss der Gemeinde Herbersdorf mittlerweile freiwillig um die Bildung einer amtsfreien Gemeinde bemüht hat.
strukturellen Gegebenheiten vor Ort. Durch den Zusammenschluss der Ämter Dahme/Mark und Niederer Fläming würde eine Struktur aus fast 50 dörflich geprägten Ortsteilen entstehen, deren am weitesten entfernter Ortsteil 20 km vom Sitz des Amtes Dahme/Mark gelegen wäre. Ein solch extrem großes Gebilde wird vom Ausschuss als nicht sachgerecht angesehen, zumal die vorgeschlagene Alternative leitlinienkonform ist und dem Bürgerwillen weitestgehend entspricht.
Die gegebenen Darstellungen zeigen lediglich einzelne Schwerpunkte unserer Arbeit zum Vierten Gemeindegebietsreformgesetz auf, sind dabei aber durchaus beispielhaft dafür, wie sich der Ausschuss um eine sachliche Lösung im besten Sinne für unsere Gemeinden bemüht hat. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Vierte Gemeindegebietsreformgesetz regelt die gesetzliche Neugliederung in den Landkreisen Havelland, Potsdam-Mittelmark und TeltowFläming.
Der ursprüngliche Entwurf des Innenministeriums war im Ergebnis der ersten Anhörung der Gemeinden und der Einwohner bereits modifiziert worden, so für die Gemeinden Retzow und Selbelang im Amt Nauen-Land und für die Gemeinde Trechwitz im Amt Emster-Havel.
Weitere Änderungen ergaben sich aus den Anhörungen im Innenausschuss und den dort vorgetragenen Argumenten. So soll zum Beispiel die Gemeinde Rottstock in die ebenfalls eher kleinere Gemeinde Gräben eingegliedert werden anstatt in die deutlich größere Gemeinde Görzke. Das Amt Nennhausen wird statt drei vier Gemeinden haben, und Dahme/Mark wird kein Riesenamt, sondern der Niedere Fläming wird dann eben eine, wenn auch kleine amtsfreie Gemeinde bilden.
Für die Gemeinde Derwitz aus dem Amt Groß Kreutz wurde der Vertrag zur Eingliederung in Werder genehmigt, da die Vertreter der Gemeinde mit den Argumenten, die sie dort vorgetragen hatten, überzeugen konnten. Auch Lobbese und Marzahna haben noch einen Eingliederungsvertrag mit der Stadt Treuenbrietzen vereinbaren können, der genehmigt, aber noch nicht rechtswirksam ist. Sie stehen also nur noch vorsorglich im Gesetz.
Diese Beispiele belegen - darauf kommt es mir an -, dass auch die gesetzliche Phase der Gemeindegebietsreform Raum bot, im Rahmen des gesetzgeberischen Leitbildes Alternativen zu finden. Wir glauben, dass hier die besten Alternativen ausgewählt und vorgeschlagen werden. - Ich bitte um Zustimmung.
Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag der DVU-Fraktion in der Drucksache 3/5587, der sich auf Kapitel 2 Abschnitt 1 § 26 bezieht. Es geht um die Änderung des Absatzes 1. Wer diesem Änderungsantrag folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit mehrheitlich abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über das Vierte Gemeindegebietsreformgesetz in der Drucksache 3/5550 einschließlich zweier Korrekturblätter. Wer diesem folgt, möge die Hand aufheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit in 2. Lesung mehrheitlich angenommen und verabschiedet.
Wir kommen zur Aussprache zum Fünften Gemeindegebietsreformgesetz, Drucksache 3/5550 einschließlich zweier Korrekturblätter. Die Aussprache wird eröffnet mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Bitte, Herr Sarrach.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für meine Fraktion habe ich Ihnen bereits in den vorangegangenen Beiträgen begründet, weshalb wir aus grundsätzlichen und materiellrechtlichen Erwägungen die sechs Gesetzentwürfe der Landesregierung ablehnen. Die PDS-Fraktion verwirft diese Gesetzentwürfe aber auch wegen eingetretener Verfahrensverstöße. Die Gesetze können vor der Verfassung des Landes Brandenburg unserer Meinung nach keinen Bestand haben. Der Landtag sollte sich auch nicht als ein demokratisches Feigenblatt für ein angreifbares Gesetzgebungsverfahren missbrauchen lassen.
Es muss daher zurückgewiesen werden, dass mit einer Beschlussfassung zu den Gesetzentwürfen der weite gesetzgeberische Beurteilungsspielraum und die Gestaltungsfreiheit des Parlaments genutzt werden. Das Gesetzgebungsverfahren kannte doch keinen Spielraum für die Beurteilung der konkreten Neugliederungssachverhalte. Seitens der Koalitionsmehrheit von SPD und CDU standen bereits vor der Anhörung der Gemeinden die vorzuschlagenen Ausnahmen grundsätzlich fest. Somit sollte im Gesetzgebungsverfahren nur noch der rechtliche Schein eines demokratischen Abwägungsprozesses gewahrt werden.
Die PDS-Fraktion hat deshalb auf eigene Änderungsanträge schließlich verzichtet, da deren Ablehnung aufgrund der Vorentscheidung in der Koalition bereits feststand.
Hinzu kommt, dass der Ausschuss für Inneres in Verkennung seiner Kompetenz ohne tief gehende inhaltliche Diskussion und vor Beginn der Anhörungen das in den Gesetzentwürfen enthaltene Leitbild des Gesetzgebers unverändert beschlossen hat. Regelmäßig sollte so den von der Landesregierung vorgeschlagenen Neugliederungen diskussionslos gefolgt werden.
Wir rügen aber auch, dass die Gesetzentwürfe formell mit Fehlern behaftet sind bzw. vom Ausschuss nicht ordnungsgemäß behandelt wurden. Diese Kritik ist Ihnen bekannt und wir haben
sie in unserem Entschließungsantrag auch noch einmal aufgeführt. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt wurde grundsätzlich nicht umfassend und richtig ermittelt. Dies ergibt sich schon daraus, dass die umfänglichen Stellungnahmen aus den Gemeinden zu keiner substanziellen Veränderung der Gesetzentwürfe führten. Aber auch die mündliche und schriftliche Anhörung vor dem Ausschuss führte kaum zu einer Berichtigung des Gesetzentwurfs. Entsprechende Hinweise der Gemeinden wollte der Ausschuss häufig nicht mehr berücksichtigen; außerdem konnte er auch wegen des enormen Zeitdrucks, unter dem der Ausschuss seit Oktober 2002 anzuhören und zu beraten hatte, die Fülle der Informationen nicht mehr verarbeiten. Das Erfordernis der nötigen Sorgfalt für das Gesetzgebungsverfahren stand im eklatanten Widerspruch zum vorgegebenen zeitlichen Rahmen.
- Herr Petke, wer hat denn im Innenausschuss Zeitung gelesen oder war vor der Tür, um zu telefonieren?